Sonntag, 31. Mai 2020

Unendlich

Das Unendliche nimmt heute seinen unerbittlichen Lauf. Fuchtsteufelswilde Böen aus Nordwest rauben mir alle Sinne. Die Welt ist nicht untergegangen, aber Christo lebt nicht mehr. Seine Verpackungskunst nannte er "total irrational und sinnlos" - aber sie gab ihm und seiner Frau Jeanne Claude die Möglichkeit, "an Orte, die so viel reicher sind als die Kunstwelt oder die Galerie oder das Museum" zu kommen. "Ein Abenteuer, sehr aufregend und töricht." Soviel zum Monatsende.

Samstag, 30. Mai 2020

Der Tunnel

Endlich. Auch das. Das Buch steht seit Jahren auf meiner to-read-Liste. Corona sei Dank! Eine seltsame "Utopie" aus dem Jahr 1913 - Bau eines transatlantischen Eisenbahntunnels. Geschrieben hat Herr Kellermann - was für ein sprechender Name - wahrscheinlich in den Jahren 1910-1912. Was für eine plakative Ansammlung von Baumaterial, Maschinen, Tempo, Menschen, Massen, Frauen, Kapital, Medien und "amerikanischem" Geschäftssinn. Anhäufung von Wörtern, die sich in den Schlund unterm Meeresgrund ergießen - bis zur Katastrophe, dann bekommt alles umgekehrte Vorzeichen. Ich fahre zum Abendbaden und komme halbtot vor Erschöpfung zurück. Und muss noch den Bambus wässern!

Freitag, 29. Mai 2020

Ganztonleiter

Diese  Damen, die unermüdlich täglich uns einsingen, kommen auf immer neue Ideen. Heute die Ganztonleiter. Simpel, aber für mich neu. Sie hat natürlich einen Ton weniger als die "normale"- Musikunterricht-, Schulbuchtonleiter. Also nicht 8 sondern nur 7. Weil zwei Halbtöne infolge der Ganztonschritte zu einem Ton zusammenfallen. Warum das nicht immer so ist? Denke ich und versuche auf dem ganzen Weg zum Deich und wieder zurück diese so ungewohnten Tonschritte auf dem Fahrrad zu gehen. Das Hirn ist hartnäckig, zäh, hängt am Alten, Gewohnten. Das Wasser übrigens wie immer mild. Der Deich wie neu: ausgesperrte Schafe, Duschen, Mülleimer, Treppengeländer. FKK-Schilld. Wir dürfen nun also nackt in die Nordsee.

Donnerstag, 28. Mai 2020

Sonnenaufgang

Die Sonne am Wattenmeer hat die 5-Uhr-Marke geknackt. Sonst alles beim Alten. Schwimmpause. Garten. Schreibtisch. Wackelhocker. Beim Aufstehen tut mir alles weh von den Zehen bis zum Halswirbel. Muss so sein.

Mittwoch, 27. Mai 2020

Feldblicken

Trotz heftigem Wind muss ich ans Wasser. Manchmal geht es einfach nicht anders. Die Nordsee gehört mir allein, weil ich etwas verspätet eintreffe. Der Gegenwind. Das letzte Stück steige ich mit dem Fahrrad unterm Arm übern Deich.
Und dann überwinde ich mich aus Vernunft und fahre zum Einkaufen in unser sogenanntes Nahversorgungszentrum. Ein Graus! Noch immer bereitet mir Einkaufenmüssen größtes Unbehagen. Ich brauche nur Weidemilch. Und nehme Klopapier mit. Wenn ich schon da bin und meine triefende Nase bedeckt halte. Ich treffe meine junge Nachbarin, Mutter von sage und schreibe 4 Kindern. So sieht ihr Einkaufswagen aus. Und eine Schwimmerin, die mich darauf aufmerksam macht, dass fast keine Autos auf dem Parklatz stehen. So etwas sehe ich nicht, sage ich. Ich sehe Autos nie. Ich weiss nicht, wann oder ob Parkplätze voll oder leer sind.
Ob die nun alle zum neuen Lidl an der B5 fahren? fragt sie.
Ich habe keine Ahnung. Antworte ich. Und schaue mich erstaunt um. Auf dem großen weiten Feld, das nicht meins ist.

