Donnerstag, 31. Dezember 2020

Das Ende

Das Ende, das in den Anfang übergeht. Die Nacht ist still wie noch noch. Am Tag wurden noch einmal Mülltonnen geleert, die grünen. Und in die geleerte habe ich dann den Rest Herbstlaub gekippt, der noch in einer Ecke wartete. Die Igel behalten ihren Anteil bis zum Frühjahr. Ich fülle im Hellen nochmals alle Futterstellen und überlege, ob ich vorsorglich die Katzenklappe verschließen soll. Aber Herr Caruso ist heute überdurchschnittlich unternehmenslustig. Hab ich schon berichtet, dass er, wenn er verregnet wird und tropfnass nach Hause kommt, wartet, bis ich ihn mit einem sauberen Handtuch trockenrubble? Überall, von allen Seiten. Er genießt das so sehr, dass er sich auf dem Boden langstreckt und kein Tierpsychologe würde auf die Idee kommen, dass dieser unterwürfige Kater seine Herrin beißt!  

Mittwoch, 30. Dezember 2020

Der Letzte

Der letzte Vollmond des Jahres. Der vorletzte Tag des Jahres. Regen. Es ist nichts Klares zu sehen, nur verschwommene Helle. Ein Nachthimmel voller grauer Wolken.

Dienstag, 29. Dezember 2020

Pilze

Es gibt giftige und ungiftige. Glücks- und Unglücks. Pilze. Ich trainiere mit Herrn Caruso Sofasitzen ohne Beißen. Couchpotatoing. Er darf so lange auf meinem Schoß sitzen, wie er will. Vorausgesetzt: er beißt nicht. Das bedeutet: ich muss solange sitzen bleiben, bis er genug hat. Und ich fasse ihn möglichst nicht an. Also: er ist der Herr im Hause. Ein feiner Herr! Darum geht es bei diesem Spiel. Wem immer ich erzähle, wie oft mich dieser Kater schon gebissen hat, schlägt die Hände über'm Kopf zusammen. Nun hat mir die berühmteste Katzenmutter Meldorfs gestanden, dass sie einmal Silvester und Neujahr im WKK verbracht habe, weil ihre greise Katze (eine von ungefähr einem halben Dutzend) sie gebissen habe ... "Pass bloß auf!" Warnt sie. Natürlich beißt der feine Herr Caruso mit Vorliebe am Freitagabend, oder am Samstagvormittag, an Feier- und Festtagen, wenn alle Arztpraxen geschlossen sind. Und natürlich nur auf dem roten Sofa! Meine Hände sind gut verheilt, gestehe nun auch ich. Auch alle anderen betroffenen Körperteile, Handgelenk, Unterarm, Oberschenkel usw. Nichts mehr zu sehen. Ich weiß nicht, ob das an den Keimen liegt, die der Kater mit Biss entweder nicht in seinem Speichel hat oder auf die ich bereits immun bin. Leute! Eigene Abwehrkräfte entwickeln und Giftpilze essen!

Montag, 28. Dezember 2020

"Naomi"

Naomi wird sonntags gern besungen beim Einsingen um 9. Daniel, unser Sonntagssänger kennt eine nette Naomi und braucht für die auf- und absteigenden Tonfolgen dreisilbige Namen. Die Übung startet meist mit Naomi, geht über Rossini weiter zu Caruso und allen anderen Namen, die sofort in den Live-Chat purzeln. Meine "Naomi" ist der Nussknacker, bzw die Nussknackerin, die vor über einem Jahr, am 2.10.2019 (siehe dort) anonym vor meiner Haustür abgelegt wurde. Wie ein Neugeborenes in der Babyklappe. Ich habe sie nie benützt und sie ist kürzlich beim Küchenaus- und Kücheneinräumen originalverpackt wieder zum Vorschein gekommen. Da das Christkind mir in diesem Jahr überdurchschnittlich viele Walnüsse beschert hat, hole ich den Zweit-Nussknacker, die "Naomi" eben, hervor. Die Enttäuschung ist riesengroß. "Naomi" kann keine Nüsse knacken, sondern verteilt - sehr zur Freude von Herrn Caruso! - die ess- und nicht essbaren Bestandteile einer Walnuss unsortiert im ganzen Wohnzimmert! Ich recherchiere im Internet. Und lese in den Kommentaren, dass "Naomi" eher ein "Spielzeug für Männer" sei als ein praktisches Werkzeug. Diese Dritt-Einschätzung führt zurück zur Frage, wer mir "Naomi" geschenkt hat und warum anonym und wozu eigentlich.  

Der Entsorgungshinweis fehlt nicht auf dem Beipackzettel: Naomi gehört ins Altmetall.

Sonntag, 27. Dezember 2020

Hermine

Wer kennt sie nicht? Miss Granger aus Harry Potter! Heute zieht sie über unsere Dächer und Köpfe mit Orkanböen bis 10 Bft oder 110 km/h. Im Schlepptau Starkregen. Benannt ist das Sturmtief nach der deutschen Wetterpatin Hermine Fischbach und wird natürlich deutsch ausgesprochen. Ihre Vorboten donnerten schon in der Nacht durch meine Träume.

Samstag, 26. Dezember 2020

Der innere Frieden

Zufällig hörte ich beim Kochen im Radio - ich habe nicht im Radio gekocht, sondern in meiner Küche, wo auch ein Radio steht - einen einzigen Satz aus einem Gespräch mit Maurice Steger. Auf die (nicht sehr originelle) Frage des Moderators, wie er das zu Ende gehende Jahr als Musiker, Künstler, Mensch bewerte, sagte der Flötist: Ich habe meinen inneren Frieden damit gefunden.

Punkt.

Der innere Frieden wird für so manches bemüht. Und das zu Ende gehende Jahr muss sich viel Gejammer und Geschimpfe gefallen lassen. Den inneren Frieden ausgerechnet in Zeiten einer weltumspannenden Pandemie zu finden, zeugt von großer Größe. 

Die Raunächte haben begonnen. Jedem steht es frei, seinen eigenen inneren Frieden zu finden.

 

Freitag, 25. Dezember 2020

Die Weihnachtsüberraschung

Frost! Sonne! Unglaubliches Licht. Windstille. Nix wie los zum Deich. Nur die Tide ist ungünstig. Sonst könnte ich tatsächlich endlich mein Abbaden nachholen. Das Wasser läuft bereits seit zwei Stunden ab, bis ich ankomme, wird nichts mehr übrig sein. Nur der matte Matsch im Watt.

Donnerstag, 24. Dezember 2020

Das Weihnachtsgeschenk

H. ist entsetzt, dass mich mein Untermieter schon wieder gebissen hat. Ich solle ihn, rät sie, zurückgeben. Das ist ja so, als führtest Du mit einem gewalttätigen Mann eine Ehe.

Zurückgeben? Herrn Caruso? Aber Wem? Und Wohin? Laut Vertrag, den ich mit dem Tierheim abgeschlossen habe, muss ich ihn tatsächlich innerhalb eines halben Jahres an den/die ursprüngliche/n Besitzer/in "zurückgeben", falls der oder die sich meldet, den Beißkater zurückhaben will und alle entstandenen Kosten für seine zwischenzeitliche Versorgung und Unterbringung trägt. 

Herr Caruso ist heute genau 12 Wochen bei mir.

Im Vertrag mit dem Tierheim ist auch festgehalten, dass das Tier erst nach Ablauf eines ganzen Jahres in meinen vollständigen Besitz übergeht. Was das genau bedeutet, habe ich mir nicht genauer überlegt. Herr Caruso, der im Tierheim einen anderen Namen hatte und vor seinem Aufenthalt dort wahrscheinlich nochmal einen anderen, gehört mir also gar nicht richtig. Kann ich zurückgeben, was mir nicht gehört? Gehört er mir auf Probe? Kann ich ihn entlassen? 

Aber, erwidere ich, der Kater ist kein Weihnachtsgeschenk, kein Umtauschartikel und kein LAP. Ich kann keine Scheidung einreichen und ihn nicht, nur weil er die falsche Größe, den falschen Appetit, die falschen Vorlieben hat, nach den Feiertagen originalverpackt und kostenfrei retour schicken.

Mittwoch, 23. Dezember 2020

Die Weihnachtssuppe

Ein wunderbares Rezept: Aprikosen-Steckrübe-Suppe mit knusprig gebratenen Äpfeln und Maronen. Ingwer-Thymian würzig. Warm. Süß. In meiner Variante auch ein bißchen scharf. Wärmt tatsächlich bis in die Zehenspitzen.

Dienstag, 22. Dezember 2020

"Schleswiger Schnee"

Die Biokiste bringt immer wieder Wunderliches zutage. Samenfeste Pastinaken vom Biolandhof Christiansen, Saatgut aus eigener Züchtung. Mit dem schönen Namen "Schleswiger Schnee". So kommt auch der in meine Küche an der Schleswiger Straße.

Montag, 21. Dezember 2020

Die Wintersonnenwende

Bei uns findet sie um 11:02 statt und alles kehrt sich um, aber wirklich alles! Der Lauf am Himmel. Am Abend soll es zu einer ungewöhnlichen Kollision, einer sogenannten Großen Konjunktion am Sternenhimmel kommen. Ein Überholmanöver auf der Autobahn der Gestirne, denn auch im Universum sind nicht alle mit der gleichen Geschweindigkeit unterwegs. Jupiter, der es eilig hat, überholt den gemächlichen Saturn. Und obwohl beide etwa 730 Millionen Kilometer voneinander entfernt sind, soll es von unserer kleinlichen irdischen Perspektive aus so aussehen, als ob sie verschmelzen in einer "innigen Umarmung". Soviel zu diesem trompe-l’œil am Sternenhimmel. Bei uns im Norden, über dem Wattenmeer werden Wolken es gnädig verhängen.

Sonntag, 20. Dezember 2020

Die Fermate

Die Fermate, habe ich eben beim Einsingen um 9 gelernt, heißt auf Italienisch Corona - die Krone! Lateinisch Convenientia, sie ist ein Signum convenientiare. Ein Blick in das Musiklexikon klärt auf: Die Fermate ist ein Ruhepunkt. Die Fermate kann in einem Musikstück entweder auf einen Ton fallen. Oder auf eine Pause. Die Fermate unterbricht den Verlauf der Melodie, die Bewegung im Takt auf einige Zeit. Die betreffende Note oder Pause, über der das Fermatenzeichen wie eine Krone sitzt, ein nach unten offener Halbbogen mit einem Punkt in der Mitte, lädt zum Innehalten ein. Verweile doch ... Meist entscheidet der Taktstock des Dirigenten, wann es in welchem Tempo weitergeht. Also achtgeben! Die Pause ist tonleer und bleibt es auch mit Fermate. Der Ton jedoch ist tonvoll und wird ausgehalten, je nach Interpretatiom und gusto mit crescendo oder decrescendo, lauter oder leiser werdend, intensiver oder schwächer. Was die Komponisten dazu bewegt, Fermaten in ihre Kompositionen zu pflanzen, dazu weiß das Lexikon folgendes:

"Verschiedene Ursachen können den Tonsetzer zu solcher Unterbrechung des Flusses der Taktbewegung veranlassen. Der Ausdruck der Verwunderung, des Erstaunens, eine plötzliche Hemmung des Gefühlsstromes, überhaupt Empfindungen, deren Bewegung selbst einen kurzen Stillstand zu machen scheint oder die gleichsam durch völlige Ergießung momentan sich erschöpft haben, sind hinreichend, die Anwendung der Fermate zu rechtfertigen. Nur darf sie nicht zu häufig und nicht ohne deutliche Motivierung durch den Tongedanken auftreten, sonst wird sie ein kleinliches äußerliches Effektstückchen, bloße Ziererei, und bewirkt, wie alle äußerlichen Mittel, nur das Gegenteil von dem, wozu sie bestimmt ist." https://musikwissenschaften.de/lexikon/f/fermate/

Vielleicht gilt das auch umgekehrt. Für Corona?

Ich schreibe und singe heute einhändig. Trotzdem frohen 4. Advent!

Samstag, 19. Dezember 2020

Der Biss

Sonne ist angesagt und keine lärmenden und staubenden Handwerker. Also Wäsche! Vor Weihnachten, Raunächten usw. Am Mittag setze ich mich auf das rote Sofa und will Kaffee trinken. Herr Caruso will, was er sich in letzter Zeit angewöhnt hat, mir Gesellschaft leisten. Legt sich breit auf meine Oberschenkel und fängt zufrieden schnurrend an, meinen Bauch und die Brust zu treten. Als ich nach der Tasse greifen will, beißt er zu. Heftig, aggressiv, ich spüre es. Er will beißen! Und tut es gleich zweimal. Nachbeißen nennt man das vielleicht. Nachtreten. Ich verschütte vor Schreck den Kaffee, brülle das Raubtier wütend an, was er sich dabei eigentlich denke. Er sucht das Weite. Ich den Wundspray. Das war's für heute.

Freitag, 18. Dezember 2020

Das Pflaster

Es ist noch stockdunkel, als sie zu arbeiten beginnen. Ohrenbetäubend schneiden sie den Asphalt auf im Scheinwerferlicht einer Baumaschine. Direkt vor meinem Fenster. Vor meinem Schreibtisch. Sie beenden ihre Arbeit bei Sonnenuntergang. Den Bürgersteig haben sie mit neuen Platten belegt. Damit sind die Schäden, die der Wasserrohrbruch angerichtet hat, beseitigt. Man kann stolperfrei flanieren. Die Straße hingegen, das Stück, wo die Wucht des Wassers die meisten Risse in den Asphalt gezogen hat, pflastern sie notdürftig. So dass Autos darüber hinwegfahren können. Im nächsten Sommer, sagen sie zum Adieu, wird neu asphaltiert. A Dieu!

Donnerstag, 17. Dezember 2020

Das Zimmer

Ich kann unter den momentanten Umständen nicht am Schreibtisch sitzen. Zuviel Unruhe rund herum. Wasseradern? Unterirdische und oberirdische? Ich streiche das Wohnzimmer, bzw. das, was es mir an freien Wänden zu bieten hat. Rücke Möbel, Teppiche, verscheuche den Kater (das wird mich noch teuer zu stehen kommen!), putze vor Sonnenuntergang die großen Fenster von innen und außen. Beeile mich, in der einbrechenden Dunkelheit alles wieder hereinzuräumen. Die Pflanzen, die den ganzen Tag im warmen Winterregen draußen verbrachten ... und dann müssen alle Teile wieder an ihren angestammten Platz rücken. Oder einen neuen einnehmen.

Mittwoch, 16. Dezember 2020

Das Wasser

Das Wasser gurgelt nicht, es blubbert, drängt, sprudelt, strömt schmutzig und heftig aus dem Boden. Kurz nach Mitternacht. Ergießt es sich über die ganze Straße. Die Gullis sind noch verstopft vom Laub diesen Herbstes, unten an der Kreuzung bildet sich bereits ein See. Alle Nachbarn schlafen. Ich rufe die Feuerwehr an. 

