Dienstag, 31. Januar 2023

C/2022 E3 ZTF

Noch einmal der Grüne mit Erklärung: C steht für Komet, 2022 für das Jahr der Entdeckung, E für die erste Hälfte des Monats März, in der der Komet zum ersten Mal gesichtet wurde, 3 für das dritte entdeckte Objekt in jener ersten Märzhälfte. Und ZTF ist die Abkürzung von Zwicky Transient Facility, einer automatischen Weitfeld-Himmelsdurchmusterung am Palomar-Observatorium in Kalifornien. 

Heute früh, nach Monduntergang wäre sein markanter grüner Schweifstern mit einem Fernglas oder besser Fernrohr am Nordhimmel zu sehen, wenn nicht gerade Oleg und Pit ihr Unwesen über unseren Köpfen trieben.

Montag, 30. Januar 2023

Nicolas

Sturmtief Nicolas sorgt für Schnee, Graupel, Regen. Sturmböen bis Bft 9. In exponierten Lagen. Und Schauernähe. Also bei uns auf dem platten Land sozusagen überall. Wir beschließen, am Abend nicht zur Probe nach Marne zu fahren.

Sonntag, 29. Januar 2023

Hekaschepes

Das Wort zum Sonntag kommt aus der Nekropole Sakkara - südlich der Metropole Kairo gelegen. Chnumddschedef (Aufseher), Meri (geheimer Wächter), Messi (Priester - nicht Fußballer!), Fetek (Richter, Schreiber), um nur einige der unaussprechlichen Namen der dort vor etwa 4000 Jahren Bestatteten zu nennen. Mumien, die jetzt - wer weiß, warum und wozu - ausgebuddelt und durchleuchtet werden. Die Mumie von Hekaschepes gilt als Sensation des Tages. Es soll die besterhaltene Mumie eines Toten sein, der zu Lebzeiten nicht einem Königsgeschlecht angehört habe. Mit gefällt allerdings der namenlose und viel jüngere Goldjunge besser. Er war bereits vor über hundert Jahren in Oberägypten gefunden worden. Seine Mumie wurde aber nie geöffnet, sondern jetzt erst durchleuchtet. Das CT zeigt etwa 49 Amulette sowie Sandalen. Mit dem Schuhwerk soll ihm der Weg ins Jenseits erleichtert werden. Aber seinen Sarg hat er offenbar nie verlassen, sonst hätte man ihn ja nicht mehr finden können in der Grabkammer. Das CT zeigt außerdem eine vergoldete Gesichtsmaske, als ob man schon vor 2300 Jahren an Corona gedacht hätte! Sowie einen Brustpanzer. Das Hirn war dem armen Buben durch die Nase entfernt worden, lese ich mit einem leichten Schaudern, und der leere Raum im Schädel mit Harz gefüllt. Auch die Bauchhöhle ist leer - bis auf das Herz. Und in der Mundhöhle liegt ein goldenes Zungenamulett, damit er im Jenseits sagen kann, wer er ist und woher er kommt. Der Goldjunge.

Samstag, 28. Januar 2023

Prosa

Prosa ist das Pseudonym eines deutschen Popsängers. Sein eigentlicher Name ist weniger Prosaisch und der Vorname ganz Normal. Vorhin im Radio (Klassikpopetcetera - meine Lieblingssamstagvormittagssendung, zu der ich am liebsten Fenster putze, aber 1. nicht jeden Samstag und 2. im Winter sowiesonicht) sagte Herr Prosa wörtlich: "Dieses Schweizerdeutsch ist für mich der einzige Akzent, dem ich was Poetisches abgewinnen kann." Und legte Ich liebe dich, Sophie von Sophie Hunger auf. Mit Dino Brandao, Faber (Homo?) und Sophie Hunger. Mein Hunger auf Schweizerdeutsch und Frisch hält sich tatsächlich in Grenzen. Omen est nomen. Oder eher umgekehrt. Auch ich verstehe nicht alles auf Anhieb. Herr Prosa erklärte eben im Radio das Poetische des Unverständlichen: es bestehe darin, dass er, Herr Prosa, nicht alles "direkt" verstehe, sondern sich ihm vieles erst nach einer Weile "entschlüsselt". Wenn er das Lied zum 7. oder 8. Mal höre. Dann "erschließt sich mir auch diese halbdeutsche Poesie, die mir so nahe ist". Uff!

Wenn wir überall und stetig alles auf die Goldwaage legen würden, was bedarft oder unbedarft über die Lippen kommt, in der Hitze des Gefechts, durch den Äther, aus dem Universum, aus allen nicht rechtzeitig ausgeschalteten Mikrofonen (lt Duden korrekter Dativ Plural) der Welt, bei diversen PKs (press conference) oder TSs (talk show), dann müssten eigentlich alle potentiell Sprechenden präventiv Maulkörbe tragen. Oder zumindest Gesichtsmasken, an die wir uns so sehr gewöhnt haben, dass wir sie bald vermissen werden. Und sie sollten besser kollektiv zur Fronarbeit an Fensterfronten abbeordert werden, statt ständig mit vorgehaltener Waffe (Mikrofon) um ihre Meinung befragt. Uff!