Dienstag, 26. Mai 2020

Singen

Lassen. Das (eigene) Singen lassen. Oder (Andere - die Konserve, das Radio, spotify oä) Singen lassen. Denn singen macht neuerdings krank. Bisher machte es gesund und glücklich. Wahrscheinlich weil die Baptisten gemeinsam sangen, infizierten sich am Wochenende über hundert Gläubige. Deshalb haben wir hier im Norden nach wie vor Probenverbot. Auftrittsverbot, auch in den Gottesdiensten. Aufführungsverbot. Wir halten und daran und singen - der harte Kern von knapp 2000 Goldkehlchen - täglich um 9 mit Barbara, Julia oder Daniel im livestream. Jede/r mehr oder weniger allein bei sich zu Hause vor dem Bildschirm. Da können wir spucken und pusten so viel wir wollen. Das ist lustig und tut gut.
Hier schon mal der link für morgen:

Montag, 25. Mai 2020

Blickfelder

Die Bachstelzen sind wieder da. Und um die Futterhäuschen tobt ein erbitterter Kampf. Die Amseln kommen nicht ran und warten darauf, dass Stare, Meisen und Spatzen vor Aufregung die Hälfte der Körner fallen lassen. Ich fülle die offenen Futterstellen nicht mehr, da sich dort von Hasen über Eichhörnchen bis hin zu Mäusen alle bedienen. Kürzlich hockte ein flugunfähiges Elsternkind im Rasen. Zum Glück schlief Herr Rasputin oben auf meinem Schreibtisch. Wir haben Arbeitsteilung. Am Vormittag gehört der Schreibtisch mir, am Nachmittag ihm. Die Elsterneltern scheuchten mit lautem Geschrei alle andern Gartenbewohner weg. Und erteilten mit pädagogisch fragwürdigen Methoden (Dozieren, Liebesentzug, Hackattacken) ihrem Nachwuchs stundenlang erfolglos Flugunterricht. Ich weiß, dass man Fliegen nicht im Sitzen im nassen Gras erlernt. Aber auf mich hörte niemand. Irgendwann hob die Mutter das Küken auf das Dach der Nachbarn und aus meinem Blickfeld heraus.

Sonntag, 24. Mai 2020

Schlatt

Immer noch Sturm. Kalt und kaum Sonne. Wackelhockerwetter. Schlatt ist auch so ein aus dem Universum gefallenes Wort, über das ich seit Tagen, Wochen und Nächten nachdenke. Auf oder in der Geest liegen Schlatts "wie Augen". Lese ich. Gefüllt mit Himmelswasser. Und im Gebirge? Wie Wimpern. Sage ich. Poetisch ausgetrocknet und grasüberwachsen. Mit buchtigen Übergängen zum Wald. Wenig strukturiert. Vorderschlatt und Hinterschlatt sind Glarner Schafalpen. So steil, dass sich dort kein Rind, keine trächtige Kuh bewegen kann.

Samstag, 23. Mai 2020

Gartenarbeit

Wind zieht auf. Nach dem gestrigen Regen ist das Gras noch einmal ein paar Zentimeter in die Höhe geschossen. Also mähen. Statt schwimmen. Die Böen kommen eh von West, Nordwest bis zu Bft 7. Statt Fahrrad Rasen. Nach der Mittagspause. Nach der Morgenarbeit auf dem ferrararoten Wackelhocker, der pünktlich zur Sitzprobe bei mir eingetroffen ist. Statt Singprobe. Beim Einsingen um 9 hab ich gelernt, dass nicht alle Kuckucks in Terzen rufen. Manche tun es in Quarten.

