Montag, 31. Oktober 2016

Meldorfer Mahnwache

Wie jeden Montag:
18:00 - 18:30 Südermarkt
Meldorfer Mahnwache für den sofortigen Atomausstieg

Nicht wie jeden Montag:
Probenfrei. Reformationsfest. Reformationsjubiläum. Empfang für Ehrenamtliche (dazu zählen wir Sängerinnen und Sänger). Einläuten des Lutherjahres.

Sonntag, 30. Oktober 2016

black moon

Interessant. Wir gewannen in der Nacht endlich die im Frühjahr verlorene Stunde Zeit wieder zurück. Und am Himmel steht am Abend ein Phänomen, das wir gar nicht beobachten können: der zweite Neumond dieses Monats. Der zweite Oktober-Neumond. Der erste war am Ersten. Und der Zweite, der sogenannte "black moon" kommt heute, am Vorletzten. Tag! Des Monats! Oktober! Um 18:38. Es wird schon stockdunkel sein, da es ab heute eine Stunde früher dunkel wird. Trotzdem wird niemand den "black moon" sehen. Black moon, black sky, das ist immer so bei Neumond.
Ich denke übers "ausbügeln" nach, das mir am Tag des ersten Neumonds in Bredstedt entgegengekommen war: schnell, zuverlässig, freundlich. Die Heißmangel war geschlossen. Es war Samstag, später Nachmittag und Frau Mair im verdienten Wochenende. Was macht sie mit den Falten, mit dem ganzen Knitterzeug, das sie freundlich ausbügelt?

Samstag, 29. Oktober 2016

Meldorfer Rathauspost

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Frau Bürgermeisterin! Weiterhin viel Sitzleder, aber auch gutes Stehvermögen!

Tadeusz 2

Mein Meister hilft mir, wenn ich Hilfe benötige. Nach wie vor. Nicht, wenn ich ihn darum bitte. Sondern wenn er merkt, dass ich einen Wink mit dem Zaunpfahl brauche. Oder einen Tritt in den Hintern.
Ich bin immer noch dabei, anzukommen. Das Haus wieder in Besitz zu nehmen. Die eine Hälfte, die ich als meine betrachte. Weil S. kam, putzte ich gestern Nachmittag auch die andere Hälfte. Die Putzfrau ertrage ich noch nicht im Haus. Ich trug Bettzeug hin und her. Wühlte in Dingen, die ein Jahr lang herumlagen. Wusch das eine und das andere. Und dann durchfuhr mich plötzlich die Erkenntnis - wie der Blitz aus dem berühmten heiteren Himmel: ich weiß nun und verstehe, weshalb ich, die Ex-Halligschreiberin, am Dienstag Mittag auf Hanswarft so heftig beschimpft wurde vom obersten Halligbewohner. Weil ich schreibe. So einfach ist manchmal die Wahrheit. Weil ich schreibe. Weil das mein Beruf ist. Weil ich nichts anderes kann, nichts anderes tue, nichts anderes will. Nur schreiben. Aber: Schreiben! Er wollte mich degradieren. Demütigte mich ständig, indem er mich bei jeder Gelegenheit als "Hand-gegen-Koje" bezeichnete, mich diversen hohen Gästen so vorstellte. Ich sprach ihn mehrmals darauf an, er hatte immer eine andere Ausrede. Weil er meinte, wenn er mich nicht lese - er blähte sich am Dienstag regelrecht vor mir auf, als er verkündete, meinen blog NIE angeklickt zu haben - , schreibe ich auch nicht. Das ist ungefähr so wie mit dem Hasen in meinem Garten, der die Augen schließt und denkt, ich sehe ihn dann nicht. Ich aber schreibe. Und sehe den Hasen. Ich liebe den Hasen und werde ihn durch den Winter mit Karotten füttern, wenn er kein frisches Grün mehr in meinem Garten findet.

