Donnerstag, 30. Juni 2022

Neumode

Ich halte mich still zu Hause, fahre nur früh zum testen. Bin immer noch nur negativ. Der Kater ist anhänglich, weil er gesten lange alleine war. Und weil es auch ihm draußen zu heiß ist. Er sucht Schatten und meine Nähe. Ich muss Energien bündeln. Wie Fallstricke. Ich fahre nicht ans Meer. Am Abend singen wir zweichörig Bach "Ich lasse dich nicht ..." Die letzte Probe vor der Sommerpause und nach einem Glas Wein gehen wir stumm auseinander. Das halbe Jahr ist um.

Mittwoch, 29. Juni 2022

Neumond

Wir fahren erst am Nachmittag, bei hellstem Tageslicht unbd schönstem Sonnenschein an die Eider. An das Nordöstlichste Ende Dithmarschen. In die Einsamkeit. 

Foto: Jürgen B.
Der einzige Bewohner des einstigen Schulhauses wacht hier über sie, die Einsamkeit. Oder über das Einsame, die Einsame oder den Einsamen. Er sorgt für Gendergerechtigkeit sowie dafür, dass das Einsame hier - im Gegensatz zu den Landstrichen dort und den Landkreisen hier, in den Köpfen oder auf google maps - nie ein Ende findet.

Dienstag, 28. Juni 2022

Das neue Leben

Gestern war Siebenschläfer. Und der Volksmund sagt: "Ist der Siebenschläfer nass, regnets ohn' Unterlass". Oder so ähnlich. Bei mir hingegen Hitze und der erste Leichtsinn. Sonnenbrand. Zu lange am Deich geplappert und dann im Spaghettitop Richtung Helmsand geradelt. Legenden sind nicht leichtsinnig. Die Siebenschläfer haben nichts mit dem Wetter zu tun. Siehe hier.

Montag, 27. Juni 2022

Die neue Woche

Die neue Woche beginnt mit Tränen und Regen. Wir fahren trotzdem am Mittag zum Deich. Und weil das Wetter ist, wie es ist, stört niemand das Graue am Himmel und auf Erden. Das Wasser ist warm und beseelend ruhig. Wir schwimmen uns frei von den Tränen und trüben Gedanken.

für Ruth

Sonntag, 26. Juni 2022

Der letzte Sonntag

Wenn wir jeweils rechtzeitig erfahren würden, wann der letzte Sonntag, oder gar der letzte Tag eines Lebens gekommen ist. Oder erst kommt. Kommen wird. Ansteht. Vor uns oder vor einem/einer Anderen. Nächsten. Übernächsten. Am Mittag waren wir im Wasser und freuten uns unbändig, wie die Kinder, über die überschäumenden Wellen.

Samstag, 25. Juni 2022

Der dritte Anlauf

Immer noch Nipptide. Dreieckschwimmen. Bei den Bojen draußen reicht mir das Wasser knapp über die Brust. Auf dem Deich erzählt die Witwe allen, die es hören können, dass sie jeden Tag früh mit dem Fahrrad zum Friedhof fahre, obwohl ihr Sohn das nicht gerne sehe, weil er der Meinung sei, ihr könnte etwas zustoßen, und zu dieser Stunde sei noch kein Mensch unterwegs ... Aber, ruft die Witwe (erbost oder begeistert? ich kann es nicht zuordnen), da war alles voll! Eine praktisch Denkende sitzt auf ihrem Badetuch und zupft Grashalme von den Füßen, damit sie die nicht alle nach Hause trägt. Sie ist bereits angezogen und entgegnet: Bei dem Wetter gehen die Frauen eben früh gießen. Nein! Die Witwe erhebt die Stimme zum Widerspruch. Die Köpfe aller Schwimmenden drehen sich ihr zu. In der Gehstraße! Alles voll, die Geschäfte öffnen schon früher, um den Ansturm zu bewältigen. Nein! Wiederholt sie energisch und winkt ab. Auf dem Friedhof war natürlich kein Mensch.

