Sonntag, 31. Oktober 2021

Ohne ...

 ... Ende. Ohne Anfang. Orgel trifft Barock. Das Ensemble Canto d'angelo spielt um 15 Uhr seine "himmlische Musik" mit Gesang auf historischen Instrumenten (zwei Traversföten, Viola da Gamba und Theorbe) in der Auferstehungskirche in Heide. Geistliche Kantaten von Teleman, szenische Kantaten von Bononcini, galante Kantaten von Reinhard Keiser.

Und 16 Uhr Vernissage in Meldorf: Norden im Licht. Fotoausstellung von Walter Mayr. Im Traumausstatter. Nein, kein Traum. Sondern Licht im Norden. Kurz vor Sonnenuntergang. Dauer der Ausstellung bis zum 11. Dezember. Öffnungszeiten FR, SA, SO 15-18 Uhr oder nach Vereinbarung.

Samstag, 30. Oktober 2021

ooo ...

... Morgenlicht! Zum letzten Mal. Der Wetterdienst gibt die Sonnenauf- und -untergangszeit bereits in der nach Winterzeit an 7:22! Da ist es vor meinem Fenster noch fast finster. Das Leuchten hat nun fast eine ganze Stunde Zeit. Später am Tag wird es warm regnen.

Freitag, 29. Oktober 2021

Ö.

Das Ö mit Punkt gehörte immer Jan Ö. In meiner Erinnerung wurde es nie aufgelöst, erst die Traueranzeige hat das geleistet: Jan Örekil. Aber das Geheimnis bleibt. Wir sägen einen dicken Ast aus der Felsenbirne, damit sie ruht über den Winter und sich verjüngt im Frühling. Der dicke Ast ist verästelt und voller frischer Triebe. Dann mähe ich Rasen.

Donnerstag, 28. Oktober 2021

Otto ...

... fehlt noch in dieser Ode an das Oktober-O. Otto ist wie Anna ein Palindrom, aber verwandt mit Ute, Udo und Ulrich. Ottos sind vielfältig, vom Normalverbraucher über diverse Ottos von und zu, von Kaisern, Klerikern, Knzlern bis hin zu Otto dem Ostfriesen oder Otto dem Onlineshop. Ich habe oder hatte - sie leben ja alle nicht mehr - zwei angeheiratete Opas, die beide Otto hießen, sich beide irgendwann scheiden ließen und beide, die Ottos, ihr neues Leben mit einer Luise anfingen, weshalb man nie wusste, von welchem Otto oder welcher Luise gerade die Rede war.

Mittwoch, 27. Oktober 2021

Öhringen ...

... liegt weiter weg von der Grenze als Öhningen, etwa 250 Kilometer direkt nach Norden, drei Fahrradtage. Ohren und Augen weit aufgesperrt - auf dem Ohrntalradweg von Unterohrn im unteren Ohrntal nach Ohrnberg, wo die Ohrn im Kocher endet. Keine zehn Kilometer lang führt er über sieben Brücken in den Regenbogenfarben immer wieder auf die andere Seite des Wassers. Nein, es ist kein Traum, sondern das Land der "Burgen und Schlösser sowie Schrauben und Ventilatoren zwischen Schwaben und Franken."

Dienstag, 26. Oktober 2021

Objekte ...

 ... der Begierde: ein Flachbildschirm, eine Laubsäge, ein Smartphone. Gestern am frühen Abend am Bahnhof Meldorf. Ich eine Stunde früher als sonst, mit Klapprad. Ich muss vor der Probe in Heide noch etwas besorgen. Ein älteres Ehepaar, Touristen, auf dem Heimweg in ihre Büsumer Ferienwohnung. Ein Rollstuhlfahrer mit besagtem Teil auf den Füßen. Es ist so groß, dass es über Bauch und Kopf hochragt. Regen und Wind. Wir kauern uns zusammen in dem einzigen barrierefreien Unterstand. Kaum habe ich meinen Fahrschein dem Automaten entlockt, fangen die LED Buchstaben auf der Anzeige zu laufen an: Verspätung. 30 Minuten. Das wird knapp für meinen Ausflug in den Baumarkt. Ich checke mein Mobilteil, funktioniert noch einwandfrei, ist aber bereits auf dem Weg einer Zweitnutzung. Personen im Gleis zwischen Burg und St. Michel. Das kann dauern. Eine erste akustische Durchsage bestätigt: Zugausfall, wir bitten um Entschuldigung. Ich lasse meine Begierde fahren und steige auf mein Klapprad. Herr Caruso wird sich freuen, wenn ich so schnell wieder in der Küche bin. Die nächste Durchsage stoppt mich noch auf dem Bahnsteig. Ersatzzug kommt in 10 Minuten. Auch die Buchstaben tanzen ausgelassen zwischen Ausfall, Verspätung und Ersatzzug. Ich kehre zurück zu den Wartenden unter dem Dach. Schüttle den Regen von den Ärmeln. Friere jetzt schon. Auch die Ansagen wiederholen sich nun im Sekundentakt. Verspätung, Zugausfall, Ersatzzug. Entschuldigung. Wie durch ein Wunder taucht aus der Dämmerung ein Zug auf, hält, öffnet die Türen, ist geheizt. Wir kommen mit ungefähr 29 Minuten Verspätung in Heide an. Die Touristin schiebt den blinden Rollstuhlfahrer mit seinem monströsen Schnäppchen, wahrscheinlich derselben Marke wie mein neues Smartphone, aber privat erstanden, zum Fahrstuhl. Ihr Zug nach Büsum ist eh weg. Ich radle durch Regen und Nacht zum Einkaufsparadies. Kaufe für meinen Nachbarn die Laubsäge und hole mein vorbestelltes fabrikneues A52s ab. Erscheine pünktlich zur Chorprobe.