Freitag, 28. Oktober 2016

Tadeusz

Heute hätte mein Meister Namenstag. In gewissen Ländern sind Namenstage wichtiger als Geburtstage. Manchmal, nicht immer, fällt der Namenstag auf den Geburtstag, oder umgekehrt, gilt der Geburtstag als Namenstag, weil manche Mütter und Väter der Ansicht sind, das Kind bringe mit der Geburt nicht nur das Geschlecht, sondern auch seinen Namen mit. Wie auch immer. Es ist gut, dass mein Meister, der heute Namenstag und nicht Geburtstag hätte, rechtzeitig gestorben ist und die politischen Umwälzungen in seinem Land nicht mehr miterleben muss. Aber: er wäre stolz auf die Polinnen und ihre "schwarzen" Proteste!

Donnerstag, 27. Oktober 2016

Matka Boska

Die Zugriffszahlen schnellen gerade in die Höhe. Endlich lesen die Hooger meinen blog!
Ich sause mit meinem kleinen Akkurasenmäher kurz vor Sonnenuntergang über den Rasen. Nicht um zu mähen, sondern um das über den Tag getrocknete Laub zusammenzufegen. Mein kleiner Rotak zerhäckselt die Blätter und ich schütte sie auf mein vom Unkraut befreites Gemüsebeet. Morgen werde ich das Gemisch ordentlich untergraben und gut is. Bis die nächste Portion Herbst vom Himmel fällt. Wie schön, zu Hause sich abrackern zu dürfen für den eigenen Grund und Boden. Und nicht mehr ohne Dank in fremden Diensten zu stehen, moderne Sklaverei zu verkörpern. Vor dem Einschlafen ein, zwei Kapitel aus "Matka Boska" von Cécile Ines Loos. Ein gewaltiges Buch. Endlich kann ich wieder lesen!

Mittwoch, 26. Oktober 2016

"diese sich zunehmend verrohende Welt"

Carolin Emcke, die frischgebackene Friedenspreisträgerin des deutschen Buchhandels, sagte am Sonntag in der Frankfurter Paulskirche, jeder Einzelne "kann sprechend und handelnd eingreifen in diese sich zunehmend verrohende Welt".
Die Verrohung fängt mit der Sprache an. An den entlegensten Orten der Welt. Auch wenn sie quasi ganz nah an der Schöpfung sind. Oder mit den Gedanken. Wenn ein Mann auf der Hallig von einer (nicht seiner) Frau sagt, die könnte er von hinten erschießen, dann ist das rohe maskuline Rohheit, verbale Gewalt. Ein mentales Kapitalverbrechen.
Wenn eine Frau am Sonntag nach dem Gottesdienst auf Kirchwarft steht und über die ankommenden Sonntagstouristen sagt, die könnte sie alle erschießen, dann ist das rohe feminine Rohheit, verbale Gewalt. Ein mentales Kapitalverbrechen.
Worin besteht der Unterschied? Der Mann bezieht sich auf eine einzige, ihm bekannte Person. Die Frau geht pauschal gegen eine ganze Gruppe Unbekannter vor. Der gemeinsame Nenner ist die Waffe. Das Schießeisen.
Meine Aufgabe ist und war es nie, die Welt hymnisch zu besingen. Meine Aufgabe ist es, die Welt zu sehen und ihre Abgründe zu benennen.

Dienstag, 25. Oktober 2016

Hooger Blau

Ja, der Himmel über Hooge ist nach wie vor unbeschreiblich schön. Klar. Weit. Tagsüber ablaufendes Wasser. Trockenfallendes Watt. Ruhe! Ich gehe meiner ganz eigenen Wege. Treffe meine ganz eigenen Basler Freunde und höre ganz nebenbei, die Halligschreiberin habe Hooge aus Langeweile verlassen.

Montag, 24. Oktober 2016

Meldorfer Mahnwache

Wie jeden Montag:
18:00 - 18:30 Südermarkt
Meldorfer Mahnwache für den sofortigen Atomausstieg

Sonntag, 23. Oktober 2016

Samstag, 22. Oktober 2016

Maronenernte

Drei Kilo brutto habe ich verarbeitet, zweieinhalb netto rausbekommen. Das ist von der Menge her nicht schlecht. Vom Aufwand wird es von Jahr zu Jahr schwieriger. Schmerzhafter. Meine Rhizarthrose entwickelt sich mit mir zusammen. Wird im Gleichschritt älter.
Ein Kilo ungefähr liegt noch im kalten Wohnzimmer und wartet auf einen ruhigen Moment.