Freitag, 24. Juni 2022

Das erste Sommergewitter

Nipptide. Das Wasser läuft gerade bis zur Hüfte auf. Ich schwimme trotzdem mein Dreieck und zeige danach auf dem Deich meinem früheren Hausarzt meine linke Hand. Er kennt auch im Ruhestand noch meine Krankengeschichte und Herrn Carusos Attacken. Da passiert nichts, sagt er. Es ist noch nie etwas passiert. Keine Sepsis, keine Amputation. Es ist bereits unerträglich heiß, Schietwind aus Süüd. Der bringt am Nachmittag Abkühlung, Gewitter und Starkregen. 

Donnerstag, 23. Juni 2022

Der zweite Sommertag

Der erste Hitzetag ist im Anmarsch. Ich sollte meine Sommerliege vom Dachboden herunterholen. Damit ich gewappnet bin für die heißen Nächte im Garten. Sie werden bereits wieder länger. Der Mond hingegen nimmt ab, eine blasse Sichel steht am hellen Vormittag über dem Dach der Nachbarn im Süden. Der Kater hat mich angefallen, als ich sein Fell pflegen wollte. Zuerst hielt er schnurrend hin. Dann fiel er mich wie ein rasendes Raubtier an. Das altbekannte Muster. Aber über ein Jahr lang nicht mehr dagewesen. Richtig angefallen hat er mich. Krallte sich zuerst mit allen Krallen aller vier Pfoten in meine linke Hand. In der Rechten hielt ich die Bürste, da kam er nicht so richtig ran. Schlaues Raubtier. Aus dem räkelnden Liegen auf den sonnenwarmen Pflastersteinen. Schoss er hoch. Verkrallte sich im Sprung und biss zu. Böse, heftig, aggressiv. Wollte gar nicht mehr loslassen. Weder mit den Beißzähnen noch mit den Krallkrallen. Einen Moment lang hing so das ganze gutgefütterte schwarze Pelztier an meiner zarten Haut. Bis ich es anschrie und abschüttelte. Verbal davon jagte. Ich hätte den Fuß zur Hilfe nehmen sollen. Im Nachhinein ist die Frau immer klüger. Auf den Dachboden steig ich heute nun nicht mehr mit meinen zitternden Knien.

Mittwoch, 22. Juni 2022

Vom Luxus der Endlichkeit

Der Frühling ist endgültig zu Ende und meine pluralistischen Luxusse versiegen nun endlich. Heute ist der erste Sommertag und ich unternehme die erste Sommerreise der Saison. NordArt in Rendsburg bzw Carlshütte Büdelsdorf. Mit Länderfokus Polen. Sonderprojekt China. Und Sonderprojekt Mongolei. Dafür nehme ich eine Tagesreise querrüber auf mich. Laut Atlas in die Mitte Schleswig Holsteins, also an die Nahtstelle von Schleswig und Holstein. Auf den Scheitelrücken der Schleswigschen Geest. Lauter leiser Wörter. Mein Meister wäre heute 96 geworden. Und Henryka hat in Warschau eine weiße und eine rote Rose auf sein Grab gelegt. In unser beider Namen und Farben

 

Dienstag, 21. Juni 2022

Vom Luxus des Gehens

Mein neuer Rasenmäher ist mit Radantrieb ausgestattet, so dass ich dem Gerät nur hinterherlaufen und es ab und zu stoppen muss, weil es keine Augen im Kopf hat und unbeirrt gegen jeden Baumstamm anmähen würde. Schieben war gestern. Gehen ist heute. Mein buddhistischer Qigonglehrer sagte einmal, wir sollten auch dafür danken, dass unser Körper vollständig sei. Alle Gliedmassen vorhanden - zwei Beine, Arme, Hände, Füße usw. - und mit dem Hirn verknüpft. So, dass wir uns in alle Richtungen bewegen können. Und Gefahren ausweichen. Bei wachem Verstand. Auch alle inneren und äußeren Organe sind normalerweise vollständig und allzeit funktionsbereit. Auch wenn wir es gar nicht zur Kenntnis nehmen. Dass die Haut juckt, die Ohren sausen und die Muskeln katern.