Freitag, 22. Mai 2020

Neumond

Regen zieht auf. Gestern waren am Deich die Dithmarscher Väter anzutreffen. Einer stieg sogar vorsichtig bis zu den Waden ins Wasser. Und sagte zu mir "das ist ja der einzige Ort, wo wir Einheimische heute hinkönnen." Ja ja, Büsum, SPO, Eiderstedt, Husum, die nordfriesischen Inseln und Halligen wollen keine Tagesgäste. Auch das mondäne Sylt nicht! Ich habe erst auf dem Heimweg verstanden, was der Dithmarscher mir eigentlich sagen wollte. Dass ich mit meiner Schnauze in der Meldorfer Bucht nichts zu suchen habe. Am liebsten hätte er mich wohl rausgeprügelt. Aber dazu hätte er ein paar Schwimmzüge machen müssen. Alles neu macht der Mai.

Donnerstag, 21. Mai 2020

Vatertag

Wer mag eigentlich noch Fleisch essen? Dieses ekelhafte Produkt von unglücklichen, gequälten Tieren, tellerfertig, grillfertig geschnitten von unglücklichen, gequälten Menschen in Schlachthöfen, in denen man nicht weiß, wer schlachtet und wer geschlachtet wird. Frauen sind dort kaum anzutreffen. Alle sind krank. Schlächter und Geschlachtete. Krank vor Angst, Wut und Stress. Vor Erniedrigung und Demütigung. Moderne Sklaverei in der Fleischindustrie. In der Lebensmittelindustrie. Wie übrigens auch in der Pflegeindustrie. Wo Männer kaum anzutreffen sind, es sei denn als Händler, Halter, Vermittler. Auf die Herren des Tages!

Mittwoch, 20. Mai 2020

Endlich ...

... wieder am und im Wasser! Trotz Wind! Kalt aus Nordwest. Herrlich vor dem Herrentag, einsam und mild. Nur am wolkenlos blauen Himmel lange spitze schneeweiße Nadeln. Sie fliegen wieder!

Dienstag, 19. Mai 2020

Die Namensbasen

Kürzlich, es geschah am 1. April diesen Jahres, bekam ich eine Mail, in der mir von einer kirchlichen Organisation in Leipzig bestätigt wurde, bei welcher Tagespflegeperson ich mein Kind anmelden könne. Ich fragte nach, ob das ein Aprilscherz sei und auf welch wundersamen Wegen das Büro - Scherz hin oder her - an meine Mailadresse gekommen sei. Es war kein Aprilscherz, sondern eine Verwechslung. Meine Leipziger Namensvetterin hat eine ähnliche Adresse wie ich - um zwei Zahlen ergänzt, die beim Tippen der Mail vergessen gingen. Hmmm ...
Seit ein paar Tagen grüsst mich im Live-Chat beim Einsingen um 9 immer eine Frau, die ich nicht kenne. Auf meine Frage, ob wir uns kennen, antwortete sie kurz und bündig mit "jo" und dem geheimnisvollen Wort "Trager". Ich schrieb ebenso kryptisch zurück: "Friedaschuhe?" Mit Fragezeichen. Beim Live-Einsingen um 9 versammeln sich mittlerweile fast zweitausend chorprobenlose Sängerinnen und Sänger aus aller Welt.  Im Chat geht es entsprechen wild zu und her, drunter und drüber. Ein Dialog ist da nicht möglich und Schweizerinnen, scheint mir, können mich in diesem Umfeld nur über Friedas Schuhe kennen. Ich googelte die Sängerin, fand sie im Netz mit Foto und Kontaktdaten und verfasste eine ordentliche Anfrage per Mail. Wieder eine Verwechslung. Ich habe eine Namensvetterin in Zürich.
Wer in die Sammlung meiner Namensbasen aufgenommen werden möchte, melde sich bitte hier.