Ich hätte auch bereits im Bett sein können. Ich warte, bis einer vom Wasserverband aus dem Schlaf geklingelt wird und das Wasser abstellt, zuerst den Gulli freischaufelt, dann unter dem Schlamm den Wasseranschluss sucht und abdreht. Ich laufe derweil unbekümmert den nassen Bürgersteig auf und ab. Er sagt, er würde die Stelle noch absichern. Woher weiss er, wundere ich mich, welche Stelle er absichern muss?

Beim Hellwerden am Morgen sehe ich, wie die abgesicherte Stelle aussieht und erschrecke. Ich hätte tatsächlich zu nachtschlafener Zeit Hals und Bein brechen können! 


 


 

 

 

 

 

Am Mittag sieht die abgesicherte Stelle im Sonnenschein so aus. Ein neues Stück Wasserleitung ist eingesetzt. Die monströse Grube wird wieder zugeschüttet. Die Straße muss auf der ganzen Breite und Länge neu asphaltiert werden, der Druck des aus der Leitung befreiten Wassers hat die Asphaltdecke hochgehoben. Und der Bürgersteig muss gepflastert werden. Wahrscheinlich erst im nächsten Jahr. Und so kommen wir weiterhin ohne Hals- und Beinbruch durch den Lockdown. Wie lange er auch dauern mag. Denn die Krankenhäuser haben bestimmt keine freien Betten für uns!

Dienstag, 15. Dezember 2020

Das Glarnerland

Das Glarnerland ist kein fiktives Land wie zB das von mir erfundene Fölmliland oder das Leseimperativtal. Im Glarnerland wird heute meine letzte Tante beigesetzt. Mit ihr wird die Generation unserer Eltern zu Grabe getragen. Abgeschlossen. Beendet. Niemand lebt mehr, der erheblich älter ist als wir und entsprechend andere Erfahrungen im Leben eingesammelt hat. Nun sind wir an der Reihe, egal wo wir wohnen, ob im Glarnerland, im Schwarzbubenland oder in Europas größtem zusammenhängenden Kohlanbaugebiet, dem Ditschiland.

Montag, 14. Dezember 2020

Der Neumond

Auch deswegen wären die Geminiden, der stärkste Meteorstrom des Jahres, letzte Nacht besonders gut zu sehen gewesen: weil der Mond abnehmend war und heute neu ist. Aber es war, wie gesagt und befürchtet, gar nichts zu sehen. Nicht über dem Wattenmeer. Nur Trübsinn. Nebel. Undurchdringliche Nacht.

Sonntag, 13. Dezember 2020

Die Geminiden

Dritter Advent. Heute heißt es im Garten schlafen und in den Himmel gucken. Also nicht schlafen. Die Augen offen halten. Noch besser: das Lager in der Feldmark aufschlagen. Und den Sternschnuppenschauer auf sich, auf mich nehmen.

Wenn nicht über dem Wattenmeer schon den ganzen Tag Niesel und Nebel lägen. Und die Sicht in den Himmel versperrten. Die Temperaturen im unteren einstelligen Bereich verharrten.

Samstag, 12. Dezember 2020

Das Gurgeln

Das Gurgeln ist das neue AHA. So ein bisschen wie Händewaschen. Eigentlich ganz normal. Trotzdem tun es die meisten nicht. Oder taten es nicht. 

AHA heißt Abstand, Husten und Alltagsmaske. Oder Abstand, Hygiene und Alltagsmaske. Weil Hygiene mehr bedeutet als nur Husten (in die Armbeuge). Händewaschen, zB. nach dem Toilettengang. And now wash hour hands! Und nun: Gurgeln. Großartige Erkenntnis den Herrn Gesundheitsministers. Das wussten schon unsere Großmütter. Am besten mit Salzwasser. Ich mochte das nie, aber natürlich hat es immer geholfen. Bei Halsweh. Erkältung. Heiserkeit. Belegter Stimme.

Freitag, 11. Dezember 2020

Der Fisch

Freitag. Markt. Ich kaufe frischen Fisch. Es gibt Leute, die machen das jeden Freitag. Ich nur sporadisch. Wenn mich der Heißhunger überfällt. Ich brauche auch Kartoffeln. Die hole ich aus dem Kartoffelautomaten. Markt hin oder her. Die Küche riecht immer noch zu neu. Da hilft alles Lüften nichts. 

Donnerstag, 10. Dezember 2020

Die Wut

Erbost jagt mir Herr Caruso nach. Weil ich die Teppe hochsteige. Und nicht die Küchentür öffne. Er hat Hunger. Reißt mit den Krallen meine Hose am Oberschenkel auf und beißt mich ins Handgelenk. Ich schreie ihn an, was ihm einfalle. Mich zu beißen! MICH! Er saust die Treppe hinunter und verschwindet aus der Katzenklappe. Mit dem Hunger.

Mittwoch, 9. Dezember 2020

Der Eimer

Ich habe einen Eimer Farbe für die Küche gekauft. Vorausschauend einen großen Eimer. Wenn ich schon Frische Farbe kaufe. Dachte ich. Hab ich noch ein paar andere Wände und dunkle Ecken. Und ich werde, nahm ich mir vor, steichen, bis der Eimer leer ist. Mein guter Vorsatz, bereits im November gefasst! Der Eimer ist nach der Küche, dem japanischen Zimmer, dem Flur und dem halben Treppenhaus (die obere Hälfte überlasse ich dem Himmel) immer noch nicht leer. Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als demnächst das Wohnzimmer in Angriff zu nehmen. Ich spare es mir für Weihnachten auf und werde bei Kerzenschein Möbel rücken, Bücher stapeln, Regale von den Wänden ziehen sowie das mittlerweile hundertzwanzigjährige Liegnitz ...falls der Eimer dann immer noch nicht leer ist, weil er ein Wundereimer ist und sein Inhalt über Nacht immer wieder nachwächst, ja dann ...

Dienstag, 8. Dezember 2020

Der oder Das

Ziesel. Der oder das Arktische Ziesel, sagt der Duden, weil er sich nicht entscheiden kann. Die Polen haben es einfacher und nennen das Tier susłogon arktyczny. So oder so ist es ein tagaktives Eichhörnchen, das sich in einen Erdbau zurückzieht, wenn es müde wird. Dort verbringt es auch seinen Winterschlaf: mehr oder minder 8 Monate. So lange es eben zu dunkel ist über dem Erdboden. Das Tier - der oder das arktische Ziesel - passt sich der Umwelt an. Seine Körpertemperatur sinkt dabei unter den Gefrierpunkt, bis zu -3°! Es erfriert aber nicht. Obwohl es, im Gegensatz zu vielen Polen, kein Alkohol im Blut hat. Und das Gewebe wird durch die Eiskristalle nicht zerstört. Es atmet vielleicht noch einmal in der Minute und übersteht den Genderstreit in der deutschen Sprache gelassen.

Montag, 7. Dezember 2020

Die Milch

Der größte Vorteil der neuen Küche ist das Kochfeld mit Timer. Die einzelnen Kochplatten lassen sich individuell einstellen, nicht nur auf Wärme, sondern auch auf Zeit. Ich kann, wenn ich meinen Spätvormittagsespresso aufsetze und die Milch nicht kühlschrankkalt dazu gießen möchte, ein kleines Kochfeld auf Stufe 6 5 Minuten einstellen und weiter fröhlich durch Haus und Garten tigern oder meine Gedanken sortieren am Schreibtisch. Die Milch wird nicht mehr vergessen und sich nicht mehr rächen für das Vergessen (sprich: überkochen), nie wieder. Das entsprechende Kochfeld schaltet sich ohne mein weiteres Zutun rechtzeitig ab. Zwar ertönen noch Alarmlaute, völlig überflüssig und leider penetrant. Ich habe noch nicht herausgefunden, wo die eigentlich herkommen und wie ich sie unterdrücken kann. Kommt Zeit, kommt Rat. Ich will ja nicht gewarnt werden, sondern nur mich beruhigt zurücklehnen, weil die Milch nicht mehr überkochen kann.

Sonntag, 6. Dezember 2020

Der Nikolaus

Am frühen Sonntagmorgen steht tatsächlich auf meinen ungeputzten Gartenclogs vor der Tür ein Tütchen mit Nüssen und Marzipan. Und einem Gruß vom Nikolaus.

Samstag, 5. Dezember 2020

Der Stiefel

Statt mit Stiefeln hantiere ich mit Lappen, Pinsel, Rolle, Bürsten. Ich streiche Wände. Reinige Räume, wie ich es noch nie in meinem Leben getan habe. Frühlingsputz im Advent. Nach der Küche ist das Tatamizimmer an der Reihe und dann kommt der Flur mitsamt Treppenhaus hoch in den Himmel. Ich eliminiere by the way sämtliche Spuren von Herrn Rasputin im Haus, der liebend gerne seine Krallen an den Tapeten gewetzt hat. Herr Caruso ist da vornehmer und zurückhaltender - flieht aber gerade ins Obergeschoss oder aus der Klappe in den Garten. Er versteht mein Tun nicht, mag den frisch-gestrichen-Geruch nicht, und soll ja auch nicht ständig durch Farbkleckse auf dem Boden tappen.

Freitag, 4. Dezember 2020

Der Schlaf

Ja, Winter wird's. Barbaratag. Der Wind pfeift um die Ecken. Ich warte auf mein morgendliches Stelldichein mit dem Bäcker. Er ist unterwegs in seine Backstube, muss, wie er berichtet, Notfalleinsatz leisten. 3 im System verloren gegangene Meterbrote backen. Das sei ein unrentabler Aufwand, aber für gute Kunden mache er das. Auch wenn wahrscheinlich der Kunde vergessen habe zu bestellen. Ich will wissen, ob das Meterbrot einen Meter lang ist. Er lacht. Die Leitung ist gut. Nein, nur 80 cm. Aber so heißt es. Immerschon. Eignet sich für Schnittchen. Und die Tageslosung sagt: 

Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und hernach lange sitzet und esset euer Brot mit Sorgen; denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf.
Psalm 127,2

Donnerstag, 3. Dezember 2020

Die Not

Die Not ist groß zwischen einem Mittwoch und einem Freitag im Dezember an der Nordsee. Ich fange an, die Orientierung in der Zeit und im Raum zu verlieren. Noch nie ist es mir so unangenehm aufgefallen, wie dunkel der Dezember ist - und der hat ja gerade erst angefangen und seine Tage werden mit jedem Tag noch kürzer. Noch nie - seit ich denken kann - ist ein Jahr so monoton und ereignislos vergangen. So dass ich es aus meiner persönlichen Biografie jetzt schon streichen könnte.

Mittwoch, 2. Dezember 2020

Der Tag

Der Tag beginnt, wie gesagt, spät. Meist flackert etwas Licht kurz vor der Abenddämmerung auf. Aber umso intensiver. Überraschend. Am Himmel und an den Hausecken der Nachbarhäuser. Aus Westen. Bevor die Straßenlaternen angeknipst werden. So zwischen 14 und 15 Uhr.

Dienstag, 1. Dezember 2020

Das Los

Es wird kalt und ungemütlich. Tageslichtlos.Wetter zum schlafen,. Ich glaube, kastrierte Kater halten wie Bären Winterschlaf. Herr Caruso möchte nur noch vor der (geschlossenen) Küchentür liegen. Damit er in Ruhe schlafen kann und doch keinen Moment verpasst, wenn ich diese für ihn so magische Tür zum Nirvana öffne. Ein Adventskalender mit nur einem Türchen, das ist sein Los

Montag, 30. November 2020

Vollmond

Vollmond. Erster Advent. Sonntag. Sonne. Ich lese, dass die Mehrheit der Anhänger des noch amtierenden amerikanischen Präsidenten seinen Lügen glaubt. Das wundert mich nicht. Man muss es nur oft genug wiederholen, damit es sich in den Köpfen festsetzt und Wirklichkeit wird.

In Polen wiederholte der einsame Zwilling jahrelang, sein Bruder sei einem Anschlag zum Opfer gefallen. Natürlich glaubten es alle seine Anhänger mitsamt der katholischen Kirche. Sie waren ja alle beteiligt an allmonatlichen Zeremonien, Demonstrationen, Versammlungen, sonntäglichen Donnerpredigten von den Kanzeln  - man wollte nicht nachlassen, bis "die Wahrheit" ans Licht käme. Und irgendwann hörte der Spuk einfach auf. Weil niemand mehr Lust hatte, niemand mehr das immer massivere Aufgebot von Sicherheitkräften zum Schutz des kleinen Mannes und seiner kleinlichen Lügen finanzieren wollte. Kürzlich las ich eine winzige Notiz. Dass nun Moskau das letzte Telefongespräch der Zwillinge wenige Minuten vor dem Flugzeugabsturz einsehen wolle. Der einzige, der nämlich die ganze Wahrheit kennt, ist der Lügner selbst. Und natürlich alle Geheimdienste der Welt.

Sonntag, 29. November 2020

Teamwork

Ich räume alles wieder ein. Bin hundemüde. Der Kater entdeckt als erstes den neuen Weg zu seinem Futtervorrat. Ich jage ihn hinaus, brauche nur die Sprühflasche in die Hand zu nehmen und er ergreift die Flucht.

Freitag, 27. November 2020

L wie ...

 ... Lüften. Mit ziemlich gemischten Gefühlen habe ich gestern verfolgt, was alles in meine Küche hineingetragen und verbaut wurde. Fast doppelt soviel Müll fiel an, das kleinste Teil war verpackt, verschweißt, zugeklebt. Ich putze, sperre Fenster und Türen auf, um Durchzug zu produzieren und unangenehme Gerüche loszuwerden. Der Ablauf unter der Spüle tropft. Der Monteur kommt noch einmal und verrät mir, wie ich mit einem Handgriff die Schublade aus- und wieder einhängen kann.

Mittwoch, 25. November 2020

L wie Lauf ...