Zu guter Letzt wie immer der Trost: In meine allergrößte Fensterscheibe ist ein fetter Vogel geflogen. Das passiert immer, wenn draußen Frühlingsgefühle erwachen. Und ich guck nun drinnen auf den schmierigen Abdruck. Gestern baute der Markisenmann die alte Markise ab. Heute haben wir Frost. Der erlöst mich vom Fensterputzzwang. Und der Markisenmann natürlich, der den Firmennamen des Vorgängers behalten hat, sich aber am Telefon konsequent mit seinem eigenen, also einem ganz anderen Namen meldet. Mittlerweile habe ich mich auch daran gewöhnt und warte nun geduldig, bis er wieder anruft und die neue Markise (an)bringt. Und ich eines künftigen Samstags Schweizerdeutsch Fensterputzen kann. Uff!

Freitag, 27. Januar 2023

2023 BU

Heut Nacht, vor etwa 5 Stunden, flog etwas in der Größe eines LKWs an unserer Erde vorbei, so nah, wie nichts sonst, nicht einmal die GPS-Satelliten oder der zunehmende Mond. Der Asteroid mit dem schönen Namen 2023 BU. Entdeckt hat ihn im Universum der Hobbyastronom Gennadij Borisov auf der Krim (ja!) vor genau 5 Tagen (ja!). 2023 BU ist an uns vorbeigerauscht, ohne Schaden anzurichten. Wäre er in die Erdatmosphäre eingedrungen, hätte das sein Ende bedeutet, nicht unseres. Er wäre "nahezu vollständig" verglüht und höchstens handtellergroße Brocken wären eventuell auf die Erdoberfläche, irgendwo südlich der Südspitze Südamerikas, vielleicht über Feuerland niedergegangen, oder zum kühlen Bade zuerst in den Ozean gestürzt.

Donnerstag, 26. Januar 2023

Jupiter

Als wir kurz vor 18 Uhr nach unbserem Arbeitstreffen auf die Straße treten, ist es noch nicht ganz dunkel! Neben der schmalen Mondsichel steht Jupiter über unseren Köpfen am Sonnenuntergangshimmel. Im Westen glüht es wie schon lange nicht mehr. Wäre der Himmel die letzten Tage so klar gewesen, hätten wir über dem Wattenmeer neben dem Figernagel die ganze Mondscheibe erkennen können, denn der aschgraue Rest des Mondes leuchtet im Erdschein, die dünne Sichel aber im Sonnenschein. Aber wo Nebel, Schnee und Regen - da kein Licht. Und heute ist der zunehmende Mond bereits so dick angeschwollen, dass er das schwächer werdende Glimmen seines Restkörpers überstrahlt. Jupiter hat damit ncihts zu tun, der steht nur heute gerade daneben.

Mittwoch, 25. Januar 2023

infrarot

Es gibt eine Infrarotastronomie und die schickte vor 40 Jahren einen Satelliten ins All. Der hieß IRAS (Infrared Astronomical Satellite). IRAS war das erste Weltraumteleskop, ein winziger Vorläufer des James Webb-Teleskops. IRAS hatte für zehn Monate flüssiges Helium an Bord, das er brauchte, um seine Instrumente auf -270 ° Celsius zu kühlen, damit die ihre Arbeit tun konnten, nämlich Wärmestrahlung im All zu dokumentieren. IRAS erfasst etwa dreihunterttausend Infrarotquellen in den Tiefen des Kosmos und entdeckte den Asteroiden Phaeton (der uns den Geminidenschaure beschert), ehe sein Kühlmittel aufgebraucht, verdampft war. Seither schwitzt IRAS und hat das I verloren. Er kann nicht mehr Infrarotsehen, dreht aber weiterhin unermüdlich seine Kreise über unseren Köpfen. Als Weltraumschrott.

Dienstag, 24. Januar 2023

postrot

Ich bekomme heute ein Paket von meinem Postzusteller oder meiner Postzustellerin zugestellt. Das Geschlecht wird nicht verraten, wohl aber der genaue Standort des Gefährts, in dem sich der Mensch, die Postbotin oder der Postbote, sowie ein an mich adressiertes Paket befindet. An allen Werktagen des Jahres sehe ich das gelbe Auto, wie es in der Nachbarschaft herumkurvt oder herumsteht. Falls nicht gerade gestreikt wird. Oder ich nicht an meinem Schreibtisch sitze. Zum Beispiel im Sommer, wenn die Tide mit dem Zustellenden aufläuft und ich in der Nordsee plansche. Heute habe ich aber plötzlich die genaue Route auf meinem Smartphone, kann live verfolgen, wie sich das kleine rote Ding bewegt und sogar das Bild auf dem Minibildschirm mit einem Blick aus dem Fenster auf Echtheit und Wahrhaftigkeit intherealworld überprüfen. Nur die Farbe stimmt nicht überein.

Ist das vereinbar mit ... nun ja, was auch immer. Datenschutz. Persönlichkeitsschutz. Schutz am Arbeitsplatz. Schutz auf Privatsphäre. Auch am mobilen Arbeitsplatz. Homeoffice kommt für Briefträger eher nicht in Frage. Aber die müssen auch mal Pause machen dürfen und ihre mitgebrachte Stulle essen, oder eine rauchen. Und ich soll das alles auf meinem privaten Smartphone sehen dürfen? Woher hat die Post eigentlich meine Nummer? Hab ich wahrscheinlich freiwillig hergegeben, weil ohne nix mehr geht und man mich ja informieren muss - und überwachen will.