Montag, 18. Mai 2020

Der Sitzhocker

Montag. Neue Woche. Neues Glück. Lockerungen hin oder her. Ich habe mir für mein professionelles Stubenhockerleben einen neuen Hocker bestellt. Ohne Rückenlehne, ohne Armlehnen, ohne Kopfstütze. Aber für ein aktives Sitzen in drei Dimensionen, das die Konzentration fördern soll, die Versorgung des Hirns mit Sauerstoff, die Durchblutung der Beinvenen, die Stärkung der Faszien usw. In Ferrararot. Zwei Wochen zum Testen. Weil ... na ja. Der Wackelhocker kostet tatsächlich mehr als ein Trampolin. Oder ein Tierarztbesuch. Aber weit weniger als ein Besuch bei einem Menschendoktor mit all seinen therapeutisch unvermeidlichen und nachhaltigen Folgen. Der Orthodpäde, den ich vor über zehn Jahren wegen meiner Rhizarthose aufsuchte, sagte damals: operieren! Ehe er meinen Daumen und das Sattelgelenk eines Blickes würdigte.

Sonntag, 17. Mai 2020

Der Lesestein

Der Lesestein hat nichts mit lesen zu tun, nichts mit Schrift, nichts mit Papier  oder Tinte. Lesesteine, Lesesteinwälle, Lesesteinhaufen, Lesestein(trocken)mauern sind mittlerweile geschützte oder schützenswerte Klein- oder Groß-Biotope. Einst angelegt zur Gewinnung von Kulturland in steilen Lagen. Damit die Bergbauern überleben konnten auf ihren steinreichen Alpen, sammelten sie in mühsamer Handarbeit alles ein, was unaufhörlich von den Bergen herunterrollte oder im Boden nachwuchse. Auf-lesen oder ab-lesen. Alles ohne Lupe. Mit gekrümmtem Rücken. Am Feldrand aufschütten.
Lesesteinwälle sind den Bergbauern ungefähr das, was den Koogbauern die Lahnungen.

Samstag, 16. Mai 2020

Der Bann

Es ist immer noch kalt. Nach-Eiszeit. Immer noch viel zu viel Wind. Das Morgenhochwasser immer noch sehr niedrig. Also kein Schwimmen. Sondern Rasenmähen. Ich stehe immer noch unter dem Eindruck von BWV 183 "Sie werden Euch in den Bann tun". Eine weitere One-Man-Show (mit Gehülfen, die nicht alle hülfreich sind) der Bachstiftung St. Gallen. Wieder mit Hinweisen auf Orgelschuhe.

Freitag, 15. Mai 2020

Sophie

Schon wieder Nippzeit. Abgesehen davon, dass die Tide äußerst ungünstig ist (HW 07:22 - da müsste ich jetzt schon losfahren - und 20:41), das Wetter widerlich (Regen!), der Wind heftig (Windböen aus West, Bft 7), die Lufttemperatur gerade noch im einstelligen, für den Rest des Tage im knapp zweistelligen Bereich vorhergesagt (10-11°) - abgesehen davon läuft auch kaum Wasser auf zum Morgenhochwasser (wir steuern mit halber Kraft auf Neumond zu), so dass ich gar nicht richtig schwimmen, sondern höchstens wadenhoch Wasser treten könnte. Die kalte Sofie treibt mich an den Schreibtisch und das ist gut so!

Donnerstag, 14. Mai 2020

Bonifatius

Bonifatius ist der Wohltäter, einer, der gutes Geschick verheißt. Damit ist meine Weisheit auch schon am Ende. Warum er einer der Eisheiligen ist, weiß ich nicht, auch nicht, für welche Bereiche menschlichen Leidens er zuständig ist. In welchen misslichen Situationen wir ihn anrufen und Hilfe oder Beistand erbitten oder einfordern können. Mich treibt es zum Sonnenuntergang hinaus in die Feldmark an die Südermiele. Ich trage einen Wollschal, Handschuhe und Mütze und singe meinen Abendsegen mit klappernden Zähnen. Ich bin nicht in der Lage, mein Smartphone aus der Jackentasche zu ziehen und das Feuer am Himmel zu knipsen.

