Freitag, 31. Juli 2020

fremdschämen

Ich stolpere immer wieder über Bibelverse, die in der Tageslosung in meinem Postfach landen als Gottes Wort an diesem Tag. Ich habe Gottes Wörter abonniert zur Schärfung meines Intellekts im sonst so inspirationslosen Alltags in der tiefsten norddeutschen Provinz, die nur durch den rasanten (+/- 20 neue Infektionen pro Tag) Anstieg der Corona-Fälle gerade nationale Berühmtheit erlangt- Heute also dies: 
Du sollst kein falsches Gerücht verbreiten.
2. Mose 23,1

Da fragt sich doch jede/r einigermaßen des Deutschen Mächtige, ob es denn ein richtiges Gerücht gibt?

Mittwoch, 29. Juli 2020

Die Meise

Ungünstige Tide. Ungünstiges Wetter. Wir besingen beim Einsingen den Rege. Also regnet es. Ungünstige vibrations überm Wattenmeer oder unter dem Himmel. Irgendetwas hindert meinen Kater seit ein paar Tagen daran, selbstständig nach Hause zu kommen. Wenn er zum Beispiel Hunger hat. Oder müde ist. Nach dem Regen Rasenmähen. Und Samenfäden zusammenfegen. Unter den Brombeeren finde ich eine tote Meise. Sie ist ganz offensichtlich kein Opfer des Katers, denn äußerlich unverletzt.

Montag, 27. Juli 2020

Falsch abgebogen

Die Irrgäste in der Natur - Zugvögel, Kegelrobben, Zwergwale u.a. - die immer wieder an falschen Orten dieser Erde auftauchen, wo sie meist nicht überleben können, biegen an irgendeiner Stelle ihres Weges falsch ab. Und gehen - fliegen, schwimmen - danach aber solange weiter, wie ihre Kameraden, die nicht falsch abgebogen sind. Das heißt, die Distanz wird eingehalten, aber die Richtung ist falsch.
Herr Rasputin ist irgendwann zwischen gestern und heute auch falsch abgebogen. Er landete bei den Nachbarn. Das ist nicht weiter schlimm und nur zwei Häuser weiter, außerdem stehen wir, wenn etwas ist, in ständigem Kontakt. Ich wusste also, wo er war und machte mir einen halben Tag lang keine Sorgen. Schlimm ist, dass er trotzdem den Heimweg selber nicht mehr fand. Und nun mache ich mir Sorgen.
Er muss jetzt erstmal drinnen bleiben.

Sonntag, 26. Juli 2020

Zeichenlesen

Gegen Mittag kommt mein schwarzer Kater, eskortiert von drei Kindern nach Hause. Das heißt, er kommt nicht, sondern trottet, von den dreien immer wieder dazu aufgefordert, hinter ihnen her und guckt mich dann ziemlich verdutzt an, als ich die Tür öffen. Die Älteste hatte geklingelt. Ich kennen sie, sie hat mir im Mai letzten Jahres geholfen, den verschwundenen Kater ihn zu finden. Er sei nun das erste Mal wieder in ihren Garten gekommen, sagt sie. Und sie habe ihn sofort wieder erkannt und sich an seinen Namen erinnert. Aber ihre eigenen Katzen wollten mit ihm nicht spielen. Herr Rasputin hört sich das alles mit skeptischer Miene an, auf Hygienedistanz, im Gras hockend. Näherkommen will er nicht, Futter von mir auch nicht. Als die Kinder gegangen sind - ich habe ihnen zwei Dosen Bio-Hähnchen und Bio-Kaninchen für ihre gesunden Katzen mitgegeben, die Herr Rasputin eh nicht mehr frisst - schleicht der Kater scheinheilig in die andere Richtung davon.

Samstag, 25. Juli 2020

Hesselesen

Aus meiner Taschenbuchausgabe des "Glasperlenspiels" fällt ein Lesezeichen. Es steckte zwischen den Seiten 436 und 437. Eine Postkarte, die eine niedersorbische Festtracht zeigt. Volkseigener Verlag Domowina Bautzen. DDR 0,20 M. Und handschriftlich, leider undatiert: "Wenn Du ein sorbisches Maiteli wärest und im Auslieferungsverzeichnis stehen würdest ... Ja, dann!"
Am Morgen vorgelesen wurde heute gerade die Sonnabendstory. Der Anfang von Orwells 1984. Ich steige sofort in mein Bücherregal, ziehe zwei Originalausgaben Nineteen Eighty-Four heraus. Die eine, Penguin Book, von vorne bis hinten mit Erklärungen und Anstreichungen versehen. Schullektüre! Vor 1984!
Wenn das so weiter geht ... Ja, dann!
Dann, last but not least, eine Konsternation jagt die nächste an diesem Samstagmorgen, noch die heutige Losung! In welchem Bezug, um Himmels Willen, steht die zur gestrigen?
Gerechtigkeit führt zum Leben; aber dem Bösen nachjagen führt zum Tode.
Sprüche 11,19

