Donnerstag, 31. Dezember 2015

Jahresendmarsch

Das ablaufende Wasser ausnützen und zu Fuß auf den Japsand. Das ist die beste Art, das Jahr zu beenden. Mit Gummistiefeln durch den Matsch, bis der schneeweiße Sand erreicht ist. Bis alles Schwere, Nasse abgelegt und das Flüchtige, Leichte gewonnen ist. Wünsche allen ebensolch reinigende Erfahrungen.

Mittwoch, 30. Dezember 2015

Jahresendalphabet

Binnenmajuskel. Ein Wort aus der Druckersprache. Bildlich veranschaulicht oder geschrieben sieht es so aus: Die BinnenMajuskel. Das M in der WortMitte groß wie am Anfang. Zum Beispiel im Nominativ: Die Majuskel. Sie hat nichts mit Der Muskel zu tun. Obwohl die Majuskeln im Plural auf -n enden wie die Muskeln.

Dienstag, 29. Dezember 2015

Windalphabet

Gegen Morgen nimmt das Grollen über dem Kopf ab. Ständiger Wind hat auch etwas Beruhigendes. Ich bin nie allein. Sein Rauschen ist immer nah bei mir. Beim Hellwerden sehe ich vor dem Fenster Gänse. So viele Gänse. Wenn der Wind mal still hält, höre ich nachts Gänse. Sie schnattern immer. Ohne Licht nimmt jedes Geräusch an Intensität zu. In der Zeitung eine Rezension von "Wie auf Erden" (Film von Kay Pollak, die Fortsetzung von "Wie im Himmel" - herrlich!). Für alle, die singen wollen und es nicht können. Oder umgekehrt.

Montag, 28. Dezember 2015

Montagsausflug

Ich kapituliere. Sehe vor dem Fenster leuchtende Fennen. Wolken aufsteigender Gänse. Irrgäste oder Dagebliebene. Zaungäste. Zuggäste. Und das Landsende im Morgenlicht. Idylle pur. Und plötzlich das Rattern des Hubschraubers. Zwischen den Jahren sind auch Fährgäste da. Menschen, die mit der Fähre anreisen. Und ihre Krankheiten und Gebrechen mitbringen. Ich hänge zum ersten Mal Wäsche an die Leinen im Garten und fahre schließlich, zähneknirschend, nach Hanswarft. Kein Gegenwind. Der Reiher weist mir den Weg. Wie immer. In der warmen Sonne auf  der Bank am Fething erledige ich im ungeschützten Münchener Freifunk (= öffentlich zugängliches WLAN) die wichtigste Weihnachts- und Neujahrspost, meine Bankgeschäfte, meine Dankesbotschaften, meine Anweisungen und Tröstungen. Mit einem Wort: ich setze nach zwei Wochen Abstinenz wieder Lebenszeichen ins Netz. 

Sonntag, 27. Dezember 2015

Sonntagsausflug

mit Apfelkuchen auf die Schulwarft. Die Schule ist geschlossen, der Kindergarten auch. Die kindergarteneigenen Hühner leben noch, wir überprüfen das. Die Pastorin empfängt uns, die Gäste aus Afghanistan und die interimistischen Ausländerbeauftragten, in ihrer Wohnung über der Schule. Zu Kaffee und Kuchen und Spielen und Toben,
Die Nacht ist klar und hell wie der Tag es nicht war. Der Mond ist bereits wieder am Abnehmen. Wir kommen ohne Taschenlampe nach Hause. Der Kleinste schläft in meinem Fahrradkorb.

Samstag, 26. Dezember 2015

Gnadenlos

Der Sturm tobt. Ich wurde in der Nacht auf dem Heimweg nass bis auf die Haut. Und heute früh auf dem Weg in die Kirche wieder. Und am Nachmittag auf dem Weg zum Deich noch einmal. Ich wollte wieder das Grau sehen. Die vielen Abstufungen von aufgewühltem Wellengrau. Die Flut, die sich am Himmel vergreift. Und ich wollte den Wind spüren, der so eindeutig und scharf ist, dass er mich daran hindert, in die falsche Richtung zu gehen. Er peitscht mich gnadenlos vor sich her.

Freitag, 25. Dezember 2015

Seehundparadies

Vollmond und kleines landunter (man vergleiche das erst Foto mit dem vom Montag!) am Mittag. Die Seehunde sonnen sich auf dem grünen Deich, den sie endlich erreichen, ohne sich den Bauch auf den Igeln aufzukratzen. Meine Weihnachtsgeschichte!
Und mein erstes Halligwort: Igel! Der Igel auf Hooge sind an der Halligkante aufgeschüttete Kantsteine oder dieser Steindeich selbst. 

Donnerstag, 24. Dezember 2015

Heiligabendpost

Im Radio reden sie den ganzen Tag vom Heiligen Abend, den es m.E. nicht gibt. Auf der Treppe liegen am Nachmittag unerwartete Grüße aus Meldorf und Michendorf. Zwei Dörfer - so weit voneinander entfernt und auf einer Treppenstufe der Überraschung vereint.

Mittwoch, 23. Dezember 2015

Weihnachtspost

Heute kommt wie jeden Mittwoch keine Post. Der Mittwoch ist Fährenfrei auf der Hallig. Man ist und bleibt unter sich. Die Nächte sind stockdunkel. Weihnachten hin oder her. Das Paket aus Wülfrath lag gestern nachmittag auf meiner Treppe. Sein Inhalt wird heute fast ganz verputzt. Man soll freundlich sein zu Nachbarn und Handwerkern.

Dienstag, 22. Dezember 2015

Wetterumschwung

Kein Wunder. Nach dem Gucken kommt das Hören. Ich lag die ganze Nacht wach und lauschte dem Grollen über dem Dach. Auf Hanswarft hat der Wind eine andere Stimme. Ich bin hier am Landsende näher dran. Oder ungeschützter. Ausgesetzter. In sternenklaren Nächten gibt es mehr Sterne. Und in winddurchtobten mehr Lärm. Finde immer noch keine Wörter. Muss ein Alphabet der Geräusche anlegen. Aber wo?

Montag, 21. Dezember 2015

Goldener Sand

Der kleine Japsand bei Tageslicht. Ich bin den ganzen Vormittag nur mit Gucken beschäftigt. Kann dem Farbspiel nicht folgen. Nicht mit Wörtern. Nicht mit Gedanken. Nicht mit Schritten.

Sonntag, 20. Dezember 2015

Vierter Advent

Krippenspiel und immer noch nicht Weihnachten. Immer noch kein Internet. Immer noch stürmisch.

Samstag, 19. Dezember 2015

Kartiertes Grau

Spaziergang zum kleinen Japsand. Die höchste natürliche Erhebung weit und breit. Bei Niedrigwasser gut zu Fuß (mit Gummistiefeln) zu erklimmen. Ich sehe sie von meinem Schreibtisch aus. Bei jedem Wetter leuchtet der Sand. Aus der Nähe betrachtet sind es Muschelreste, zermalmt von Wind und Wasser.

Freitag, 18. Dezember 2015

Der letzte Schultag

Endlich Sonne. Und die ganze Familie in der Schule. Und ein Gruppenfoto. Und ein Wasserfarbenbild. Und eine selbstgemachte Halskette. Was Ferien sind, kann ich den Gästen nicht erklären. Und nicht, was Weihnachten. Bei dem Wetter! Die Älteste kann bis zehn zählen. Nach Neujahr fangen wir zu schreiben an

Donnerstag, 17. Dezember 2015

Schulalltag

Fast ist es schon Gewohnheit. Heute kommt auch der Kleinste mit. Und Mutter. Wir werden hin und zurück gefahren. Vater ist auf dem Festland. Donnerstag. Da fahren alle Halligbewohner zum Einkaufen. Zum Zahnarzt. Zum Frisör. Auf die Hallig kommt ein Telecommitarbeiter. Aber mein Wlan richtet er nicht ein. Dies sei nicht sein Auftrag, erklärt er mir.

Mittwoch, 16. Dezember 2015

Schulweg

Wir werden zur Schule gefahren. Der Nebel hängt immer noch tief. Wir füttern die kindergarteneigenen Hühner und trocknen Tränen. Auf dem Heimweg hocken alle drei im Bollerwagen.

Dienstag, 15. Dezember 2015

Dienstag, der erste Kindergartentag

Ich bin nur Begleiterin. Ersatz. Keiner Sprache mächtig. Keine Mama. Kein Papa. Ich bringe am Morgen den Müll an die Warftkante. Ich lerne Wörter und sehe die Hand nicht vor dem Munde, so dick ist der Nebel. Die Hallig endet zwischen Grün und Grau. Es ist ungerecht, dass die beiden älteren Töchter zusammen in die Schule gehen und die dritte allein in den Kindergarten muss. Obwohl die beiden Institutionen auf Hooge nur durch eine Wand getrennt sind, fließen Tränen.

Montag, 14. Dezember 2015

Montag, der erste Schultag

Ich gehe mit Hatr und Ilah für eine Stunde in die Schule. Sie sind bunt angezogen und fröhlich. Der Weg ist farblos. Die Warft versinkt im Nebel. Auf dem Rückweg fallen die ersten deutschen Wörter. Wie Regentropfen. Schule. Apfel. Haus.

Sonntag, 13. Dezember 2015

Sonntag, der Dreizehnte

Dritter Advent mit Grünkohl. Draußen so etwas wie Frühling. Drinnen noch keine Normalität. Ich entferne maritimes Blau aus meiner Wohnung und ersetze es mit Küchenschürzenrot.

Samstag, 12. Dezember 2015

Kein aufbrechen

Zum ersten Mal seit langer, langer Zeit wache ich auf mit dem Gefühl, nicht aufstehen und weggehen zu müssen. Es ist noch immer dunkel. Aber der Sturm hat sich etwas gelegt. Ich muss nichts mehr erledigen auf dem Festland, nichts mehr einpacken, nichts mehr aufräumen. Ich bin noch nicht angekommen. Aber ich weiss schon, dass ich bleiben kann. 