Mittwoch, 13. Mai 2020

Servatius

Heute hat H. Geburtstag. Sie schickt ein Foto ihres Warschauer Alltags. Balkonien. Mund-Nasenbedeckung. Hundeauslauf. Das Haustier erlaubt dem Hausmenschen den Gang nach draußen. Mich treibt die Regenpause an. Ich muss zur Post und nutze die Gelegenheit, Backpapier zu kaufen. Das gibt es natürlich nicht auf der Post, aber DIE Post gibt es ja schon lange nicht mehr, obwohl das Gebäude, in dem sie einst ihre Meldorfer Filiale betrieb, noch steht. Leer natürlich. Die Post ist heute ein Post-Shop in einem größeren Shop. Oft nimmt der Chef persönlich Briefe und Pakete an. Ist das nicht vertrauenerweckend? Auf dem Heimweg werde ich trotzdem verregnet. Die Legende sagt, Servatius sei mit einem Holzschuh erschlagen worden. Natürlich seines Glaubens wegen. Und so kommt es, dass wir ihn um Hilfe ersuchen bei Hühneraugen, Nagelpilzen, Fersenblasen, Ballen- oder Hammerzehen, Sink-, Stink-, Schweiß- und/oder brennenden Füßen - aber nicht bei nassen Füßen.

Dienstag, 12. Mai 2020

Pankratius

Es regnet und hagelt. Dazwischen Sonne, aber sie hält sich nicht ein kurzes Frühstück lang am Himmel. Fette Regentropfen treiben mich ins Haus. In Schauernähe Sturmböen bis 8 Bft warnt der neue Wetterdienst aus Norwegen auf meinem alten Telefon. Der Kater ist klüger und träumt seit dem Einsingen in meinem Arbeitszimmer. Pankratius ist mein Lieblingseisheiliger. Wahrscheinlich wegen Gottfried Kellers Seldwylern, deren einer Pankraz, der Schmoller war. Nicht gerade ein Held der Weltliteratur, nicht gerade ein Text der Weltliteratur. Aber immerhin! Landauf, landab über alle Landesgrenzen hinweg bekannt.

Montag, 11. Mai 2020

Mamertus

Eisiger Wind treibt uns nach einer kurzen Mittagspause wieder ins Haus. Der Kater hatte sich gerade mir zu Füßen auf der Bank platziert und ich wollte Kapitel 5 des Lissaboner Requiems lesen, das mit den Worten eines Barmanns beginnt "Ihr Ananas-Sumol ...".
Mamertus war ein katholischer Bischof. Die Katholiken bitten ihn um Beistand bei Fieber, Dürre oder Luftnot und anderen Brustbeschwerden (Corona?).

Sonntag, 10. Mai 2020

Die Autobahn

Ich bleibe zu Hause. Pflege Herrn R., meinen Senior-Kater. Gestern auf dem Weg zum Deich rauschte ein Auto nach dem anderen an mir vorbei. Keines hielt sich an die Regeln wie Abstand, Geschwindigkeit oder Hygiene. Ist Corona tatsächlich vorbei? Im Gegensatz zu den Tagen davor, als ich immer mutterseelenallein durch das Vogelschutzgebiet radelte, tauchte kein einziger Streifenwagen am Horizont auf. Hat die Polizei schon am Samstag Sonntagsruhe? Am Deich dann ein Gewusel wie auf Malle. Im Wasser natürlich nicht. Also heute stillhalten im Garten. Gegen Abend soll Wind aufziehen. Ich lese "Im Laufschritt durch Peking" und esse mein letztes Stück Vor-Oster-Schokokuchen.