Montag, 25. Oktober 2021

online ...

... schweigen ist wahrscheinlich noch schwieriger als offline schweigen. Wenn du einem Menschen gegenübersitzt, kannst du vielleicht verstehen, nachvollziehen, akzeptieren, an den niedergeschlagenen Augen ablesen oder den zusammengekniffenen Mundwinkeln, den fehlenden Lachfältchen usw., dass dem oder der gerade nicht zum schwafeln zumute ist. Wenn du jemandem nicht gegenübersitzt, ist das wie gesagt wahrscheinlich schwieriger. Kürzlich, es ist schon eine Weile her, hörte ich im Radio beim Kochen eine Aufzeichnung aus dem Studio LCB. Michael Krüger und Juliane Liebert. Unterschiedlicher hätten die Gäste nicht sein können, hier der gesetze, dezente alte Autor und Verleger iR, dort die freche junge Schnauze. Aber sie behandelten sich gegenseitig mit großem Respekt. Wer wirklich nervte, war ein auch anwesender Literaturkritiker, dem viel zu viel Redezeit eingeräumt wurde. Seinen Namen hat mein Gedächtnis bereits gnädig vertilgt. Und diese freche junge Göre antwortete auf die klassische Frage des Moderators, woran sie denn nun, nach dem erfolgreichen Erstling, dem Gedichtband "lieder an das große nichts" (!), arbeite und wann mit dem nächsten Buch zu rechnen sei, sinngemäss, keine Ahnung, mal sehn, ich finde, wer nichts zu sagen hat, soll die Klappe halten ...! Da wunderten sich die Herren aber! Julia Franck hat gerade zur Buchmesse nach etwa 10 Jahren, ihren neuen Roman veröffentlicht. Da wundern sich alle. Sie wunderten sich schon alle, als sie mit noch nicht einmal 50 Jahren, ihren Vorlass dem Literaturarchiv Marbach übergab. Die diesjährige Buchpreisträgerin Antje Rávik Strubel sagt, sie habe an dem ausgezeichneten Buch 8 Jahre geschrieben. Da wundern sich alle. Ich wundere mich nicht - das heißt ich wundere mich schon, aber eher über Dinge, die des Wunderns wert sind. Gerade ist der Himmel wieder einmal bilderbuchhaftbunt, leuchtet herzergreifend, atemberaubend ... etwa 27 Minuten vor Sonnenaufgang über dem Wattenmeer. Das Feuerspektakel dauert nur wenige Minute und ist immer lange vorbei, wenn sich die Sonne endlich am Himmel zeigt. In der Feldmark liegt Bodenfrost. An schattigen Stellen wird er den ganzen Vormitttag dort liegen bleiben.

Sonntag, 24. Oktober 2021

Omsk ...

... Tomsk, Tjumen. Sibirien am Sonntag. Sonne am Wattenmeer. Ich räume meine Töpfe auf der Terrasse auf, ernte noch eine Handvoll halbreifer Tomaten und lege sie zum Nachreifen im Wohnzimmer auf die Fensterbank. Nach dem Winter brauche ich eine neue Gartenbank. Denn die alte zerfällt zusehends. Schon drei Sparren sind aus der Sitzfläche herausgefallen. So dass aus Sicherheitsgründen nur noch ich mich darauf setzen darf. Auf eigenes Risiko. Herrn Caruso ist es tagsüber bereits zu kalt draußen und ich habe keine Zeit zum sitzen. Omsk, Tomsk, Tjumen. Ein onomatopoetisches Trio. Tscheljabinsk würde das Ensemble aufpeppern.