Freitag, 11. Dezember 2015

Kein landunter

Das erwartete landunter bleibt aus. Es kann nicht sein, dass jedesmal, kaum habe ich den Fuß auf die Hallig gesetzt, der Notstand beginnt.
Ich liege im Bett und versuche, die Geräusche zuzuordnen. Das Brausen in der Nacht, das nach eigenen Gesetzen anschwillt. Eigenen Bedürfnissen folgt. Ohne Noten spielt. Zu sehen ist nichts. Zu hören viel. Das Wundern endet hier nie. Die Ungleichheit: Meine Neugier braucht hohle Häuser, der Wind aber nie eine Verschnaufpause.

Donnerstag, 10. Dezember 2015

timein

Time-in - inside the Hallig - beginnt mit Wind. Eine stürmische Überfahrt. Mit Kaffee im Bauch der Fähre. Oben auf Deck würde ich bis auf die Haus nass. Die Hallig erwartet mich mit allen Farben des Winters. Abtönungen von Grau. Schattierungen von Halbgrau, Ganzgrau, Hellgrau. Dunkelgrau, Regengrau, Sonnengrau. Auch die Graugänse sind geblieben.

Freitag, 4. Dezember 2015

timeout

Time out of Hallig beginnt mit dem Besuch beim Meldorfer Hausarzt und endet in einem halbleeren Flugzeug. Ich werde umgesetzt, lerne das Wort TRIM. Gewichtsverteilung über den Wolken. Und lande im Ausland. So gesehen oder geschrieben - im Ausland landen - kann die Fremde tatsächlich nur durch die Luft erreicht werden.

Donnerstag, 3. Dezember 2015

Erster Donnerstag

Schon wieder Aufbruch. Am Anleger die Spuren des letzten landunters. Es ist bereits Nacht, als die Fähre in Schlüttsiel anlegt.

Mittwoch, 2. Dezember 2015

Erster Mittwoch

"sabr" heißt Geduld und "ma" Monat. Wenn ich das richtig herausschreibe aus dem Persischwörterbuch. Zwei Schlüsselwörter für Gäste aus Afghanistan auf Hooge, die erstmal erschrecken über die begrenzte Welt.

Dienstag, 1. Dezember 2015

Am Tag danach ...

... geht das Wasser wieder. Fast so schnell wie es gekommen ist.Und Landsende, das richtige, ist wieder in Sicht.

Montag, 30. November 2015

Erstes landunter

Es wurde mir versprochen und am Morgen ist es da: das Wasser. Über dem Land. Der Blick aus dem Fenster am Morgen. Landsende gibt es nicht mehr. Und den Weg auf die Hanswarft auch nicht. Ich umrunde mehrmals ungläubig die Ockenswarft. Die Welt ist ganz klein und bescheiden geworden.

Sonntag, 29. November 2015

Erster Advent

Der Gottesdienst in der Halligkirche findet ohne die Pastorin, ohne den Pastor statt. Aufgrund der Wetterlage fällt der Fährverkehr komplett aus. Viel Wind und viel Sonne.

Samstag, 28. November 2015

Hooge

Die Ruhe vor dem Sturm. In Schlüttsiel lasse ich den Regen zurück und fahre hinaus in die Sonne.

Freitag, 27. November 2015

Donnerstag, 26. November 2015

Donnerstag, Großstadt

Ein letzter Ausflug in die Zivilisation. Die letzte Mitteilung einer NOB-Schaffnerin: dass inskünftig keine Fahrscheine mehr im Zug verkauft würden. Dass jetzt schon sämtliche Fahrscheinautomaten in den Zügen stillgelegt seien. Dass nach einer "Kulanzphase" jeder Fahrgast in Meldorf den Zug mit gültigem Fahrschein besteigen müsse. Ansonsten würde er mit dem erhöhten Bußgeld bestraft. Ich verrate ihr nicht, dass mir das ziemlich egal ist. Merke nur an, dass auf dem östlichen Bahnsteig immer noch kein Fahrscheinautomat stehe. Dass es wohl unzumutbar sei, Fahrgäste, die im Osten der Stadt wohnen wie ich, durch die monströse Unterführung auf den Westbahnsteig zu jagen, um den Fahrschein aus dem Automaten zu ziehen, der ja im übrigen auch nicht immer funktioniere, und dann den Weg hechelnd zurück machen zu lassen. Wie soll ich das schaffen in meinem Alter? Mit Gepäck? Ohne Klapprad? Sie zuckt ziemlich unverblümt mit den Schultern. Ihr Körper spricht, nicht ihr Mund: "Das ist mir völlig wurscht". Oder, falls das Achselnhochziehen auch in englisch funktioniert: "I couldn't care less." Die letzten Kopfschmerzen. Der letzte verspätete Zug. Ich warte noch einmal fast eine halbe Stunde auf dem ungastlichen Bahnhof in Heide auf den Zug nach Meldorf. Da ist die Sonne längst untergegangen.

Mittwoch, 25. November 2015

Mittwoch, Vollmond

Schon wieder und vorläufig zum letzten Mal vor meinem Festlandfenster: der volle runde Mond. Die dunkle helle Nacht. Allmählich erst lerne ich neue Wörter und Räume kennen. Und anwenden. Verstehen. Noch bin ich auf dem Festland. Ich bereite mich darauf vor, es zu verlassen. 

Dienstag, 24. November 2015

Dienstag, Regen

Keinen Hund jagt man vor die Tür. Konsequent durchforste ich mein Hab und Gut. Und sortiere es nach mit / nicht mit. Und erlebe Höhen und Tiefen der Verzweiflung. Und fürchte das Wort und.

Montag, 23. November 2015

Sonntag, 22. November 2015

Der erste Frost ...

... der erste Schnee. Zögerlich alles. Unentschieden unter Null. Leichtfertig. Leichtfüßig. Die Strassen bleiben aalglatt. Schwarz wie in Japan. Ich geh in die Küche und backe Kuchen, so lange noch etwas zu sehen ist.

Freitag, 20. November 2015

Vorlesetag

Der Handflügler - Mein Abschied vom Festland. Und da wir immer noch im 750-Jahr-Fieber sind, habe ich den Text auf genau 750 Sekunden getaktet. Zu hören heute Abend, 19:30 Uhr im TRaumausstatter, Süderstrasse 9, Meldorf:


Mittwoch, 18. November 2015

landunter

Das zweite landunter innerhalb weniger Tage und ich bin immer noch nicht auf Hooge angekommen! Die Bänke vor dem Hallighus stehen noch im Trockenen.

Andere hingegen schwimmen ... oder liegen!
 

Der Weg zu meiner Lieblings-Badestelle aber ist deutlich kürzer geworden!

Mehr Meer siehe hier: http://hooge.de/content/webcams.html

Montag, 16. November 2015

237. Mahnwache in Meldorf

18:00 - 18:30 Südermarkt
Aus aktuellem Anlass: Peace for Paris - Mahnwache gegen den Terror.

Wir laden Sie und Euch herzlich ein, ab 18 Uhr am Meldorfer Südermarkt der Opfer der Anschläge von Paris zu gedenken.
Es ist wichtig ein Zeichen zu setzen gegen den Terrorismus und gegen jegliche Bestrebungen hierzulande, diese Anschläge auszunutzen für politische Auseinandersetzungen um die Grundrechte in unserem Land.

Viele Grüße von der Meldorfer Anti-Atom-Mahnwache !
Jan Klabunde

Sonntag, 15. November 2015

Zweites Konzert

17:00 Uhr St. Jürgen, Heide.
Wir laufen zur Hochform auf. Machen Musik vom Feinsten.
Danach fahre ich mit der NOB nach Hause. Man muss gehen, wenn es am Schönsten ist.
DLZ 16.11.2015


Samstag, 14. November 2015

Generalprobe und Konzert

Landunter auf Hooge - Sturm. Kein Fährverkehr. Ich in St. Jürgen in Heide.
09:30 Uhr: Anspielprobe
11:00 Uhr: öffentliche Generalprobe
Mittagspause, Siesta, Essen, Stillsein.
20:00 Uhr: Konzert

Ein Projekt der ganz besonderen Art ist im Bereich der Kirchenmusik an St. Jürgen entstanden: Das Mozart-Requiem in einer szenischen Interpretation. Was heißt das? Zunächst allen Skeptikern zur Beruhigung: In der Aufführung wird das Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart in der traditionellen Süßmeyer-Fassung mit Chor, Solisten und Orchester aufgeführt. Aber einiges wird anders sein. Ca. 80 Schülerinnen und Schüler des Werner-Heisenberg-Gymnasiums, des Gymnasiums und der Gemeinschaftsschule Heide-Ost werden zur Musik von Mozart eine Choreographie aufführen, die sie gemeinsam mit der Hamburger Choreographin Eva Bernhard entwickelt und einstudiert haben.
Vielleicht erinnert sich der eine oder die andere an die choreographierte Johannespassion von Bach vor drei Jahren. „Danced Passion“ hieß das Projekt damals. Der große Erfolg dieses Projekts hat uns veranlasst, wieder auf Schulen zuzugehen, um gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern die unglaubliche Musik Mozarts kennenzulernen und erfahrbar zu machen. Musikvermittlung also. Diesmal gehen wir noch ein Stück weiter. In die Partitur des Requiems haben wir die Texte des Lübecker Totentanzes hinein montiert. Der Tod im Dialog mit den Menschen. Vom Kaiser zum Bischof, vom Edelmann zum Eremiten, vom Kind zum Greis: vor dem Tod sind alle gleich. Die Personen, die im Totentanz auftauchen, sind Archetypen der mittelalterlichen Gesellschaft. In unserer Aufführung werden sie ins Jetzt geholt und tragen Züge der heutigen Menschen.
Dargestellt werden sie von Laiendarstellern aus der Region; vom Kind bis zum Greis sind alle Generationen vertreten. Der Tod wird von dem Sprecher Lutz Otto aus Berlin übernommen, der dort viele Jahre die Schauspielabteilung an der Universität der Künste (UdK) in Berlin geleitet hat.
Regie führt Prof. Dagny Müller, die bis zu ihrer Emeritierung Professorin für Darstellendes Spiel an der Opernabteilung der UdK und freischaffende Opernregisseurin war. Die Orchestermusiker rekrutieren sich hauptsächlich aus dem Landessinfonieorchester Flensburg; die Heider Kantorei singt, die Solisten sind schon des Öfteren gern gesehene und gehörte Gäste in Heide. Die musikalische Leitung hat Sebastian Schwarze-Wunderlich.