 ... der Dinge. Ich streiche noch einmal über das Küchen-L. Es verschwindet optisch in der Wand - hockt dort aber versteckt und unzerstörbar für alle Zeiten. Ich hole noch einmal Laub vom Rasen mit dem Rasenmäher. Und sinniere über des Messers Schneide. Die Schweiz hat einen neuen Röstigraben, dh der alte bestätigt sich und passt sich den Zeitläuften an, er heißt nun Coronagraben. Das Virus hält sich offenbar exakt an die Sprachgrenzen, an den berühmten Kantönligeist, an die alten Fehden und Feindschaften. Es grassiert fröhlich in der Romandie. Auch im Tessin, wo es irgendwann im Frühjahr Anlauf genommen hatte. In der deutschsprachigen Schweiz hingegen wird ihm Einhalt geboten. Das kann natürlich so plakativ nicht stimmen, sagt doch die Statistik, dass die Schweiz zur Weltspitze gehört, die Todesfälle mit oder durch Covid-19 betreffend. Kürzlich rief die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin dazu auf, Risikopatienten mögen ihre Patientenverfügung überprüfen auf lebenserhaltende Massnahmen, auf die sie zu verzichten bereit wären. Weil eine "vollständige Auslastung" der Intensivbetten drohe. Fast gleichzeitig war in der NZZ zu lesen, dass die Schweiz "wo andere Hygienekonzepte gelten" das "Glück der Stunde" (sic!) nutze und davon "profitiere", dass im benachbarten Ausland, in Deutschland und Österreich der Kulturbetrieb heruntergefahren wurde. Zitat: "Am Luzerner Theater führt das Glück der Stunde zu einer überzeugenden Erstaufführung der Tetralogie «Meine geniale Freundin» der italienischen Bestseller-Autorin Elena Ferrante. Und dazu, dass manche Bühnenkünstlerinnen und Bühnenkünstler temporär in die Schweiz umziehen." Zitatende.

Dienstag, 24. November 2020

L wie Lotse

Der Lotse - die "Sozialdemokratische Zeitung für Bürgerinnen und Bürger in Meldorf und Umgebung" landet so unverlangt in meinem Briefkasten wie das Kirchenblatt. Ich gehöre weder dem einen noch dem anderen Verein an. Auf die Bitte "Keine Werbung bitte" am Briefkasten reagieren ihre Verteiler stoisch nicht. Darin unterscheiden sie sich von den Verteilern kommerzieller Werbeblättchen. Die können lesen und respektieren meinen Werbefreiheitswunsch. Nun denn. Der Lotse. In neuer, billiger (Zeitungspapier), stinkender (Druckfarbe) Aufmachung. Bringt u.a. ein "Resümée" der amtierenden Bürgermeisterin nach einem Jahr im Amt. Und was hat sie uns zu sagen? Dass sie ihr Wahlversprechen eingelöst und aus ihren Werbeplakaten Taschen habe nähen lassen. Da ist America First nix dagegen. Sie, die amtierende Meldorfer Magistratin machte nämlich Wahlkampf mit "Mehr Meldorf geht nicht". Mit dieser zweideutigen (immerhin ausgrenzenden) Aussage sollen nun die Leute für den Rest ihres Lebens einkaufen gehen? Kein Wort im "Resümée" von "bezahlbarem Wohnraum für alle", "kompostierbaren Hundebeuteln" oder "Baustellenaufsicht" (um nur einige Schlaglichter zu nennen, mit denen sie bei einer Podiumsdiskussion zusammen mit der Mitbewerberin vor der Wahl um das Amt buhlte). Alles Dinge, die man auch unter Coronbabedingungen hätte in Angriff nehmen können. Dafür die Aussage "Überhaupt ist mir der Dialog wichtig" - nach der Feststellung, dass es noch keine Bürger*innen-Sprechstunde gibt. Aber sie sei ja "viel in Meldorf unterwegs", sie "bewege sich in der Innenstadt und in den Geschäften, auch auf dem Markt". Hat die Dame kein Büro? Nichts zu tun am Schreibtisch? Sprachlich ist das Resümée eine Katastrophe, inhaltlich leer. L wie leer. 

Montag, 23. November 2020

L wie ...

 ... Lob, Leid, Licht oder Luft. Zweisilbig Lupe, Lippe, Lachen. Dreisilbig Lorenzen. Neben der neuen Steckdose für den neuen Backofen hat mir der Tapezierer ein L an die Wand geklebt. Ich bin versucht, es zündrot zu überpinseln, statt mit lösemittelfreiem Malerweiß, mit garantiert hoher Deckkraft. Farbe als Warnung an die Menschheit. Hier stimmt etwas nicht. Hier läuft eine elektrische Leitung mitten durch die Wand. L wie Lebensgefahr oder Linealgerade. Die Lösung liegt im linken Winkel.

Sonntag, 22. November 2020

Sonne

Ich nutze das Tageslicht. Die Tage werden immer kürzer. Ich habe immer weniger Zeit für Dinge, die nicht am Schreibtisch stattfinden. Also hole ich meine Leiter bei den neuen Mietern und streiche völlig leere meine Küche. Bis auf die zersäbelte Wand. Die muss zuerst verarztet werden. Ein lange nicht mehr dagewesenes Gefühl stellt sich ein. Wände weiß streichen. Hat etwas kontemplatives und sentimentales. Auch reinigendes. Seltsamerweise erwachen Vergangenheiten, die an ganz anderen Orten stattgefunden haben. Zum Sonnenuntergang nachmittags um vier (!) fahre ich durch die Marschkammer und liefere ein Geburtstagsgeschenk ab. 

Samstag, 21. November 2020

Nebel

Es gibt Tage im November, da wird es gar nicht hell. Nicht einmal der Kater mag sich von seinem Sofa wegbewegen. Die Tierärztin meinte kürzlich, er könnte auch älter sein. Älter als die "4-5 Jahre", auf die ihn das Tierheim einschätzte. Und seine Empfindlichkeit am Bauch könnte in Wahrheit eine Empfindlichkeit am Rücken sein, an der Wirbelsäule. Altersbeschwerden. Ich wundere mich, seit er bei mir ist, dass er so viel schläft. Und so wenig aktiv ist. So wenig verspielt. So träge. Und zurückgezogen. Eigensinnig. Er kommt nur zu mir, wenn er Hunger hat. Aber auch er spürt den Winter. Mittlerweile verlässt er immerhin mehrmals täglich für längere Zeit das Haus. Länger heißt nicht nur zum kacken in Nachbars Garten. Was er nachts macht, entzieht sich meiner Kenntnis. Er residiert unten, ich oben.

Freitag, 20. November 2020

Relax

Schon mal ein Vorgeschmack - auf einsame Weihnachten.

Der Elektriker war da und hat die Wand zersäbelt. Nun muss ich noch neu tapezieren. Der Kater war in heller Aufregung ob dem Lärm. Ich bin hundemüde, obwohl ich nichts getan habe. Allein die Anwesenheit anderer Menschen und ihrer Werkzeuge erschöpft mich. Also ergebe ich mich dem streaming - interessant die Frage irgendwo mittendrin, ob wir mit offenen Augen (mit Bild) anders hören als mit geschlossenen Augen (ohne Bild):

Donnerstag, 19. November 2020

Sturm

 Ja, ich habe normalerweise einen geregelten Tagesablauf. Heute gerät einiges durcheinander. Während der Trampolin- und Einsingzeit bauen zwei Handwerker meine Küche ab. Ja, dafür reicht denen eine Stunde. Danach muss ich den Kater beruhigen, der die Welt nicht mehr versteht, weil da, wo bisher immer sein Futter herkam, nichts mehr ist. Gar nichts mehr! Er gerät in leichte Panik und mich packt die Faszination des leeren Raumes. Die Küchenbauer sind gegangen. Und bis sie wiederkommen, muss ich jemanden finden, der die Eckventile austauscht. Ein einfaches sowie eines mit Geschirrspülerabgang. Na ja. Man lernt nie aus, auch als Frau nicht. Hinter den abgebauten Einbauschränken sind Originaltapetenreste zum Vorschein gekommen. Blümchen in düsterem ockergelb und braunorange. Sehr traurig! Draußen fegt der Sturm von Nordwest mein Laub durch die Gegend. Ich hätte mir die gestrige Gartenarbeit sparen können.

Mittwoch, 18. November 2020

Noch mehr Regen

Am Morgen. Am Nachmittag soll es aufklaren. Dann kann ich Laub einsammeln rund ums Haus. Arbeiten im Lockdown. Da ich nicht nach Nordfriesland fahren kann, telefoniere ich jetzt täglich von 06:44 bis 07:16 mit dem frischgebackenen Vater. Das ist kein übler Scherz. Auch ein Bäcker wird Vater. Er bringt jeden Morgen seine Stieftochter zum Schulbus. Die Mutter stillt den Neugeborenen. Und die Tochter soll nicht auch noch die Schule wechseln müssen, nachdem so vieles in ihrem Leben gewechselt hat. Auf der Hinfahrt unterhalten sich die beiden über Gott und die Welt. Auf der Rückfahrt unterhält sich der Bäcker mit mir über Brot und die Familie. Ich darf fragen. Er muss antworten. 

Dienstag, 17. November 2020

Regen

Herr Caruso kratzt sich weiterhin. Bekommt Cortison gegen den Juckreiz. Kein Antibiotikum, weil die Stelle (noch) nicht entzündet ist. Ich soll beobachten (und wiederkommen, falls ...). Wenn es geht, etwas Honigsalbe auftragen. Das lässt er sich soger gefallen. Geht spazieren. Kommt tropfnass nach Hause. Stellt sich neben mich und wartet darauf, dass ich ein Handtuch hole. Ihn trockenrubble! So etwas hat Herr Rasputin nie toleriert. Überhaupt sind die beiden Kater wie Tag und Nacht. Mein bisswütiges Raubtier ist manchmal bedürftig wie ein Baby. Wenn er verregnet wird, weiss er offenbar nicht, wie er aus seinem nassen Pelz herauskommt. Herr Rasputin verzog sich jeweils in eine Ecke und putzte sich mit Inbrunst. Mindestens eine halbe Stunde lang. Dabei wollte er auf keinen Fall gestört, angefasst oder angesprochen werden.  

Ich habe eigentlich anderes zu tun. Die Küche entleeren. An meinem Text schreiben. Laubberge abtragen.

Montag, 16. November 2020

Pusteln

Es hilft nichts. Herr Caruso muss in den Korb und im Korb aufs Fahrrad und auf dem Fahrrad mit mir zur Tierärztin. Unter Coronabedingungen. Ich mit, er ohne Maske. Er hat keine Milben. Keine Flöhe. Die Pusteln am Hinterkopf kommen vom Kratzen. Und die blutige Stelle, na ja, die sieht schlimm aus. Die Tierärztin vermutet allergiebedingtes Kratzen. Aber worauf sollte er plötzlich allergisch sein? 

Das allerschlimmste an einem Tierarztbesuch ist das Tier. Der Kater ist ausser sich und wehrt sich, wo er kann. Zur Untersuchung steckt ihn das Praxisteam in ein gepolstertes Mäntelchen. Da tut ihm nichts weh und er sieht sogar niedlich drin aus. Er hält still und lässt sich die Ohren ausleuchten. Alles gut, sauber geputzt. Kaum will die Ärztin (der Ordnung halber, vermute ich oder Coronabedingt) Fiebermessen, entwischte er ihr. Denn dazu muss sie den Reißverschluss des Polstermäntelchens hinten gerade mal einen halben Zentimeter aufmachen. Der Spalt reicht und der Kater nimmt Reißaus. Strampelt sich blitzartig frei und springt vom Behandlungstisch. Ich muss gestehen, dass mich seine Reaktion beeindruckt und dass ich insgeheim stolz bin auf dieses Raubtier! Leider ist er dann nicht zu bewegen, freiwillig wieder in den Transportkorb einzusteigen. Die Lockungen mit Leckerlis (kennt er ja schon, ist reine Hinterlist) bringen nichts. Er demoliert das halbe Sprechzimmer, springt über die Computertastatur, fegt alles vom Schreibtisch, versucht ein Fenster hochzuklettern. Die Tierärztin kommentierte sein Verhalten gelassen mit "konsequent". Da ist er schon sehr konsequent, sagt sie und: das wollte ich ihm eigentlich ersparen ... sie fängt ihn mit einem überdimensionierten Schmetterlingsnetz aus bissfestem Material ein. Er schnaubt und wütet, der dumme Kerl! Hat hat noch nicht begriffen, dass er nur in diesem Korb wieder zu mir nach Hause und an seinen Fressnapf kommt.

Sonntag, 15. November 2020

Neumond

Neumond in der Mitte des Monats. Ich fange an, die Küche auszuräumen. Ein ziemlich heilloses Unterfangen. Herr Caruso kratzt sich am linken Ohr blutig. Mir schwant Schlimmes.

Samstag, 14. November 2020

stehlen

Laut Duden bedeutet das Verb "stehlen" fremdes Eigentum, "etwas, was einem nicht gehört" in seinen Besitz bringen. Heimlich oder unbemerkt an sich nehmen. Vielleicht ist das im Englischen/Amerikanischen anders. To steal the limelight? to steal sb's heart? to steal sb's thunder? to steal a march on [the competition] im Sinne von  to be one step ahead?

Deutsch kann man höchstens jemandem die Show oder Schau stehlen (im englischen auch: to steal the scene / the show from sb), nicht aber die Wahl. Alle, die ein Wahlrecht besitzen (= ein entsprechendes Alter erreicht haben sowie die entsprechende Nationalität besitzen) können es unbenommen ausüben und sich so an der Wahl beteiligen. Man kann höchstens den Wahlzettel stehlen, oder die ganze Wahlurne, etwas Konkretes eben - aber nicht den Wahlvorgang an sich, das Abstraktum Wahl! Wo soll man das denn hinstecken?

Warum wiederholen alle unreflektiert diesen sprachlichen Unsinn? Tagaus, tagein, seit Wochen, Monaten?

Wahlen kann man fälschen, aber nicht stehlen. Wusste das dieser plötzlich Ergraute (auch da ist er nicht der Einzige in der Geschichte) nicht ?

Freitag, 13. November 2020

Freitag der Dreizehnte

Es ist der zweite und letzte in diesem Jahr. Am ersten, im März, begann diese neue Ära, die bis heute nicht zu Ende ist. Sondern im Gegenteil gerade in Schwung kommt. Lockdown, homeoffice, newspeak oder traditionell Stubenhocken, auf sich selbst zurückgeworfen und in die eigenen vier Wände eingekapselt in jedem Menschen eine potentielle Bedrohung (Virenschleuderer) sehen. Nicht schön. Und man kann es keiner/keinem verübeln, die oder der in solchen Zeiten Allmacht- oder Heilsbringerphantasien entwickelt. Irgendwo am Horizont muss doch Rettung in Sicht sein. Herr Caruso hat mir heute erlaubt, eine Zecke von seinem Genick zu entfernen. Das ging nicht ganz ohne Hinterlist (Futter vorenthalten - Rat der Tierärztin: immer mit einem nüchternen Tier in die Praxis kommen), aber ganz ohne Bissattacke. Ich frage mich allerdings, warum Mitte November immer noch Zecken unterwegs sind. Und warum die Chemiekeule, die ich ihm auf Anraten eben jener klugen Tierärztin und gegen meine innere Überzeugung verpasst hatte, die Parasiten nicht erfolgreich fernhält. Ich werde wieder - das ist die Zukunftsperspektive unserer Hausgemeinschaft - zu meinem Hausmittel greifen: Biokokosfett mild gedämpft. Er mag das oder fürchtet es zumindest nicht (wie Herr Rasputin, der nun, Gott hab ihn selig, unter einer dicken Laubdecke im Garten liegt), hat mir die Reste gerade neugierig von den Fingerkuppen geleckt.