Freitag, 21. Oktober 2016

Fahrradstreik

Das Hinterrad blockiert. Die Bremse lässt sich nicht mehr lösen. Bringt mich zur Weißglut! Wie komm ich jetzt auf die andere Seite der Bahnlinie zu meinem Fahrradmechaniker? Meldorf ist nicht durch eine Mauer sondern durch die Marschbahn geteilt. Geteiltes Leid ist in diesem Falle doppeltes Leid!

Donnerstag, 20. Oktober 2016

Fadenzähler

Überall Schneiderhandwerkswörter. Nach Strich und Faden. Sich verhaspeln. Die Haspel ordnet Fäden, fasst sie zu Strängen zusammen. Warum wird die Rede als ein Faden verstanden, der sich tüchtig verwirren kann?
Die Weber prüfen ihre Stoffe auf die Anordnung der Fäden, auf die Qualität der Fäden. Dazu brauchen sie eine Lupe wie andere zum Lesen. Das ist keine Leselampe sondern ein Fadenzähler.
Und der Erzähler? Oder die Erzählerin? Verliert den Faden. Es regnet.

Mittwoch, 19. Oktober 2016

Wahrsprechen

In der Nacht Dauerregen. Der Morgen trieft. Ich höre ein Gespräch mit Carolin Emcke. Sie sagt unmissverständlich, dass man + frau den Mut zur Wahrheit haben muss, wahrsprechen soll gegenüber der Macht. Foucault lässt grüßen. Wir dürfen uns nicht beirren lassen, sagt Emcke heute Mittag aus dem Radio zu mir und nur zu mir. Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen, uns nie Unrecht als Recht verkaufen lassen. Der Nebel hält sich hartnäckig. Online bin ich am offenen Fenster, rittlings auf der Fensterbank wie auf einem Pferd. Oder auf dem Rathausplatz. Neben dem Kunststein. Oder der Steinkunst.



Dienstag, 18. Oktober 2016

Fadenscheiniges

Gegen Mittag bricht die Sonne durch den Nebel. Ich grabe mein Gemüsebeet um, das in diesem Jahr gemüsebeetfrei hatte. Die wunderlichsten Kräuter haben sich verbreitet. Spinnen als Äquivalent oder Ausdruck des Verrücktseins geht tatsächlich auf das Spinnen als Handwerk zurück. Man spinnt nicht nur den Faden, sondern auch eine Erzählung. Spinnerinnen sollen sich früher bei der Arbeit gerne Märchen oder andere verrückte Geschichten erzählt haben. Sie spannen (ja!) Verworrenes, verworrene Fäden. Und irgendwann verkürzte sich alles, als nicht mehr so viel wahrhaftige Fäden gesponnen wurden, galt spinnen einfach nur noch als "verrückt"! Auch das Fadenscheinige einiger Argumente geht auf eine ähnliche Materie zurück, diesmal auf Gewebtes. Gute Argumente müssen dicht und klar gemacht sein wie ein guter Mantelstoff, schlechte hingegen sind durchsichtig wie eine abgenutzte Hose. Ich spinne meine eigenen Fantasien. Im Garten hauste mindestens ein Hase, mehrere Katzen und leider auch ein Hund.

Montag, 17. Oktober 2016

Meldorfer Mahnwache

Mahnwache in Meldorf. Chorprobe in Heide. Und meine Entdeckung heute: Obertonsingen! Phänomenal. Cantate Domino ... - Singet dem Herrn! Ein neues Lied! So kann die Schöpfung, muss die Schöpfung besungen werden, will man ernsthaft an einen Schöpfer glauben.

Sonntag, 16. Oktober 2016

Vollmond

Der erste Meldorfer Vollmond seit langem tritt freundlicherweise ganz kurz aus den Wolken in dem Moment, als ich zwischen dem ersten und zweiten Saunagang zum Spaziergang durch den Garten aufbreche.