Samstag, 23. Oktober 2021

Obentobox ...

 ... ist keine Wundertüte. Das Smartphone, das kürzlich gebraucht in mein Leben getreten war, hat mir, schlimmer als ein Kind, nur Kummer und Sorgen bereitet. Ein gebrauchtes Shift, ein sogenanntes Fairphone - fair hergestellt, meinetwegen, aber trotzdem nicht auf der Höhe der Zeit. Mit einem Wort: kaputt. Ich habe es zurückgegeben. Und gehe jetzt im Internet zu Media Markt. Auch ein ökologisches Gewissen stößt an seine Grenzen. In der Obentobox ist, anders als im Fairphone, immer das drin, was draufsteht. Kalter Reis. Kalter Fisch. Süße oder scharfe Soße. Essstäbchen. Und ein Zahnstocher. Das Shift wird einem Kreuzschraubenschlüssel ausgeliefert.

Freitag, 22. Oktober 2021

ordo ...

... iuris wypierdalać! Das Leben von Frauen - nicht nur in Polen - wurde immer schon und wird immer noch von Männern bestimmt. Banal! Am extremsten, wenn diese Männer, die über das Leben von Frauen das Sagen haben, Männer im Ornat sind und qua freiwilligem Gelübde, sozusagen zölibatär leben. Ordo Iuris ist so etwas wie das polnische Opus Dei, und da packt uns Frauen - euch dort in Polen aber das Geschwür greift um sich, guckt Euch nur die geschleckten jungen christlichen Gesichter in D und sonstwo an - schon das Grauen. Eine Denkfabrik zum Fürchten, schreibt Der Freitag. Nicht heute Freitag. Aber es passt trotzdem.

Donnerstag, 21. Oktober 2021

oho!

oho! Wetter im Wechsel. Herr Caruso ist ohne tätlichen Angriff auf mich in den Transportkorb gestiegen. Nun ja, gestiegen ist  euphemistisch ..., ich musste ihn schon in die Enge treiben und schubsen, nachdem die süße Verführung mit Leckerlis nicht fruchtete. Um ihn, da gibt es nichts zu beschönigen, einzusperren und zwangsweise zur Tierärztin zu verfrachten. Freiwillig würde er da nie hinfinden. Er hat andere Ziele in seinem Katerkopf, seiner Katerseele, seinem irdischen Katerdasein. Ich aber bin für seine Gesundheit verantwortlich. Also kommt er geschützt in seinem Korb, trocken unter meiner signalgrünen Regenjacke hinten auf meinem Fahrrad durch den strömenden Regen in die Praxis. Ich hingegen werde auf dem Hin- und auf dem Rückweg bis auf die Haut nass, muss gegen Hendrik oder Ignatz kämpfen, letzterer soll bereits über alle Berge sein und ersterer umso wütender. Nun denn. 

Nun haben wir 2 Jahre Ruhe, mein geimpfter Kater und seine geimpfte Fahrradkurierin. Auch der Impfstoff für Katzen sei derzeit knapp, hörte ich. Alles ist knapp. Nur die Windkraft nicht. Hendrik hilft der Sonne durch die Wolken, kaum sind wir wieder zu Hause angekommen und abgestiegen.

Mittwoch, 20. Oktober 2021

o - o ...

... schon wieder Vollmond. Schon wieder ein o-lastiges zweisilbiges Wort. Mein dreisilbiger Caruso mit ausgeglichener Vokalverteilung hat sich den Magen verdorben. Vielleicht eine nicht mehr ganz frische Maus erwischt? Jedenfalls wollte er heut früh nicht fressen. Am Mittag bin ich ihm dann in den Garten nachgestiegen, um seine Ausscheidungen zu überprüfen. Unappetitlich! Aber danach schien Ruhe eingekehrt zu sein in seinem Verdauungstrakt und der Appetit war wieder da! Dafür kommt nun Unruhe draußen auf, es schüttet bereits vom Himmel, das Sturmtief stiefelt im Doppelpack an. Ignatz und Hendrik. Ohne ein einziges o. Werden über dem Dach toben die ganze Nacht.

Dienstag, 19. Oktober 2021

Onsernone ...