Freitag, 24. Juli 2020

Bildschirmlesen

Gestern abend hörte ich einen Bericht darüber, wie die Digitalisierung unser Leseverhalten verändert. Verschiedene "LeserInnen" kamen zu Wort, von der Sprachwissenschaftlerin über einen Drehbuchautor bis hin zum normalen Vater, der seinen Kindern Gutenachtgeschichten vorliest. Ich dachte immer, es sei mein persönliches Problem, dass mich am Bildschrim schnell alles langweilt, dass ich keine Geduld aufbringe für "kilometerlange" (wie ich es nenne) Texte. Ich dachte, das hätte mit meinem Alter zu tun, mit meiner Einsamkeit, mit meinem Alltag in der tiefsten Provinz - und dann noch Corona! Frau wird einfach düddelig. Aber nein, es ist ein gesellschaftliches Phänomen, und dahinter öffnet sich der kulturelle Abgrund: wir verlernen zu lesen, wir verlernen, uns auf mehr als zwei Sätze zu konzentrieren, uns auf einen fiktiven oder sachlichen Text einzulassen, egal wie lang er ist und wovon er handelt. Das Paradebeispiel der Wissenschaftlerin: sie wollte mal wieder Hesses Glasperlenspiel lesen, das sie - wie wir alle! - einst begeistert verschlungen hatte, und sie konnte es nicht! Sie musste erst wieder lernen, über Tage und Wochen, mit geduldigem Meditieren am Morgen, im Dialog mit der Vorsehung und einer Viertelstunde selbstverordnetem absoluten Bildschirmverbot, täglich. Wahlweise zu steigern! Im Gleichklang mit der Anzahl der täglich zu lesenden Seiten auf Papier. Meine Taschenbuchausgabe vom Glasperlenspiel umfasst 613 Textseiten. Das Buch ist bereits etwas vergilbt, jede Seite dünn bedruckt.
Ich werde diesen Test nachmachen und versuchen, von meiner Wohlfühltextlänge loszukommen - siehe heutige Losung:
Erlöse uns von dem Bösen.
Matthäus 6,13

Donnerstag, 23. Juli 2020

Neowise

Neowise ist heute Nacht der Erde am nächsten. Aber der Himmel über dem Wattenmeer ist schon den ganzen Tag zugezogen. Wie die Vorhänge im Chambre Séparée (cabinet particulier). Dieser erst jüngst entdeckte Komet (Schweifstern größeren Kalibers) ist immer noch gute 103 Millionen Kilometer von uns entfernt. Und diese Distanz entspricht, lese ich, gerade mal zwei Dritteln des mittleren Abstands der Erde zur Sonne. Was immer das bedeuten mag. Mein Kater hat das Haus nach Sonnenuntergang verlassen und ist noch nicht wieder aufgetaucht. Also kann ich jetzt getrost schlafen gehen, derweil er bestimmt Sterne guckt.

Mittwoch, 22. Juli 2020

Naseweis

Am Mittag schüttet es gnadenlos vom Himmel. Also kein Schwimmen. Ich frage mich in letzter Zeit öfter mal, welchen Tag wir eigentlich haben. Nicht, dass es irgendeinen Unterschied machte, ob Mittwoch oder Sonntag, früh oder spät, Regen oder Sonne. Ich bin längst vollkommen aus der Zeit und aus dem Universum gefallen. Ich mache dieses Gedankenspiel nur den Farben zuliebe. Grüne Tonne. Blaue Tonne. Schwarze Tonne. Das ist hier die Frage. Meine Edelkastanie fängt an zu samen, dh die Samenfäden abzuwerfen. Oben hängen noch Tonnen. Was schon auf der Straße liegt, fege ich in der Regenpause zusammen und übergebe es der Grauen Tonne. Ganz nebenbei mähe ich auch noch rund ums Haus Rasen, aber da fällt nix an für die Tonne, denn ich mulche. So gesund war der übrigens noch nie.   