Freitag, 13. November 2015

Freitag der 13.

Sanktjürgenfrei. Keine Probe. Ich entsorge Laub und die alte Waschmaschine. Verbringe den Nachmittag in der Sauna und den Abend mit Tucholsky im Landwirtschaftsmuseum. Über Traktoren und Mähdreschern. Nachrichten höre ich keine, da wir viel schlafen und die Stimmung schonen sollen.

Donnerstag, 12. November 2015

St. Jürgen 3

DLZ 12 nov 2015
Orchesterhauptprobe. Der Schock sitzt tief. Ich höre nichts. Die Instrumente erschlagen uns.

Mittwoch, 11. November 2015

St. Jürgen 2

Ich koche Grünkohl vegetarisch. Mit Pinienkernen, Orange und Bulgur. Bevor ich mich zur Probe aufmache. Heute die zweite Hälfte des Mozart-Requiems. Mit der zweiten Besetzung. Und mehr Licht in der Kirche. Geht alles schon besser.

Dienstag, 10. November 2015

St. Jürgen 1

Die erste Probe in der Kirche. Ist immer ein Schock. Aber gott(oder dem teufel)seidank kurz. Nur mit der halben Besetzung. Tanz mit dem Tod. Ich habe am Nachmittag zwei Stunden im Studio Texte eingelesen. Schindluder mit der Stimme getrieben. Froh, eine halbe Stunde früher nach Hause zu kommen. Sinke sofort ins Bett.

Montag, 9. November 2015

236. Mahnwache in Meldorf

18:00 - 18:30 Südermarkt
Meldorfer Mahnwache für den sofortigen Atomausstieg.

Und für die Heider Kantorei beginnt der countdown. Die letzte Probenwoche vor dem Konzert. Die NOB lässt mich eine halbe Stunde auf dem kalten Bahnsteig in Meldorf warten! 

Sonntag, 8. November 2015

Samstag, 7. November 2015

Probensamstag

Nach der verpassten Montagsprobe nun der Probensamstag. Ich bin schlecht vorbereitet. Nicht nur gesundheitlich angeschlagen, sondern auch mental.

Freitag, 6. November 2015

Herrlich

Ich lasse mir vom einzigen männlichen Frisör weit und breit die Haare schneiden. Und kaufe auf dem Markt schwarzen Rettich. Das ultimative Rezept gegen Husten: Schwarzer Rettich, aushöhlen, unten mit einer Nadel eine feine Öffnung schaffen, auf ein Glas stellen, Honig einfüllen. Was raustropft und sich ansammlet im Glas in homöopatischen Dosen über den Tag verteilt zu sich nehmen. Herrlich!

Donnerstag, 5. November 2015

Mittwoch, 4. November 2015

Lichttherapie

Sonne. Seit langem wieder einmal Sonne. Ich verordne mir einen Spaziergang am Deich. Salz. Seit langem wieder einmal Salz in der Luft. Und in den Lungen.

Dienstag, 3. November 2015

Salbeitee

Die verpatzte Probe gestern. Das unverrichteter Dinge nach Hause gehen. Hat mich krank gemacht. In der Nacht Schluckweh. Schnupfen. Schwitzen. Zeit für Salbei. Und wo liegt der richtige Ton? Auf der ersten oder auf der letzten Silbe? Nach Duden ist beides möglich. 

Montag, 2. November 2015

235. Mahnwache in Meldorf

18:00 - 18:30 Südermarkt
Meldorfer Mahnwache für den sofortigen Atomausstieg.

Und mich lässt die NOB an Allerseelen im Nebel am Meldorfer Bahnhof stehen! Ich gehe unverrichteteter Dinge wieder nach Hause statt in die Probe nach Heide.

Sonntag, 1. November 2015

Allerheiligen

Und ich habe keine Ruhe. Gehe am Mittag durch die Innenstadt spazieren. Sitze beim Glög auf der Strasse. Fast Frühling und sogenannt "verkaufsoffener" Sonntag! In Warschau legt Henryka für mich eine Rose auf das Grab des Meisters.

Samstag, 31. Oktober 2015

Die Kehrseite

Kommt die Kehrseite von kehren? Kehren, fegen, saubermachen? Ausfegen, wegkehren, durchfegen, aufkehren, abkehren? Die Kehrseite der Medaille sieht wie immer weniger vorzeigbar aus.

Freitag, 30. Oktober 2015

Radikalschnitt

Was sein muss muss sein. Efeu muss von Zeit zu Zeit radikal zurückgeschnitten werden. Vor allem, wenn der Garten ein Jahr lang auf sich selbst gestellt ist.

Donnerstag, 29. Oktober 2015

Wartung

Auch die Heizungen werden durchgecheckt vor meinem Exodus. Was sein muss, muss sein. Die Raben fressen die letzten Äpfel vom Baum. Sie sind so gierig und so aggressiv, dass die Amseln es vorziehen, hungrig aus sicherer Entfernung zuzugucken.

Mittwoch, 28. Oktober 2015

Die innere Heimat

Gestern war Vollmond und heute geht er so auf. Vor einem Monat war der Blutmond fast nirgends zu sehen im Norden. Und die Vollmondfreaks fragen sich, ob wir wandern müssen, um anzukommen? Der Mond wandert, aber kommt er an? Hat er ein Ziel? Eine innere Heimat? Ich glaube nicht an den Zauber der irdischen Himmelsbeobachter.

Dienstag, 27. Oktober 2015

Ostwind

Ich lasse mich durch und durch durchchecken vor meinem Exodus. Ostwind, sagt die Arzthelferin, die mir Blut abnimmt. Ostwind und kalt. Aber Ostwind, deshalb sei heute ihr Arbeitsweg kürzer als sonst gewesen.

Sonntag, 25. Oktober 2015

Der erste Wintertag

Ich schneide das Vogelhäuschen frei. Statt Kirche. Denk ich an Hooge am Sonntag ... Ich kenne keinen Ort auf der Welt, an dem es so viele Kirchgänger gibt. Es gibt keinen anderen Ort auf der Welt, an dem sich sonntags sämtliche Bewohner, und im Sommer noch die Feriengäste, in der Kirche versammeln. Nur auf Hooge führen alle Wege auf die Kirchwarft. Nur bei landunter ist sie nicht erreichbar. Da ich nicht auf der Hallig bin, tue ich etwas für die Vögel. Und schneide schon am Vormittag das Futterhäuschen frei. Für den Winter.
Und das bleibt übrig:
 

Samstag, 24. Oktober 2015

Der letzte Sommertag

Das Fieber vor dem Herbst. Vor dem Winter. Die plötzlich aufgeflammte Arbeitswut. Das Sonnenlicht hat sich längst vom Himmel verabschiedet und wir schneiden, fegen, kehren immer noch. Morgen ist alles zu spät.

Freitag, 23. Oktober 2015

Ernte

Die Ernte kommt spät, aber heftig. Innerhalb von zwei Tagen fällt mir alles, was fallen kann, auf den Kopf. Wie ein Hagelsturm. Oder Gewitterregen. Der Baum ist klug. Er hat eine Vorstellung von Zeit und Raum. Bis zum ersten Frost ist es nicht mehr weit. Also müssen die Früchte schnellstens abgeworfen werden.

Mittwoch, 21. Oktober 2015

Halliggefühl

Ein Versuch, die Sehnsucht zu stillen: Ausflug nach Friedrichskoog Spitze und Marsch über den Trischendamm. Darüber - auf dem "sturmflutsicheren Leitdamm" sollte, nach den Plänen der Erbauer, irgendwann die Vogelinsel Trischen zu Fuß vom Festland erreicht werden können. Sie kapitulierten gottseidank nach 2,2 km. Mittelplate steht in monströser Nähe, trotz Nebel. Kein Halliggefühl kommt auf. Nur Hunger. Und die Sohle am linken silbernen Schuh löst sich auf dem Rückweg. Ein eindeutiges Zeichen von Abnützung!

Dienstag, 20. Oktober 2015

Sinnleere

Ich denke den halben Tag über die Bedeutung einer Zahl nach, der ich einen Text unterordne. Bis ich verstehe, dass die Zahl keine Bedeutung, nur eine Funktion hat. Die der Begrenzung. Auch das ist wichtig. Der fehlende tiefere Sinn. Der bloße Einfall. Die absichtslose Eingebung. Eine beliebige Zahl, harmonisch, ausgeglichen im Ungleichgewicht, die irgendwann vor langer Zeit wahrscheinlich zufällig aus dem Universum kam und über meine Tastatur spazierte. Auch der Zufall hat seine Daseinsberechtigung.
Und dann lese ich, dass in der christlichen Ikonographie den Zahlen 3 (Dreieck, Symbol für Gottheit, Dreifaltigkeit, drei Tugenden Glaube Hoffnung Liebe ...); 8 (Oktogon, achteckiges Taufbecken, Ausdruck der Vollendung; es gibt acht Töne im gregorianischen Choral; der 8. Tag gilt als Beginn der neuen Schöpfung; Jesus ist einen Tag nach Sabbat, am 7. Tag auferstanden und am 8. Tag nach Ostern dem ungläubigen Thomas erschienen ...) und 12 (Monate, Apostel, Säulen im Chor gotischer Kathedralen ...) eine besondere Bedeutung zukommt.
Zwölf ist in meiner literarisch strukturierenden Zahl enthalten. Zwölf, lese ich weiter, bestimmt in der Offenbarung die himmlische Stadt: sie hat 12 Tore, 12 x 12 Ellen sind die Mauern hoch, in denen sich 12 Edelsteine befinden, die Länge einer Seite beträgt 12.000 Stadien. Zwölf mal zwölf bedeutet größte Fülle und Vollendung; zwölf mal zwölftausend hingegen Riesengroß. Zwölf mal zwölftausend soll die Summe der in den Himmel Aufgenommenen sein ...
Mathematisch hingegen hat meine Zahl die Besonderheit, dass sie in zwei Reihen des großen Einmaleins vorkommt. Und sie ist die "kleinste positive natürliche Zahl, deren fünfte Potenz sich als Summe von vier fünften Potenzen positiver natürlicher Zahlen schreiben lässt". Na bitte!
Ich aber reduziere mein handwerkliches Selbstverständnis abseits von jeder Wissenschaft auf einen spontanen und sinnentleerten Tastengriff.