Donnerstag, 12. November 2020

Sehnsuchtsorte

 Jetzt ist daraus unverhofft und allen Krisen zum Trotz ein Buch geworden: 

Ich blättere ganz ungläubig und staunend, mein Japsand-Sehnsuchtsort ist drin und viele andere, wunderliche Orte und Geschichten. Ich lese und gucke die halbe Nacht. Wer schon an Weihnachten denkt oder immer noch nicht alle Geschenke beisammen hat: versandkostenfrei zu beziehen beim Achter-Verlag: achter-verlag@t-online.de oder in Meldorf im Peter Panter Buchladen zum Preis von 22,50 €.

ISBN 978-3-948028-091

236 Seiten, 200 Fotos und - wie immer bei diesem Verlag: sorgfältig gestaltet, Hardcover, Fadenheftung und Lesebändchen!

Mittwoch, 11. November 2020

Schlüsselloch

Schlüssellochperspektiven oder Nadelöhraussichten: Das Wort zum Tag (nicht meine Schöpfung, sondern die des Evangelisten Markus): 

Was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele?
Markus 8,36

Kürzlich sagte ein kluger Mensch (David Grossman) sinngemäss, alles Wesentliche der großen Weltgeschichte geschehe innerhalb der Familie, nicht in der Politik, nicht in der Wirtschaft und nicht in der Kultur. Ich bin nicht sicher, ob ich ihm wirkllich zustimmen mag, aber unter den momentanen Bedingungen (Nordseemorgennebelfelder) wäre ein Blick über den großen Teich sehr verlockend, in ein Weißes Haus (ist das wirklich weiß?), ins Schlafzimmer - oder meinetwegen an den Frühstückstisch - eines Mannes, der sich gerade vor der ganzen Welt blamiert.

Dienstag, 10. November 2020

Laub

Ich wate durch mein Laub. Zerhäcksle es mit dem Rasenmäher. Der Nachbar jagt vereinzelten Blättern in seinen Beeten mit dem Laubsauger nach. Die meisten Blätter fallen in meinen Garten. Oder auf die Straße.  Wir müssen uns ranhalten. Denn das magere Licht, das schon den ganzen Tag nur mühselig durch den Nebel sickert, wird bald von seiner Qual erlöst.

Montag, 9. November 2020

Zwischentöne

Nebel. Herr Caruso bringt schöne kugelrunde tiefrote Bluttropfen nach Hause. Eine hängt über der Katzenklappe. Die anderen tropfen vor seiner Schnauze auf den Fußabtreter, auf dem er sich auszuruhen geruht von den Strapazen auf der anderen Seite der Welt. Er scheint unverletzt, soweit ich das sehen und beurteilen kann. Also war er auf der Jagd! Hat sich Nachtisch besorgt, nach meinem liebevoll für ihn zubereiteten, aber zugegebenermassen nach striktem Diätplan abgewogenen Frühstück! Sobald es richtig hell ist, werde ich den Garten nach dem Kadaver absuchen. Noch hat er mir keine Trophäen vors Bett oder auf den Perser gelegt. 

Sonntag, 8. November 2020

Farbenspiel

Der Herbst leuchtet! Wir (Ihr) hatten(t) auch einmal einen Bundeskanzler mit einem "Riesen-Ego" (Zitat Handelsblatt). Aber sein selbsternannter Wahlerfolg war von kurzer Dauer und ging nicht um die Welt. Vielleicht muss einer, der nicht verlieren kann, tatsächlich Präsident der Vereinigten Staaten werden, um genau das zu lernen. Eine ehemalige EKD-Vorsitzende sagte nach ihrem selbstgewählten Rücktritt, sinngemäß, es könne niemand "tiefer als in Gottes Hand" fallen. Vor dem Fall steht der Aufstieg. Niemand weiß es besser, als die Boulevardmedien (nicht nur die, die sogenannten sozialen können's tatsächlich besser), wie ein Fallen effektiv ausgeschlachtet (ja, unappetitlich!) werden kann. Je höher der Höhenflug, desto tiefer der Absturz. Wir dürfen gespannt sein, wie es dem Verlierer gelingt, sein Gesicht zu retten. Denn soviel steht ihm zu! 

Ich wate derweil im Garten Eden durch Goldenes Laub. Gestern hatte ich frei und fuhr unter einem unglaublich blauen Himmel bis an die äußerste Spitze von Helmsand.

Samstag, 7. November 2020

Schweigebrechen

Das ist so ein bisschen wie Fastenbrechen. Die Sonne geht auf. Die ersten Robbenbabies auf Helgoland sind geboren, nach dem Hochwasser liegen Tausende tote oder sterbende Nonnengänse hinterm Deich im Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog und die Vogelgrippe hat Hallig Ooland erreicht. Das ist passiert, während ich geschwiegen habe. Sonst Nichts! Nur dies noch: Gestern abend mein Versuch, nach Jahren der Entwöhnung, fernzusehen - übern laptop natürlich und ausgerechnet eine talkshow am Freitagabend ... Weil Nele und Holger von Süderoog angekündigt waren. Die kamen leider erst kurz vor Schluss zu Wort und ins Bild und wirkten wie vom Mond gefallen (sind sie ja auch). Was ich davor bei ausgeschaltetem Lautsprecher mitbekam, war einfach grauenhaft! Ich verstehe nicht, wer sich so etwas Tag für Tag, Woche für Woche, Jahraus Jahrein freiwillig antut. Aber ich verstehe nun, warum die Welt so und nicht anders aussieht: 8 Sonnenstunden heute am Wattenmeer!

Freitag, 6. November 2020

Schweigen

(Nach 7 Wochen gibt Herr Caruso klein bei und legt sich auf meinen Bauch - und sei es nur, um sein Frühstück nicht zu verpassen)

Donnerstag, 5. November 2020

Schweigen

(Kater hat sich über meine Bratkartoffeln hergemacht. Sie schmecken ihm natürlich nicht, trotzdem greife ich nun zu meiner Wunderwaffe, der Wassersprühflasche, die eigentlich bei stark zerknitterter Bügelwäsche zum Einsatz kommt. Wer nicht hören will, muss fühlen.)

Dienstag, 3. November 2020

Besuch

Ich gehe noch einmal aus dem Haus und besuche meinen kranken Stellvertreter. Nein, er hat nicht das berühmteste aller Viren, sondern andere Probleme. Er sagt, je älter er werde, desto mehr zweifle er an dem, was er sein Leben lang vertreten habe. Das Recht.

Montag, 2. November 2020

Bevorratung

Unser Dasein besteht aus Sprache. Ich bevorrate mich mit Wörtern: Sauerteig (altägyptisch!), Vorteig, Vorstufenteig, Führung der Vorstufenteige, führen = backfertig machen, Enzymgehalt, Mineralstoffgehalt, Ausmahlungsgrad, Mikroflora, Raumbedingung, Knetsystem, Teigruhe ... 

Sonntag, 1. November 2020

Abgesagt

Leider im letzten Moment doch noch abgesagt: unser heutiger Auftritt im KBH Marne. Text & Tango. Ich hätte aus friedas gangarten gelesen und Boris Guckelsberger feurige Tangokompositionen von Piazzolla, Dyens und anderen gespielt. Schade. Das war die letzte für dieses Jahr geplante (und abgesagte) Lesung, denn wir haben irgendwann aufgehört zu planen für Absagen. Und uns zurückgezogen an unsere Arbeit.

See you later ... 

Im Radio Dithmarschen. Dieksanderkoog. Neulandhalle. Wird am späten Nachmittag, um 17:35 wiederholt: https://www.ndr.de/nachrichten/info/sendungen/die_reportage/Die-Reportage,sendung1077540.html

Samstag, 31. Oktober 2020

Blue Moon

Mit etwas Glück geht heute dieser überlange Monat doch noch zu Ende. Zweiter Vollmond. Feiertag. Mieterwechsel. Fallstudien. In Polen sind ab heute bis Montag die Friedhöfe geschlosssen. Allerheiligen, Allerseelen sind die wichtigsten katholischen Feiertage in diesem katholischen Land, in dem es nun heißt, die Frauen, die für ihre Menschenrechte demonstrieren, würden ihre verbrecherische Hand gegen die Kirche erheben.

Freitag, 30. Oktober 2020

Auf die Straße gehen ...

... Hunderttausende Frauen (nicht nur, gottseidank, auch ihre Männer und Kinder) in Warschau (nicht nur, auch in anderen Städten des Landes) und demonstrieren gegen die Kirche, die Regierung und die Justiz. Gegen die Menschenverachtung, die Ihnen vom Klerus, von rechtsnationalen Politikern und den von ihnen gesteuerten Richtern ins Gesicht schlägt. Ein zweites Belarus. In jeder Hinsicht. Der einzelne Zwilling verschanzt sich derweil in seiner Villa und schickt Schlägertruppen. Jeszcze Polska nie zgnięła! 

Donnerstag, 29. Oktober 2020

Hin und her

Ein ständiges hin und her kann den letzten Nerv treffen oder töten. Oder die Kreativität wecken. Ich befinde mich in Gedanken in Nordfriesland. Wandere zwischen Joldelund und Högel hin und her. Suche eine Bahnhofstraße ohne Bahnhof auf sowie einen Hofacker ohne Acker. Mit dem Gegacker von Hühnern. Vor dem Meldorfer Fenster Dithmarscher Blues.

Mittwoch, 28. Oktober 2020

Zu Hause bleiben ...

... auf immer und ewig. Ich war vorsorglich noch einmal beim Zahnarzt. Zur Kontrolle. Und zur Prophylaxe. Wer weiß, wie lange wir überhaupt noch den Mund aufsperren dürfen. Wie lange wir und überhaupt noch gefallen lassen müssen, dass jemand die hintersten dunklen Ecken dieser Höhle ausleuchtet. Überall sonst, auch in der ausgestorbenen Meldorfer Innenstadt muss eben dieser Mund, auch die Nase übrigens, ob sie läuft oder nicht, bedeckt werden. Nach den Maronen fällt nun das Laub. Und Regen. Herr Caruso kommt tropfnass und hungrig nach Hause.

Dienstag, 27. Oktober 2020

Fensterputzen

Für eine bessere Perspektive in den Winter. Ich steige auf die Leiter, säubere die Regenrinne, räume die Terrasse auf, ernte haufenweise Spätzünder. Grüne Baselbieter Röteli. Ich muss die Tomaten im Frühjahr überdüngt haben. Mit dem ökologischen Schafsdünger von Süderoog. Sehr gut gemeint und sehr dumm gelaufen. Nun habe ich Ende Oktober zwei drei Handvoll grasgrüner Tomaten und biete ihnen ein warmes Plätzchen zum Nachreifen auf dem Fensterbrett im Wohnzimmer. Draußen hole ich alle Altweibersommerspinnennetze herunter. Setze meinen Fenstersauger ein. Kaum bin ich fertig, fängt es an zu regen.

Montag, 26. Oktober 2020

Schmuddelwetter

Auch der Montag verspricht Zuhausebleiben. Unser Chorleiter hat jahreszeitlich bedingte Erkältungssymptome. Wer hat die nicht? Bei diesem Schmuddelwetter! Aber in Zeiten des hohen C ist die allgemeine Verwirrtheit groß.

Ich verstehe aber nicht, warum man/frau Kunstwerke massakriert und Politiker oder Wissenschaftler mit Morddrohungen überzieht.

Sonntag, 25. Oktober 2020

Inzidenzirrtümer

Es ist schon schwer zu verstehen, in Zeiten der allgemeinen Verunsicherung, dass das RKI Dithmarschen aufgrund der vom zuständigen Gesundheitsamt übermittelten Zahlen rot einfärbt und der Kreis sofort richtigstellt, dies entspreche nicht der "tatsächlichen Infektionslage" sondern sei leider das Resultat "technischer Übermittlungsprobleme". Ein Stau auf der Fallzahlenübermittlungsautobahn. Und der Kreis betont: maßgeblich sind die Zahlen des Kreises nicht des Robert Koch-Instituts!

Ich habe die Wunderwaffe (WarnApp) schon vor Wochen wieder ausgeschaltet und komplett deinastalliert. Eine kluge Maßnahme, wie sich im Nachhinein herausstellte, da sie angeblich eh nicht warnt, bzw nicht im richtigen Moment und nicht die richtigen Kontakte.

Das Dithmarscher Landesmuseum hat "vorsorglich", und weil die Museumsleiterin die Ansicht vertritt, das Museum als öffentliche Einrichtung habe auch eine gesellschaftliche "Vorbildfunktion", das heutige Benefiz-Konzert mit Boris Guckelsberger abgesagt. Also wieder ein Sonntag zu Hause.

Freitag, 23. Oktober 2020

Wattwunderin

Ich komme nicht darüber hinweg, dass ich das Abbaden in diesem Jahr verpasst  habe. Seit Wochen komme ich nicht mehr an den Deich, weder zu Wasser- noch zu Wattzeiten. Weder zu Tages- noch zu Nachtzeiten. Manchmal ist es abends noch so warm, dass ich versucht bin, das Weite zu suchen. Statt zu schlafen, ins Watt zu wandern. Leider macht mir der Wind einen Strich durch die Rechnung. Und der Regen. Und beim Aufwachen wundere ich mich nur.

Donnerstag, 22. Oktober 2020

Die letzte Marone

Nun sind sie plötzlich alle unten. Der Sturm in der Nacht fegte alle Kapseln, noch volle, schon leere, reife, unreife, halbreife runter. Und die Saharaluft heute begleitet meine Erntearbeit. Ich fülle 7 60L-Biomüllsäcke und schwitze. Das Müllauto kommt freundlicherweise erst, als ich fertig bin. Auch die Raben und Dohlen sind schlagartig verschwunden. Sie krächzten noch tief in der Nacht im Baum, als ob sie ahnten (natürlich wussten sie es bereits), dass dieser Tisch bald nicht mehr gedeckt sein wird. Ich entzog ihnen nämlich erbarmungslos die letzten 2 Kilo stark stärkehaltiges Futter. Ich muss ja auch von etwas leben.

Mittwoch, 21. Oktober 2020

Franz Furrer-Münch

Vor ein paar Tagen, als ich mit anderem herumschlug, zog unbemerkt von der Welt sein zehnter Todestag vorüber. Ich kannte ihn auch nicht, aber das Einsingen um 09 hält so manche Überraschung bereit. Also Franz Furrer-Münch, einer der "Stillen" unter den Schweizer Komponisten. Er selbst sagte von sich, er sei schon als Kind "seh- und hörbedürftig" gewesen. Doch diese Anlagen seien "keinem nützlichen oder messbaren Begriff zu unterstellen" gewesen und stießen deshalb, kein Wunder, im helvetischen Elternhaus auf keine Gegenliebe. 