Montag, 20. Juni 2022

Vom Luxus des Gongens

Immer noch unterwegs. Beim Abschöpfen von Luxusgüten. Ich bin gerade zurück von der Chorprobe in Marne. Atemlos, verschwitzt, und ohne Tränen. Zum erstenmal mit dem Signalgrünen Helm gefahren, mit Visier zum Schutz der Augen, und ganz ohne Licht bis zum bitteren Ende. Die hellsten Nächte! Was mir noch nie passiert ist: dass mich um zehn Uhr abends Fahrradfahrer auf ihren Ibaiks Richtung Meldorf überholen wollen und unfreundlich anschnauzen, weil ich mitten auf dem schmalen Fahrradweg ohne I fahre und ihre Klingel ("wir haben 5 mal geklingelt") nicht höre. Ich bin eben in anderen Tönen unterwegs, habe einen gongspielenden Chorleiter, dessen klangliche Experimente gottseidank lange lange die Ohren von anderer Lärmverschmutzung verschonen.  

Die Vorankündigung zum Junigongen: Am Freitag, den 24.06.2022 (Johannistag), spielt Peter Heeren um 18 Uhr in der Kirche Zum Heiligen Kreuz in Windbergen (Kirchstraße 1, 25729 Windbergen) Gong und Orgel. Auf dem Bild hat die Orgel naturgemäß keinen Platz.

Sonntag, 19. Juni 2022

the luxury of ongoing

Ja, was heißt das nun? So etwas wie endlessness oder steter Tropfen höhlt den Stein. Kontinuierlich etwas weitertreiben. Den Krieg. Die Auseinandersetzung. Das Spiel. An einer Sache dranbleiben. Beharrlich, Schritt für Schritt, konsequent, nicht aufgeben, nicht nachgeben. Stolz bleiben. Erhobenen Hauptes alle Luxusse dieser Welt einsammeln und auf einem weißen Blatt vereinen. Als ob's noch weiße (=unbeschriebene) Blätter gäb! ongoing ist, jedenfalls nach meinem Fremdsprachengefühl, kein Synonym des etwas flapsigen going on. Frag mal jemanden im Ernst what's going on? Und Du wirst an seiner Reaktion erkennen, was du gerade verbrochen hast. ongoing hingegen hat Stil und Würde, wie Schirm, Scharm und Melone! Passt zum Sonntagnachmittag am Wattenmeer. Non stopping rain versus stopping train. Dauerregen gegen Bummelzug.

Freitag, 17. Juni 2022

Vom Luxus der frischen Tat

Die flagrantia ist die Glut im Lateinischen. In den Kaisergesetzen des Kaisers Justinian wurden im Jahr 528 alle bisherigen Gesetze zusammengefasst, überholte aussortiert und unnütze ersetzt oder gelöscht. In diesem Codex Iustinianus finden wir zum ersten Mal in der Geschichte der Rechtsprechung den Begriff in (crime) flagranti - einen Missetäter, oder eine Missetäterin auf frischer Tat, also in der heißen Phase des Verbrechens, sprich: beim Missetätern ertappen.

Donnerstag, 16. Juni 2022

Vom Luxus der Feiertagsfreiheit

In manchen Teilen der Welt wird heute Fronleichnam gefeiert. Mit geradezu barock anmutenden Straßenumzügen. Bei uns wird gearbeitet. Geschwommen und geschrieben. Ich komme ungefähr ein Wort pro Tag weiter. Heute ist es die durch eine normale Holzwand heraufbeschworene Sehnsucht nach dem Wald. Wohlgemerkt: meiner Figur! Nicht ihrer Schöpferin. Der Grasgrüne Fahrradhelm trifft einen Tag früher als versprochen ein und rechtzeitig vor meinem Abendtermin, zu dem ich mit einem Auto abgeholt werde. Alles für die Katz!