Dienstag, 21. Juli 2020

Sehnsucht

Meine Sehnsucht beginnt unter den Fußsohlen, solange ich barfuß unterwegs bin. Und kriecht dann allmählich über die Achillessehne hoch in die Waden, Knie und Oberschenkel, über's Füdli (wie Daniel, der Sonntags-Einsänger es nennt), bis sie endlich im Bauch ankommt. Die Nordsee spüre ich noch Stunden und Nächte später heiß in den Fußsohlen, obwohl das Wasser kalt ist und ich Ganzkörperschwimmen praktiziere. Aber diese Hitze in den Füßen beim Einschlafen ist keine Sehnsucht, sondern die Erinnerung. Und die nimmt die entgegengesetzte Richtung, steigt ab vom Hirn in die Zehen.
Am Deich ist es heute eiskalt. Wir fliehen ins Wasser. Das ist wärmer und noch wilder als der Wind.

Montag, 20. Juli 2020

Neumond

Am Mittag viel Wasser und kein Mensch an der Meldorfer Bucht. Viel kalter Wind von Nordwest. Danach quäle ich mich am Schreibtisch mit meinem literarischen Sehnsuchtsort. Ich verrate nicht, wo er liegt. Er bewegt sich ständig und hat tatsächlich keine festen Koordinaten. Um mich abzulenken lese ich im Briefwechsel Boie (Henrich Christian) - Mejer (Luise). 1777-1785. Im Radio beginnt das unsägliche Sommerfestival. 40 Tage lang, so lange wie die katholische Fastenzeit vor Ostern, oder die "quaranta" - die 40 Tage, die zu Zeiten der Pest Schiffe im Hafen vor Venedig lagen, bevor die Besatzung von Bord und in die Bordelle der Stadt gehen durfte - unsere Quarantäne! So lange wird nun morgens und abends dasselbe vorgelesen. Und das Ganze als wahnsinniges Kulturangebot - in Zeiten von Corona! - verkauft. Ich schalte ab und verziehe mich an meinen Sehnsuchtsort.

Sonntag, 19. Juli 2020

Massenauflauf

Zur Mittagszeit am Mittagstisch Massenauflauf. Frisch aus dem Ofen, noch dampfend. Am Deich und auf dem Weg dorthin. Fahrradtouristen, Familien mit Kind und Kegel, Zelt und Hunden im Gepäck. So viele Köpfe habe ich im Wasser in der Meldorfer Bucht noch nie gesehen. Bedeckter Himmel und frischer Wind. Und immer noch dampft das Gericht! Ein Segelschiff hat seinen Anker geworfen und im Schlepptau Schlauchboote mit tollenden Kindern. An Deck der Rest der Familie bereits beim Nachtisch, schwarzer Kaffee und Sandkuchen. Soviel Übermut ist hier nicht üblich. Ich schwimme mein Dreieck. Das Wasser ist hoch aufgelaufen, die Springzeit hat begonnen, und wird nur langsam ablaufen. Bis dahin bin ich längst wieder zu Hause.

Samstag, 18. Juli 2020

Lavendelkuchen

Ich verzichte auf die Fahrt zum Deich und das Schwimmen, da sich Schwindel meiner bemächtigt. Mein Kreislauf erträgt die Hitzeschübe und stotternden Hochsommertage schlecht. Also sammle im Garten im Schatten Lavendelblüten ein, wasche Wäsche und sauge Staub. Mische die Zutaten für den Kuchen ganz für mich allein und denke, es dürften doch mehr lila Blüten in den zitronengelben Teig. 

Freitag, 17. Juli 2020

Kein Regen

Und fast windstill. Ein Hochsommertag am Deich. Sonnenhungrige schon am Vormittag. Die Strandkörbe stehen im vorgeschriebenen Abstand und desinfiziert in Reih und Glied. Die Dusche hingegen ist dem Rost am Fuß erlegen und umgekippt. Jemand sagt, das seien die Vandalen gewesen. Auch das Tor, das die Schafe daran hintern sollte, unseren sauberen Strandabschnitt zu betreten, hängt schief in den Angeln. Schafe sind allerdings weit und breit keine zu sehen.