Dabei ist die Bedürftigkeit - und gerade nicht die Sattheit! - der größte Motor für kreaives Schaffen.

Das Memorial-Konzert findet - wenn es denn stattfindet! - am 31. Oktober in Zürich statt und zum ersten Mal seit langem bedauere ich es sehr, dass ich nicht einfach so mal nach Zürich fahren kann.

http://www.ensemble.ch/

...hier auf dieser Strasse, von der sie sagen, dass sie schön sei... (Paul Celan) für Sopran, Flöte, Violoncello und 4 Pauken

Dienstag, 20. Oktober 2020

Toshio Hosokawa

passt natürlich viel besser zum Reiskocher und meinem allabendlichen Maronenmarathon als die Spanierin de Alvear. Hosokawa wird demnächst 65 und sagt, der Klang entstehe aus dem Schweigen und gehe wieder dorthin zurück. Das sei in der Musik so wie in der Kalligraphie - so einen Vergleich können nur Asiaten ziehen und verstehen: Der Kalligraph bestimme einen Punkt in der Luft und bewege von diesem Punkt ausgehend den Pinsel, der irgendwann kurz das Papier berühre bevor er sich wieder auf den langen Weg zurück zu jenem Punkt in der Luft aufmache. Nur Spuren dieser Bewegung, sagt der Komponist Hosokawa, seien auf dem Papier zu sehen: "Der sichtbare Teil der Bewegung auf dem Papier ist genau so wichtig wie der unsichtbare Teil in der Luft."

Montag, 19. Oktober 2020

Feld

Im Feld. Gefallen. In Warschau wird das National-Fußballstadion ( PGE Narodowy *) zum Feldlazarett (szpital polowy - Feldspital) umgewidmet. Es wurde zur Fußball EM 2012 errichtet und überstrahlt seither Tag und Nacht vom Weichselufer aus die ganze Stadt mit seiner glasfaserverstärkten Dachkonstruktion. Feldspital hingegen ist ein veralteter Begriff. Und nun taucht er mitten in einer Metropole, mitten in einem monströsen modernen Bau wieder auf. In diesem Fußballstadion fanden schon Buchmessen und Popkonzerte statt, aber auch eine Weltklimakonferenz. Damit ist es nun erstmal vorbei. Wie viele  Betten finden Platz an einem Ort, der lt Eigentümer 58.145 Sitzplätze für Fußballspiele, 72.900 Plätze für Musikveranstaltungen, 4.600 Premium Sitzplätze, 69 VIP-Logen mit insgesamt 800 Plätzen, 109 Behindertenplätze sowie 900 Plätze für Medien freihält?

* Polska Grupa Energiczna - Nationalstadion. Der (Sponsoren-)Vertrag mit dem Energieunternehmen soll bis zum 10.10.2020 Gültigkeit gehabt haben.

Sonntag, 18. Oktober 2020

Reiskocher

Die Maronen fallen. Alle Jahre wieder. Ich entwickle mein System zur Verarbeitung weiter. Versuche den Aufwand so gering wie möglich zu halten. 4 Stunden für ein 1 kg ist ein stolzer Ansatz. Ich verbessere mich, habe jetzt eine Stunde gewonnen: lasse die eingeschnittenen Maronen im Gemüseeinsatz des Reiskochers kurz ein Dampfbad nehmen. Lege nur so viele Nüsse hinein, wie nebeneinader bequem Platz finden. Und verbrenne mir natürlich trotzdem die Finger beim Schälen. Aber immerhin: 750 gr geschälte Maronen aufs Eis gelegt, während aus dem Küchenradio zuerst die "Schwarze(n) Spiegel" von Arno Schmidt kamen und danach magische Klänge und Stimmen von Maria de Alvear.

Samstag, 17. Oktober 2020

Blutvergießen

Wieder hat er zugeschlagen. Mein sanfter Kater. Und zwar während der Mittagsstunde, die er neuerdings auf dem roten Sofa auf meinem Bauch einfordert. Und mitten in einer Streicheleinheit, das zufriedene Schnurren hörte schlagartig auf, der Kopf schnellte herum, das aufgerissene Maul zielte diesmal auf meine linke Hand. Alle vier Beißer hinterließen ihre Blutspuren. Das soll mir mal ein Katzenkenner oder eine Katzenkennerein erklären. Was mit dieser Bestie los ist.

Freitag, 16. Oktober 2020

Neumond

Nun werden die letzten Äpfel gepflückt. Der Nachbarsjunge steigt noch einmal in den Baum. Leicht und gelenkig. Was er nicht zu fassen bekommt, gehört den Amseln. Ich mähe noch einmal Rasen. Ich sammle immer noch nur vereinzelte reife Maronen ein. In anderen Jahren war Mitte Oktober die Ernte bereits vorbei. In diesem Jahr fängt sie erst an. Herr Caruso wünscht eine Mittagsstunde auf dem roten Sofa auf meinem Bauch, an meiner Brust. Ich decke mich mit mehreren Decken zu, denn sein "Milchtritt" ist, wie alles an diesem Tier, kräftig. Nachts kommt er nicht. Jemand muss ihm, wie bereits gesagt, Manieren beigebracht und Grenzen gesetzt haben. Er wartet jeden Morgen geduldig und still vor dem Schlafzimmer, vergnügt sich mit einer schwarzen Plüschmaus, bis ich aufstehe und seine Notration aus der nachts verschlossenen Küche herausrücke. Man möge nur in Ruhe abwarten, rät der Neumondnewsletter, dann fühle sich alles leicht und natürlich an ...

Donnerstag, 15. Oktober 2020

Vitalitätsrückschnitt

Der Nachbar kommt mit der Motorsäge und wir schneiden den dicksten Stamm aus der Felsenbirne. Sie braucht einen Vitalitätsrückschnitt. Es ist in diesem Jahr noch überhaupt nicht Herbst. Obwohl ich mein Abbaden total verpasst habe. Die Bäume hängen immer noch voll grüner Blätter. Der Strauchschnitt steht vor der Tür. Der Auszug aus Ägypten. Der erste Nachtfrost. Ich muss die Regentonnen entleeren. Und so weiter und so fort.

Mittwoch, 14. Oktober 2020

Mielec

Weil ich mich wieder mit dem Bäcker beschäftige, gucke ich, was Wikipedia zu Mielec sagt. Der deutsche Eintrag zählt diverse Superlative auf: "erste 'judenfreie' Stadt im besetzten Polen". Heute "eine der größten Städte Polens ohne Anschluss an den Schienenpersonenverkehr". Interessant. 

Am 24. August 1944 liquidierte die SS das Arbeitslager Mielec, in dem die Gefangenen (mehrheitlich Juden) für die "Ernst Heinkel Flugzeugwerke" schuften mussten (brutal ausgebeutet, misshandelt und bestraft wurden). Das heißt (das steht nicht bei Wikipedia, auch nicht meine obigen Klammerbemerkungen), die Deutschen waren auf dem Rückzug.  

Der polnische Eintrag zählt jeden Millimeter der Frontverschiebung unter Nennung aller militärisch Verantwortlichen, Divisionen, Nationen, Befehlshaber, Panzertypen, Artielleriegeschütze und dergleichen mehr in jenen Augusttagen auf. In der Nacht vom 17. auf den 18. August drängte die Rote Armee (5. Gardearmee) die Wehrmacht (AOK 17 oder was von ihr übrig geblieben war) bis an die Weichsel zurück. 

Der Bäcker (Sanitätsgefreiter) wurde am 12. August bei einem Gefecht in Wadowice Górne verwundet. Er starb am 14. und wurde am 15. im Schlosspark von Podborze unter alten Fichten "mit militärischen Ehren", wie es heißt, zur letzten Ruhe gebettet. Seine Kameraden waren derart "in Eile", dass sie viele Grabkreuze (es gab viele Tote) nicht mehr ordnungsgemäß beschriften konnten, und viele Namen, so auch den des Bäckers, nur mit Bleifstift auf die Kreuze kritzelten.

Zwei Tage später befanden sich die Gräber in Feindesland und niemandem stand der Sinn danach, Namen mit regenfester Farbe nachzutragen.

Dienstag, 13. Oktober 2020

Tierarzt

Mit Herrn Rasputin war ein Besuch bei der Tierärztin auch nicht einfach. Aber mit zunehmendem Alter hat er begriffen, dass diese Prozedur - in einen Rucksack einsteigen, auf meinem Rücken Fahrradfahren, in der Praxis aus dem Rucksack aussteigen und sich begaffen, abtasten, auch mal pieksen lassen - nur zu seinem Guten ist. Er stieg immer freiwillig in den Rucksack zurück, verkroch sich und war auf dem Heimweg zufrieden auf meinem Rücken. 

Nicht so Herr Caruso. Erstens wiegt er fast dreimal so viel wie Rasputin. Zweitens ist er ein Raubtier. Ich kaufte also gestern einen stabilen Korb, ließ mir vom Fahrradhändler meinen Fahrradkorb so weit nach hinten versetzen, dass der Katertransportkorb darin Platz findet. Drittens muss ich heute viel List anwenden, um ihn in diesen Korb zu locken. Vorsorglich habe ich ihm seit zwei Tagen Notfalltropfen unters Futter gemischt. Trotzdem faucht er mich an, als ich den Deckel zuschlage. Im Behandlungsraum springt er sofort vom Behandlungstisch. Verkriecht sich unter den Schreibtisch. In alle Ecken. Die Tierärztin verfolgt ihn auf Knien. Holt Hilfe. Die sich mit Handschuhen wappnet. Sie versuchen zu zweit herumrutschend, ihn abzulenken und zu beruhigen, so dass die Spritze gesetzt werden kann. Ich halte mich heraus. Um nicht unnötig Spannung aufzubauen. Mehr war dann nicht mehr zu machen. Der aufgeblähte Bauch bleibt aufgebläht. Die Krallen lang. Die Zähne nicht geputzt. An dem Weg zurück in den Korb führt allerdings nichts vorbei, Leckerlis, drei bezirzende Stimmen, sechs Hände, ein Handtuch, viel Fauchen und Wehren mit Bissangriffen. Zu Hause dann hat er Hunger wie immer. Tut, als ob nichts gewesen wäre. Guckt mir beim Apfelpflücken zu, nur weil jetzt eigentlich Zeit fürs Abendbrot ist. Ich muss sein Futter ab sofort um ein Drittel reduzieren. 

Montag, 12. Oktober 2020

Erneuerung

Der erneute Gang zur Optikerin. Der erneute Gang ins Futterhaus,. Ich weiß wirklich nicht, wie ich Herrn Caruso morgen zum Tierarzt bringen soll. Von einem Rucksack rät mir die Verkäuferin sofort ab. Wenn ich einen wilden jungen Kater habe, versichert sie, wird er einen Weg finden, auszubrechen. Die Lüftungsschlitzen aufkratzen. Die Reißverschlüsse zerreißen. Die Mesheinsätze zur besseren Luftzirkulation zerbeißen. Carusos Zähne und Krallen sind repekteinflößend!

Sonntag, 11. Oktober 2020

Die erste Marone

Die erste reife Marone! Kurz vor dem Radiogottesdienst gefunden. Die reifen Nüsse stechen sofort ins Auge. Sie glänzen! Das wissen auch die Raben, Elstern und Dohlen, die schon seit Tagen lüstern ihre Kreise hoch über dem Baum ziehen und laut lästernd ihre Kumpels auf dem Laufenden halten. Bestimmt krächzen sie der ganzen Vogelwelt die Botschaft zu, dass Menschen nur zu Unsinn bereit sind: Unessbares einzusammeln.

Samstag, 10. Oktober 2020

Blindheit

Ich bin mit Blindheit geschlagen. Ich habe mich gerade bis auf die Haut einregnen lassen, nur um vor Ladenschluss meine neue Arbeitsplatzbrille abzuholen. Neue Gläser in einer alten Fassung. Meine dritte neue Brille. Zwei funktionieren gut, die Arbeitsplatzbrille hat schon den zweiten Gläsertausch hinter sich. Nun sollen sich meine Augen und mein Hirn übers Wochenende an das neue Sehen beim Schreiben gewöhnen. Nahkomfort heißen die Gläser und nehmen mir jeden Weitblick. Ich fühle mich eingesperrt auf Bildschirmdistanz. Sobald ich auf die Tastsatur schaue, schwankt der Schreibtisch wie ein Hochseedampfer. Mir schwirrt der Kopf und die Ohren summen. Ich halte dieses neue Sehen keine zehn Minuten aus!

Ich schalte den laptop aus und die Sauna an. Mein Heimkomfort. Ich muss wieder warm werden! Schmeiße die nassen Sachen in die Waschmaschine. Mein Hausfrauendasein.

Freitag, 9. Oktober 2020

Der Baum

Mein Maronenbaum macht mir jedes Jahr mehr zu schaffen. Weil er wächst und gedeiht, gesund ist und immer mehr Nüsse trägt. Ich bin stolz auf ihn und werde ein Buch über ihn schreiben. Er ist der einzige Baum weit und breit, der stehen bleiben darf, obwohl er mir jedes Jahr mehr zu schaffen macht. Obwohl ich mich jedes Jahr aufs Neue frage, wozu ich das eigentlich tue? Warum ich hier die einsame Stellung halte? Wie lange wird mein Körper noch mitmachen, mein Rücken, meine Handgelenke, mein Kopf? Warum verbringe ich im Herbst über Wochen täglich mehrere Stunden damit: 

1. die unreifen stachligen Kapseln einzusammeln und zu entsorgen

2. die reifen Maronen zu ernten und zu verwerten

3. das Laub vom Rasen und von der Straße (bis hinüber zum Bürgersteig des Nachbarn) zu entfernen

Warum?

Donnerstag, 8. Oktober 2020

Das Glück

Louise Glück bekommt den Nobelpreis für Literatur. Ich kenne kein einziges ihrer Gedichte, höre auch den Namen zum ersten Mal. Asche über mein verregnetes Haupt! Trotzdem: macht das nun Hoffnung. Dass nach Handke zum zweiten Mal jemand für die sprachliche Qualität ausgezeichnet wird und nicht für die politische correctness. Oder das pure Gegenteil davon. 