... ist einfach ein schöner Name für einen Ort. Einen Fluß. Ein Tal. Eine Gemeinde. Im Ticino. An der Grenze zwischen In- und Ausland. Je nachdem, auf welcher Seite man steht. Kürzlich hörte ich eine Lange Nacht zu Marlen Haushofer und musste einmal mehr über ihre "Wand" nachdenken. Die Lange Nacht brachte für mich dazu nichts neues. Aber der Roman könnte zB auch im Valle Onsernone spielen. Er kann überall spielen. Irgendwann vor langer Zeit bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass die Wand im Roman "Die Wand" nur den Zweck verfolgt, der Protagonistin einen rechtsfreien Raum zu schaffen, einen Raum, zu dem niemand außer ihr Zutritt hat. Einen Raum, in dem sie ungestraft ein Verbrechen begehen darf, nämlich den Mann zu erschießen, der eines Tages auftaucht. Wir erfahren natürlich nicht, wie, warum und woher der Mann in dieses Universum, den geschützten Raum eindringen konnte. Es ist auch nicht wichtig. Wichtig ist die Elimination des Maskulinen. Die Protagonisten fragt sich nach der Tat, warum der Mann ihre (notabene männlichen) Tiere (den Stier und den Hund) mit der Axt getötet habe. Und verschwendet keinen einzigen Gedanken daran, warum sie selbst ohne zu zögern (nein, sie macht sich sogar Vorhaltungen, dass sie zu lange braucht, die offenbar genau für diesen Fall geladene Flinte von der Hüttenwand zu holen) zum Jagdgewehr gegriffen und den Mann hingerichtet hat.

Onsernone. Die Wand, sagte die Autorin, die sie meine, sei "eigentlich ein seelischer Zustand, der nach außen plötzlich sichtbar wird." Ich google ein bisschen. Finde das Onsernonetal und einen Eintrag auf fembio.org: 

"Vielleicht ist dem Publikum allerdings gerade Haushofers brisantestes und damals zweifellos skandalös bahnbrechendes Werk vorenthalten geblieben. Hans Weigel, in den 1950er Jahren der mächtigste Mann im österreichischen Literaturbetrieb, riet Haushofer von der Publikation ab, woraufhin sie das Manuskript offenbar vernichtete. Später bekannte Weigel, dass der Roman „großartig geschrieben“ war, „er war lebendig, plastisch, er hatte alles was ein Roman haben soll“ (zitiert nach Strigl, S. 179). Warum also wollte er ihn dann aber partout nicht veröffentlicht sehen? Es war der Inhalt, der dem Herrn missfiel: Einige Frauen tun sich zusammen, töten einen „besonders widerlichen Mann“ – und kommen damit davon (zitiert nach ebd.). Das konnte er natürlich nicht durchgehen lassen." https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/marlen-haushofer/

Montag, 18. Oktober 2021

Obolus ...

 ... ist etymologisch mit Obelisk verwandt, aber der Duden verbietet die Schreibweise mit "e" in der zweiten Silbe, dafür erlaubt er zwei Pluralformen: der Obolus, die Obolusse oder die Obolus (kleine Münzen, keine Geldspende). Immer mit doppel-o: o-o! Die Obolusse erinnern phonetisch eher an Autobusse als Obelisken, aber beide wecken in mir (warum, weiß nur der Himmel) die Erinnerung an Berlin. Griechisch obolós - mit drei o-o-o! - ist aber (immer noch nach Duden) eine mundartliche Form von obelós - der (Brat-)Spieß. Die ersten Obolusse, so vermuten die Gelehrten, hatten die Form spitzer Metallstücke. Und eigneten sich deshalb - dies meine höchstpersönlich eigene Schlussfolgerung schlecht als Charonspfennig - den Obolus, den man Toten zwischen die Lippen legt für Charon, den Fährmann, der sie über den Styx schippern soll. Und sie eignen sich auch nicht als Augendeckelbeschwerer. Die Münzen, die Toten auf die Augen gelegt werden, haben nämlich weder mit dem Styx noch mit dem Obelisken etwas zu tun, sondern sind rein praktischer Natur: sie sollen verhindern, dass die Augen wieder aufspringen und so die Totenruhe gestört wird. Weil alles Lasterhafte durch die aufgerissenen Augen wieder in den Leichnam einfließen könnte.

Sonntag, 17. Oktober 2021

Obdach ...

 ... ist ein Regenwort. Ein Sonntagswort. Ein Wort zum verregneten Sonntag. Heute findet kein Sonnenaufgang statt. Aber Herr Caruso hat bei mir Obdach gefunden und ist mittlerweile, nachdem das Rückgabe- oder Rückforderungsrecht ungenutzt nunmehr seit genau einem Monat verstrichen ist, Hauptwohnsitznehmer in meinem Haus. Oder besser: Hauptliegeplatznehmer. Er liegt nach wie vor immer noch am liebsten auf seinem Kissen vor der Küchentür, zieht sich aber, wenn Besuch kommt oder aus anderen Gründen das Treiben tagsüber unten zu bunt wird, schon mal gerne auf mein Bett im oberen Stock zurück.