Montag, 23. Januar 2023

Chasm-1

Abspaltungen gibt es überall. Sogar in den Steinen über meinem Saunaofen. Nur haben nicht alle einen geheimnisvollen Namen wie Chasm-1: Der seit Jahren bekannte, genaustens beobachtete und vermessene Spalt in einer Eisdecke in der Antarktis. Er ist zugegeben etwas mächtiger, als die namenlosen in meinen Saunasteinen, führt aber zu demselben Ergebnis: Dem Bruch! Auf dem Brunt-Eisschelf ist ein etwa 1550 Quadratmeter großer Eisklotz abgebrochen und kann nun als Rieseneisberg seiner Weghe gehen. Endlich befreit und der Strömung nach. Zum Glück hat er die Forschungsstation der British Antarctic Society nicht mitgenommen. Oder umgekehrt: in weiser Vorausschauung wurde die Station schon vor 8 Jahren 20 Kilometer ins Landesinnere verlegt, von wo aus sie weiterhin alles genau beobachtet. Angeblich ist der Brunt-Eisschelf der am engsten überwachte Eisschelf der Erde. Und: Der neue Erdenbürger unter den Eisbergen wird noch einen hoffentlich wohlklingenden Namen erhalten, vom US National Ice Center. Die Zuständigkeiten sind auch in diesem Bereich stricte geregelt.

Sonntag, 22. Januar 2023

Wasserhase

Mit unserem Neumond beginnt in China das neue Jahr. Ein Mond-Sonne-Jahr. Ein Lunisolarjahr. In diesem Jahr ein Schaltjahr mit einem Korrekturmonat, damit das Fest im Winter bleibt und nicht durch die Jahreszeiten saust. Das Chinesische Neujahrsfest findet immer am zweiten Neumond nach der Wintersonnenwende statt. Und wird danach noch ein bisschen gefeiert, ein bis zwei Wochen lang, bis zum Frühlingsfest eben. Heute beginnt das Jahr des Wasserhasen. Dieser Hase steht mit allen vier Füßen für Ordnung und Klarheit und das Wasser gelangt kraft seines flüssigen Auftretens überall hin. Chinesische Astrologen bezeichnen den Hasen als "besten Diplomaten" unter allen zwölf Tieren des Tierkreises. Der Hase sei in der Lage, sagen sie, "Konfrontationen auszupendeln". Das mag beruhigend klingen nach dem wilden Jahr des Wassertigers. "Heilung im Innern" wird nun versprochen, und "Beständigkeit". Also konzentrieren wir uns auf unsere innere(n) Stimme(n) und die Signale, die Herz und Hirn (sowie Niere, Galle, Milz und Lunge) aussenden. Der Hase liebt die Farben Rosarot, Lila, Blau und Schwarz, die Himmelsrichtungen Ost und Südost, sowie unter den Blumen ganz besonders das Alpenveilchen. Hasenglückszahlen sind 3 (Primzahl!), 4 (Unglückszahl, die chinesische "13"!) und 9 (der feuerspeiende Drache!). Nun denn, ihr charmanten Hasen, die ihr euch so viel auf eure eigene Geschwindigkeit einbildet, hopp ... hopp ...

Samstag, 21. Januar 2023

Dicarbon

Neumond. Eine ideal verfinsterte Nacht, um andere Dinge am Himmel zu entdecken. Zum Beispiel den kosmischen Schneeball, einen Kometen mit grünlichem Staubschweif und einem langen, schwachen Ionenschweif - den Eis-Kometen mit der wissenschaftlichen Bezeichnung C/2022 E3 (ZTF). Der schaut gerade zum ersten Mal seit der Steinzeit, also seit etwas 50 000 Jahren, wieder einmal bei uns vorbei. Kometen seien unberechenbar, heißt es in Kennerkreisen, aber der Grüne, dessen Lauf seit etwa Weihnachten verfolgt werden kann, habe einen so grandiosen "Helligkeitstrend", dass er zB heute Nacht bei uns im Norden auch durch ein normalen Fernrohr rasen könnte. Wahrscheinlich kommt er aus der Oortschenm Wolke, die ich der o wegen liebe. Und das Grün verdankt er dem Dicarbon. Oder unserer Sehschwäche. Dicarbon ist ein reaktives Molekül, das bei Kontakt mit Sonnenlicht zerfällt und den Eiskern des Kometen mit Dunst umgibt, der in unseren Augen grün erscheint.

Freitag, 20. Januar 2023

Schnee

Ziemlich nass. Über Nacht heruntergekommen. Da helfen alle schmerzenden Gelenke nichts. Es muss erstmal geschoben, geschippt, gekehrt werden. Vom Bürgersteig hinunter in den Straßengraben.

Donnerstag, 19. Januar 2023

Janis

Janis Joplin würde vielleicht auch ohne ihren Goldenen Schuss heute nicht mehr leben. Wenn doch, könnte sie ihren 80. Geburtstag feiern. Vielleicht hätte sie noch die Stimme (und die Stimmung) dazu. Vielleicht nicht. Who knows.