Mittwoch, 7. Oktober 2020

Die Mitte

Die Mitte der Woche. Und ich dachte immer (ich wiederhole mich, ich weiß), der Siebente Oktober (nicht die Mitte der Woche, aber ein bisschen Arachaismus) sei mein Namenstag. Eines der vielen Irrtümer, um derentwegen die Welt nicht untergeht. Ich bin mit Unmengen unreifer Maronen sowie deren außen stachligen, innen weich gepolsterten Hüllen beschäftigt. Der Baum ist schlauer als wir Menschen: wenn er merkt, dass die Temperaturen sinken und die Tage kürzer werden, wirft er alles ab, was er nicht mehr zur Reife bringt. Er befreit sich rechtzeitig von Ballast - und kennt den Reifegrad jeder einzelnen Marone. Den Rest überlässt er mir.

Dienstag, 6. Oktober 2020

Der Besuch

Ich koche Kürbissuppe. Das Wetter ist gemischt, der Sommer vorbei. Das Abbaden habe ich verpasst. Zum ersten Mal. Auf einen goldenen Herbst ausgerechnet in diesem Jahr zu hoffen, wäre vermessen. Aber der Besuch ist glücklich und der Kater anständig.

Montag, 5. Oktober 2020

Das Maisfeld

ist abgeerntet und die Sicht auf die aufgehende Sonne wieder unverstellt. Herr Caruso wartete ohne zu jammern, bis ich aufwachte - vor meinem Bett! Da keines der Katzenklos Spuren zeigt, gehe ich davon aus, dass er in der Nacht draußen war. Und jetzt drinnen ist. Ein freier Kater und seine freie Dienerin. Ich lobe und füttere ihn ausgiebig.

Sonntag, 4. Oktober 2020

Sputnik

Mein Tag: versuche zum wiederholten Mal vergeblich, Herrn Caruso dazu zu ermuntern, die Katzenklappe auch von außen nach innen zu benutzen. Er ist heißhungrig und kommt doch ohne meine Hilfe nicht ins Haus hinein. Dann: rasante Fahrt zum Sonnenaufgang in die Feldmark ausgedehnt über den Bahnübergang zum Kartoffelautomaten. Komme mit 5 Kilo Dithmarscher Neuer Ernte nach Hause, die Nachbarin mit Kind und Auto vom Bäcker. Kontrolliere den Stand der gefallenen Maronenkapseln im Garten. Springe eine kurze Viertelstunde auf dem Trampolin. Lasse mich einsingen. Frühstücke. Koche die letzte Brombeermarmelade. Arbeite eine halbe Stunde im Garten. Arbeite eine Stunde am Schreibtisch. Wasche mir die Haare. Arbeite eine weitere Stunde am Schreibtisch. Esse zwei Käsestullen. Koche Kaffee. Empfange H. zum Kuchen. Koche Steckrübeneintopf. Füttere den Kater. Höre den zweiten Teil des Hörspiels nach dem "Erlkönig" von Michel Tournier (grauslig), gönne mir eine Pause und fahre zum Sonnenuntergang an die Brücke über die Südermiele. Arbeite bis nach Mitternacht am Schreibtisch.

Samstag, 3. Oktober 2020

Nebel

Caruso hockt draußen vor der Tür. Ich öffne ihm von innen die Klappe. Er steigt ein. Dummerchen, sage ich, und kraule ihn hinter den Ohren. Das kannst Du doch auch ohne mich! Ich muss heute meinen Kurztext fertig schreiben und noch eine Pointe finden. Dann Birnen pflücken, Birnen verteilen, Birnen verarbeiten.

Freitag, 2. Oktober 2020

Regen

fällt auf meinen Dünger. Das ist gut so. Der Sonnenaufgang fällt dadurch aus. Auch der Sonnenuntergang. Man kann nicht alles haben. Der Kater beäugt den ganzen Tag kritisch mein Tun. Ich halte ihn auf Distanz. Er darf erst am Nachmittag raus. Seltsamerweise geht er die gleichen Wege wie sein Vorgänger. Und benützt das Designerkatzenklo im Haus nicht mehr. Ich lasse die Klappe über Nacht offen.  

Donnerstag, 1. Oktober 2020

Vollmond

Am Nachmittag entlasse ich Herrn Caruso in den Garten. Aus einer Eingebung heraus. In der Rasenmähpause. Er muss auch etwas haben vom Leben, denke ich, und nicht nur auf dem Sofa liegen. Er schnuppert ausgiebig an den seltsamsten Stellen. Knabbert an den Bambusblättern. Pinkelt dort, wo Herr Rasputin auch immer gepinkelt hat. Inspiziert den Garten meiner Mieterin. Und ihre Terrasse. Das ist schließlich auch seins! Ein schlaues Tier! Erkennt auf Anhieb sein Revier. Und dann geht er - wie nicht anders zu erwarten - seines Weges. 4 Stunden vertrauensvolles Warten. Ich dünge meinen Rasen. Ich pflücke Birnen und sortiere die faulen von den nicht faulen. Ich säge zwei Äste ab. Ich fotografiere meine Edelkastanie. Ich fahre zum Sonnenuntergang in die Feldmark. Ich treffe meine Nachbarin. Die Sonne geht hinter den Wolken unter. Und bis zum Mondaufgang zu warten, ist uns zu kalt. Ich löffle zu Hause meine Suppe und räume die Küche auf. Dann klappert die Klappe und Herr Caruso hockt vor der Tür. Scheut sich noch, die Klappe wirklich zu benützen. Aber sie scheint seinen Chip erkannt zu haben, denn sie hört auf zu blinken. Wir fallen uns überglücklich virtuell oder in Gedanken in die Arme. Er beißt ja immer noch wie ein Raubtier, frisst, wird übern grünen Klee gelobt und schläft zufrieden auf dem Sofa ein. Wie ein Kind.  

Heute Nacht erleuchtet uns der erste Oktobervollmond. Ende des Monats der zweite.

Mittwoch, 30. September 2020

Lichtschwemme

Ach - ein Traum von Lichtschwemme. Die Sonne steigt knallrot aus dem Nebel. Ich nähre nun meine Seele mit diesen kurzen Augenblicken unter freiem Himmel. Ich kann es jedesmal kaum glauben, dass aus der undurchdringlichen Nebelsuppe auch nur ein Schimmer hervortritt. Und doch. Ach! Geschieht es.

Dienstag, 29. September 2020

Wasserschwemme

Ich habe nicht den Eindruck, das Jahr sei zu trocken gewesen. Aber vielleicht trügt auch hier die Erinnerung. Nun ist sowieso alles nass und feucht. Und ich musste nur einmal intensiv wässern mit dem Schlauch, weil die Regentonnen leer waren. Aber das heißt natürlich alles gar nichts. Im Moment kann ich nur mit Gummestiefeln den Rasen betreten. Und wann und wie ich ihn mähen soll, weiß ich nicht.

Montag, 28. September 2020

Obstschwemme

Das Geheimnis der Bäume. Der Rosengärtner erzählt mir, dass in trockenen Jahren, wenn Obstbäume befürchten, dass sie sterben müssen, sie nochmals ihre volle Kraft mobilisieren. Und möglichst viele Früchte hervorbringen. Deshalb brechen meine Birnbäume fast zusammen unter der Last der Birnen und deshalb erschlägt mein Apfelbaum mich mit seinen Riesenäpfeln. Was der Kastanienbaum mit mir noch vorhat in diesem Jahr, wird sich zeigen. Er ist noch nicht am Ende!

Sonntag, 27. September 2020

Regen

Herbst. Regen. Kalt. Herr Caruso wird hungrig. Scheint nach zehn Tagen endlich ausgeschlafen zu sein. Kann nicht genug bekommen. Haut mich. Stellt mir ein Bein nach dem anderen. Zwängt sich in meinen Rücken auf meinem Küchenstuhl. Damit ich ja nicht vergesse, dass er da ist. Ich biete ihm einen der drei weiteren Stühle an und verbiete ihm, auf den Tisch zu steigen und von meinem Teller zu essen. Er zieht beleidigt ab. Die Schweizerinnen und Schweizer haben wieder einmal abgestimmt. Auch ich natürlich.

Samstag, 26. September 2020

Der Apfel ...

... fällt nicht weit vom Stamm. Tatsächlich. Gestern abend fiel mir einer auf die Oberlippe - das mache mir mal einer nach! Ich war mit dem Apfelpflücker unter dem Apfelbaum zu Gange und richtete meine Augen nach oben in die Krone. Das heißt, mein Gesicht zog den am Stamm herunterfallenden Apfel magisch an. Und da ich den Mund geschlossen hielt, krachte das Monster von einem reifen roten Apfel auf meine linke Oberlippe. Ich machte mir ernsthafte Sorgen um meine Zähne. Aber jetzt entdecke ich nach dem Aufstehen mit Blick in den Spiegel einen schwarzen Schatten auf der Oberlippe. Bluterguss! Wie nach einer Schlägerei. Faust im Gesicht. Goethe auf dem Fensterbrett.

Freitag, 25. September 2020

Wetter

Es ist garstig. Ein Abbaden in weite Ferne gerückt. Es fallen bereits die ersten stachligen Maronen. Unreif allesamt. Der Baum trägt frisches Grün wie im Frühling. Am Nachmittag soll es trocken werden, aber dann ist das Wasser weg.

Donnerstag, 24. September 2020

Halbmond

Zunehmend. Die Sonne steigt blutrot aus den Bodennebeln. Ein letzter Gruß des Sommers oder ein erster des Herbstes. Herr Caruso wird übermütig. Das Biofutter, das er gestern noch mit Appetit verschlungen hat, schmeckt ihm heute nicht mehr. Pute mit Zucchini. Die Igel sind da weniger anspruchsvoll. Ich denke über das Straßenbegleitgrün nach.

Mittwoch, 23. September 2020

Ernte

Ich pflücke Äpfel und Birnen. Herr Caruso sonnt sich im Wohnzimmer. Ich trage eimerweise Früchte zu den Nachbarn. Die Kinder wollen helfen. Als erstes fällt ein Junge vom Baum und heult. Der andere klettert in die Krone. Dann beginnen die beiden Kleinen eine Wasserpistolenschlacht. Und ich sage: In meinem Garten wird nicht geschossen. Auch nicht zurück! Die Flut kommt heute bereits zu spät für mich.

Dienstag, 22. September 2020

Herbst

Nun ist es offiziell. Herbst, es ist wieder einmal Zeit ... und in der Luft Altweibersommer! In der Feldmark leichter Nebel und eine blutrote Sonne. Sehr erfrischend. Herr Caruso hat ziemlich üblen Mundgeruch und ist appetitlos. Hat sich die ganze Nacht nicht von meinen Füßen wegbewegt. Ich frage mich, ob er wirklich ein Freigänger ist. Und warum er so wenig Nachtaktivitäten zeigt. Trotzdem werde ich heute noch einmal zum Deich, an die Nordsee fahren und ins Wasser springen. Von Abbaden noch keine Rede.

Montag, 21. September 2020

Montag

Stadtfahrt. Der Hausarzt gibt Entwarnung. Verschreibt keine Antibiotika ("nicht, wenn es nicht nötig ist" - wie vernünftig). Verschreibt gar nichts. Etwas Ruhe, nicht unbedingt mit der Gartenschere Rosen schneiden. Die Schwellung ist fast abgeklungen. Dann bringe ich die neue Arbeitsbrille zur Optikerin zurück. Sie misst neu. An das falsche Prisma kann sich das Hirn nicht gewöhnen, sagt sie. Es stimmt oder es stimmt nicht. Wenn nicht, meckert der Körper. Reagiert mit Schwindel. Den hab ich eh schon und mehr davon kann ich wirklich nicht gebrauchen. Mit überlagerten Bildern. Na ja! Flirrendes Irren. Caruso wandert, wie früher Rasputin, den Sonnenflecken auf dem Teppich nach. Nach draußen scheint es ihn nicht zu ziehen. Ich pflücke Birnen und fahre dann zum Schwimmen. Verzichte auf die Chorprobe in Heide. Die Hand dankt es mir, der Kopf dankt es mir, die zurechtgerückten Bilder danken es mir.

Sonntag, 20. September 2020

Nordsee

Ich sitze eine Stunde an der Sonne im Garten, Lese in den Briefen der Wölfe und Kirschen und halte die Hand still. Mit Quarkwickel. Dann fahre ich an die Nordsee. Vernunft oder Unvernunft. Es wäre eine Sünde, dies nicht zu tun. Bei dem Vorzeigewetter. Fast kein Wind. Viel Wasser. Angenehme Lufttemperatur. Ich schwimme eine Viertelstunde im kalten Wasser und die Hand dankt es mir. Ich dusche nicht mehr, um das Salz auf der Haut zu behalten.

Samstag, 19. September 2020

Bauchschmerzen

Herr Caruso hat Bauchschmerzen. Wenn ich ernsthafte Dinge mit ihm bespreche, spreche ich ihn mit vollem Namen an: "Enrico Caruso". Der Name klingt gewichtig und der Kater hört aufmerksam zu. Gestern abend hat er mich in die Hand gebissen. Natürlich in die Rechte. Situationsbedingt. Weil ich ihn dort angefasst habe, wo er nicht angefasst werden möchte, weil er offenbar Schmerzen hat. Am Bauch. Das hat er mir schon mehrmals signalisiert. Ich rufe im Tierheim an und man beruhigt mich. Das hätte wahrscheinlich mit der Entwurmung zu tun. Der aufgeblähte Bauch, die Überempfindlichkeit. Ich lasse ihn in Ruhe und mähe Rasen - weil es niemand für mich tut. Die Hand ist heiß und geschwollen. Ein Katzenbiss sei immer ein Notfall, sagt das Internet und die Nachbarinnen raten, den Notarzt zu rufen. In die Notaufnahme des WKK zu fahren. In Coronazeiten? Ich winke ab und bade die Hand in grüner Seife.   

Freitag, 18. September 2020

Caruso

In der Feldmark der erste Bodenfrost. In meinem Garten ist es etwas wärmer. Caruso ist ein vornehmer Herr. Gut erzogen? Eine Fundkater - gehört erst ein Jahr nach Vertragsunterzeichnung wirklich mir. Und die früheren Besitzer können sich bis zu einem halben Jahr nach Auffinden melden. Und bekommen ihn, gegen Erstattung aller Kosten (Pflege und ärztliche Betreuung im Tierheim, Vermittlungskosten), zurück. Ich denke nicht daran. Herr Caruso zieht sich diskret zurück. Betritt die Küche nicht. Wartet geduldig, auch wenn er hungrig ist, an der Schwelle. Gibt das Bett frei, wenn ich schlafen will. Liegt im Flur an der strategisch richtigen Stelle. Beobachtet. Hat mich schon zweimal richtig gehauen und einmal gebissen. Das ist sein gutes Recht. Frisst! Das ist meine größte Freude. Hat gestern das ganze Haus abgeschnuppert und in der Nacht beide Katzenklos benützt. Ein Vorzeigekater.