Auch Obdach ist ein veraltetes Wort und wird höchstens noch in Amtsstuben in den Mund oder in die Hand genommen. Landläufig ist eher sein Gegenteil bekannt, oder sichtbar. Menschen, die kein Obdach haben, obdachlos sind, Obdachlose. Die Verkörperung eines universellen schlechten Gewissens. Um Obdachose sollten wir (alle!) uns eigentlich kümmern, ihnen Obdach (vorübergehende Unterkunft) - und nicht nur einen einmaligen Obolus (siehe morgen) - gewähren, da sie sich offenbar (siehe gestern) in einer Notsituation befinden. Und so beißt sich die Katze oder der Kater in den Schwanz. 

Nicht jede oder jeder Obdachlose hat das Glück eines Herrn Caruso, der nachts Freigang genießt und tagsüber sich sein Plätzchen zum Schlafen unter meinem Dach nach Lust und Laune aussuchen kann. Und darüberhinaus alle 4 Stunden geweckt und gefüttert wird. 

Samstag, 16. Oktober 2021

offenbar ...

... - bedeutet was ? 

Der heutige Lehrtext zur Tageslosung sagt: "Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi." (2. Korinther 5,10)  

Der Duden sagt, das Adjektiv offenbar bedeute "offen zutage tretend, klar ersichtlich", das Adverb offenbar aber das genaue Gegenteil, nämlich "dem Anschein nach, wie es scheint". Das Verb offenbaren hingegen zieht so etwas wie eine Enthüllung nach sich, da wird man oder frau sozusagen splitternackt ausgezogen und etwas, was bisher "verborgen" oder "nicht bekannt" war, wird offen gezeigt. Sich offenbaren geht dann offenbar noch einen Schritt weiter in die Untiefen der Psyche und besagt, jemandem vertraulich seine Probleme schildern ...

Was will also der Korintherbrief von uns? Dass unser Leben offenbar macht - offen legt! -, dass wir gelogen haben, aufrichtig waren, fleißig oder faul? Oder dass wir offenbar - gewiss ist es allerdings keineswegs! - Lügner oder Lügnerinnen sind, aufrichtige oder unaufrichtige, fleißige oder faule Zeitgenossen? Oder dass wir heulend und zeternd das Innerste nach außen kehren und lautstark - offen! - unsere persönliche Pein beklagen?

Freitag, 15. Oktober 2021

Obacht! ...

... ist ein Wort aus meiner Kindheit. Ein Befehl. Obachtgeben. Aufpassen. Wir mussten als Kinder ständig und überall aufpassen. Auf alles und vor allem auf uns selbst. Heute ist das anders. Heute passen Drohnen oder Helikopter auf die Kinder auf. Smartphones oder Apps. Mitschrittmacher. Bewegungsprofile. Mitschnittmacher. Abhörprofile. 

Nun lese ich zu meinem Erstaunen, dass die Obacht weiblich ist. Ich hatte nie darüber nachgedacht, dass der Befehl "obacht!" ein Substantiv sein könnte und deshalb ein Genus verlangt. Ich hatte überhaupt nie darüber nachgedacht, zu welcher Wortgruppe dieser Befehl gehört, denn ein Befehl will möglichst unreflektiert und willenlos befolgt werden. Fragt mal einen Oberst.

Obacht bildet sich aus ob (helvetisch für über oder oberhalb- in meiner Kindheit gab es Orte wie Obstalden, Oberurnen oder Oberterzen) und Acht, meint also eigentlich Acht (-sam-sein) über etwas. Alles hoffnungslos veraltet. Die Sonne geht gleich unter.

Donnerstag, 14. Oktober 2021

ohn alle ...

... Kümmernis singen, leben und sterben.

Selten habe das Sterben so betörend schön geklungen in der Musikgeschichte wie hier:

sagt Bernhard Schrammek

für Jürg, den Saxophonisten

Mittwoch, 13. Oktober 2021

Obertöne ...

 ... stellen sich ganz von alleine ein. Sie sind so etwas wie der Beifang beim Fischen. Beitöne. Nebentöne. Man kann sie nicht abstellen oder unterdrücken, und schon gar nicht übertönen. Sie sind ein Naturereignis, oder eher ein Schallereignis. Auf Gedeih und Verderb mit den Musizierenden verbunden. Wie der Schatten bei Kunst- oder Sonnenlicht. Ein blutroter Morgenhimmel verspricht Gutes. Aber die schwarze Wand wartet nur auf ihren Einsatz.