Samstag, 15. Oktober 2016

Der Dauerlauf

Ich kann endlich wieder arbeiten. Endlich kommen wieder Wörter wie Zopfholz und Sprockholz und finden ihre kreativen Umwege in den 144-er Verbund. Mein persönliches formales derzeitiges Nirwana! Ich habe meine innere Ruhe wieder und meinen inneren Rhythmus, meine innere Zuversicht. Zufällig stoße ich nach Jahren auch aufs Latein und lasse es gelten: Amicus certus in re incerta cernitur. Angeblich von Cicero. Wie schön klingt das! Die Polen usurpieren alles, auch die Antike. Mickiewicz machte daraus "Prawdziwych przyjaciół poznajemy w biedze". Und ich, ha! - schuf einmal in einer grammatikalischen Verwirrung meine eigene Version von Mickiewiczs Cicero-Adaption mit dem Finale "... w biegu": "Prawdziwych przyjaciół poznajemy w biegu" - Wahre Freunde erkennen wir im Dauerlauf!

Freitag, 14. Oktober 2016

Zopfholz

Über allen Gipfeln ist Ruh / in allen Wipfeln spürest du / kaum einen Hauch ...
Goethe kann jetzt schlafen gehen. Ich habe heute ein neues Wort gefunden, bei den Förstern im Wald und meiner Fee im Garten: diese Fachleute bezeichnen den oberen Teil eines Baumes, also auch meiner mittlerweile mächtigen Edelkastanie, als Zopf. Und das Bearbeiten, Zurückschneiden der Äste, des Wipfels als Zopfen. Gute Nacht, alter Poet!
Auch Bäume neigen zur Vergreisung. Und in meinem eigenen Text lese ich, dass Steinschlag Waldgesellschaften vor Inzucht bewahrt. So hat alles sein Gutes und ich bin immer noch off the line, also neben der Spur.

Donnerstag, 13. Oktober 2016

offline

Ich rode einen Wald von Topinamburpflanzen. Hole dicke Stämme aus der weichen Erde. Ernte einen Eimer voll Essbares. Schütte ihn, den Eimer, auf dem Gartentisch aus. Auf ein paar Seiten aus einer verblichenen ZEIT. Die ist mir verblieben. Denn über Nacht hat man mir Telefon und Internet abgestellt. Unglaublich! Was der Garten in meiner Abwesenheit getrieben hat.

Mittwoch, 12. Oktober 2016

Der Steigbügelhalter

Nein, ich bin weder eine Steigbügelhalterin noch ein Steigbügelhalter. Schon wieder bleibe ich hängen bei der Nickenden Distel. Endlich wieder Wind im Garten. Ich muss mich beeilen, wenn ich nicht alle Maronen den hungrigen Raben opfern will. Die Ernte fällt mager aus. Auch die Nashibirnen faulten fast alle am Baum. Steigbügelhalter hat einen noch bittereren Nachgeschmack als das Kreidefressen. Weil der gebeugte Rücken zu sehen ist.
Der Duden sagt, der Steigbügelhalter sei ein "sehr unterwürfiger Diener". Denn derjenige, der früher anderen den Stegreif oder den Steigbügel hielt, damit er aufs Pferd steigen kann, war immer eilfertig. Warum? Weil derjenige, der aufs Pferd wollte, es eilig hatte? Warum kommt die Sprachfärbung von oben nach unten?

Dienstag, 11. Oktober 2016

diabolus in musica

"Unglaublich" schöne Musik, lese ich, könnten wir heute nicht hören, wenn sich alle Komponisten an die Maßregeln eines Nuncius aus dem Jahr 1613 gehalten hätten. Es tut also gut, auszubrechen. Aus Festgefahrenem.
Besagter Nuncius (Johannes N. Görlitz) warnte vor dem "Gegeneinandersetzen von weichen und auch harten Stimmen", da dieses "die Ohren beleidigt". Bei einem diatonischen Halbton (h und c) gilt der untere Ton als hart und der obere als weich. Das kommt von der Geige oder anderen Saiteninstrumenten, wo die Saite des Stammtones b gegenüber der Saite des Stammtons h weicher bzw. die h-Saite gegenüber der b-Saite härter gespannt ist. Deshalb galten chromatische Halbtonschritte, übermäßige Quarten, verminderte Quinten, übermäßige Oktaven in den Kompositionen als "Teufel der Musik" - diabolus in musica.
Solches und ähnliches erfahre ich in einer Probe mit der Heider Kantorei.
In Händels Messiah singen die Soprane so ein ungewöhnliches Intervall, der Spring nach oben in "Since the man came death ...", von Takt 17 zu Takt 18. Tritonus oder Halboktave. Umfasst drei Ganztöne und klingt wunderbar!