Donnerstag, 17. September 2020

Neumond

Der Mond nimmt ab und wieder zu. Das Nichts, die Leere fand um 13 Uhr statt. Wir sollen genau das, das Nichts, die Leere, den Stillstand als Teil des Weges betrachten, schreiben die Mondlichter. Die Nacht war kalt und der Vormittag wild. Kopfschmerzen! Am Nachmittag dann der schwere Gang ins Tierheim. Die meisten Katzen wirken auf mich lethargisch, verängstigt. Wie Insassen einer Irrenanstalt. Antriebslos. Misstrauisch. Ich verliere schnell den Mut. Sie mit Leckerlis zu ködern, aus der Reserve zu locken und so ihre primäre Zuneigung zu kaufen, finde ich beschämend. Da ich ständig die Hände desinfizieren muss, riecht das, was ich ihnen entgegenstrecke, sicherlich alles andere als interessant. Schließlich werde ich in der Waschküche fündig. Und taufe den Kater bei der Vertragsunterzeichung um: Caruso!

Mittwoch, 16. September 2020

Trennung

 um Mitternacht - passt auch


Der Rest des Fadens ...

... nicht das Ende! 

Moritz Kirsch liest im Dithmarscher Landesmuseum. Unter Einhaltung strikter Hygienevorschriften. Mann und Frau muss an so etwas erst wieder gewöhnen. An mehrere Leute. Und alle mit diesem gewissen Etwas.

Aber: Moritz Kirsch, der durch seine schreibende Mutter sensibilisiert ist auf Katzen und Poesie, hat neue und alte Gedichte von Sarah Kirsch gelesen. Und eines Herrn Rasputin gewidmet.


 

 


Nebelsuppe

Feuchte, warme Nacht im Garten. Dicker, kalter Nebel in der Feldmark. Kein Sonnenaufgang!

Warum geht die Sonne manchmal als faszinierend scharfe Kontur, kugelrund und feuerrot auf und manchmal streut sie ihr gleißendes weißes Licht, kaum tritt sie übern Horizont, so dass ich auch mit neuer Brillenstärke geblendet die Augen abwenden muss? Die Optikerin hatte dazu gestern ihre eigene Meinung (Waldbrände in Kalifornien), aber die war vorgefasst und betraf gar nicht meine Frage.

Dienstag, 15. September 2020

Sternengucken

Ich konnte die Augen die ganze Nacht kaum schließen, weil so viele Sterne vom Himmel auf mich herabgucken. Ist es möglich, dass ich die Venus bis in die frühen Morgenstunden sehe? Ich schlafe mit offenen Augen stracks nach Westen. Viel Feuchtigkeit, mein outdoorschlafsack ist außen klatschnass, innen trocken. Er trieft, als ich ihn auf die Wäscheleine hänge. Ich kann heute nachmittag drei neue Brillen abholen. Allesamt alte Fassungen, mit neu angepassten Gläsern. Werde ich die nächsten Nächte mit Brille draußen schlafen ?

Montag, 14. September 2020

Schattensprung

 Ich fahre an die Meldorfer Bucht. Gefühlt seit einer Ewigkeit zum ersten Mal wieder. Aber es ist erst vier Tage her, seit ich zitternt udn frierend am Abend vom Deich zurück kam. So täuschen die Gefühle. Trotzdem nutze ich die katerfreien Nächte und schlafe im Garten. Der Sommer ist wieder da und mit ihm die scharfen Schatten. Hitze. Hoher Sonnenstand. Die Wunderblume blüht endlich. Gelb. Bei den Nachbarn blühte sie schon im August. Rot. Wie es Wunder so an sich haben.

Sonntag, 13. September 2020

Sonne und Wind

Ungünstige Tide. Viel Wind. Frischer Morgen mit winziger Mondsichel. Kein Schwimmen, dafür Wäsche. Ich habe geträumt, dass mein zweiter Traumkater wieder aus dem Internet zu mir gekommen ist und ich in Eile das Designer-Klo mit Öko-Klumstreu befülle, ist ja noch alles ausreichend da von Herrn R. ... Im Wachzustand kann ich es mir aber überhaupt nicht vorstellen. La donna è mobile! Erledige ganz nebenbei viel Kleinkram, steige auf den Dachboden, putze das Wohnzimmerfenster von innen und außen. Schicke dabei ganz viele Spinnen zum Teufel. 

Samstag, 12. September 2020

Kirschen und Wölfe

Ich lese im  Briefwechsel von Sarah Kirsch und Christa Wolf. Stecke noch in den 1960-er Jahren fest. Das kreative - auch das quantitative Gefälle ist deutlich. Oder liegt es nur daran, dass die Wölfe ordentlicher aufbewahrten? Kirschen jedenfalls im Plural gab es aber nur, solange die Ehe zwischen Sarah und Rainer bestand. Die Wölfe hingegen hielten sich die Treue bis zum bitteren Ende.

Freitag, 11. September 2020

Rückseitenbetrachtung

Die Kehrseite eines Verlusts ist der Gewinn. Ich vermisse Herrn Rasputin an allen Ecken und Enden, werde mir aber gleichzeitig nach und nach bewusst, dass - und wieviel! - ich plötzlich ein Stück meines eigenen Lebens, meiner eigenen Zeit, meines eigenen Raums zurück gewinne. Zum Beispiel kann ich nun die Backofentür zum Auskühlen offenstehen lassen, ohne zu befürchten, dass ein neugieriger schwarzer Kater sein empfindliches Näschen reinsteckt. Oder eine Kerze darf brennen, ohne dass versengtes Schwanzhaar einen üblen Geruch verbreitet. Ganz zu schweigen vom Schreibtisch, der nun wieder vollumfänglich mir selbst zur Verfügung steht, dem Fensterbrett, auf dem nun wieder "Goethes Faust" Platz genommen hat, meinem Kopfkissen, meiner Bettdecke, allen Stühlen, Tischen, Sesseln, Decken im Haus, die er usurpiert hat, den beiden roten Ledersofas, an denen er mit Vorliebe seine Krallen wetzte, oder dem Perserteppich, auf den er sich liebend gerne zum Putzen oder Spucken setzte ...  

Er ist nun auch in der Schweizer Presse verewigt: https://www.tagesanzeiger.ch/wir-singen-einen-bankraub-541007630618

Hier kann der Artikel als pdf eingesehen/heruntergeladen werden: https://stimmtuul.ch/einsingen-um-9/

Donnerstag, 10. September 2020

Bildbeschreibung

Ich mag Heiner Müllers Stücke nicht. Aber sein Prosatext "Bildbeschreibung" beeindruckt mich mehr als alles Coronagestammel, das ich seit einem halben Jahr höre, lese und selbst sage oder schreibe. Ein uralter Text (1985 erschienen, geschrieben wann?), der beginnt mit dem schönen, immer wieder wiederholten Satz: „Eine Landschaft zwischen Steppe und Savanne, der Himmel preußisch blau“. Der Text "verrätselt" sich zunehmend und "beschreibt eine Landschaft jenseits des Todes".

 „Uneinholbarkeit des Vorgangs durch die Beschreibung, Unvereinbarkeit von Schreiben und Lesen, Austreibung des Lesers aus dem Text. Puppen, mit Wörtern gestopft statt mit Sägemehl. Herzfleisch. Das Bedürfnis nach einer Sprache, die niemand lesen kann, nimmt zu. Wer ist niemand. Eine Sprache ohne Wörter. Oder das Verschwinden der Welt in den Wörtern. Stattdessen der lebenslange Sehzwang, das Bombardement der Bilder (Baum Haus Frau), die Augenlider weggesprengt. Das Gegenüber aus Zähneknirschen, Bränden und Gesang. Die Schutthalde der Literatur im Rücken. Das Verlöschen der Welt in den Bildern.” Alle Zitate von Heiner Müller.

Ich habe draußen unter Sternen und einem halben Mond geschlafen. Heute ist bundesweiter Warntag. Macht Euch nichts draus, falls um 11 die Sirenen heulen.

Mittwoch, 9. September 2020

Sommernacht

Kaum zu glauben: die Nacht war so warm und sternenlos, blieb trotz dicker Wolkendecke trocken, dass ich im Garten geschlafen habe. Nachdem ich gestern nachmittag allen Ernstes überlegt hatte, ob ich endlich mein ganzes outdoorschlafzeug einpacken und für den Rest des Jahres auf den Dachboden tragen soll ... aus den Augen aus dem Sinn! Trotz langer Hitzeperiode und unendlich vieler tropischer Nächte an der Nordsee, habe ich in diesem Sommer kaum draußen geschlafen - aus Rücksicht auf meinen kranken Mitbewohner. Es schien mir unmenschlich (!), Herrn Rasputin im Haus einzusperren und mich selbst nachts im Garten unter freiem Himmel den Träumen hinzugeben. Das tat ich übrigens hitzebedingt auch tagsüber nicht. Wie bei allen kranken Familienmitgliedern beobachtete ich auch beim Kater starke Stimmungsschwankungen. Von beleidigt, trotzig distanziert bis hin zu grenzenloser Anhänglichkeit. So schliefen wir die meisten heißen Nächte dieses Jahres eng aneinandergeschmiegt. Er wärmte meinen Bauch, meine Brust oder meine Füße - in weiser Voraussicht, dass er dies in den kommenden kalten Winternächten nicht mehr wird tun können.

Dienstag, 8. September 2020

Igeltreue

Nein, erhebend war die gestrige Chorprobe nicht. Da lob ich mir das täglichfrohe Einsingenumneunlive vor dem Bildschirm allein zu Hause, mit der Möglichkeit, das Fenster zu öffnen oder zu schließen, die Heizung auf- oder abzudrehen, mit einigen Hundert virtuellen Mitsängerinnen und Mitsängern. 

 

Nein, die Stimmung gestern abend war nicht locker, wir sangen zwar ganz nett, bewegten uns aber linkisch wie Marionetten. Es gab eine Art Anwesenheitsappell, wir mussten uns nicht mit Namen, sondern mit einer Nummer, die uns beim Betreten des Raums zugeteilt wurde, auf unseren Sitzplätzen melden. Vielleicht eine Vorschrift (sprich Schikane) des KGR oder des Gesundheitsamtes oder von Herrn Spahn persönlich. Ich war die Nummer Eins und fühlte mich trotzdem krank, als ich nach Hause kam. Eine Stunde im Durchzug sitzen, ist wahrscheinlich auch singend schädlicher für unsere Gesundheit als einmal Hände nicht desinfizieren. Durchgefroren bis auf die Knochen hatte ich nur einen Wunsch: unter die Decke. Für Sauna war ich zu erschöpft. Vor der Flucht ins Bett musste ich aber den Igel versorgen. Er wartete tatsächlich an der Hausecke und guckte mich vorwurfsvoll an. Ja, beruhigte ich ihn, du bekommst dein Abendbrot, angereichtert mit den letzten Vitamintropfen von Herrn R.

Montag, 7. September 2020

Klinkenputzen

Heute abend fahre ich zur ersten regulären Probe seit März nach Heide. Sie soll im gewohnten Probenraum stattfinden. Die outdoor Proben habe ich verpasst, erst wetterbedingt, dann katerbedingt. Schleswig Holstein ist das letzte Land im Land, das Chorproben auch in Innenräumen erlaubt. Wir werden in ungewohnter Aufstellung singen, mit viel Distanz in jede Richtung. Das fördert die sängerische Sicherheit! Und zwingt zu Eigendisziplin. Kein Anlehnen mehr an die Nachbarn oder Nachbarinnen. Ich habe immer gerne an der Grenze zum Tenor gesessen. Nun singen wir in zwei vierstimmigen Durchgängen, mit jeweils ungefähr der Hälfte der Sängerinnen und Sänger. Dazwischen lange Lüftungspause. Und das übliche Hygienekonzept. Auch ein Wort, das ich nicht mehr hören kann. Als ob wir früher (ja, wann war das?) lauter Dreck von uns gegeben und nie die Hände gewaschen hätten. In Birmingham hing schon vor 25 Jahren in den Pubs auf den Toiletten der unmissverständliche Aufruf "and now wash your hands!"! (Diese doppelte Ausrufzeichensetzung ist laut Duden korrekt!). Ich habe mich dort immer mehr vor den klinkenlosen Türen geekelt als vor den Händen der Barbesucher.

Sonntag, 6. September 2020

Sonntagsruhe

Weil ich die Stille nicht ertrage im Haus, das Klappern der Katzenklappe vermisse, das Plätschern des Trinkbrunnens, gleichzeitig bei jedem Geräusch verstört aufschrecke, zusammenfahre - wer oder was war das? wenn Herr Rasputin es nicht sein kann - werde ich doch bald ins Tierheim Tensbüttel fahren müssen.

Samstag, 5. September 2020

Wettlauf

Irgendwann beginnt immer der Wettlauf. Mit Vögeln, Wespen, Pilzen. Mit dem Wetter, dem Regen, der Kälte. Meine Birnbäume tragen so viele Früchte, dass die Äste unter Last fast brechen. Und da greift dann die Monilia Fruchtfäule regulierend ein. Ihre Sporen dringen über Wunden in die noch unreife Frucht ein. Wunden fügen den Birnen zum Beispiel ungeduldige Rabenvögel mit ihren spitzen Schnäbeln zu. Oder meine zahmen Gartenamseln, die nicht warten können, bis das Fruchtfleisch zuckersüß ist. Oder Wespen und Asseln, die wie Ohrwürmer Gänge bohren. Das Fruchtgewebe beginnt ringförmig zu faulen und nach und nach bildet sich ein samtweiches Schimmelpolster um die ganze Frucht. Manche trocknen so am Baum aus und bilden Fruchtmumien. Schöne Wörter und faule Früchte sammle ich diesen Herbst.

Freitag, 4. September 2020

"Tod ist ein laaaaanger Schlaf"

Herr Rasputin ist berühmt rund um den singenden Globus. Er war bis zum letzten Tag ständiger und aufmerksamer Zuhörer beim Einsingen um 9 - live. Nun bekommt er beim zweiten Special der Wunderbaren Vier ein an-an-ständiges Ständchen:



Donnerstag, 3. September 2020

Regenschauern

Herr Rasputin war ein Regenwasser- und Gießkannentrinker. Nun regnet es. Ich sammle alle Trinkschalen in allen Zimmern ein und mindestens vier grüne Gießkannen verschiedener Größen über die Flure und Stockwerke verteilt. Die gelbe steht draußen, aus der wollte er nie trinken. Den Trinkbrunnen trenne ich vom Strom. Der Bewegungsmelder reagiert nun nicht mehr. Es bewegt sich kein Kater mehr im Haus, also sind auch die Verlockungen des Plätscherns überflüssig. Den Inhalt des Brunnens entleere ich in einer Regenpause auf seinem Grab, in das Wasser hatte ich am Wochenende vorsorglich Notfalltropfen gegeben. Die werden ihn weiterhin besänftigen. Ich habe Bleiwurz gepflanzt, der muss eingeschlämmt werden. 