Mittwoch, 15. Juni 2022

Vom Luxus der Geraden

Ich schwimme mein erstes Dreieck der Saison. Es ist anstrengend. Das Wasser aufmüpfig. Auf dem Heimweg fliege ich. Vorsichtig. Der Helm ist noch nicht auf dem Kopf. Ich bin in meinem ganzen Fahrradleben noch nie vom Fahrrad gefallen. Ich halte immer das Gleichgewicht. Auf halber Strecke hole ich die bestellte Akku-Gras- und Strauchschere ab. Für meine nicht schnurgeraden Rasenkanten. Mit dem neuen Rasenmäer komme ich nicht mehr um die Steine herum. Dafür bücke ich mich nun ein- bis zweimal pro Saison. Im Lieferumfang inbegriffen ist außer dem kürzeren Schneidmesser (Grasmesser) und dem längeren Schneidmesser (Strauchmesser) der Grassammler. Ein rechteckiges rotes Plastikteil. Dieses - oder den Sammler kann ich am Grasmesser anbringen. Mit einfachem Druck in die vorgesehenen Öffnungen schieben. Und dann fällt das geschnittene Gras am der Rasenkante bzw am Beetrand nicht in das Beet hinein. Sondern bleibt, wo es hingehört. Auf dem Rasen. 

Dienstag, 14. Juni 2022

Vom Luxus des Gesinnungswandels

Vollmond. Und kein Wetterwechsel. Eiskalter Wind von Nordwest. Aber ein Gesinnungswechsel. Ich bestelle einen signalgrünen Fahrradhelm mit stark magnetischer Fahrradhelmbrille. Die fällt auch bei Holperstrecken nicht vom Helm, oder meiner Stirn, und sitzt fest vor meiner normalen Brille. Es ist ein Brillenträgerinnenhelm. Ich brauche keine Sonnenbrille mehr. Und meine Augen tränen nicht mehr, denn die Fahrradhelmbrille hält nebst Sonnenlicht auch Staub und Dreck, womöglich sogar Regen ab. Aber bei Regen gehe ich nicht mehr aus dem Haus. In der Dunkelheit zuweilen schon. Deshalb muss es ein Helm sein mit Rücklicht. Die LED-Lämpchen kann ich aufladen über ein Kabel am Computer oder Smartphone. Oder an der häuslichen Steckdose. Kein Batterienverschleiß mehr! Und den Strom bekomm ich tagsüber umsonst vom Dach.

Montag, 13. Juni 2022

Vom Luxus der Meldorfer Bucht

Hochwasser. Mindestens ein halber Meter über normal. Starkwind von West. Nordwest. Mindestens mit doppelter Wucht. Vorvollmond. Beginnende Springzeit. Das Wasser ist warm, aber fuchsteufelswild. Wir frieren erst, als wir euphorisiert aus dem Wasser steigen. Wie Nixen. Wie in den Legenden. Nur beim banalen Versuch, im Windschatten eines verlassenen Strandkorbs auf dem menschenleeren grünen Deich unsere Allerwelts-Allwetterklamotten über die feuchte Gänsehauthaut zu ziehen. So frieren kann man zu Beginn des Sommers nur an der Meldorfer Bucht!

Sonntag, 12. Juni 2022

Vom Luxus der Provinz

Mein Lieblingsprovinzlärmkomponist ist Gerald Eckert. In Eckernförde fand im Februar das 8. Internationale Provinzlärmfestival statt. Focus Estland. Wie immer, werden solche Sachen zum Nachhören aufgezeichnet. Also morgen Abend für alle, die nichts Besseres zu tun haben und der Provinz fern stehen:

https://www.deutschlandfunk.de/focus-estland-festival-provinzlaerm-dlf-954a7e8e-100.html

Vom Luxus der Legende

Die Sonntagsgeschichte. Das Maulbeerrot. Die Frage kam gestern Abend aus dem Radio, aus einer mich wenig anrührenden Klang-Wort-Installation. Lyrik aus Europa. Wortklanginstallation. Muss der geneigte Leser, die geneigte Leserin oder der zugeneigte Hörer, die zugeneigte Hörerin, Ovid gelesen haben, um das Rot der Früchte des Maulbeerbaums in einem Gedicht des 21. Jahrhunderts zu verstehen? 