Montag, 19. Oktober 2015

233. Mahnwache in Meldorf

18:00 - 18:30 Südermarkt
Meldorfer Mahnwache für den sofortigen Atomausstieg.

Sonne. Endlich wieder einmal Sonne in Meldorf. Zeit für Wäsche.

Sonntag, 18. Oktober 2015

Muskelkater

Muskelkater und Osterhase zum Frühstück vor dem Fenster. Er ist scheu
und verschwindet, als ich ihn fotografieren will. Ich sammle die reifen Maronen ein. Muss mich kaum bücken. Noch kann ich sie an einer Hand abzählen.

Samstag, 17. Oktober 2015

Gartenarbeit

Ich fange an den Rändern an. Säubere zuerst die eine Auffahrt, die Bambusallee. Dann die andere, die Brombeerhecke. Die Kletterrosen hängen schwer über dem zerbrochenen Gerüst und lassen sich vom Herbst wenig anmerken. Genauso die Rosen im Rosenbeet, die plötzlich fast zwei Meter in den Himmel schießen und Knospen über Knospen hervortreiben. Ich schneide mir den Zugang zu meinem Thermokompost wieder frei. Die grüne Tonne quillt schon wieder über. Ich lege mir Haufen über Haufen an. Bis die Nässe mich ins Haus jagt.

Donnerstag, 15. Oktober 2015

Bahnhof

Von Norden kommend ist es derzeit nicht einfach, in Meldorf aus dem Zug zu steigen. Man landet auch mit Sonntagsschuhen tagsüber leider im Dreck. Auf einer Sandburg. Nachts, wenn am alten Bahnsteig gearbeitet wird, damit wir in Zukunft ebenerdig, barrierefrei und trockenen Fußes in die Stadt gelangen können, halten die Züge nun freundlicherweise auf dem gegenüberliegenden neuen Bahnsteig. Dadurch wird mein Heimweg in der Dunkelheit sauberer, sicherer und kürzer. Verkehrte Welt.

Mittwoch, 14. Oktober 2015

Oobenkoater

Oobenkoater oder Omskoter, angeblich Dithmarscher Nationalgericht, hochdeutsch höflich: "Ofenkater". Rechtschreibung ist Ansichtssache und Tierliebe reines Glück. Auch Phonetik kann aufs Glatteis führen. Ich höre bei dem Wort, von dem niemand sicher sagen kann, wie man es richtig schreibt, eher einen "Kutter", denn einen Kater.
Wie auch immer. Ich muss die frisch geernteten Früchte meines Gartens verwerten und suche ein altes Dithmarscher Rezept. Für meine Nashi Kosui. Das sind Birnen, obwohl sie aussehen wie Äpfel. Sie gedeihen in Meldorf, obwohl der Name eher nach Japan verweist. Das Fasten darf in außerordentlichen Fällen gebrochen werden. Mein Ofenkater schnurrt seltsamerweise auch mit Stachelbeeren oder Johannisbeeren, ja sogar mit Erdbeeren. Obwohl er in einem Pelzmantel steckt und Wärme von innen verspricht. Der Ofenkater besteht eigentlich aus einem süß-fetten Birnen-Speck-Teig. So etwas kann man nur bei Nebel essen. Ich laufe vor Ladenschluss zum Schlachter. Zum ersten Mal in meinem Meldorfer Leben. Es soll auch eine nordfriesische Variante geben. Mit Hefeteig. Aber das ist nicht verbürgt. Vielleicht sind mittlerweile auch Jahreszeiten - wie die Himmelsrichtungen - relativ geworden und Fruchtfolgen Glückssache. Meinen Birnen werde ich mit Ingwer einheizen.

Dienstag, 13. Oktober 2015

Krone

Mein Meldorfer Zahnarzt zementiert die Krone wieder ein. Das Kaugefühl links ist ungewohnt. Ich vermeide es. Esse den ganzen Tag nichts. Backe Kuchen aus Äpfeln, die meine Amseln vorgekostet haben. Ich ernte die Birnen, meine japanischen Apfelbirnen. Manche sind fast Fußballgroß. Die rote Beete hingegen höchstens Tennisballgroß. Das Gemüsebeet gibt nichts her. Ich habe darauf fast nur Gründünger wachsen lassen in diesem Sommer. Vor der Post, vor der Praxis, vor dem Amt, dem Schuhladen, der Apotheke, dem Bäcker - überall lasse ich mein Fahrrad stehen, ohne es anzuschließen. Ich habe die Tendenz, jeden Menschen, der mir begegnet, zu grüßen und zu duzen. Ich bin Halligkrank und könnte, da die Krone wieder fest sitzt, eigentlich schnurstracks zurückfahren.

Montag, 12. Oktober 2015

232. Mahnwache in Meldorf

18:00 - 18:30 Südermarkt
Meldorfer Mahnwache für den sofortigen Atomausstieg.

Und ich auf dem Weg zur Mozartprobe nach Heide. Mit Mütze, Schal und Handschuhen. Es ist bitterkalt geworden.

Sonntag, 11. Oktober 2015

Stacheln

Sonntag in Meldorf. Ein Hase hockt zum Frühstück malerisch unter dem Apfelbaum, als ob schon Ostern wäre. Es ist Herbst und er vertilgt zusammen mit den Amseln mein Fallobst. Ich widme mich stillen Beschäftigungen. Sammle gebückt das Stachelige, die leeren Kapseln unter dem Kastanienbaum ein. Eimerweise. Stundenlang. Zur Entlastung meines Kreuzes versuche ich zwischendurch, die roten Äpfel vom Baum zu holen. Amseln haben im Gegensatz zu Hasen den Vorteil, dass sie auch von den saftigsten Früchte oben am Baum kosten können. Jeder zweite Apfel ist angepickt. Die Raben hingegen lassen sich nicht blicken. Zeigen mir und dem Maronenbaum die kalte Schulter. Sie haben kein Interesse an Ungenießbarem. Die Nüsse werden in diesem Jahr nicht mehr reif. Ich zahle für alles. Für jedes der siebenhundertneunundvierzig Worte plus das eine oben auf. Für meine öffentlich vorgetragene Klage über die Maronenschwemme vom letzten Jahr.
Welches das wichtigste, das 750. Wort sei, wurde ich gefragt. Ich weiss es nicht. Für mich sind sie alle gleichberechtigt.

Samstag, 10. Oktober 2015

Lärm

Samstag in Meldorf. Ich lärme mit dem Rasenmäher. Der Motor stöhnt. Das Gras ist zu hoch. Zu feucht. Der Akku ständig leer. Ich lege eine Pause nach der anderen ein.
Natürlich ist Lärm unerträglich. Aber auch relativ. Besonders nach vier Wochen Hallig. Es wurde beanstandet, dass ich auch Gänse "lärmen" lasse. Wie meinen durch das Laub stotternden Rasenmäher. Natürlich "schnattern" Gänse im Märchen oder im Duden. Aber ich bin keine Märchentante und kein Wörterbuch.
Sondern eine passionierte Kaltwasserschwimmerin. Ich hege und pflege meinen höchstpersönlichen eigenen und eigensinnigen Wortschatz. Der akustische Vorhang bei meinem herbstlichen Bad in der Nordsee an meinem Lieblingsstrand auf Hooge ähnelte in den letzten Tagen dem Rauschen aus der Kindheit, wenn wir auf einer Autobahnbrücke standen und uns die Eltern das Staunen über die Neuerungen der Technik vorführten.

Freitag, 9. Oktober 2015

Siebenhundertneunundvierzig und ein Wort


Das Ankommen in Meldorf besorgen andere für mich. Ich lade herzlich ein zur heutigen Meldorfer Literaturnacht und zitiere:

"Wie kann man 750 Jahre Meldorf würdigen und feiern? Man bräuchte eigentlich 750 Jahre dafür. „Siebenhundertneunundvierzig und ein Wort“ ist der literarische Beitrag zum Stadtjubiläum.
Die Meldorfer Bürgermeisterin Anke Cornelius-Heide hatte die wunderbare Idee, bekannte Schriftsteller und Schriftstellerinnen zu bitten, die 750 Jahre in siebenhundertfünfzig Worten darzustellen.
So wurden namhafte dithmarscher Autorinnen eingeladen, exklusiv für das Stadtjubiläum Geschichten aus siebenhundertneunundvierzig und einem Wort für oder über Meldorf zu schreiben.
Entstanden sind neben Geschichten auch Essays und ein Sonett.

Diese werden heute abend ab 20°° Uhr in der Ditmarsia Meldorf von ihren Autorinnen vorgestellt.
Es lesen u.a. Heiner Egge, Judith Arlt, Kirsten Hansen, Manfred Schlüter und Werner Wichern. Zu hören gibt es unter anderem eine Meldorfwoche, einen Besuch von Martin Luserke und einen Schreiber auf der Suche nach dem ersten von 750 Wörtern und was es mit einer Meldorfer Edelkastanie auf sich hat.

Durch die Literaturnacht führen Boris Guckelsberger und Uwe Eschner mit ihren Gitarren.

Veranstalter des Abends sind: die Meldorfer Stadtbücherei, das Unternehmen Leselust, Meldorfer Literaturfreunde und der Peter Panter Buchladen."