Natürlich erinnere ich mich an die Nachricht von ihrem Drogentod in meiner Jugend. Daran, wie heiß wir sie liebten und ihr "Geschrei" rund um die Uhr gehörten. Sehr zum Leidwesen der restlichen Familie. Damals war alles noch anders. Und natürlich erinnere ich mich daran, dass unsere heißen Tränen, die wir Jimmy H. nachweinten, noch gar nicht versiegt waren. Aber ich erinnere mich nicht daran, dass Janis Joplin an meinem Geburtstag gestorben ist. Damals bekam man die Nachrichten vbom anderen Ende der Welt vielleicht nicht in Echtzeit mit. Und ich erinnere mich nicht daran, dass der 4. Oktober 1970 ein Sonntag war. 

Ich könnte nun eine schöne Geschichte erfinden, am Tag als Janis J. starb ... - stattdessen interssiert es mich gerade, wie der Mensch an Heroin stirbt. Durch Atemstillstand. Absolut schmerzfrei. Das Schmerzempfinden ist ausgeschaltet, das Atemzentrums im Gehirn heruntergefahren. Herzstillstand. Bewusstlosigkeit, Koma, Tod. Und ich hockte wahrscheinlich in der Kirche und lauschte einer wenig überzeugenden Sonntagspredigt. That's life.

Mittwoch, 18. Januar 2023

Dienstag, 17. Januar 2023

schirmen

Ich lese, dass palliativ vom lateinischen Verb "palliare" (verbergen, mit einem Mantel bedecken) kommt. In die Medizin gelangte der Begriff, weil man schwerkranke Menschen vor dem Schlimmsten bewahren, abschirmen (einen Schirm über sie spannen?) wollte. Sie also mit dem Mantel (des Schweigens?) bedeckte.

Dem emeritierten und inzwischen toten, mit allen Ehren zu Grabe getragenen Papst Benedikt XVI wurde ein weißes Seidentuch aufs Gesicht gelegt, bevor der Sarg darüber geschlossen wurde. Nachdem der Leichnam tagelang im Petersdom aufgebahrt war. 

Ein Seidentuch ist wohlbemerkt kein Pelzmantel. Trotzdem, frage nicht nur ich mich, was es damit auf sich hat. Es hat wohl mit dem Glauben zu tun, mit dem Bekenntnis zum wahren Glauben. Mit dem Licht, mit dem Bekenntnis zum wahren Licht, das vom "unwahren" Licht unserer irdischen, schlechten, vergifteten Welt unterschieden wird. Das Gesicht des einstigen Oberhirten wurde abgeschirmt, nicht mehr den bösen elektrischen Lampen (oder Kerzen) ausgesetzt, die ihre Leuchtkraft verströmen, weil irgendwo ein Atomkraftwerk läuft oder Kohle uns die Luft zum Atmen verpestet. Dazu beten die Unterhirten: 

"... Möge sein Gesicht, auf das das Licht dieser Welt nicht mehr scheint, für immer von dem wahren Licht erleuchtet werden, das dich als ewige Quelle hat ..."

Montag, 16. Januar 2023

Syzygie

Frederic haben wir überlebt. Mattis und seine Gedanken über die Vögel und alles andere zwischen Himmel und Erde auch. Dieser arme Mattis rühmte sich, dass er schnurgerade über den See rudern kann und brachte dann vom anderen Ufer das Glück für die Schwester (das Unglück für sich selbst, wie er meinte) nach Hause. Nun ist ein Fremdwort an der Reihe. Die Syzygie. Eine schnurgerade Linie am Himmel, zwischen drei oder mehr Himmelskörpern. Eine Astronomische Konstellation. Vulgo die Stellung von Sonne, Erde, Mond wie an der Wäscheleine. Meist bei Vollmond oder Neumond (der ist seit gestern im Anmarsch, die erste Hälfte des Monats haben wir bereits hinter uns) zu sehen - oder auch nicht. 

Bei den Alten Griechen war syzgía (συζυγία) ein Zweigespann, ihre Dichter nahmen es als Vorbild für einen Verstakt, die Dipodie, oder eben Syzygie aus zwei Versfüßen.

Sonntag, 15. Januar 2023

Frederic

Das Sturmtief. Orkanböen ziehen über unsere Köpfe, dazu Starkregen. Nicht nachlassend. Nina warnte mich gestern schon mit Alarmstufe rot. Also zu Hause geblieben. Ich höre die Vögel von Tarjej Vesaas im Radio und gehe mit den "feinen Verästelungen" aus dem Kopf des Protagonisten in meinem Kopf in die Sauna. Schwitzen!

Samstag, 14. Januar 2023

Moritz

Wechselwarme Tiere wie Amphibien oder Frösche, lese ich, laufen Gefahr, dass bei Temperaturen unter Null ihre Körperflüssigkeit gefriert. Sie graben sich deshalb in kalten Wintern gerne im Boden ein und fallen in Winterstarre. Außerdem verfügen sie über ein körpereigenes Frostschutzmittel: Glyzerin. Spitzmäuse, Maulwürfe und Wiesel schrumpfen bei Kälte, um ihren Energiebedarf zu senken. Waldspitzmäuse reduzieren ihr Gewicht um fast ein Fünftel, indem sie den Knochen Kalzium entziehen. Sobald es wärmer wird, wachsen sie wieder. Eine "reversible Osteoporose" sagt der Verhaltensneurobiologe Moritz H. Bartmeisen bauen im Winter ihren Magen in eine "Getreidemühle" um, damit er die steinharten Schilfsamen verdauen kann. Der Auerhahn vergrößert seinen Blinddarm und weist die dort massenhaft vorhandenen Mikroorganismen an, im Winter Schwerstarbeit an unverdaulichen Fichtennadeln zu leisten.