Die Frage ist doch, wieviel Poesie steckt in Ovid und wieviel Naturwissenschaft? Rot muss ja nicht immer notgedrungen Blut bedeuten. Oder unglückliche Liebe. Pyramus und Thisbe. Tod durch Tyrannen. Oder in der Evolution durch den Stärkeren. Oder in der listigen Umsetzung der Metamorphosen eines römischen Dichters einfach durch ein Missverständnis. So banal sind die Tatsachen und so hartnäckig hält sich die Legende. Die Maulbeeren sind angeblich auf der ganzen Welt rot, weil Pyramus in Babylon sein Blut den Wurzeln eines einst weiße Früchte tragenden Maulbeerbaumes gespendet hat.

Freitag, 10. Juni 2022

Vom Luxus von Neumz

Seit Jahren bin ich auf der Suche nach einer mit meinem Charakter kompatiblen monastischen Existenz. Uff. Was für ein Satz am frühen Morgen! Klosterleben pur - wie klares Wasser. Ohne bürokratischen, konfessionellen Ober- oder Unterbau. Aber: in welches Kloster soll ich eintreten, wenn ich längst aus der Kirche ausgetreten bin? Und das schon damals, vor über einem Vierteljahrhundert, mit Gutem Grund. Wie wäre das erst heute ... 

Auf Hooge, wo ich dachte, etwas zu finden, von dem, was ich suche, fand ich stattdessen, statt einer monastischen Gesellschaft, raubtierhaftes, heißhungriges Kräftemessen. Also kehrte ich dieser in der Nordsee schwankenden Nussschale den Rücken. In meinem Meldorfer Exil pflege ich seither eine Art buddhistischer Einsiedelei. Und habe nun endlich die Einstimmigkeit für meine Ohren gefunden, die mir vor der Tür oft fehlt: https://neumz.com/

 

Donnerstag, 9. Juni 2022

Vom Luxus der Gezeiten

Eintönigkeit kehrt nie ein am Wattenmeer. Für das Einsingen um 9 war die Jodlerin Nadja Räss angesagt. Wird nun wegen Krankheit abgesagt. Die Jodlerin fällt aus, aber nicht das Einsingen. Hätte ich es rechtzeitig gewusst, wäre ich zum Frühschwimmen gefahren. Dazu ist es nun zu spät. Dieser Vorsommer ist nicht eintönig, sondern geizig. Ein ganzer Tag ohne Wasser am Meer!

Mittwoch, 8. Juni 2022

Vom Luxus der Zeitverschwendung

Ich hatte eine Woche der Luxusse angesagt und nun nähern wir uns bereits der Mitte der dritten. Ich bin gerade einfallslos. Finde keine neuen Reihen oder Spalten. Breiten oder Schmalen. Die Zeit ist nicht im Fluss, sondern über die Ufer getreten. Sie überbordet. Übertreibt. Die Sonne geht schon seit Tagen vor fünf Uhr auf und bald nach zweiundzwanzig Uhr unter. Das bedeutet aber nicht, dass dazwischen die Zeit hell oder die Welt erleuchtet wäre. Bei uns regent es immer mal wieder. Das ist gut für die Natur, für meinen Garten und die Regentonnen. Aber schlecht für die Seele, meinen Schreibtisch und die Steckdosen.

Dienstag, 7. Juni 2022

Der Luxus der Zweitverwertung

The Return of Sherlock Holmes II: The Adventure of the Norwood Builder. In der Nacht gelesen und in der Früh überprüft. Tatsächlich hat Friedrich Glauser in seinem sechsten Kriminalroman eine List von Sherlock Holmes übernommen. Im englischen Original: wie man einen Totgeglaubten aus seinem Versteck lockt. Bei Glauser: wie man einem Todkranken Gelähmten auf die Beine hilft. Mit einer fingierten Feuersbrunst, mit einem oder zwei Haufen Stroh (trocken oder feucht), vor dem Zimmer im Flur so in Brand gesetzt, dass der Qualm die richtige Richtung nimmt + ein paar Statisten mit lauten Stimmen, die 3 x "Fire"!" bzw "Feuer!" rufen. So genial ist dieser Trick, dass er, einmal im Hirn einer Leserin angekommen, nicht mehr auszuräuchern ist.