Donnerstag, 8. Oktober 2015

Der letzte Gang

Wieder ein letzter Tag auf Hooge. Ich gehe noch einmal in mich und versuche die Hallig zu umrunden. Diesmal entgegen dem Uhrzeigersinn. Ich starte am Anleger und kapituliere an meiner Lieblingsbadestelle. Bis auf die Haut nass mit triefenden Schuhen biege ich vom grünen Deich ab Richtung Hanswarft, direkt auf die Feuerwehr zu. Ich bin über Nacht geheilt und vielleicht über den Mittag wieder krank geworden. Den Rest des Tages verbringe ich damit, meine besten Schuhe zu trocknen, mein Wiederkommen als Halligschreiberin zu organisieren, meine Habseligkeiten einzulagern, die kärglichen Überbleibsel einzupacken. Ich werde die Hallig mit einem leeren Koffer und einem vollen Kopf verlassen. Ich verabschiede mich und versöhne mich mit dem Schicksal, das mich nur vorübergehend aus dem Paradies auf Erden vertreibt. Vor dem Eindunkeln beenden wir die letzte Muschelkalkkosmetik an den Nahtstellen am Steinsarg und entrichten einen letzten Dank in der Kirche. Ade!

Mittwoch, 7. Oktober 2015

Holz

Stein schwimmt nicht, Holz hingegen schon. Mein letzter Arbeitstag. Nicht mein letzter Halligtag. Nach Dienstschluss wasche ich meine roten Dienstklamotten und pflege dann den vorauseilenden Abschiedsschmerz allein im Bett. Eine beginnende Erkältung. Der Krankenpfleger verweigert Aspirin und empfiehlt Hausmittel. Heiße Zitrone und Kamillendampfbad. Ich laufe noch einmal zum Kaufmann. Ich lese endlich die abenteuerliche Geschichte des Gestrandeten zu Ende. Des am Holz Gekreuzigten. Und als Strandgut Angeschwemmten. Die Geschichte des angeblich ältesten Kunstwerks der Halligkirche, verbrämt mit einer lauen Liebesgeschichte. Ich schlafe den Schlaf der Gerechten.

Dienstag, 6. Oktober 2015

Friesenkirche

Ich wurde gebeten, die Angaben zu Halligkirche zu berichtigen. Steine schwimmen nicht. Angeschwemmt wurden nur wenige Holzteile. So die vier Eichenpfähle des Glockenstuhls, der am Eingang zum Friedhof steht (die Glocke ist auf B gestimmt, aber dies nur in Klammern). Sowie das älteste Kunstwerk in der Kirche, das Kruzifix, das an der Südwand hängt. Es wurde nach der Sturmflut von 1825 gefunden.
Die Halligkirche wurde von 1637 bis 1642 gebaut. Die Hooger holten sich das Baumaterial von den auf Alt-Nordstrand durch die Sturmflut von 1634 zerstörten Kirchen. Die Kircheneinrichtung stammt zum größten Teil aus der Kirche von Osterwohld, die erst 1624 fertiggestellt und deren Gemeinde zehn Jahre später Opfer der Sturmflut wurde. Deshalb sind Teile des Inventars der Hooge Kirche älter, als die Kirche selbst. So das Gestühl mit den 26 geschnitzten Wangen, das Taufbecken (laut Inschrift eine Stiftung der Grafen von Schwerin und von der Schulenburch) und die Kanzel. Jünger ist die Walfischtür zur Kanzel. Sie stammt aus dem Jahre 1743 und erinnert an eine Zeit des relativen Wohlstands auf Hooge, als die meisten Männer auf holländischen Schiffen zum Walfischfang fuhren. Sowie der Altar aus dem Jahr 1857, der ursprünglich in Klanxbüll stand und 1931 nach Hooge kam. Die Orgel wurde im Dezember (zu Weihnachten) 1959 eingebaut. Es herrschte damals starker Eisgang und die Teile kamen aus der Luft per Hubschrauber.

Montag, 5. Oktober 2015

231. Mahnwache in Meldorf

18:00 - 18:30 Südermarkt
Meldorfer Mahnwache für den sofortigen Atomausstieg.

Auf Hooge Morgennebel und Graugänse. Sie lärmen Tag und Nacht, fressen ununterbrochen.

Sonntag, 4. Oktober 2015

Erntedank

Erntedank auf der Hallig, Heu- und Blumenkranz in der Kirche sovie viele andere kleinere und größere Gaben. Mir fällt die einzige Krone, die ich im Mund habe, heraus. Die nächste Zahnarztpraxis befindet sich auf Amrum, aber auch die ist Sonn- und Feiertags geschlossen. Es kann an der Seeluft liegen, dass gewisse chemische Prozesse im Körper in Gang gesetzt werden, die zum Beispiel Kronenkleber auflösen. Auf der anderen Seite kauen - lautet die pragmatische Empfehlung unseres Krankenpflegers.Und ich verteile meinen Kuchen an die Feuerwehrleute und die Besatzung des gelben Hubschraubers, der bei schönstem Wetter während der Predigt auf der Hanswarft gelandet ist.

Samstag, 3. Oktober 2015

Nebel

G. reist mit der Morgenfähre ab. Jetzt sind wir nur noch zu zweit in der HgK-Wohnung. M. läuft durchs Watt nach Norderoog. Der Vogelwart war kurz auf dem Festland und beeilt sich nun, bei Niedrigwasser wieder seine sichere Hütte auf Pfählen zu erreichen. Unterwegs verliert er ein Brot. Das kann passieren und ist nicht weiter schlimm. Wir sehen die Hand nicht vor den Augen am Anleger. Geschweige denn die Fähre oder die Adler Express in der Fahrrinne. Nicht einmal die Backenswarft oder die Straße, die dorthin führt. Vom Hallighus ganz zu schweigen. Der Hubschrauber kann nicht fliegen, also kommt der Seenotrettungskreuzer. Für den Notfall, der auf der Hallig immer zur falschen Zeit auftritt.

Freitag, 2. Oktober 2015

Stein

Mutter findet ihre letzte Ruhe in Liestal und ich verbringe den halben Tag auf dem Halligfriedhof. Die Internetseite der Halligkirche begrüßt die Besucher mit dem Satz: "Wenn es Gott auf Erden gibt, dann wohnt er auf Hallig Hooge!" In Wirklichkeit ist es warm wie im Frühling und hinter der Kirche, windgeschützt und unter der Warftkante, begreife ich den Unterschied von virtueller und nicht-virtueller Welt: "Wenn es ein Paradies auf Erden gibt, dann auf Hallig Hooge!"

Wir reparieren einen etwa Tausend Jahre alten Steinsarg. Die eine Seitenwand ist herausgefallen und in zwei ungleiche Teile zerbrochen. Der Stein ist schwer. Verwittert, grünlich, auf den Liegeflächen bräunlich. Er wurde sicherlich irgendwann freigespült. Als Ganzes oder in den zwei ungleichen Hälften. Die halbe Kirche kam irgendwann in Einzelteilen auf die Hallig, durchs Watt geschleppt von Frauen. Nach der großen Mandränke ließen sich die Menschen, die es sich leisten konnten, in Steinsärgen begraben. Sie hofften, so nicht von der nächsten Sturmflut aufgeweckt zu werden - und wurden es doch. Die Steinsärge, die nicht auf dem Halligfriedhof stehen, werden als Viehtränke genutzt. Auch daran ist nichts verwerfliches. Die Deckel sind nicht mehr aufzufinden. Die wurden anderweitig recycled, als Geh- oder Fahrwegplatten.
Die Pastorin begleitet unser Tun sowie ein Tourist. Sie betet, er naseweist. Wir verkleben die Bruchstellen mit Fugenkleber. Morgen, wenn er trocken und hart ist, füllen wir die übriggebliebenen Leerstellen mit Muschelkalk. Wir arbeiten konzentriert und routiniert, ein eingespieltes Team, als hätten wir in unserem ganzen Leben nie etwas anderes getan.

http://halligkirche.de/de/content/halligkirche.html

Donnerstag, 1. Oktober 2015

Raster

Zum Monatsanfang putzen wir die Glasscheiben am Anleger. Wir sind zuversichtlich, dass bis zum Feiertagswochenende kein Regen fällt. Denn Regen macht unsere Arbeit sofort wieder zunichte.
B., mein Freund und Architekt in Krakau, sammelt Rasterbilder. Nun habe ich auch eines. Für ihn und für mich. Ausgerechnet von der Hallig! Wer hätte gedacht, dass auch hier die Welt geometrisch klar erscheint. Im geradlinigen Spiel von Licht und Schatten. Raster sind vielleicht geeignet, unser Denken zu strukturieren. Muster und Schablonen zu formen. Und Schubladen mit diversem Kram, Sinn oder Unsinn zu füllen. Um sie dann, jedenfalls im Sonnenschein auf Hooge, ästhetisch gleich wieder aufzulösen. Das Gerüst von jedem Ballast zu befreien und die Leere aufzuwerten. Es ist nur schön, durch geputzte Glasscheiben in eine heile Welt zu gucken! 

Mittwoch, 30. September 2015

Bodenfrost

Wieder war die Nacht taghell. Der Morgen ist frostig. Das Licht kommt zögerlich, aber blutrot im Westen über den Horizont hoch. Auf den Fennen liegt Morgennebel oder Bodenfrost. Die Westerwarft scheint abgetrennt vom Rest der Halligwelt. Im Wattenmeer. Umschmeichelt wie von Watte. Oder Küstennebelfeldern? Ich kenne das Wort nur aus dem Radio, aus den Wetterberichten nach den Nachrichten in meinem Festlandbadezimmer.

Dienstag, 29. September 2015

Wintergoldhähnchen

Der kleinste Vogel Europas! Kracht heute vormittag im Übermut, während wir auf die Gäste der verspäteten Hilligenlei warten, in die Glasscheiben des Infopoints am Anleger. Es ist warm wie im Frühling. Das Wasser läuft erst seit zwei Stunden wieder auf. Und das Vögelchen liegt schweratmend auf dem Asphalt. Leidet wahrscheinlich an einer Gehirnerschütterung. Oder an einer leichten Herzschwäche. Einem verstauchten Bein. Der Preis für unzeitgemäßes Balzgebaren. Vom psychischen Stress ganz zu schweigen.
Ein Gemeindemitarbeiter nimmt sich seiner an. Der Hafenmeister nutzt das Niedrigwasser und lärmt mit dem Hochdruckreiniger am Steg. Das Wintergoldhähnchen beruhigt sich schnell in zwei fürsorglichen Händen und fliegt schließlich in Richtung Ockenswarft, aufs Landsende zu.