Montag, 11. Oktober 2021

Ochse ...

... zum zweiten. Ochse oder Büffel. Noch befindet sich die Menschheit (nach asiatischer Auffassung) im Jahr des Metallbüffels. Oder Metallochsen. Wahrscheinlich ist die Frage, ob Büffel oder Ochse, nur eine der berühmten Noten, Abtönungen, eine Nuance eben. In der Wortwahl, der Übersetzung, der Interpretation, oder des guten Geschmacks. Es gibt nämlich rührende Geschichten darüber, wie die Reihenfolge der Tiere im chinesischen Kalender zustandekam, wie überhaupt der Kalender - die Einteilung der Zeit nur zu dem Zwecke: sie messbar und damit ihren Verlust spürbar zu machen - zustande kam.

Bei den Christen ist das einfacher. In der Weihnachtsgeschichte steht der Ochse neben dem Esel an der Krippe und zwar näher und eher als die Drei Könige. Je nach Darstellung gibt es auch andere Tiere im Stall bei dem Neugeborenen: Schafe und Lämmer (zu den Hirten, die erst aufwachen und sich auf den Weg machen), Hunde (die Hüter der Herde der schlafenden Hirten) sowie später, am Dreikönigstag ein Kamel, ein Elefant und ein Pferd (je ein Reittier zu den drei Weisen aus dem Morgenland).

Nach dem Metallochsen fällt ins Reich der Mitte am 1.2.2022 der Wassertiger ein. Bei uns hingegen ist die Mitte verloren und die Zeit aufgehoben. Den ewigen Schmerz der Vergänglichkeit lindert jeder online-shop. Lebensgrundlage sind nicht mehr Ochs und Esel, der Wechsel der Jahreszeiten, der Zug der Gestirne oder Gefiederten, sondern Gier. Unermessliche Gier. Schaut Euch Kurz oder Lang an. Breit oder Schmal. Brüstig. Glat gebürstet. Zum, Am oder Im Thor. Oder all die von und zu's ... oder ... oder ...

Jesaja prophezeihte schon im Alten Testament: "Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht" (Jes 1,2-3).

Sonntag, 10. Oktober 2021

Oboe ...

.... zum Sonntagmorgen. Seit Tagen beginnt etwa eine Stunde vor Sonnenaufgang ein Lichtspektakel am Himmel über meinem Schreibtisch. Wenn ich dann aus dem Haus gehe und mich auf das Fahrrad schwinge, liegt schon über der Husumer dicker Nebel, und erst in der Feldmark! Heute aber nicht. Heute glitzert da so etwas wie leichter Bodenfrost. Und danach, in der Küche beim Tee: die Oboe aus dem Radio. "Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen" (Johann Sebastian Bach, Kantate BWV 48)

Niemand. Gar niemand. Wenn ich Glück habe, kommt es erst gar nicht dazu. Hört mein Hirn rechtzeitig auf, unnötige Fragen zu stellen.

Samstag, 9. Oktober 2021

O-Ton ...

... unverständlich! In den letzten zwei Wochen wurde Am Morgen der Roman des Schweden Alex Schulmann vorgelesen. Ging mir stellenweise ziemlich unter die Haut. "Die Überlebenden". Mit autobiografischen Anklängen. Die Schlüsselstelle aber - der Protagonist versucht, sich zu "suizidieren", indem er ins Meer hinausschwimmt, so weit, bis es weiter nicht mehr geht - musste ich x mal nachhören, bis ich sie endlich verstand. Aus dem Radio am Morgen kam das entscheidende Wort, das letzte in einem Satz, vollkommen unverständlich. Ein Gemurmel, Gresäusel, Gemansche. Der Vorleser - ein Schauspieler und professioneller Sprecher - ließ ihm, dem Wort und damit dem ganzen Satz - nicht die gebotene Sorgfalt angedeihen. So einfach entstehen Miss- oder Unverständnisse. Das letzte Wort eines Satzes wird verschludert, verschluckt, verhöhnt, verunstaltet, verkackmeiert. Weil einer keine Geduld mehr hat, keine Zeit, aufs Klo muss oder was auch immer. Also hörte ich am Computer nach, stellte die Lautstärke auf volle Pulle. Nichts. Nochmals. Immer noch nichts. Nochmals. Und so weiter. Vielleicht liegt es an meiner zunehmenden Schwerhörigkeit, dachte ich beschämt. Und griff zum Kopfhörer. Setzte ihn auf. Hörte endlich, was diese literarische Figur am Ende des berühmten schwarzen Tunnels erblickte. Nämlich nicht ein verheißungsvolles Licht, von dem alle Nahtoderfahrenen immer faseln, sondern einen Kiesweg! KIESWEG. Dieses gänzlich unerwartete Wort auf Hoher See muss frau erstmal verstehen. Schlucken. Leer. Der Protagonist sieht ertrinkend im Wasser den Kiesweg zu seinem Alptraum, zu seinem Kindheitstrauma, zu seiner Schuld, die er einst auf sich geladen hatte, ohne es zu wollen, zu wissen oder verhindern zu können.