Glausers first detective, dieser helvetische Sherlock Holmes mit Namen Wachtmeister Studer bekennt sich zur Quelle: 

"Es ist ein alter Trick", flüstert Wachtmeister Studer. "Ich hätte gern den andern angewandt ... [...] Wie gesagt, mein Trick ist alt, ich hab ihn, wie ich noch jung war, in einem Buche gelesen - in einem sehr bekannten Buch." (Krock & Co, S. 105 in meiner Ausgabe von 1989). 

Ich mache mich nun auf die Suche nach dem anderen - Trick. Der muss doch irgendwo zu finden sein.

Montag, 6. Juni 2022

the luxury of facsimile

Ein durchwachsener Pfingstmontag. In einer Regenpause lese ich auf der Gartenbank The Return of Sherlock Holmes. 1: The Adventure of the Empty House. Nun ja. Mit einem Blick in die Vergangenheit des First Detective und auf die Reichenbachfälle. Vom Fall in den Abgrund blieb Sherlock Holmes nach eigener Aussage verschont. Klettern über die halsbrecherischen Felsen musste er aber. 

Ich besitze das doppelte Original, bzw. "a facsimile of the original publications in Strand Magazine 1901-1905 with all the original illustrations by Sidney Paget." Einer der Vorbesitzer hat diese Ausgabe in meinem Bücherregal zurückgelassen.

Sonntag, 5. Juni 2022

Vom Luxus des Falls

Einer, der seinen (letzten!) Fall ins Wasser nicht überlebte, ist Sherlock Holmes. Vielleicht konnte er nicht schwimmen. Der Ort seines Ablebens lädt aber nicht zum Bade. Wenn er hingegen den Reichenbachfall als Sprungbrett nutzen wollte, um aus einer verzwickten Situation herauszukommen, über sieben halsbrecherische Kaskaden im Gletscherschmelzwasser 300 Meter in die Tiefe und irgendwann in die sichere Aare Richtung Rhein zu gelangen, dann ist ihm dies, der schlechte Reim sei mir erlaubt, leider nicht gelungen. Aber wer weiß. Was sich sein Schöpfer, Sir Arthur Conan Doyle, dabei gedacht hat, den Londoner First Detective ausgerechnet an diesem sagenumwobenen Ort in der Schweiz verschwinden zu lassen. Angeblich hatte er, der Autor keine Lust mehr, sich ständig neue Fälle für seinen kriminalistisch immer anspruchsvolleren Protagonisten auszudenken. So ist das, wenn die Intelligenz der Figur die des Autors übersteigt: “If I had not killed him, he certainly would have killed me.

Da in der Literatur nichts unmöglich ist, gab der Autor dem Druck des empörten Publikums (heute heißt so etwas shitstorm) nach und ließ Sherlock Holmes nach einer verdienten Auszeit (wieder in der heutigen Sprachregelung) nochmals auftreten, auferstehen, die mörderischen Felsen hochklettern und seinen (letzten!) Fall mit sportlichem Ehrgeiz selbst erzählen. 

Samstag, 4. Juni 2022

Der fliegende Luxus

Derzeit fliegt einem und einer so einiges um die Ohren. 4. Juni - Jahrestag des Tiananmenmassakers. Das ist nun biblische 33 Jahre her, wie alles andere, was in jenem bedeutungsschwangeren Jahr vor und nach dem 4. Juni geschah. Die Energiebotschaft für Juni rät mir (nicht nur mir natürlich), möglichst oft am Wasser zu meditieren. Versinken, eintauchen, fallenlassen. Das sind die angeblich von der geistigen Welt gesandten Bewegungsverben. Ich nehme, wie immer, alles wörtlich. Naiv, wie ich nun mal geboren bin. Und fliege mit dem Wind zum Deich. Nicht ohne vorher Herrn Caruso umarmt und vertröstet zu haben. Heute ist nämlich Hug Your Cat Day! Und tauche ein ins kalte Wasser, lasse mich fallen, brrrr, versinke nicht - da ich schwimmen kann. Ich muss etwas vermasselt haben. Die Reihenfolge.