Erntemond

Die Nacht ist hell wie der Tag. Mein Schatten schwarz wie unter der Sonne. Der Erntemond Mond hat mehr Kraft als jeder andere im Jahr. Angeblich ermöglichte der dem Herbstanfang am nächsten gelegene Vollmond früher den Bauern, dass sie auch nachts auf den Feldern arbeiten und rechtzeitig vor dem ersten Frost ihre Ernst einholen konnten.
Angeblich geht er nun eine Woche lang täglich um fast die gleiche Zeit auf, nämlich mit dem Untergang der Sonne. Deshalb erscheint er jetzt abends mächtig, dick und natürlich sonnenuntergangsgelb am Horizont, wo er sich sonst mit jedem Tag fast eine Stunde länger Zeit zum Schlafen gönnt.
Es ist irgendwie vielleicht (ich weiß es nicht genau, und niemand kann es mir erklären) wie mit den Tiden, die sich bei Neumond verlangsamen, träge, verschlafen, nicht vom Fleck kommen und auf der Stelle treten.


Montag, 28. September 2015

Amrum Zwo

Die Anzeige ist zwar schon ein paar Tage alt, aber die Angaben stimmen immer noch. Auf Hooge steht am Anleger unter der für die nächste Woche erwarteten Badewassertemperatur diplomatisch "unter 15°". 

230. Mahnwache in Meldorf

18:00 - 18:30 Südermarkt
Meldorfer Mahnwache für den sofortigen Atomausstieg.

Und ich unausgeschlafen auf Hooge. Von der Mondfinsternis und dem Blutmond ist nichts zu sehen. Ich trete zu jeder vollen Stunde vor die Tür und umrunde die Hanswarft. Der Himmel zeigt sich die ganze Nacht bedeckt. Die Sonne geht erst in drei Stunden auf.

Sonntag, 27. September 2015

Amrum

Ich verlasse die Hallig für zwei Stunden und brause mit der Adler Express eine Station durchs Wattenmeer. Sie ist auf dem Weg nach Sylt. Aber so weit wollen wir nicht. Wir gehen in Amrum schon von Bord. Ich habe eine Einladung zum Eisessen angenommen. Am Sonntagnachmittag ist alles möglich. Der Hafenmeister ließ mich vorzeitig ziehen. Der Sand zwischen den Zehen beeindruckt mehr als das Eis mit Sahne, das Polizeiauto, die zweispurigen Straßen, die unendlichen Park und Einkaufsmöglichkeiten, Ampeln, Zebrastreifen, Sonn- und Feiertags geschlossene Läden ... Das nach zwei Wochen Hooge überraschend neue Gefühl, die Erregung, eine lange nicht dagewesene sensatio trifft die Fuß-Sohlen. Wir haben unsere Schuhe ausgezogen und spüren den kühlen Sand. Er ist fest und feucht. Hell und dunkel. Alles und nichts.

Hitchcock

Sonntagmorgen. Stare spielen Hitchcock vor meinem Fenster auf der Hanswarft:

Samstag, 26. September 2015

Bußgang

Der zweite Rundgang. Um die Hallig. Mild wie im Frühling. Kaum Wind. Kaum Menschen. Ich habe nur den halben Tag frei und beeile mich mit warmem Tee im Gepäck zum Nachmittagsdienst. Kühle mich kurz ab an der Badestelle am Anleger. Der Bußgang bringt soviel, dass ich vier Stunden lang kein Wort rede und der Himmel sich ständig verändert. Ich bin seltsamerweise nicht traurig, sondern glücklich. Mutter sei mir ganz nah und angekommen, sagte die Halligpastorin. Ich hingegen bin wie alle anderen Menschen unterwegs. Im Moment "auf einer Handvoll Erde" in der kalten Nordsee. Hier herrscht nur Ruhe. In ihrer Seele hoffentlich auch.

Freitag, 25. September 2015

Badehandtuch 2




Bilderbuchwetter. Badewetter. Sonnenbrandwetter. Der Herbst ist wie alles andere wunderschön auf der Hallig. Wie zum Dank finde ich in der Mittagspause an der Badestelle am Anleger ein klatschnasses blaues riesengroßes Badehandtuch. Ich hänge es zum Trocknen über die weiße Bank und ziehe mich im Schatten einer Gruppe Vogelkundler aus. Sie haben ihre Stative auf die Salzwiese gerichtet und stehen auf dem Deich aufgereiht wie Pflöcke. Und ich steige in die Fluten. Schade, dass ich ihre Rücken vom Wasser aus nicht fotografieren kann. 

Donnerstag, 24. September 2015

Halligverlassenheit

Es gibt Tage, da jagt man keinen Hund vor die Tür. Es ist immer noch Donnerstag und das Wetter wechselt im Minutentakt. Hier gibt es Momente, in denen man keinen Hund vor die Tür jagen würde. Sturm zieht auf. Der Regen peitscht mir auf dem Heimweg zum ersten Mal wie spitze Nadeln ins Gesicht. Zum ersten Mal komme ich nicht auf die Warft hoch mit dem Fahrrad. Zum ersten Mal bin ich bis auf die Haut nass.

Badehandtuch 1

Mein rotweißes Badhandtuch liegt ordentlich gefaltet im Korb auf der Bank bei der Schleusenbrücke. Wahrscheinlich haben es die Arbeiter, die dort beschäftigt sind, aus dem Schilf geholt. Ich finde es in der Mittagspause und versuche am Nachmittag, endlich meine Malerarbeiten im Damen und Herrenklo zu beenden.
Kein einfaches Unterfangen, denn es fängt an zu regnen und die zweihundertfünfzig Kids, die heute auf die Hallig gekommen sind, stellen sich unter, wo es geht. Verstärkter Harndrang der Gäste sowie ihre Langeweile bei aufziehendem Sturm machen mir das Leben am Anleger schwer. Ich ziehe mich ins Hafenmeisterbüro zurück.

Meeresleuchten

Diese Nacht. Endlich. Hochwasser und Dunkelheit und ich in der Nordsee. Und es blitzt und leuchtet bei jeder Bewegung um mich herum und an mir herunter. Nackt Nachtbaden. Das Licht brennt nicht auf der Haut, aber es irritiert den zu dieser Tageszeit matten Verstand. Bringt die Logik im Kopf nach Mitternacht durcheinander. Was wird wie hell im Wasser ganz ohne Kurzschluss? Ohne Steckdose? Ohne Kabel? Zwar habe ich mein Badehandtuch unterwegs in der Finsternis verloren (wer es findet, bitte im Hallighus oder am Anleger abgeben), weil mir der Korb im Rücken vom Fahrrad gesprungen ist. Ich habe es erst bemerkt, als es zu spät zum Umkehren war. Aber ins Wasser gehe ich ja immer ohne Handtuch.

Mittwoch, 23. September 2015

Südzimmer

Ich wohne im Südzimmer und sehe am Nachmittag die Wattwanderer wieder nach Hause kommen. Das Wasser hat gerade den niedrigsten Stand erreicht. Auf die Hallig kamen heute schätzungsweise 250 Kinder. Sie toben auf der Hanswarft herum unter meinem Fenster und sehen aus wie Kinder überall auf der Welt. Die Wattwanderer hingegen erscheinen am Horizont wie Bleistiftstriche. Sie kommen von Norderoog. Winzige, aufrechte, senkechte Striche. Aus der Entfernung kann ich nicht erkennen, wer dick, wer dünn ist, wer alt, wer jung, wer hübsch, wer hässlich, wer blond, wer grau, wer bunt, wer schwarz angezogen, wer krauses, wer glattes Haar hat. Dies alles spielt plötzlich keine Rolle mehr im Leben dieser Menschen. Nur die Bewegung auf die Halligkante zu. Wichtig ist ihrem Leben ist nur noch, dass sie vor der Flut am Sommerdeich ankommen und die trockenfallenden Flächen vorübergehend senkrecht stricheln. Wie ein Barcode, der irgendwann hinfällig wird und von der Ware im Supermarkt ablässt.

Dienstag, 22. September 2015

Blaulicht

Die Feuerwehr steht mit Blaulicht vor dem Hallighus. Dann kommt der Hubschrauber. Der Notarzt. Er war schon in der Nacht einmal da. Auch die Feuerwehr. Nicht nur in der Dunkelheit weist sie dem Hubschrauber den Weg zur Landung. Der Hubschrauber setzt auf der Warftoberkante im frisch gemähten Gras auf und holt eine Erkrankte ab. Mehr kann ich nicht sehen vom Küchenfenster aus. Ich sitze seit zwei Stunden an meinem Mutterseelenallein-Text und mache gerade die erste Teepause.

Montag, 21. September 2015

229. Mahnwache in Meldorf

18:00 - 18:30 Südermarkt
Meldorfer Mahnwache für den sofortigen Atomausstieg.

Und ich auf Hooge. Herbstanfang!

Sonntag, 20. September 2015

Schäferstündchen

Halligsonntag. Ich erweitere meinen Erfahrungshorizont. Zähle Schafe, füttere Hühner und sammle Eier. Zehn hier, vierzehn dort. Mutterschafe. Schafböcke. Neunzehn gemischt, schwarze, weiße. Die Ziege heißt Waltraut und hat eine menschliche Zwillingsschwester. Und ein Fohlen, das eines Morgens zum Erstaunen aller unerwartet neben seiner Mutter auf der Weide stand, bekam den Namen Nanu. Na-nu? Ein bisschen erinnert mich das Fragezeichen an den neuen polnischen Präsidenten Duda. Du-da??? Nach seiner Wahl war das Erstaunen auch ziemlich groß. Der Mond ist fast halb und verzögert wieder die Tide. Der Wind kommt wieder aus der falschen Richtung und behindert wieder das auflaufende Wasser. Wie-der? Manchmal ist Flut und trotzdem kein Wasser da, sagen die Halligbewohner. An der Badestelle unter Middeltritt wate ich durch kniehohes Seegras. Es wird schon früh dunkel, die Klingel am Fahrrad ist verrostet und das Licht ausgegangen. Ich fahre mit der Taschenlampe in der Hand nach Hause. 