Mittwoch, 2. September 2020

Eulenheulen

Der Sohn der Nachbarin fragte, ob Rasputin nun fliegen könne. Seit zwei Nächten heulen die Eulen im Kastanienbaum und putzen sich um die Wette. Ich sammle im Morgengrauen alle feinen Federn ein und lasse sie auf Herrn Rasputins letzte Ruhestätte rieseln. Ja, ein toter Kater kann natürlich fliegen! 

Der Mond ist gerade voll geworden, das Licht in der Nacht wird nun wieder abnehmen.

Dienstag, 1. September 2020

Herr Rasputin

Neuer Monat. Herr Rasputin ist seinen letzten Weg gegangen. Sehr vernünftig. Gefasst. Wollte früh nochmals vor die Tür. Weiter nicht. Sass kurz an der frischen Siebenuhrsonne. Die Nacht war kalt, die erste Herbstnacht mit einstelligen Temperaturen. Der Morgen über der Feldmark neblig. Fressen wollte er nicht. Nur ein bisschen schnuppern über dem Futter. Aber trinken. Trinken. Trinken. Die Nieren hätten ihren Dienst bald ganz aufgegeben und den Moment musste ich ihm ersparen. Er war noch einmal auf meinem Schreibtisch. Hörte sich noch einmal unser Einsingen an. Kackte noch einmal in den Garten der Nachbarin. Verabschiedete sich. Dann fuhren wir zusammen nach Nindorf. Hin. Und wieder zurück. So ist das Leben am Wattenmeer. Das Wasser läuft auf und wieder ab. Herr Rasputin schleicht jetzt irgendwo am Himmel zwischen den Wolken herum und kann endlich sehen, was ich so treibe, wenn ich nicht zu Hause bin. Ich schwimme in der Nordsee. Sein abgemagerter Körper ruht im Garten, im verwilderten Blumenbeet unter der Edelkastanie.

Montag, 31. August 2020

gold - titan

Die Optikerin sagt, Gold sei das neue Titan. Filigrane Goldfassungen lösen endlich die monströsen schwarzumrandeten Brillen ab, die alle seit Jahren tragen. Ich grabe in meinen Schätzen, weil die Lieblingsfassung meiner Arbeitsbrille nicht mehr neu verglast werden kann. Und finde ein zartes Modell, wahrscheinlich aus Hongkong. Eigenimport. Aus einem anderen Leben. Meine Augen haben sich nicht nur coronabedingt (ständiges Zuhausesitzen) verändert, sondern im Laufe der Jahre wird die eine Sehschwäche natürlicherweise schwächer, während sich die andere verstärkt. Ganz im Gleichschlag des Höheren und Niederen.

Sonntag, 30. August 2020

einfach - doppelt

Kaiserreich am Reichstag? Und ich tüddel am Wattenmeer mit meinem todkranken Kater herum. In solchen Momenten gehöre ich nicht zu diesem Land. Als Schiedsfrau wurde ich lange vor Corona "geschult". Sensibilisiert auf aktuelle Strömungen in der deutschen Gesellschaft. Dass Reichsbürger auf den Corona-Protest-Zug aufspringen, war schon vor Wochen in kleinerem Rahmen und von der Presse weitgehend unbemerkt in Dithmarschen zu beobachten. 

In anderen Momenten gehöre ich nicht zu dem anderen Land. Wenn ich zB über eine "maßvolle Zuwanderung" (natürlich nicht mit ß) abstimmen soll. Oder über Änderungen im Jagdgesetz. Getreulich gebe ich meine Stimme ab. Per Post, weil das elektronische Sicherheitssystem Helvetiens versagt. 

Doppelte Staatsbürgerschaft bedeutet nicht Doppelte Heimat, sondern Nicht Eine Heimat. Ich switche, berufe mich auf das "eigentliche", meine Sozialisation oder betone mein Recht auf Kritik und Distanz. Einen Kaiser hatten "wir" nie! Auch keine freie Bauernrepublik. Sondern unendlich viele Kleinkriege, unendlich tapfere Soldaten in fremden Heeren. Das ist bis heute geblieben.

Die Sonne geht blutrot über dem Nebel in der Feldmark auf. Der Morgen ist frisch und der Tag verspricht heiter zu werden

Samstag, 29. August 2020

temperatur - sturz

Morgenschwimmen. Das Wasser ist um 5 Grad kälter als noch vor ein paar Tage, der Wind auflandig unbarmherzig, die Sonne bereits kraftlos. Trotzdem schwimme ich mein Dreieck. Mit kühlem Kopf und regelmässigen Arm- und Beinbewegungen sende ich eine Anfrage in den wolkenlosen Himmel, in den Kosmos, ins Getriebe der Urkräfte. Die heutige Losung sagt - und ich verstehe sie nicht, aber der Name des Protagonisten gefällt mir:

Hiskia wurde todkrank; und er betete zum HERRN. Der redete mit ihm und gab ihm ein Wunderzeichen. Aber Hiskia vergalt nicht nach dem, was ihm geschehen war; denn sein Herz überhob sich.
2. Chronik 32,24-25

Freitag, 28. August 2020

gemüse - brühe

Sintflutartiger Regen. Ich suche meinen Hausarzt auf wegen meiner Schwindelanfälle. Er fragt, wann und wie oft, misst meinen Blutdruck und sagt, der sage alles. Natürlich könnte man, gibt er zu bedenken, nun eine Reihe von Untersuchungen lostreten, deren Mühle langsam mahlen und nicht unbedingt gerecht. Er verschreibt mir nochmals Camphertropfen. Für den Notfall. Und empiehlt zur Guten Nacht eine Tasse heiße Gemüsebrühe. Ich schaffe es, in einer Regenpause nach Hause zu kommen. Der Kater empfängt mich. Seit der gestrigen Aussprache weicht er nicht mehr von meiner Seite.

Donnerstag, 27. August 2020

open - mind

Ruhe nach dem Sturm. Die Tide ist ungünstig und der Wind immer noch zu stark für einen Ausflug ans Meer. Ideal für Wäsche. Alles ist voller Haare! Herr Rasputin sonnt sich am Nachmittag auf der Bank im Garten und ich nutze die Gelegenheit, ein offenes Wort mit ihm zu sprechen. Biete an, dass wir nächste Woche in die Tierarztpraxis fahren. Er auf meinem Rücken. Ich auf meinem Fahrrad. 

Mittwoch, 26. August 2020

hoch - tief

Die erste Herbststürmerin. Kirsten. Bringt in exponierten Lagen schwere Sturmböen bis Bft 10 (=26m/s, 51 kn oder um die 95 km/h). Aus südwestlicher Richtung, dann direkt von Westen. Mal sehn, was mein Bambuszaun dazu meint. Noch ist er geschützt von mächtig wuchernden Brombeertrieben. Herr Rasputin bekommt Besuch von Mio.

Dienstag, 25. August 2020

herbst - zeitlose

Ich weiß es, alle wissen es, die länger als eine Saison hier leben: der Sommer ist immer ganz schnell vorbei. Und es folgt ihm auf den Fersen die Zeit des Endlosen. Hinundhers. Hellunddunkels. Kaltundwarms. Die Luft ist schwer und feucht. Am Vormittag noch voller Sonne. Doch dann kommt von Westen der Regen ins Land. Auf die Geest. Und H. ruft an, sie fahre zum Deich. Also schwimmen wir. Wieder im Regen. Und der Deichwärter wandert über den Deich mit einem Deichwagen. Kippt alle Strandkörbe um. Legt sie vor- und fürsorglich in den Wind, der da kommen wird. 

Montag, 24. August 2020

vor - gestern

Irgendwann werde ich sagen: Vorgestern hat es begonnen. Das Begreifen. Der Abschied. Die Trauer. Mir steht etwas bevor, das ich erst im Nachhinein bewerten kann. Eine Entscheidung dafür oder dagegen. Und ob sie richtig gewesen sein wird oder falsch, wird mir niemand sagen wollen. Aber unabhängig von einer moralischen Bewertung wird die Zeit vorbei sein, eine Revision unmöglich, ein Revisit(ed) absurd. Ich möchte Herrn Rasputin in meinem Garten begraben. Ich weiß bereits, wie tief das Grab gegraben werden muss. Aber ich kann mir nicht vorstellen, wie ich die Tierarztpraxis mit dem toten Kater auf dem Rücken verlassen und nach Hause radeln soll. Ich kann mir auch nicht vorstellen, den lebendigen Kater in den Transportrucksack zu packen, auf das Fahrrad zu steigen und am helllichten Tag durch die Felder nach Nindorf zu fahren.

Sonntag, 23. August 2020

spring - verspätung

Zur Springzeit springt das Wasser. Damit es springen kann, muss es zuerst an Masse gewinnen. Die Masse macht es aber träge. Und die Trägheit verzögert den Sprung. Der größte Gezeitenunterschied, die Springflut, kommt deshalb immer mit Verspätung. Denn eigentlich addieren sich bei Voll- oder Neumond die kosmischen Kräfte, die Anziehung zwischen Erde, Mond und Sonne. Aber wegen irdischer Materie und Trägheit, der immensen Wassermasse, hatten wir die Springflut und den Starkwind tatsächlich erst heute am Sonntag.

Samstag, 22. August 2020

stoff - wechsel

Herr Rasputin leidet seit langem an Stoffwechselstörungen. Infolge seiner Nierenschwäche. Und durch das Spezialfutter, das er bekommt zur Entlastung der kranken Nieren. Sie können nicht mehr alle Gifte ausscheiden. Deshalb werden ihm weniger zugeführt. Weniger Phosphor, weniger Proteine. Das ist auf die Dauer keine ausgeglichene Kost! Er ist zudem oft appetitlos und entsprechend mager. Aber er ist noch nie ins Koma gefallen. Die Regenbogenzeit hat begonnen. Es regnet und die Sonne scheint in einem fort.

Freitag, 21. August 2020

zettel - wirtschaft

Ich reibe mir ungläubig die Augen. Wir werden aufgefordert, eine App auf unsere Smartphones zu laden, die ständig stänkert und nie richtig funktioniert. Unter anderem auch deshalb, sagen die Spezialisten, weil sie zu wenig Menschen installiert haben. Ich gehöre zu denen, die dieses schwachbrüstige Überwachungsinstrument längst entnervt wieder deinstallierten. Und dann füllen Hunderttausende von Traumstrand- und Risokogebietrückkehrern bei der Wieder-Einreise am Flughafen (oder noch im Flugzeug beim Landeanflug auf wackliger Unterlage) oder am Hauptbahnhof, an der Autobahn (wo sind die ehemaligen Kontrollstellen geblieben?) in die Heimat mit Kugelschreiber oder Bleistift, was gerade zur Hand ist, Zettel aus. Die müssen dann sortiert werden und Kistenweise den zuständigen Ämtern übergeben. Natürlich ist heutzutage niemand mehr Papierflut und Handschrift gewachsen. Wo lebe ich eigentlich? In Dithmarschen - auf der Insel der Glückseligen!

Donnerstag, 20. August 2020

regen - schwimmen

Zum ersten Mal in diesem Jahr fahre ich mit H zum Deich im Regen. Er ist warm wie das Wasser. Das Wasser ist wild wie der Wind. Der Regen fällt sanft wie das Erwachen. Der Deich ist fast leer. 

Endlich ist es wieder so, wie es immer ist im Sommer an der Nordsee.

Mittwoch, 19. August 2020

neu - mond

Die Sonne geht bereits deutlich nach 6 Uhr auf (und deutlich vor 21 Uhr unter). Hoffnungsvoll fahre ich in die Feldmark. Der Kater wollte nicht mit vor die Tür. Er schläft seit neuestem auf meinem Kopfkissen. Und ich daneben ohne Kissen. Er ist, glaube ich, auf seine Zielgerade eingebogen. Ich weiss nur nicht, wie lange die ist. Mich empfängt draußen meterhoher Nebel. Gefühlt bis in den Himmel. Keine Sonne, keinen Dom, keine Kühe sehe ich, die Hand nicht vor dem Mund oder den Augen und ich fürchte, den einzigen Spaziergänger, der zu dieser Tageszeit immer schon unterwegs ist mit einer Wasserflasche, aus Versehen zu überfahren. Aber ein Reh springt vor mir her und warnt ihn. Der Mond war leer um 04:41 Uhr. Er nimmt nun bereits wieder zu und ist deshalb neu zu nennen.

Dienstag, 18. August 2020

ja - nein

Ein Hin und Her an Gedanken. Worten. Und Taten. Ich kaufe Fliegengitter für drei Fenster. Für das Küchenfenster finde ich eines originalverpackt bei meinem Putzzeug. Gekauft im letzten Jahr. Zum Ausprobieren. Also probierte ich es aus und staune, wie einfach das geht. Also werden nun zum Sommerende noch drei weitere angebracht. Ich bestelle einen Staubsauger bei einer Firma, von der ich bereits eine Bohrmaschine und eine Heckenschere besitze. Ich bestelle eine neue Küche, bzw einen Menschen, der mir eine einbauen kann. Was noch? Ich fahre rechtzeitig an die Meldorfer Bucht. Es läuft viel Wasser auf.

Montag, 17. August 2020

hate - speech

heit - spitsch. Wochenstart. Schulstart. Vokabellernen: doodeln, helikoptern, flugschämen. Die neuen Wörter im Duden sind diskriminierungsfrei, gendersensibel und fremsprachenfreundlich. Zum Beispiel das Gendersternchen - im Gegensatz zu Diven und anderen Sterchen, der Genderstern und der Asterisk, die Asteriske (nein, nicht Asterix). Oder Fridays for Future (wird übersetzt zu Freitage für die Zukunft) im Gegensatz zu Schulschwänzen oder Blue Monday (fehlt im Duden). Warum hate speech Eingang in den Duden findet - natürlich in deutscher Recht-, Groß- und Zusammenschreibung: Hatespeech - neben Hasskommentar und anderen Hass-Komposita wie Hasstirade, Hassbotschaft oder Hassgesang, ja sogar Hassrede ist bereits im Duden drin, seit langem, kommt mir spanisch vor. Die Bibel sagt "Hass erregt Hader" (Sprüche 10,12). Auch Hader findet sich im Duden, noch. Als "gehoben veraltend", sprich auf dem Weg aus dem Duden hinaus. Dafür wurde nun heit spitsch in den Duden gehievt, obwohl wir dort die deutsche Hassrede mit Erklärung finden: "Hass verbreitende Art des Sprechens oder Schreibens". Die Wettervorhersage sagt, dass der letzte Hitzetag am Wattenmeer angebrochen ist. Hochwasser um Elf, Weg zum Deich umweltverträglich zu dritt in einem Auto. Monday for sea (foresee).