Freitag, 3. Juni 2022

Der fahrende Luxus

Natürlich hab ich mir auch ein 9€Ticket aufs Smartphone geladen. Wenn alle das tun, warum nicht auch ich? Wär ja gelacht! Heute ist Weltfahrradtag und ich fahre mit dem Fahrrad, eine andere Möglichkeit habe ich nicht, auch nicht mit einem Monatsticket in der Tasche, zum Hochwasser an den Deich. Ich bin ein bisschen spät dran, da ich zuerst noch meine Suppe aufsetzen, zwei Anrufe entgegennehmen und den Kater streicheln musste. Aber nicht außer Atem. Und Wasser ist reichlich da. Kein Mensch weit und breit. Dafür viele neue Strandkörbe. Ein Vorzeige-FKK-Badestrand. Frischer Wind. Immer noch!

Donnerstag, 2. Juni 2022

Der tönende Luxus

Am Nachmittag klart es auf. Der letzte Regen fiel in der Nacht. Ich mähe Rasen. Der Saft einer Batterie reicht nicht für die ganze Fläche, weil sich erheblicher Wildwuchs entwickelt hat. Pure Natur. Die zweite Batterie ist bestellt, aber noch nicht da. Auch nicht in der Packstation an der B5. Also kontemplative Mähpause. Kurzer Bach am Klavier. Dann Zuendemähen. Loslaufen. Domchorprobe. Zweichörig. Schwierig. Aber schön. Eiskalter Wind auf dem Heimweg. Wann hört dieser Winter endlich auf?

Mittwoch, 1. Juni 2022

Der tönerne Luxus

Der Garten ist überfällig. Der Rasen ist überfällig. Aber es regnet ständig. In der Hoffnung auf bessere Zeiten habe ich mir ein simples Bewässerungssystem bestellt. Im Internet, wo sonst. Musste es dann allerdings 2 Tage vor dem mitgeteilten Liefertermin in der Packstation an der B5 abholen. Dies bescherte mir einen kleinen Ausflug mit Intelligenztest inklusive und umsonst. Aber schließlich gelang es mir, die Station zu überzeugen, dass sich das für mich bestimmte SesamÖffneDichFach auftat. Und ich fuhr glücklich nach Hause. Perfekt getimt in einer Regenpause. 

Nun packe ich 12 kleine Kegel aus Ton aus, formschön. Lege sie in einen Eimer mit Regenwasser, damit sie sich volllaufen lassen wie die Säufer in der Eckkneipe. Morgen werde ich sie in die Erde stecken. Und je nach Bedarf, bei längerer Abwesenheit zum Beispiel oder großer Hitze, stülpe ich kopfüber (passt genau! hab schon eine Leerprobe gemacht) eine Ex-Weinflasche gefüllt mit Regenwasser darüber. Vorerst aber stecke ich je einen Kegel in je einen Tomatentopf und fülle ihn mit Wasser. Testphase. Ich kontrolliere mit der Stoppuhr, wie lange das anhält. Ob den Tomatenpflanzen überhaupt Flüssigkeit zukommt. Denn sie sollen bis zum Ende der Ernte nicht mehr austrocknen und kontinuierlich mit Feuchtigkeit versorgt werden. Mit nicht zuviel, aber auch nicht mit zu wenig. Die restlichen Kegel vergrabe ich zu Füßen der drei kleinen horstbildenden Bambuspflanzen, die ich seit Jahren Gießkannenmäßig sträflich vernachlässige. Aber sie trotzen meiner Nachlässigkeit mit üppigem Wuchs! Im Winter schnitt ich haufenweise dürren Halme heraus und für den Sommer nehme ich mir nun vor, den Bambus für seine Ausdauer zu belohnen. Den Anfang machte eine Wasserrinne, die ich zu Ostern in den harten Boden zog. Darin sitzen bereits zur Probe zwei Tontöpfe, die in meinem Schuppen zum Vorschein kamen, ungebraucht, weil ohne Loch. Und plötzlich ideal! Weil das Wasser nicht auf einmal unten durchflutschen kann. Sondern sich seinen Weg durch die Tonwände und den Tonboden in den Lehmboden suchen muss. Ohne Aufhebens, leise und beständig. Oben am Tontopfrand können meine durstigen Amseln landen und trinken. Wenn sie wollen, können sie sogar in dem lochlosen Pflanzentontopf baden. So viel Luxus war schon lange nicht mehr in meinem Garten.