Samstag, 19. September 2015

Haushalttag

Ich habe frei und warte, bis der Regen aufhört und der Kaufmann seine Tore öffnet. Zuerst stelle ich die Waschmaschine an, dann kaufe ich Eier und Milch, backe in der Küche des Hallighus Apfelkuchen und hänge zum Schluss die Wäsche in den Wind. Genau in dieser Reihenfolge. Dann wird Mittag sein, Zeit für Einkehr. Ich laufe zum ersten Mal ganz um die Hallig. Ich habe mir auferlegt, es dreimal zu tun. Für meine tote Mutter. Der Himmel sei uns gnädig!

Freitag, 18. September 2015

Küchengeheimnisse

Bilderbuchwetter auf der Hallig und es verbreitet sich wie ein Lauffeuer, dass ich gestern in einer fremden Küche Risotto kochte. Mit Carnaroli Reis (riso che fa buon sangue) von der Isola della Scala, den mir in Meldorf Leo besorgt. Heute werde ich auf der Schulwarft zum ersten Mal in meinem Leben Wattenbrote essen. Ich habe keine Ahnung, was mich da wirklich erwartet und ob das Gericht nicht aus lauter Schreibfehlern besteht. Aber ich lasse mich gerne überraschen und verkünde dies hiermit vorab freimütig, damit niemand sich wundert, wo ich zum Aufwärmen nach dem kalten Bade in der Nordsee den Abend auf der Hallig verbringe.

Donnerstag, 17. September 2015

Reisevorbereitungen

Das Pensionsvieh wird auf den Weiden zusammengetrieben. Und umgesetzt. Auf Weiden, die näher am Anleger liegen. Den Mutterkühen wurden die Kälber schon weggenommen. Sie brüllten drei Tage nach ihnen. Dann setzt auch bei Milchkühen die Gnade des Vergessens ein. Morgen kommt ein Viehtransporter und bringt die Tiere auf der Hilligenlei auf das Festland. Weiter denken wir hier auf der Hallig nicht.
Es regnet ab dem Mittag ohne Ende. Wieder haben zwei Schweizer mit TOP-Fahrrädern eine Nacht auf der Hallig verbracht. Sie können es einfach nicht lassen. Wieder höre ich halbe Lebensgeschichten. Ich rede ihnen zum Abschied gut zu. Sie sprechen sogar meinen Baselbieter Dialekt! Kommen aus Aesch und verbringen ihr Alter auf dem Sörenberg.
Ich muss hier jeden Tag schwimmen gehen. Das kalte Salzwasser ist meine Lethe. Regen hin oder her. Ich benutze das von einem Gemeindemitarbeiter sauber gehaltene Toilettenhäuschen als Umkleidekabine. Anne und Anton. Hier ein Bild aus besseren Tagen und mit Leihrad:

Mittwoch, 16. September 2015

Geduld

"Mittlerweile weiß ich, dass ich geduldig sein muss". Ein Zitat. Ich habe am Anleger viel Zeit. Das Wasser läuft am Vormittag ab und die Fähre kommt am Horizont nicht weiter. Sie wartet, bis die Flut kentert und die Fahrrinne wieder füllt.
"Jeden Tag erobere ich die Hallig für mich neu." Ich bin weit davon entfernt, die Hallig zu erobern, erobern zu können, erobern zu dürfen. Das wäre anmaßend, zumindest in meiner Lage. Aber die Hallig ist da und die Nordsee meist wärmer als die Luft. Das Salzwasser tut meiner Seele gut. Bei jedem Wind, bei jedem Wetter.
"Der Himmel über mir gibt das Wechselspiel meiner Gefühle wieder." Ich habe mich entschlossen, auf dieser "Handvoll Erde" mitten im Wattenmeer zu bleiben und nicht zum Begräbnis in die Schweiz zu fahren. Niemand muss das verstehen. Nur ich. Niemand muss damit leben können. Nur ich. Abschied ist eine höchstpersönliche Angelegenheit.

Die Zitate stammen aus dem Buch von Gertrude von Holdt-Schermuly: "Über allem der Himmel. Plattdeutsche Predigten von der Hallig Hooge." Danke Tutje!

Dienstag, 15. September 2015

Wind

Endlich Wind über der Hallig! Er hat meinen Schlaf begleitet. Jedesmal, wenn ich wach wurde, war er da. Sehr tröstlich. Schmeichelte den Hausecken und dem Dach über dem Kopf. Seit es hell wird, sehe ich, dass er die Wolken von Südwesten über mich hinweg schiebt. Und dahinter kommt der Himmel zum Vorschein.
Die Startseite meines Smartphones zeigt das Wetter von Warschau, Liestal, Meldorf und Hooge an. Ich habe ihr das so aufgetragen und sie macht das, ohne zu murren. Am wärmsten ist es jetzt in Warschau, am kältesten in Liestal.

Montag, 14. September 2015

228. Mahnwache in Meldorf

18:00 - 18:30 Südermarkt
Meldorfer Mahnwache für den sofortigen Atomausstieg.

Und ich auf Hooge. Hab endlich schlafen können. 

Sonntag, 13. September 2015

Ankunft

Der erste Arbeitstag. Der erste Besuch aus Meldorf. Die unerschrockenen frischen Bauern. Der erste Spaziergang um die Hallig. Der Himmel zeigt sich von seiner besten Seite. Der erste Sprung in die Nordsee. Auch hier ist das Wasser freundlich und die Badestelle geputzt. Die Dusche funktioniert noch, die Handläufe stehen. Das erste Herbstlicht. Das Leben geht weiter.

Samstag, 12. September 2015

Abschied


Noch ein letzter Blick auf mein zuversichtliches Winterweizenfeld, dann schließe ich alle Türen hinter mir zu. Fahre am frühen Nachmittag, warte in Bredstedt geduldig auf den Bus, bekomme in Schlüttsiel eine Überfahrt nach Hooge one way geschenkt und auf der Fähre endlich die beruhigende sms. Betrete die Hallig wie mein Zuhause. Es ist warm. Mild. H. bringt mich ins Hallighus. Mutter wacht in Liestal aus der Narkose auf. Sie ist bei Bewusstsein und schläft dann doch nach Sonnenuntergang für immer ein.

Freitag, 11. September 2015

Regen

Es schüttet gnadenlos vom Himmel. Nine eleven. Kein gutes Datum. Mutter stürzt am Vormittag und bricht sich den Oberschenkel. Zum Glück habe ich gestern alle outdoor-Arbeiten verrichtet, den Rasen gemäht, den Bürgersteig entkrautet, das Enzianblau aufgetragen. In einer Regenpause transportiere ich das Keyboardzubehör an die Süderstrasse. In der Nacht koche ich die letzten reifen Brombeeren ein. 

Donnerstag, 10. September 2015

blue gate

Morgenstund hat Blau im Mund! Blau - blauer - am blauesten. Jetzt fehlen nur noch die Lettern. Ich hatte vor Jahren den Plan "open gate" auf das Tor zu schreiben. Mittlerweile bin ich innerlich zu der Formulierung "blue gate" gereift. In Gold und Silber. Wartet's nur ab! 

Mittwoch, 9. September 2015

abbaden

Ich fahre zum letzten Mal an die Meldorfer Bucht. Flut am hellen Vormittag. Kein Mensch weit und breit. Mildes Wetter, wunderbare Sicht, sanftes Wasser. Alle Strandkörbe sind schon im Winterquartier, auch die Handläufe bei den Einstiegstreppen. Die Wasserleitungen zu den Duschen werden stillgelegt, während ich meine ungestüme Runde schwimme. Die Nordsee zeigt sich von ihrer besten Seite. Sanft. Warm. Anschmiegsam. Der Wind hält still. Die Duschen selbst abmontiert, während ich mich wieder anziehe. Ich sehe mich noch einmal um, die Ölplattform ist zum Greifen nahe! Dann fahre ich nach Hause.

Dienstag, 8. September 2015

Montag, 7. September 2015

227. Mahnwache in Meldorf

18:00 - 18:30 Südermarkt
Meldorfer Mahnwache für den sofortigen Atomausstieg.

Und ich freue mich über die Regenpause. Werde am Mittag, wenn das Holz getrocknet ist, die alte Farbe vom blauen Gartentor à-la-Hallig-Manier abschleifen. Etwas habe ich doch gelernt in meinem Leben!

Sonntag, 6. September 2015

Winterweizenfeld

Wer hätte das gedacht, dass bei dem Wetter noch etwas wachsen will? Dauerregen hat eben auch sein Gutes!

Samstag, 5. September 2015

spoken word

Der erste Meldorfer poetry slam ging diese Nacht über die Bühne des Bornholdt. Ich bin gerade tropfnass nach Hause gekommen. Auf dem Gepäckträger die Publikationen der Zweitplatzierten. Sie ertrugen den Regen besser als ich. Das erste kleine Wunder dieses so garstigen Herbstes:

Freitag, 4. September 2015

Lebendiger Wind

Auch Orgelbauer haben eine beneidenswerte Sprache, ich zitiere von http://www.bente-orgelbau.de/arbeitsw.htm

"Lebendiger Wind und weiche Ansprache der Pfeifen durch sorgfältig abgestimmte Windanlage mit Falten- oder Keilbälgen."

Himmel nochmal, warum habe ich nicht etwas Ordentliches gelernt?

Donnerstag, 3. September 2015

Windkanalriss

Aufgrund eines Windkanalrisses an der Orgel der Maria-Magdalenen-Kirche in Marne muss das Orgelkonzert am 13. September ausfallen. Stattdessen wird Kathrin Spillner Violine spielen und Peter Heeren sie auf der lädierten Orgel zurückhaltend begleiten.
Angesichts der momentanen Wind- und Wetterverhältnisse kein Wunder. Die Herbststürme sind pünktlich mit dem kalendarischen Jahreszeitenwechsel eingetroffen.

Mittwoch, 2. September 2015

Sandspaziergang

Ausflug mitten in der Woche. Steifer Wind aus West. Sankt Peter Ording. Das Paradies für Kitesurfer. Kiteboarder. Ich spüre den Sand zwischen den Zehen und der Wind macht mich taumelig. Der Himmel ist ein Wunder. Wie immer.