Montag, 10. Oktober 2016

Meldorfer Mahnwache

Sie sind immer noch dabei, jeden Montag vor dem Bäcker, den es nun nicht mehr gibt an der Ecke. Nur ich habe die Übersicht verloren. Die 238. Mahnwache hielten wir am 23. November 2015 ab. Danach war ich aushäusig. Jetzt muss ich, nebst allen anderen liegengebliebenen Dingen, auch das noch erledigen: nachzählen. 

18:00 - 18:30 Südermarkt
Meldorfer Mahnwache für den sofortigen Atomausstieg

Sonntag, 9. Oktober 2016

in nuce

Von Plinius dem Älteren bis Stephen Hawking versuchen alle, die Welt, die dargestellte, erahnte, erfahrene, befürchtete ... in einer Nussschale unterzubringen. Also auch ich.
Hooge in nuce, das kann man sich bildlich vorstellen als eine mit Pech und Schwefel ausgestrichene leere Walnussschalenhälfte in der tosenden Nordsee. Aber nein. Es ist Sonntag und NDRinfo überträgt den katholische Gottesdienst aus der Pfarrkirche St. Cyriakus (Schutzpatron der Winzer, weil er vor Frost und schlechtem Wetter schützen soll, aber auch vor Versuchungen, Besessenheit und bösen Geistern!) in Krefeld-Hüls und ich höre als erstes göttliche Musik!
"Wo man singet ..." rät der Dichter (Johann Gottfried Seume) "... lass dich ruhig nieder
Ohne Furcht, was man im Lande glaubt;
Wo man singet, wird kein Mensch beraubt
Bösewichter haben keine Lieder."
Tja. Beraubt wurde ich und ein Sinn-Sing-Bild geht mir nicht mehr aus den Augen:
Während der Probe am Dienstagabend im Pastorat auf Kirchwarft ("gemeinsames Singen") stellt sich eine Sängerin konstant mit dem Rücken zu allen anderen in eine Ecke und hält sich beide Ohren zu. Wenn ich Euch höre, sagt sie, kann ich nicht singen. Meine Nussschale - the small Hooge universe in a nutshell.

Samstag, 8. Oktober 2016

Neue Ernte

Neuer Text.
Gartenarbeit. Die erste Handvoll Maronen ist gefallen. Ich dachte schon, es gibt in diesem Jahr keine reifen bzw. bestäubten Nüsse.
Ich schneide die Hausecke, die eine Hausnummer, ein Fenster sowie das blaue Anzeigetäfelchen für die Wasserleitung, die hier in der Tiefe entlangrauscht, aus dem Efeu frei. Das Efeu, habe ich auf der Hallig gelernt, greife das Mauerwerk nicht an. Im Gegensatz zum lockenden Wein mit seinen Pfropfen an den Füßchen.
Danach steige ich auf die Leiter und vertraue auf meine Standfestigkeit. Hole mehrere vertrocknete Vogelnester aus den Dornen. Auch die Blaumeisen kommen nächstes Jahr wieder. Da bin ich sicher und zerre die entfesselten Kletterrosen aus der Dachrinne. Der Dachdecker kommt nächste Woche. Der Rosenbogen ist unrettbar verrostet. Ihn werde ich vor dem nächsten Sturm mit Zange und Hammer bearbeiten, damit er in die Mülltonne passt. Allmählich tau(ch)t das Haus wieder auf.