Wir Menschen sind die einfältigsten Geschöpfe auf Erden und werden als erste an unserem Hochmut krepieren, wenn das Wetter mal richtig zurschlägt.

Freitag, 13. Januar 2023

Daniel

Daniel Defoe, Autor des Romans "Robinson Crusoe". Freitag der Dreizehnte hat seinen Schrecken verloren angesichts anderer Schrecken. Grafik entlehnt von https://www.n-tv.de

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Donnerstag, 12. Januar 2023

Brahms

Nochmals der kalte Dom. Ich dachte, ich würde ihm für den Rest des Winters wohlgemut fernbleiben können. Nun wurde aber die heutige Chorprobe kurzfristig wegen Raumbelegungsproblemen an den akustisch zweifellos erhabeneren Ort verlegt. Ich traf ziemlich triefend ein, durch den offenen Seiteneingang, denn mein Weg auf dem Fahrrad führte durch hartnäckiges Novembernieseln. Natürlich zog ich den nassen Mantel aus, hängte ihn über eine Kirchenbank - in der Hoffnung, er würde etwas abtrocknen bis zum Ende der Probe (was er nicht tat). In Ermangelung einer Alternative stand ich die zwei Stunden in der feuchten Thermohose durch. Schlang nach der Pause um den Oberkörper eine der grauen Fleecedecken, die wahrscheinlich aufgrund christlicher Nächstenliebe neuerdings im ungeheizten Dom ausliegen. Grabeskälte ist nichts dagegen. Man kann sich auch den Tod in einem Gotteshaus holen. Auf dem Heimweg wurden dann auch noch die neuen Noten nass, eine zweichörige Motette, die Brahms 1871 für einen Chor von 400 Stimmen schrieb. Damit Ihr wisst, was ich von Euch erwarte, so der aufmunternde Kommentar unserer Kantorin.

Mittwoch, 11. Januar 2023

alle

"Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar" sagte Ingeborg Bachmann 1959. Es gibt sie aber nicht, die [singuläre, absolute, alleinseeligmachende] Wahrheit. Es gibt nur Wahrheiten. Alle Menschen haben ihre eigene Wahrheit. Wir alle haben sogar das Recht auf unsere eigene Wahrheit, und die ist natürlich uns selbst zumutbar und von außen unantastbar. Vorausgesetzt, sie bleibt bei uns. Das haben nur noch nicht alle begriffen.

Dienstag, 10. Januar 2023

niemand

Den Gantenbein hab ich durch, in ungefähr zwei Nächten. Also kann ich noch lesen. Auch ein vergilbtes Taschenbuch. Die Augen sind noch iO. Irritiert hat mich, dass Gantenbeins Blindenstöckli schwarz ist und dass Frisch das Wort "niemand" konsequent über fast 300 Seiten nie beugt. Letzteres wirkt auf mich befremdlich, antiquiert oder verstörend helvetisch. Der Duden aber sagt, es sei ok. Akkusativ und Dativ von "niemand" könnten eine Flexionsendung haben oder auch keine. Ich kenne niemand[en], der so schreibt. Ich möchte niemand[em] im Treppenhaus begegnen. Ich kenne niemand[en], der so lacht. Zum Lachen gebracht hat mich die letzte Geschichte für Camilla Huber. Witzig und erlösend, auch weil sie das Buch - den Roman? - endlich beendet.

Dann kam mir ungefähr auf der zweiten Seite ein Bäckerjunge entgegengesprungen. Den hat der Duden in seiner 28. Auflage von 2020 aus dem Verkehr gezogen. Warum eigentlich?

Und: was würden Frischs Figuren wohl heute mit ihren Händen (Mündern, Köpfen, Seelen, Herzen, Beinen, Armen, Füßen, Gedanken, Träumen, Wünschen, Begierden ...) anfangen, wenn sie nicht mehr ständig und überall Zigaretten, Zigarren, Pfeifen - mit allem Drum und Dran, dem ganzen anachronistischen Brimborium - paffen und der ganzen Entourage die Luft zum Leben verpesten können? 

Nebenher höre ich weiter die am Morgen vorgelesenen Briefe, bis mir der Kopf raucht und ich mich frage, ob die Briefe Gantenbein zitieren oder Gantenbein die Briefe. Tan pis. Rien ne va plus.

Montag, 9. Januar 2023

Taube

Ich bin also gestern zum ersten Mal in diesem Winter 20 Kilometer durch sonnige Felder geradelt. Ich habe einen neuen Weg nach Windbergen ausprobiert, durchgängig asphaltiert oder mit Platten ausgelegt und ganz ohne Verkehr. Nur Sonntagsspaziergänger, Kinderwagen, Hunde, Großeltern uä.