Donnerstag, 16. Juli 2020

Endlich Ruhe

Morgenschwimmen. Statt Einsingen. Seit die Bojen wieder den Bereich markieren, in dem wir schwimmen dürfen, kann ich mein Dreieck schwimmen. Ich kann es auch ohne Bojen schwimmen, laufe dann aber Gefahr, aus dem Ruder zu geraten. Wie auch immer. Endlich Ruhe und die Bohrinsel zum Greifen nahe. Kaum Wind. Kaum Menschen. Kaum Wasser. Nipptide. Aber immer noch genug, um zu schwimmen. Kaum Sonne. Wilde Wolken über der Meldorfer Bucht und Schwarze Wolken im Osten über dem Meldorfer Dom.

Mittwoch, 15. Juli 2020

Schlechtes Timing

Oder "Verheerende Taktung" wie die Nationalparkverwaltung meldet. 3 Spitzentiden im Frühjahr, Tief  Ela im Mai, und Sturmtief Verena Anfang Juli brachten für viele Brutvögel einen "Totalausfall". Die Taktung von Hochwasserständen, Landunter und Starkwindereignissen hätten verheerender nicht sein können, sagen die Biologen. Einerseits wurde die Brutsaison verzögert, andererseits dann bereits flügge Küken oder ganze Gelege weggespült. Betroffen sind vor allem Seeschwalben, Austernfischer und Lachmöwen. Letztere hatten schon im letzten Jahr kaum was zu lachen. "Populationsbiologisch" dramatisch seien schlechte Bruterfolge in mehreren Jahren hintereinander.

Dienstag, 14. Juli 2020

Schlechtes Wetter

Gestern habe ich die 5000 km - Marke geknackt. Ich habe leider vergessen, wann der Zähler auf Null stand. Vor ein, zwei Jahren vielleicht. Heute Dauerregen. Also kein Schwimmen, aber trotzdem den ganzen Nachmittag unterwegs. Bin gerade klatschnass nach Hause gekommen. Und hab den Kater überall gesucht. Er kann bei dem Wetter doch nicht draußen sein! Bis ich ihn unter der Bettdecke entdecke. Zum Trost nun ein besseres Bild.

Montag, 13. Juli 2020

Schlechtes Bild

Halbmond. Nippzeit. Manchmal gibt die Welt oder geben wir Menschen ein schlechtes Bild ab. So wie oben ist die Stimmung in der Meldorfer Bucht heute beim Schwimmen. Ruhig. Absolutes Nichts. Zwar Hochwasser. Kaum Wind. Kaum ein Mensch. Die Strandkörbe stehen alle im vorgeschriebenen Abstand von 5 Metern. Leer! Milde Abendsonne. Ich schwimme zur Boje und zurück und schieße in mein Handtuch gewickelt, splitternackt, ein schlechtes Bild. Ziehe mich an, schwinge mich auf mein Rad und fahre nach Hause zurück. Die Rückseite des schlechten Bildes ist mein Hausschlüssel, der ganze Schlüsselbund, den ich außen an meiner nicht verschlossenen Haustür habe stecken lassen, statt mitzunehmen - weil der Kater mich im allerletzten Moment ablenkte. Weil er plötzlich so todtraurig schien, dass ich wegfahre. Und ich ihm gut zureden musste. Er hat sich dann in der Tat vor die Tür gelegt und nicht von der Stelle gerührt, bis ich wieder komme. Jeden Dieb, jeden Einbrecher hätte er erfolgreich davon abgehalten, die Schwelle überschreiten oder auch nur über seinen Kopf hinweg nach meinem Schlüsselbund greifen zu wollen.

Sonntag, 12. Juli 2020

Kurzes Ende

der Schwimmpause. Die Polen wählen einen neuen Präsidenten. Ganz egal, wer es wird, er wird einen schweren Stand haben in einem zutiefst gepaltenen Land. Daran hat der bisherige Präsident einen großen Anteil, aber vor allem ein kleiner grauer Mann ohne Rückgrat hinter seinem Rücken, der sein persönliches Leid auf die Menschen - ja die Menschen, auf den sich die Politiker immer wieder berufen, die Menschen in unserem Land wollen dies oder jenes - seines Landes überträgt. Ich schwimme in der Nordsee mit angenehm kühlem Wind. 

Samstag, 11. Juli 2020

Langer Atem

Ich lese endlich das Lesebuch von Corinna Bille zu Ende. Ich las brav von vorne nach hinten. In der sogenannten Coronakrise. Verdammt zu homeworking. Wunderte ich  mich das eine und andere Mal in meinem sonnigen Garten über die Wucht blutrünstiger Szenen im Wallis. Bis ich heute im "biographischen Nachwort" die Erklärung für das andere und eine Motiv finde. Entrüstet, dass ein (alter) Mann sich zum Biograph dieser Frau aufschwingt! Statt schwimmen mähe ich in einer Regenpause mulchend Rasen rund ums Haus und freue mich über das satte Grün.