Samstag, 9. Mai 2020

Die Bredouille

Heute in der DLZ. In der zentnerschweren Jubiläumssonderbeilage. 150 Jahre Boyens-Medien. Mein Text (unter anderem Titel), in Vor-Coronazeit entstanden, kommt unschuldig und leichtfüßig daher. "Ich schreibe nicht in Hausnummern" - hat sich die Redaktion als Untertitel ausgedacht. Gar nicht übel!

Freitag, 8. Mai 2020

Apfelbäume

Mein Apfelbaum











Nachbars Apfelbaum











Es gibt viele gestriegelte und dadurch verkrüppelte, missbrauchte und malträtierte Bäume in meiner Nachbarschaft. Überhaupt, hier auf dem Land, In den gepflegten Vorgärten. Mein Lieblingsjapaner, Tanizaki Jun'ichiro vergleicht irgendwo (im "Lob des Schattens"?) eine traditionelle japanische Frau im Kimono mit einem Kleiderbügel. Entsprechend gleicht Nachbars Apfelbaum der Straßenlaterne - fast. Denn er leuchtet nicht wie sie.

Apfelbaumblüte

Der Apfelbaum steht in voller Blüte. Die Natur schert sich nicht um unsere Drangsal. Ich mähe zum ersten Mal meinen vertikutierten und vor zehn Tagen, vor dem lang ersehnten Regen gedüngten Rasen. Er sieht struppig und zerzaust aus. So wie unsere Seelen. Unter der noch kahlen Edelkastanie finde ich seit ein paar Tagen immer am Morgen ein frisches Gewölle. Wühlmausskelett, säuberlich verpackt in Fellreste. So kunstvoll spuckt nur eine Waldohreule das Unverdauliche aus. Und die untrüglich schneeweißen Kotflecken. Löffelweiße hingeschmissen wie Malerweiß. In den Rasen. Und auf den Asphalt. In all den Jahren akzeptierten die Eulen den Kastanienbaum nie. Woher also der Gesinnungswandel? Ist er nur dem Mäuseüberangebot in meinem Garten geschuldet? Dem Alter des Katers, der sie nicht alle erlegen kann. Tagsüber schläft keine Eule im nackten Baum, soviel ist gewiss. Seit Sonnenaufgang sind da laut die Stare zugange. Füttern ihren Nachwuchs in den Nistkästen. Der Apfelbaum böte maximalen Schutz mit tausenden Blüten. Aber da tummeln sich nur Meisen und Spatzen. Und Eichhörnchen, sobald das Futterhäuschen aufgefüllt ist. Das Wasser läuft auf. Ich muss zum Deich.

Donnerstag, 7. Mai 2020

Vollmond

Die Sonne geht bereits arg im Nordwesten unter. Und der Mond steigt genauso arg im Nordosten übern Horizont. Aus den Fennen in der Feldmark wabert sofort, kaum ist die Sonne weg und der Mond da, Nebel. Arg wie im schottischen Hochland. Die Rinder brüllen und schwimmen. Mich fröstelt.

Mittwoch, 6. Mai 2020

Werkpflege

Nein, ich brauche auch keine Anregung, Inspiration oder Idee ganz allgemein. Ich schreibe schon seit Jahren über das, was gerade alles NICHT ist. Ich pflege die literarische Leere, das verbale nonplusnix. Und komme seit Jahren damit zu keinem Ende. Die Zeit - vor oder nach oder mitten in Corona - ist nicht aufbauend, nicht einmal für das große Nichts. Ich fahre noch einmal zum Deich, obwohl der Wind zugelegt hat an Kraft und ich mit jedem Tag älter werde. Wer weiß, wann mir der Zugang zuz Nordsee gesperrt wird. Mir allein und dem Pastor. Schon zweimal hat mich ein Streifenwagen überholt auf meinem einsamen Weg. Die Seeadler haben ihre Brut am Kronenloch aufgegeben. Warum, weiss man nicht. Vielleicht waren zuviele Ordnungshüter da. Oder die Nächte zu kalt.