Heute kein Muskelkater, kein Schnupfen. Nur späte elektromagnetische Felder aus dem Radio: Avian Love. Bedeutet etwa soviel wie Vogelliebe. Müsste aber eigentlich Taubenliebe heißen, pigeon love, was in der einen wie in der anderen Sprache wenig poetisch klingt. Colin Blacks Klangkomposition über Nikola Tesla. Über dessen Erfindungen und Vorlieben. Über "Elektrizität und elektrisierende Gefühle". Das ist schön poetisch gesagt! Angeblich liebte Tesla auf dieser Welt nur Tauben. Angeblich fütterte er am Nikola Tesla Corner in NY (Ecke 6th Avenue / West 40th Street), einer zu Teslas Lebenszeiten noch völlig unspektakulär namenlosen Straßenecke, zwischen 1894 und 1943 Hunderte, wenn nicht Tausende Tauben. Diese Tauben, nicht verhungert, nicht vergiftet, nicht vertrieben, sind nun verewigt. In die Kunst, in die Musik, in eine (w)irre Geräuschkulisse mit Katzen, Kindern, Wassertröpfeln, Händewaschen, Wasserpfeifen, Glockenklang und Glockenschlag usw. in 100 Jahre Radio eingegangen.

Sonntag, 8. Januar 2023

Titan

Neujahrs-Gongkonzert in Windbergen

Klänge wie aus einer anderen Welt - überirdisch und doch zum Greifen nah. Die Klänge eines Gongs füllen nicht nur den Raum, in dem der Gong gespielt wird. Sie erfüllen die Menschen, die ihnen lauschen. Noch lange, nachdem sie verklungen sind. Wir tragen sie in unseren Köpfen, Seelen und Körpern nach Hause mitsamt aller Vibrationen. Wir hören nämlich die Klänge nicht nur, sondern wir nehmen sie auch taktil wahr.

Peter Heeren spielt heute um 14 Uhr in der Kirche Zum Heiligen Kreuz zu Windbergen Planetengongs, die nach nach einer speziellen Formel gestimmt sind und auf diese Weise den Planeten zugeordnet werden. Aber auch mein Lieblingsgong, der blaue Titan ist dabei, und der Windgong, mein Wattenmeergong!
 
Der Eintritt ist frei, eine Kollekte ist willkommen.

Samstag, 7. Januar 2023

Tadeusz

Die Himmelstore sind kaum wieder mit Getöse - oder auch still und leise, wer kann das schon hören? - zugefallen und fest verriegelt für fast ein ganzes Jahr, da wird der Mond voll. Das eine hat mit dem anderen wahrscheinlich nichts zu tun, sichtbar am Himmel sind für uns nur die Bewegungen des Erdtrabanten. Aber bei mir ist vorhin, völlig unerklärlich, eine Vorratspackung Flüssigwaschmittel Color im umweltverträglichen Schlauch aus recyceltem (rissfestem!) Material zu Boden geplatscht. Vom Regal über der Waschmaschine dieser direkt vor die Füße. Meaning what???

Tadeusz Konwicki, mein Meister, ist heute vor acht Jahren gestorben. Auch damals stand der Mond voll am Himmel, auch damals feierten die Orthodoxen Weihnachten. Aber damals gab es keinen Waffenstillstand.

Konwicki ist drei Tage vor Ingeborg Bachmann zur Welt gekommen. In einem anderen Teil der Erde. Ich weiß nicht, ob sie sich zu Lebzeiten je begegnet sind. Sie war im Mai 1973 auf Lesereise in Polen. Er war im Frühsommer 1973 auf Lesereise in den USA.

1969 erschien sein Roman Zwierzoczłekoupiór. Ein verklausaukliertes Porträt seiner Familie in der Wohnung an der Górskistraße in Warschau. Die jüngere Tochter verwandelte Konwicki literarisch in den leukämiekranken Piotr, der sich wilde Geschichten mit Erfinderhund Sebastian und abenteuerliche Reisen ins All ausdenkt. Um sich abzulenken. Die Figur des Jungen ist so alt wie die jüngere Tochter des Autors bei Entstehung des Romans. Die ältere Tochter verwandelte der Autor im Roman nicht, sie tritt in der Urfassung sogar unter ihrem eigenen Namen auf. Der 10-jährige Piotr liegt im Bett im Krankenhaus. Er weiß, denn er sagt es uns Lesern, dass er sterben wird. Und er gesteht, dass er die "normale Familie" an der Górskistraße in Warschau erfunden hat, weil er sich nach einem normalen Leben sehnt.

Konwickis jüngere Tochter starb 2008 mit 49 Jahren an Leukämie, Ingeborg Bachmann 1973 mit 47 an einem unbehandelten Entzug. Der letzte Satz in Malina (Teil 1 der geplanten Todesartentrilogie) lautet: "Es war Mord".

Um mich abzulenken lese ich noch ein paar Seiten Gantenbein.

Freitag, 6. Januar 2023

Ingeborg

Bachmann. Gelesen von Johanna Wokalek. Passt auch nicht. Vielleicht sollten die Briefe dieser beiden, Lieber Max ... Liebe Ingeborg ... überhaupt nicht laut vorgelesen werden. Weil keine fremde Stimme passt. Keine noch so gekonnte forsche Intonation. Die Frage, warum die Briefe überhaupt veröffentlicht wurden, steht auf einem anderen Blatt. Bachmann war explizit dagegen und Frisch hatte ihr ursprünglich auch zugesichert, dass nichts davon an die Öffentlichkeit gelangen wird. Nach der Trennung forderte sie ihren Teil der Korrespondenz zurück. Erfolglos. Er betrachtete ihre Briefe an ihn als sein Eigentum. Seinen Teil der Korrespondenz hatte sie - ebenso erfolglos, siehe gestern - selbst vernichtet. Er änderte im Alter seine Meinung und gab die Briefe nach einer 20-jährigen Sperrfrist nach seinem Tod frei.