Freitag, 7. Oktober 2016

Neue Sprache

Nochmals zurück zur Frage des Schuhmacher(schweizer)deutsch: was heißt "alles über einen Leisten schlagen"? Das Alumniportal schlägt folgende Antworten vor:
a) undifferenziert vorgehen
b) sich sehr unsensibel verhalten
c) alles auf einmal kaputt machen?
Knifflig, wenn man nicht in einer innerschweizerischen Schuhmacherwerkstatt zur Schule gegangen ist, wie ich. Kompliziert, das Gefüge von Sinn und Form. Wer weiß, was ein Leisten ist? Ich musste die Hallig verlassen, um zu meiner Sprache zurück zu finden. Die Verrohung einer Gesellschaft macht sich auch an der Verrohung ihres Mundwerks bemerkbar. Korrekt sind immer die Schuhmacher! Ich musste die Hallig verlassen, um mein angestammtes Handwerk wieder auszuüben. Zu schreiben. Ich habe habe für den Rest meines kreativen Lebens Material genug gesammelt in den letzten Monaten.
Was aber schlägt hier wer über den Leisten und wozu? Das ist nachzulesen in meinem Schuhmacherroman. Übertragen meint die schönsteder deutschen Redensart a) dumm und undifferenziert vorgehen!

Donnerstag, 6. Oktober 2016

Unsere ausgezeichneten Panter's

wurden in Meldorf am Bahnhof mit Ehren und Trommeln empfangen:



Und anschließend in ihren Buchladen geleitet, wo sie sich ihrer warmen Jacken entledigten!

Ausbüxen

Gestern abend, wie bereits angekündigt, lief im Verzehrkino Meldorf der plattdeutsche Dokumentarfilm "Utbüxen kann keeneen". Der Titel wird offiziell übersetzt mit "Weglaufen kann keiner". Ich habe meine eigenen verbalen Vorstellungen von der Welt und bevorzuge das Wort "ausbüxen". Ausbüxen kann jeder, sogar ein Kind. Wo ein Wille, da ein Weg. Schon die Soldaten machten sich "vom Acker", wenn sie keine Lust auf Übungen hatten. In der Soldatensprache wurde das Übungsgelände Acker genannt. Daher kommt die deutsche Redewendung und von nix anderem.
Utbüxen kann keenen - hier werden die Halligen Langeneß und Hooge für einmal im schönsten Dokumentarverbund von Ostfriesland, Dithmarschen und Mecklenburg gezeigt. Unter dem handwerklichen Gesichtspunkt des Bestattungswesens. Der regulierten Abläufe zwischen Tod und Grab. Erzählt von Menschen, die nur in dieser Situation und Zeit in Funktion treten. Nicht von Hinterbliebenen, nicht von Trauernden, nicht von den Toten selbst. Keine Geschichten, nur Taten.
Nüchtern und sachlich betrachtet, erschien mir gestern abend auf dem Heimweg durch die ausgestorbene Stadt das Halligleben plötzlich in einem neuen, düsteren Licht. Unschöne Assoziationen wie "Abstellgleis" stellten sich ein, "auf verlorenem Posten" stehen oder sein. Und, erneut, immer wieder, "Auslauf". Jeder Hund braucht (und bekommt normalerweise) Auslauf. Ich habe viele Hunde auf Hooge kennen gelernt, denen nur die Tür geöffnet wird. Wie der Herr, so's G'scherr. Gilt auch für das weibliche Geschlecht. Ausbüxen kann jede.

Mittwoch, 5. Oktober 2016

Der Stichsägeneinsatz

Warum das Auspacken immer viel länger dauert als das Einpacken? Nicht einmal meine Makulatur habe ich der Hallig hinterlassen, weil ich mir nicht sicher sein konnte, dass dort nicht jemand seine neugierige Nase in den in grüne Plastiksäcke getrennt entsorgten Papiermüll steckt und in meinen der Weltliteratur aus guten Gründen entzogenen Wörtern herumschnüffelt.
Nach dem morgendlichen Schriftverkehr denke ich darüber nach, meinen 2 Meter langen Schreibtisch mit Schwiegervaters Stichsäge zu bearbeiten, da er nun für immer in meinem Meldorfer Arbeitszimmer stehen bleiben wird und also endlich, nach dem Umweg über den Hochsicherheitstrakt Hooge an die ständige Umgebung, sprich: den Heizkörper, angepasst werden kann und muss. Da beißt die Maus keinen Faden ab!