Dienstag, 5. Mai 2020

Haarpflege

Nein, ich brauche keinen Haarschnitt. Hellsichtig, wie ich bin, habe ich vor über einem Jahr beschlossen, dass ich wieder Haare auf dem Kopf haben will. Die binde ich jetzt mit einem Gummi zusammen, bevor ich in die kalte Nordsee steige. Aus reiner Vernunft. Niemand will derzeit krank werden. Der Wind kommt kalt aus dem Norden und ich muss nach dem Bade auf dem Fahrrad wieder nach Hause kommen. Der einzige, der auch schon regelmäßig im Wasser anzutreffen ist, ist der Pastor i.R. Mit einer wallenden weißen Mähne. Und ich frage mich schon seit Jahren, wie der es schafft, trockenen Hauptes nach Hause zu fahren. Der fährt natürlich mit dem Auto, kommt ja auch von weiter her als ich (aus Barlt - als ob er meinen Namen gestohlen hätte). Er muss einen Fön (Haartrockner) mitnehmen. So wie andere ihr Handtuch mitnehmen. Ich kann mir nur überhaupt nicht vorstellen, wo er auf dem derzeit verwaisten Parkplatz im Speicherkoog eine Steckdose dazu findet.

Montag, 4. Mai 2020

Montag

Ganz unoriginell May the 4th - may the fourth/force be with you. Star Wars Day. Ich fahre nach dem Einsingen an die Meldorfer Bucht, die heute mir ganz allein gehört. Der Wind ist unbarmherzig kalt. Der Kater setzte sich mitten auf die ausgestorbene Straße vor seinem Haus und guckte mir todtraurig nach. May the force be with you!

Sonntag, 3. Mai 2020

Sonntagsanbaden

Immer noch: off season - keine Duschen, keine Handläufe, keine Warnungen vor Rutschgefahr, obwohl sie da ist, keine Menschen, keine Mülleimer, keine Strandkörbe. Aber die Bohr- und Ölförderinsel am Horizont, mitten im Nationalpark. Und im Vordergrund 1 Fahrrad, 1 Paar Schuhe, 1 Handtuch (um die dem Wasser entstiegene Fotografin geschlungen). Das Fahrrad dient als fahrbarer Untersatz und mobile Umkleidekabine (bunte Klamotten im Fahrradkorb) und mobiles Bistro (Getränk im Flaschenhalter, Sonntagsfrühstück unter den bunten Klamotten im Fahrradkorb). Leichte Brise von West. Moderate Temperatur (Wasser + Luft). Sonntagshimmel. Dankt dem Schöpfer!

Samstag, 2. Mai 2020

Passau

Ich sortiere Bücher. Und träume wild. Als ob alle Geschichten und Figuren, die ich in die Hand nehme, in mein Hirn sprängen und sich dort verlustierten. Ausser Camus' "La Peste" oder Sartres "Huis clos" kann ich ja auch mal wieder Amerys "Untergang der Stadt Passau" lesen. Ha! Postapokalypse! Distopische Utopie! Das Jahr 2013 liegt ja längst hinter uns. Und Heilsbotschaften jeder Art auch. Immerhin: Zwei Stunden auf der Gartenbank verbracht. An der frischen Nordseeluft.

Freitag, 1. Mai 2020

Kreativwirtschaft

Tag der Arbeit. Kreativwirtschaft: Das Wort des Tages. Oder des Monats. Die Kreativwirtschaft, sagt einer, müsse fianziell auch unterstützt werden. So wie die Autoindustrie, der Flugverkehr, Krankenschwestern und Altenpfleger. Bis vor Beginn der Corona-Auszeit wusste ich nicht, dass es so etwas wie "Solo-Selbständige" gibt. Ich stelle mir nun ein Trio oder ein Quartett vor und frage mich, was daran schlecht ist. Ich kannte nur Scheinselbständige, die von den Finanzämtern gejagt wurden, bis sie den Schein auf- oder abgaben. Das Wort "Kreativwirtschaft" aber gehört der BWL.