Ingeborg Bachmanns früher Tod im Oktober 1973 wäre vermutlich vermeidbar gewesen. Max Frisch trifft keine, oder die geringste Schuld. Die Tabletten traten vor Max in ihr Leben. Wenn ein Entzug den Tod bringt, muss die Sucht groß gewesen sein. Nein, es war die Familie. Das Schweigen um eines guten Rufes wegen. Eine hinterlistige Sorge und feige Scham. Was sollen die Leute denken, wenn sie erfahren, dass Hohe Kunst den Abgrund bedingt. Dass eine begnadete Poetin täglich Dutzende Tabletten, Angstlöser, Beruhigungsmittel (Tranquilizer, Benzodiazepine) einwarf? Gepart mit der begründete Furcht guter Freunde, zur Verantwortung gezogen zu werden. Sie wussten nicht nur von den "Schlafmittel-Whisky-Cocktails", sondern bedienten diese qua amt mit Rezepten.

Ingeborg Bachmann ist nicht an äusserlichen Verbrennungen gestorben. Die Gauloises, die sie beim Einschlafen im Bett in Rom rauchte, ist zwar ursächlich für einen Brand. Dieser hat aber die Eingeschlafene nicht lebensbedrohlich verletzt. Sie ist an inneren Verätzungen gestorben. Daran, dass man sie zwar ins Krankenhaus Sant'Eugenio brachte, den Ärzten aber ihren Medikamentenkonsum verschwieg. Sie ist gestorben, weil man ihren Körper verrecken ließ. Er schrie und wand sich vergeblich. Die Mediziner behandelten die verbrannte Haut, erkannten aber die heftigen Entzugserscheinungen nicht als solche. Wie auch? Konvulsionen bis bis hin zu epileptischen Anfällen. Sie vermuteten eine Schädigung des Gehirns, konnten sich aber nicht erklären, wodurch verursacht. Die Zigarette konnte es nicht gewesen sein. Und alle, die es besser wussten, schwiegen bis zum bitteren Ende. Auch so kann man sterben. 22 Tage lang.

Donnerstag, 5. Januar 2023

Max

Max Frisch. Aus dem Briefwechsel Frisch-Bachmann. Am Morgen vorgelesen von Matthias Brandt - es passt einfach nicht. Vielleicht ist der Schauspieler zu alt? Zu deutsch? Zu wenig kehlig-helvetisch? Bühnendeutsches Ütikon [aber immerhin: so kommt auch dieses Kaff in die Weltliteratur], auf der ersten Silbe betontes Engadin, verholzter Kosename Schnolimoli oder Schnurlimurli. Mon Dieu! Das sind nur ein paar der geschossenen Böcke. Und dann, viel gravierender, weil durchgängig, unverändert, von Brief zu Brief, von Enttäuschung zu Enttäuschung, Verletzung zu Verletzung: der Tenor des großväterlich Zugeneigten, milde Hinabgebeugten. Heute fast die ganze Folge, eine halbe Stunde lang, aus der Feder Frischs, mit der Stimme Brandts. Verstörend!

Und die Scham. Fremdscham? Ich weiß es nicht. Wer wird beim Zuhören nicht gallig, gelb, grün oder rot. Vor Wut oder Wehleid. In unseren Zeiten herrschen andere Sitten, das soziale Gefüge steht Kopf. Das politische auch. Das sprachliche sowieso. Überall gilt das Recht des Stärkeren. Des Lautesten. Da wirken die jetzt über den Äther verbreiteten Seelennöte des größten Schweizer Schriftstellers meiner Jugend rührend anachronistisch. Das Warten auf Briefe! Kabelnachrichten. Auch ein Poststreik kommt vor. Und viele Telegramme. Aber wie hinterlistig war der Typ! Er behielt von (fast) jedem Brief einen Durchschlag oder tippte ihn, falls er ihn von Hand geschrieben hatte, säuberlich in die Maschine, ehe er ihn aufs nächste Postamt trug. Zweitverwertete dann seine intimsten Geständnisse und Gefühlsaufwallungen im Roman "Mein Namen sei Gantenbein". Auch das ist im Nachhinein beschämend, obwohl hinreichend bekannt aus "Montauk" (mit allerdings anderen Protagonisten). Auch "Homo Faber" müssen wir nicht neu lesen. Madeleine, von der in den ersten Briefen immer wieder die Rede ist, weil Frisch sich von ihr lossagt, während er sich der Bachmann zusagt, ist die Mutter seiner allerletzten Lebensgefährtin. Und diese allerletzte Lebensgefährtin war tatsächlich in der Blüte ihrer Jugend das Vorbild für die literarische Schöne, genannt Sabeth in "Homo Faber".  