Dienstag, 4. Oktober 2016

Der springende Punkt

Der springende Punkt ist kein Wettläufer, sondern der entscheidende Faktor. Zum Beispiel die Freude beim Wiederfinden von gewissen Gegenständen. Erst vor kurzem eingepackt, wecken sie doch Begeisterungsstürme in der von Husten geplagten Brust: Oh, meine japanische Porzellaningwerreibe!
Der springende Punkt wurde angeblich von Aristoteles entdeckt und zwar als biologisches Phänomen. Als erstes "auffälliges Zeichen des Lebens" - nämlich der rote Fleck, der am dritten Tag nach der Befruchtung im Hühnerei sichtbar wird. Soviel als Nachtrag zum gestrigen polnischen schwarzen Montag.
Und heute frage ich mich, warum ich des Morphinisten Glausers Briefe auf der Hallig nicht gelesen habe, wenn ich sie schon dabei hatte? Zwei dicke Bände. 1926 schreibt er aus Liestal - ich habe nun am Nachmittag in meinem sonnigen Meldorfer Garten darin gelesen - wo er nach einem Jahr Knast in Witzwil in die Freiheit entlassen in der Gärtnerei Heinis, einer "Baum- und Rosenschule" als Hilfsgärtner angestellt war. Er musste um alles bei seinem Vormund betteln, da er pro Stunde 70 Rappen verdiente und, um nur ein Beispiel oder zwei zu nennen, damals eine Unterhose 4,50 frs kostete, eine Arbeitshose "in Manchestertuch" 19 frs! Das ist doch der springende Punkt!

Montag, 3. Oktober 2016

Der Schwarze Montag

In ganz Polen streiken und demonstrieren die Frauen. Schwarz angezogen. Gegen das geplante totale Abtreibungsverbot der rechtsnationalen Regierung. Es werden Stimmen laut, diese Regierung würde von den Frauen gestürzt: http://m.wyborcza.pl/wyborcza/1,105405,20785368,ten-rzad-obala-kobiety-wzniecona-dzis-fala-za-nieco-ponad-tysiac.html?utm_source=facebook.com&utm_medium=SM&utm_campaign=FB_Gazeta_Wyborcza Gut so! Weitermachen!
Ich hingegen gehe von der Hallig wie das Christkind. Ungerührt. Unberührt. Schneeweiß.
In Schlüttsiel wartet Christian mit Mütze und wir packen das Auto bis oben voll. Nur die Schleife fehlt für das Christpaket. Es ist noch nicht dunkel und ich bin wieder zu Hause.

Sonntag, 2. Oktober 2016

Erntedank

Ich bin auf Hooge und packe. Ich habe zehn Monat mehr oder weniger am Stück auf der Hallig gelebt, dazu kommen zwei Aufenthalte im letzten Jahr von jeweils einem Monat. Ich kann also guten Gewissens sagen: ich war ein Jahr auf der Hallig. Ein Jahr mit unverschlossenen Türen. Das ist nicht gleichbedeutend mit offenen Türen. Trotzdem ein Jahr, in dem mir nichts gestohlen wurde. Bis gestern Abend. Als ich aufgrund von Zugausfällen bei der NOB mit 8 Stunden Verspätung und nach Ladenschluss vor dem langen Wochenende ankam. Ich öffnete als erstes den Kühlschrank, um zu gucken, ob ich noch etwas zu Essen habe. Und ich sah: aus meinem Kühlschrank wurde eine Flasche Wodka (Dębowa - nur Kenner wissen, was das ist) entwendet! Ich weiß, wer die Flasche gestohlen hat und werde nach guter Halligsitte den Namen nicht nennen, sondern von einer "Person" sprechen. Diese Person hat meinen Wodka aus meinem Kühlschrank genommen, um ihn sich sinnlos ins Hirn zu "beamen" (ich habe viel gelernt auf der Hallig!). Wahrscheinlich ist auch ihr erst nach Ladenschluss in den Sinn gekommen, dass das Wochenende lang und der Durst groß werden könnte. Zum Abschied Diebstahl und in der Kirche Erntedank. Statt zu beten, gehe ich mit der Flut zum letzten Mal am Landsende schwimmen und lasse alles von mir fortspülen, was mich bewegt. 

Samstag, 1. Oktober 2016