Freitag, 10. Juli 2020

Überrand

Der Überrand ist das Produkt eines Schreibfehlers. Passt aber wie angegossen auf das Wetter und das Primärdünenfeld. In der Zeitung lese ich, dass die Schweizer Regierung Masken aus alten Beständen, die zu Beginn der Corona-Krisa als Soforthilfe abgegeben wurden, wegen Schimmelpilzbefalls zurückruft. Das ist der Überrand einer hochzivilisierten Gesellschaft, ihres Zeitgeistes und Krisenmanagements: nun wird untersucht, woher die Verunreinigungen stammen.

Donnerstag, 9. Juli 2020

Regen

Ich traue meinen Augen nicht, was da den ganzen Vormittag vom Himmel fällt. Und höre zum dritten Mal Lukas Bärfuss' "Traum nach Corona", weil erstens der Text mit einer miserablen Körperhaltung eingesprochen wurde (vom Autor selbst - ich sehe seine Haltung, auch wenn er meint, beim Radio kommts nicht drauf an ob im Schlafanzug oder mit Krawatte), zweitens gerade deshalb an gewissen Stellen akustisch kaum verständlich ist, und drittens, weil ich einfach nicht glauben will, dass dem mittlerweile bereits abgelösten Büchnerpreisträger nix Gscheiters partpout nicht einfallen wollte. Ich schalte ab und begebe mich nun literarisch auf mein Primärdünenfeld. 

Mittwoch, 8. Juli 2020

Sonne

Ein Hochsommertag. Aber der Kater braucht Zuwendung. Also Tierarzt statt schwimmen. Seit zwei Tagen bereite ich Herrn Rasputin verbal (mit ständigen Einflüsterungen) und emotional (Notfalltropfen im Futter) auf unseren Fahrradausflug nach Nindorf vor. Und ich vertraue meinem Untermieter, der nach langen Regentagen den heute überraschend warmen Mittag natürlich draussen im Garten verbringt, dass er nicht wegläuft. Sondern sich, wenn die Zeit gekommen ist, einstellt und, ungern zwar und erbärmlich jaulend, in seinen Transportrucksack packen lässt.
Vor langer langer Zeit schilderte ich einer Freundin, Hundehalterin, unsere Hausordnung. Der Kater macht was er will, die Klappe ist immer offen, er kann kommen und gehen, wann immer er muss oder Lust auf Abwechslung verspürt, Futter steht rund um die Uhr bereit, denn er ist untergewichtig und frisst gerne im Vorbeigehen kleine Portionen über den Tag und die Nacht verteilt. Wichtige Termine wie Tierarztbesuche hält er zuverlässig ein, obwohl sie für ihn mit Stress verbunden sind. Vorausgesetzt natürlich, er ist informiert.
Die Hundehalterin sagte: das könnte ich nicht haben. Ich muss wissen, was in meinem Haus geschieht. Wer wann zum Essen kommt. Wer wann schlafen geht. Ich entscheide über Lichterlöschen, Spaziergänge und Futtermengen!
Hundehalter sind Herrenmenschen. Auch Frauen. Katzenhalter sind Vertrauensselige. Auch Männer. Hundehalter üben Macht aus und wollen sie (die Macht) kontrollieren. Katzenhalter glauben an das Große Ganze und lassen es (das Große Ganze) geschehen. 

Dienstag, 7. Juli 2020

Regen

Pünktlich zum Hochwasser - wir haben Springzeit und viel Wasser - kommt der Regen. Also siesta statt schwimmen. Ich träume von der Dynamik der Außensände. Der Norderoogsand wird bald (= in 20 bis 30 Jahren) schon die Vogelhallig Norderoog mitsamt Vogelwart, falls der nicht rechtzeitig das Weite sucht in dieser endlosen Weite, unter sich begraben. Das ist unbestritten und in Simulationen in Laboren und an Bildschirmen bereits mehrfach geschehen. Dasselbe wird wahrscheinlich irgendwann, aber in einer ferneren, noch nicht greifbaren Zukunft, mit Süderoog passieren. Die Hallig wird überrannt vom Außensand. Falls sie nicht vorher von der Nordsee verschlungen wird. Der Japsand ist der kleinste der drei Außensände und der dynamischste. Wie bei Geschwistern. Der Kleinste will natürlich die Älteren aufholen. Oder überholen. Es könnte also sein, wenn der Japsand an Volumen gewinnt, wenn von Sylt der ganze teuer aufgespülte Sand für die Hamburger mit einem Handschlag wieder abgetragen wird, dass Hooge eines Tages im Sand versinkt.