"Es stimmt nicht einmal, dass ich immer nur mich selbst beschrieben habe. Ich habe mich selbst nie beschrieben. Ich habe mich nur verraten." (Max Frisch, Montauk)

Mittwoch, 4. Januar 2023

Isaac

Noch ein Vater. Nicht der Erzvater der Isrealiten. Sondern Vater der modernen Physik, der Himmelsmechanik, des Gravitationsgesetzes, des Spiegelteleskops, des Lichtspektrums und ... und ... und ... Namensgeber zweier Asteroiden (662 und 8000) sowie zweier Krater im Universum (auf dem Mars sowie des tiefsten Einschlagkraters auf der der Erde zugewandten Mondseite). Isaac Newton, heute vor 380 Jahren in Woolsthorpe-by-Colsterworth in der englischen Grafschaft Lincolnshire als "Weihnachtskind" geboren. Dort war gerade erst der 25. Dezember 1642 angebrochen. Im britischen Königreich galt nach wie vor julianische Kalender. Man wollte sich auf der Insel noch lange nicht von einem katholischen Papst (Gregor) eine neumodische Zeit (die gregorianische eben) vorschreiben lassen.

Soviel Genitiv-S war schon lange nicht mehr!

Dienstag, 3. Januar 2023

Konrad

Konrad, Vater der deutschen Rechtschreibung. Konrad, ohne den nichts geht in Sachen Deutsch, deutscher Sprache, deutscher Schrift. Konrad Duden, heute vor 194 Jahren auf Gut Bossigt bei Wesel geboren, veröffentlichte mit 51 Jahren das erste "Vollständige Orthographische Wörterbuch der deutschen Sprache". Damit schuf er die Grundlage für eine standardisierte deutsche Rechtschreibung, für ein Regelwerk, das bis heute ständig fortgeschrieben, aktualisiert, erneuert, ergänzt, bereinigt wird. Den Namen Duden erhielt der Duden aber erst posthum. Konrad starb am 1. August 1911 und hinterließ als Vermächtnis das Manuskript für die 9. Auflage, die 1915 unter dem Titel "Duden – Rechtschreibung der deutschen Sprache und der Fremdwörter" erschien. Seither ist der Duden in aller Deutschen und Deutsch Lernenden Münder, Hände und Federn.

Die Duden-Redaktion teilt in ihrem newsletter mit, dass die erste Auflage vom 7. Juli 1880 27.000 Einträge umfasste und die aktuelle 28. Auflage mit 148.000 Einträgen mehr als 5 x so umfangreich sei. So weit so richtig. Oder auch falsch. Wir müssten nun nur noch erfahren, wieviele Einträge seit 1880 wieder gestrichen wurden (zB 2020: Murrkopf, Niethose und Rätterwäsche, Blindenanstalt, Bäckerjunge und Jägersmann, Kabelnachricht, Lehrmädchen und Pfarrherr ... ), um den Zuwachs mathematisch zu beziffern. Oder?

Der Tag verspricht Sonne und kaum Wind. Auf mich warten Leiter und Dachrinne.

Montag, 2. Januar 2023

Benedictus

Benedictus bedeutet der Gesegnete. Kommt von lat. benedicere, also bene dicere - gutes sagen, nicht unbedingt tun, loben, im kirchlich-religiösen Kontext segnen. Grammatikalisch gehört benedictus in die Kategorie PPP - Particip Perfekt Passiv des Verbs benedicere. Wie wir wissen, trugen 16 Päpste diesen Namen. Benedictus PP (dies ist keine Abkürzung des Dudens sondern der Würdeträger selbst, die mit diesem Zusatz zu ihrem Namen ihre Schriften und Dokumente zeichnen, als papa oder pastor pastorum, Vater oder Oberhirt, wörtlich Hirt der Hirten) XVI liegt nun kalt und starr, lang ausgestreckt im Petersdom. Er ist wahrlich nicht zu beneiden und war es womöglich nie. Wer möchte nach seinem Tod so ausgestellt (sorry: aufgebahrt) werden, mit Formalin statt Blut in den Adern, das alle metabolischen Prozesse (sprich die Verwesung, die Entstehung von unappetitlichen Gerüchen oder Flecken) stoppt? Mit gerade gezerrtem Rücken, womöglich gebrochenem Rückgrat oder gebrochenen Rippen, sah er doch in den letzten Jahren immer gebückter aus. Mit andächtig gefalteten Händen über der Brust und dem Rosenkranz um die Pergamenthaut der steifen Finger geflochten. Mit sauberen Fingernägeln! Der Körper war nach dem letzten Atemzug in der Gewalt, oder sagen wir mal: in den routinierten Händen von Thanatopraktikern. Die haben ihn präpariert, ehe er gewaschen und neu eingekleidet, bewacht von zwei Schweizergardisten dem gläubigen und ungläubigen Volk zur Respekterweisung vorgelegt werden konnte.

R.I.P.

Sonntag, 1. Januar 2023

Sirius

Heute ist der späteste Sonnenaufgang des Winters. Sie geht bei uns am Wattenmeer schon seit Tagen um 8:42 auf und tut keinen Wank. Keine Wintersonnenwende. Die Tage zwischen den Jahren waren lichtlos. Obwohl der Sonnenuntergang sich leicht nach hinten verschob. Also doch eine Wende hin zum helleren Tag, zum längeren Nachmittag. Ab morgen wird auch der Sonnenaufgang etwas von seiner Sturheit verlieren. Deshalb heute der letzte so späte Sonnenaufgang des Winters. Und wenn wir etwas gesehen hätten letzte Nacht, hätte uns womöglich Sirius, der hellste Fixstern geblendet. Aber erstens regnete es. Zweitens vernebelten die Böller die Sicht. Drittens haben wir Sturm.