Und dann wird er (natürlich!) aus dem Wasser gezogen. Sonst hätten wir Leser/Zuhörer die Bedeutung dieses Kieswegs nie und nimmer begriffen.

Freitag, 8. Oktober 2021

Öhningen ...

... steht auf einem handgeschriebenen Zettel in meinen Unterlagen. Es ist oft so: suche ich etwas ganz Bestimmtes, finde ich prompt etwas ganz Unbestimmtes. Öhningen! Meine Ode an den Oktober wird ausgeweitet auf die Öde. Oder Ö wie Öhningen, am äußersten Westzipfel des Bodensees gelegen, auf der deutschen Seite. Dorthin habe ich einmal ein Buch geschickt. Selbst war ich, scheint mir, nie dort. Aber vielleicht habe ich als Kind auf der Reise zu meiner Patentante hin und wieder von der helvetischen Seite des Sees auf dem Hin- oder Rückweg hinübergeäugt. Auf das verheißungsvolle Ausland. Die Halbinsel Höri. Höri hoch drei, lobt die Öhninger Internetpräsenz. Wasser, Wald, Wiese. Öhningen mit den beiden Ortsteilen Wangen und Schienen. Öhningen als Hauptort der Hinteren Höri am Rheinausfluss. Das Kloster Öhringen begann um 1500 in den Öhringer Steinbrüchen Mergel und Kalk abzubauen, dabei kamen fossile Einschlüsse zum Vorschein, Versteinerungen von über 900 Tierarten und 450 Pflanzenarten. Vulkanischer Aktivitäten vor ungefähr 12 Millionen Jahren müssen hier einen Krater gesprengt haben, der sich danach mit Wasser füllte und einen Maarsee bildete. Darin ertranken die Tiere oder verschwanden mit den Pflanzen unter neuen Sedimenten des Süßwassersees. Wurden luftdicht konserviert, versteinerten.

Einige Original-Fossilfunde können im Wangener Museum Fischerhaus bewundert werden. Der Rest ruht in den Kellern des Naturkundemuseums in Karlsruhe.

Donnerstag, 7. Oktober 2021

Ochs ...

... oder Ox. On oder Off. Ich brauchte neue Gartenhandschuhe, um meine stacheligen Gartenabfälle zu handeln (passendes Wort!). Die alten waren abgewetzt und schützten meine Hände nicht mehr. Nun neue von Ox-On (sorry für die Werbung), denn: sustainable collection, recycled materials. 2 Handschuhe, Größe 8, gerade passend für meine Finger, hergestellt aus einer einzigen Plastikflasche! 

Damit habe ich gestern abend 8 Bio-Müllsäcke in der Größe meiner Bio-Tonne (60 L) mit Maronenkapseln gefüllt. Und das war oder ist erst der Anfang der Bescherung.

Mittwoch, 6. Oktober 2021

Opäum ...

... ist ein rundes Loch im Gewölbe, durch das Rauch abziehen kann. Ein Rauchloch. Griechisch Opajon, altgriechisch ὀπαῖον. Ein rundes Loch oder ein offenes Auge. Rauchloch oder Kuppelauge. Durch das Loch kann etwas abziehen (zB Rauch oder andere schädliche Gedanken) oder etwas hineinziehen (zB das Universum oder der Blick anderer neugieriger Wesen). Das Auge des Schöpfers kann überprüfen, was seine Geschöpfe mit seiner Schöpfung so treiben. Am Feuer. In einem architektonischen Wunder.

Nun ist der Mond neu, wie vorgestern schon angekündigt. Die Sonne ging wider Erwarten auf, nachdem sie gestern abend grußlos verschwunden war. Ich zog zum ersten Mal in der Früh Stirnband, Schal und Handschuhe aus der Schublade, bevor ich aus dem Haus trat.


Dienstag, 5. Oktober 2021

Olepa schleini ...