Montag, 6. Juli 2020

April

Wetter wie im April. Nicht einmal der Mond war in der Nacht zu sehen. Kein Sonnenaufgang. Kein Sonnenuntergang. Finster und nass überall. Sehr stürmisch. Der Kater kommt mehrmals verregnet nach Hause. Will aber immer wieder raus. Hitzkopf! Gröde meldet nach dem gestrigen heute bereits das zweite Sommerlandunter.

Sonntag, 5. Juli 2020

Vollmond

Regen. Sturm. Drinbleiben. Ich werde heute ein paar Tausend Mails aufräumen. Und verloren gegangene Bilder suchen. Und vergessen gegangene Geschichten entsorgen.

Samstag, 4. Juli 2020

Caspar

Die Lesung im Schuhcafé Caspar in  Huttwil ist nun definitiv abgesagt. Wie alles derzeit. Wer in der Nähe wohnt und nicht aus einem Krisengebiet anreist und zuerst in Quarantäne - Selbstisolation ist das Zauberwort der Zeit - geschickt wird, kann trotzdem mal vorbeigucken. Die neuen Schuhe, wie meine Schuhfrau mitteilt, haben viel weiße Kreuze (ordentlich über Kreuz in die Löcher eingefädelte Schuhnestel). Ich verbringe den Sommer am Wattenmeer und kümmere mich um meinen kranken Kater. Und fange etwas Neues zu schreiben an! Jetzt.

Freitag, 3. Juli 2020

Nordsee

Endlich. Nach Tagen der Abstinenz. Und trotz Wolken und auflandigem Wind: Nordsee. Wie ich sie liebe. Stürmisch. Am Mittag. Der Deich menschenleer. Fast. Bei dem Wetter wagen sich nur Altgediente ins Wasser. Auf dem Rückweg herrlicher Rückenwind. Ich erledige meinen Coronabedingten Wocheneinkauf, für dem Wochenmarkt bin ich zu spät, nehme vom Wochenangebot Rasendünger und die neuesten Lieblingsleckerlis meines Hauskaters mit. Der Regen klopft mir auf die Schulter, während ich meine wohlverdiente Siesta mit Rasputin auf der Gartenbank abhalte. Den Dünger verteile ich am Abend während einer Niederschlagspause. Das reicht an Gutem für heute.

Donnerstag, 2. Juli 2020

Felsenbirne

Die Felsenbirne ist schon seit Tagen voller reifer Früchte. Nun wirft sie bereits massenhaft gelbe Blätter ab. Während die Früchte dunkler werden, süßer, reifer. Herbst und Sommer zugleich. Nicht einmal die Vögel machen sich mehr die Mühe, die winzigen Marzipanfrüchte zu verspeisen. Ich ernte ein Kilo und verarbeite es, das kostet mich den halben Tag. Mähe Rasen und sammle unter dem Apfelbaum die vom Sturm heruntergefegten frühreifen Äpfel auf. Das kostet mich den anderen halben Tag. Zum Schwimmen hatte ich einfach keine Zeit.

Mittwoch, 1. Juli 2020

Fieber

Ein fiebriger Vormittag. Ich fürchte, dass nun alles zusammenbricht. Sichere meinen Text im Viertelstundentakt. Überprüfe die Häufigkeit von Wörtern wie "hingegen", "heute", Mensch" oder "paarungswillig" (da liefere mir mal einer ein Synonym). Eliminiere im letzten Moment alle "Boten"(-stoffe) weil auf der vorletzten Seite der eine und einzige Bote endlich auftritt. Nachdem ich mir mit diesem Text jahrelang träge und rege Zeit gelassen habe, sind nun die letzten Minuten kaum auszuhalten. Ich zittere und rühre mich nicht von der Stelle aufmeinem Wackelstuhl mit Rollen, da ich nicht sicher bin, ob ich nicht auf dem Weg zum Wasserkocher die Treppe hinunterfalle. Und mir das Bein oder das Genick breche.