... ist eine Nachtfalterraupe, aus der irgendwann ein auch nachtaktiver Schmetterling schlüpft. Die Raupe stillt ihren Appetit ausschließlich am Wunderbaum, am Rizinis comunis. Dem Rizinusstrauch eben, von dem in der vorgestrigen Tageslosung die Rede war und der mich seither nicht mehr in Ruhe lässt. Wer ist oder war denn dieser Rizinus, dessen Verlust Jonas so lautstark beklagt?! Ein schattenspendender Baum oder Strauch, von dem man heute weiß, dass die Samen ein hochgiftiges Insektizid sind, Ricinin eben. Und welches Vieh nagt nun freiwillig an diesem giftigen Gewächs und geht daran nicht jämmerlich zugrunde? Olepa schleini! Ein Wurm aus der Familie der Bärenspinner. Er, der Wurm, oder sie, die hungrige Raupe hat manch einem Bibelübersetzer schlaflose Nächte beschert, so dass im Morgengrauen aus dem Rizinus schonmal Efeu, Kürbis oder Wein wurde.

Schleini hat seinen Nachnamen von Herrn Schlein bekommen, einem israelitischen Insektenforscher und bildenden Künstler.

Und hier der Vollständigkeit halber die Tageslosung von vorgestern:

Der HERR sprach: Dich jammert der Rizinus, um den du dich nicht gemüht hast, hast ihn auch nicht aufgezogen, der in einer Nacht ward und in einer Nacht verdarb, und mich sollte nicht jammern Ninive, eine so große Stadt?
Jona 4,10-11

Montag, 4. Oktober 2021

Oase ...

... des Glücks. Am Morgenhimmel taucht kurz die Mondsichel auf. Ein abnehmender Fingernagelmond. Er verschwindet bald wieder zwischen ziehenden Wolken. Und die sollen im Laufe des Vormittags weiterziehen und den Himmel ganz freigeben. Sonne pur ist angesagt. Draußen Wäscheaufhängen, Kaffeepause auf der Terrasse und am Abend Singprobe in Heide. 

Ach ja: heute ist Welttierschutztag. Und [bei den Katholiken] Festtag des [Heiligen] Franz von Assisi, dem Schutzpatron Ialiens und der Tiere. Deshalb bekommt Herr Caruso heute eine doppelte Extra-Portion. Mein Briefkasten ist schon seit Tagen verstopft von Katzenfuttersonderangeboten.

Sonntag, 3. Oktober 2021

Ost ...

... und West. Die Energiebotschaft für den Oktober empfiehlt, das Licht nicht aus dem Blick zu verlieren und immer darauf zu zu gehen. Also (so meine Interpretation) sich am Morgen nach Ost, am Abend nach West zu richten. Oder zu wenden. Ein Hin und Her also, ein Malso Malanders oder Wendehalsexerzitien zu veranstalten. Vorsorglich habe ich vorgestern schon alle Fenster geputzt. Nun ziehen wieder Orkanböen auf und Hitze. Warmer Landregen. Ich habe die ersten beiden reifen Maronen entdeckt. Die Heizung ist auf Sommerbetrieb zurückgesprungen und Herr Caruso ist eigenartig genügsam.

Samstag, 2. Oktober 2021

Ode ...

... an den Oktober. Die gibt es schon, sie hieß aber Postille bzw postylla, weil polnisch und wegen der Alliteration. Der Oktober beginnt im Polnischen mit einem kleinen "p" - er wird, wie alle anderen Substantive, die nicht am Satzanfang stehen, klein geschrieben: październik. Dieser październik bzw die postylla październikowa, die Oktoberpostille, ist nicht nur eine gefühlte sondern eine tatsächliche Ewigkeit her. Sie entstand nämlich in Berlin in dem Oktober, in dem Grass [endlich!] den Nobelpreis erhielt. Der październik leitet sich aber etymologisch von einem anderen Gras ab, paździerze sind unsere Schäben - also das, was übrig bleibt bei der Gewinnung von Bast, Leinen- oder Hanffasern, bei der Entholzung der Pflanzenstängel. Ein Abfall- oder Kuppelprodukt. 

Bei mir sind die Äpfel an der Reihe. Nachdem ich den Rasen von den stachligen leeren Abwurfprodukten der Edelkastanie befreit habe, hole ich die wenigen Äpfel aus dem Apfelbaum. Fast alle faul, wurmstichig oder von den Amseln angepickt und ausgehölt.

Freitag, 1. Oktober 2021

Oh, oh ...

... schon Oktober! Also Ohren auf. Der Nachbar fällt alle Bäume, denn ab heute darf man. Bei mir fallen alle Maronen, denn sie müssen. Unreif.