Montag, 31. August 2015

226. Mahnwache in Meldorf

18:00 - 18:30 Südermarkt
Meldorfer Mahnwache für den sofortigen Atomausstieg.

Vielleicht hört bis zum frühen Abend der Landregen auf. Er tut aber gerade meinem frisch bestellten Winterweizenfeld gut! 

Sonntag, 30. August 2015

Zeitschuhe

Es ist tatsächlich schon drei Jahre her, seit der Menznauer Schuhmacher, Anton der Zweite, das Zeitliche gesegnet hat! Ich glaube, er tat es ohne Schuhe. Bescheiden und anspruchslos wie immer. Drüben läuft man barfuß und die Schuhmacher haben ihre verdiente Ruhe.

Samstag, 29. August 2015

Meldorfer Hafenfest 2

Für G. Die Anfahrtsskizze:

Meldorfer Hafenfest

Heute und morgen. Kleiner Hafenmarkt mit regionalen Produkten, vielen Meldorfern, die mit Ihren Arbeiten Handwerk und Kunsthandwerk bereichern. Maritime Dekorationen von Elke und Klaus Morsnowski, "upcycling" neues Leben für alte Sachen von Kai Hennings und Tobias Gawlik. Dazu viele Informationen vom NABU, Wattwurm, den Wattführern, dem Steinzeitpark, dem "Blanker Hans" Nationalparkhaus.



Freitag, 28. August 2015

Hochzeitschuhe

Heute Mittag, auf dem Weg zum Wasser bei Windstärke 4, gebe ich meine Hochzeitschuhe ab. So wie andere ihren Führerschein abgeben. Aus Altersgründen. Weil die Sehkraft nachgelassen hat oder die Reaktionsfähigkeit auf kreuzungsreichen Landstraßen. Das Schuhhaus Carstensen in Meldorf sammelt gut erhaltene Schuhe "für unseren neuen Besucher in Albersdorf im Ditmarsenpark". Meine Hochzeitschuhe (Bally, altrosa!) sind bestens erhalten. Sie drückten schon damals. Und seither ist alles an mir am Leben gewachsen. Füße gehen mit zunehmender Erfahrung in die Breite, um ihrer Aufgabe, die Last des ganzen Körpers zu tragen, weiterhin nachkommen zu können. Fachgerecht mit dem Worten meiner Schuhfrau gesprochen, "dehnen sich die Bänder, welche die 26 Knochen im Fuß zusammenhalten. Dadurch werden Füße breiter und länger." (Die Fölmlis, S. 296). Es ist also nichts ungewöhnliches, dass Hochzeitschuhe die Zeit nicht überdauern.

Donnerstag, 27. August 2015

Endlich wieder Wasser!

Windstärke 5. Kein Mensch am Wasser außer einem Dauercamper. Und einer Frau, die neben meinem abgestellten Fahrrad unreifen Sanddorn erntet. Bis er reif sei, sagt sie, hätten den andere geholt. Das ist immer so. Ich steige über den Deich und der Sturm raubt mir das Gleichgewicht. Windstärke mindestens 9. Die Wellen schlagen wütend über mir zusammen. Ich mache ein paar wenige Züge und denke an Hooge in der Nacht. Endlich wieder Wasser!

Montag, 24. August 2015

Sonntag, 23. August 2015

Sonntag allein in Meldorf

G. hat Dithmarschen verlassen. Es ist wieder heiß geworden. Ich grabe mein Feld um. Buddle die Reste des Gründüngers unter. Und die unbrauchbaren Zwiebeln. Vertrocknete Halme. Ich arbeite von Hand und barfuß. Leichtsinnig. Aber wie ein Pflug. Dreiviertel schaffe ich, bevor die Flut mich ruft. Dasselbe Spektakel wie gestern: kein Wasser, aber Tränen! Auf dem Heimweg begegne ich dem neuen Gildenkönig und seinem lärmenden Gefolge. Ich friere in der Feldmark. Herr, es ist Zeit - die Herrlichkeit mit dem Abendschwimmen dahin.

Samstag, 22. August 2015

Kein Wasser

Auch bei Höchststand der Flut reicht das Wasser in der Meldorfer Bucht gerade mal bis über die Knie. Der scharfe Ostwind treibt uns Tränen in die Augen und nimmt uns die Möglichkeit, zu Schwimmen! Verwirrung bei allen, die nach dem Tidenkalender leben. Haben wir falsch geguckt? Läuft es auf oder ab? Kommt es nie wieder? Warum hat sich die Flut die ganze Woche über jeden Tag nur gerade um eine halbe Stunde verschoben? Was ist los mit dem Mond, der genau in der Mitte durchgeschnitten am Himmel steht?

Donnerstag, 20. August 2015

Donnerstagabend an der Meldorfer Bucht

Die Flut kommt zaghaft und die Sonne auch. Ihr Licht schmeichelt den Sinnen und die Ruhe ist immens, das Wasser warm, der Wind anständig. Ein Tag zum Aufatmen. J. holt mich unterwegs ein. Wir haben beide eine Maximalgeschwindigkeit von über 27 Stundenkilometern auf unseren Fahrradcomputern und wissen nicht woher. Durchschnitt über 20. Ohne Rückenwind. Ohne Gegenwind. Ohne Windschatten. Auf dem Rückweg fliegt ein Paragleiter am Himmel. Ohne Berge. Ohne Abhänge. Ohne Aufwind. Ohne Abwind. J. holt das Fernrohr hervor. Er fliegt mit Motor. Mit Rotor. Im Sitzen. Mit Propeller am Rücken.

Mittwoch, 19. August 2015

Dienstag, 18. August 2015

Regen in Meldorf

Die Neuentdeckung aus der Johanniskirche von Hooge: der Georgier Gija Kantscheli. Geboren 1935 in Tiflis, lebt seit 1991 als freischaffender Komponist in Westeuropa, zZt in Belgien. Hier sieben Minuten Violoncello solo "nach dem weinen"


Montag, 17. August 2015

224. Mahnwache in Meldorf

18:00 - 18:30 Südermarkt
Meldorfer Mahnwache für den sofortigen Atomausstieg.

Sonntag in Neumünster

Konzert des SHMF in der Holstenhalle. Lang Lang hat Mittelohrentzündung und Flugverbot. Sitzt in Shanghai. Am Flügel in Neumünster nimmt Christoph Eschenbach Platz. Spielt statt Grieg Mozart. Im ehemaligen Viehauktionshalle, dem späteren Flugzeugmontagewerk und heutigen Konzerthaus. Grandios. Solopianist und Dirigent in einem. Er hat Geburtstag und trotzdem nur zwei Hände. Dann Erik Schumann, den ich seit der Chornacht "Engel" im Meldorfer Dom hoch schätze. Am 11. Juli 2014 spielte er Bachs d-Moll Partita für Violine solo. Heute in Neumünster Tschajkowski und D-Dur. Es wäre für mich mehr als genug! Aber es folgt noch die Stimme. Der Dreiklang. Die Harmonie. Muss alles gewahrt werden. Michaela Kauna klinkt sich an Tschajkowski und den rumänisch-japanisch-deutschen Violinisten an. Singt Briefszenen aus Eugen Onegin. Das allein ist unpassend für mein Fingerspitzengefühl. Diese Briefe singt man nicht solo in einem unverständlichen Russisch! Und zu guter Letzt Strauss. Die vier letzten Lieder. Die müssen gesungen werden! Zu später Stunde schmettert das Orchester den Rosenkavalier und ein Geburtstagsständchen zum 75. des Dirigenten. Zugaben über Zugaben. Pausen über Pausen. standing ovations. Wir kommen erst morgen nach Hause. Neumünster in der Nacht hat mich um den Schlaf gebracht.   

Samstag, 15. August 2015

Samstag in Heide

Ich laufe durch den strömenden Regen zum Bahnhof und mein Nachbar, der mir mit dem einzigen Auto entgegen kommt, das ich auf der Straße erkenne, weil es anders als alle anderen Autos auf den Straßen Farbe zeigt und leuchtet, fragt sich im Vorbeifahren, was ich bei dem Wetter zu Fuß am Samstagmittag vorhabe. Ich antworte erst in der Nacht und auf facebook: ich war auf dem Weg zu Heidi, meiner Frisöse in Heide, die im Sommer, statt Urlaub zu machen, nur samstags arbeitet.

Samstag in Meldorf

Das polnische Alphabet - und wer weiß das schon - hat 32 Buchstaben, also 6 mehr als das deutsche, obwohl es auf Q, V und X verzichtet. Z mit Punkt (auf dem großen Ż wie auf dem kleinen ż) ist der letzte Buchstabe des polnischen Alphabets, der vorletzte Z mit Strich (groß Ź, klein ź). Die Franzosen nennen diesen Schrägstrich accent aigue, setzen ihn aber nur auf Vokale. Die Polen sind in jeder Hinsicht kreativer einfallsreicher, vielfältiger. Sie besitzen auch die "ogonki" (Schwänzchen) unter den a und e (ą, ę,), welche die Nasalierung des Vokals anzeigen. Die Deutschen kennen nur das Tüpfelchen auf dem i oder Antons Pünktchen.

Freitag, 14. August 2015

Freitag in Meldorf

Kartoffelsuppe und eine gute Tat nach der anderen. Aber ich habe nichts davon.
Die Sonne braucht schon wieder fast eine Stunde länger, nur um über das Dach des Nachbarhauses zu kriechen. Ich lese über das Vergessen. Wie heilsam es sei. Die Hauptfunktion des Gedächtnisses liege im Vergessen. "Wer das Erinnern übertreibt, mumifiziert die Liebe." Das Verblassen von Erinnerung geschehe von selbst. Vergessen könne ein Zeichen echten Vergebens sein. Verzeihen hingegen sei ein bewusster Akt. A wie Alpha und Omega. A stand immer schon am Anfang eines jeden Alphabets.

Donnerstag, 13. August 2015

Donnerstag in Meldorf

Ich bin immer noch nicht ganz da und nicht mehr ganz dort. Ich bewege mich in Zeitlupe. Ich wandere durch Zwischenräume und Zwischenzeiten. Ich schließe keine Türen mehr zu und keine Fahrräder mehr ab. Ich schlafe farblos, aber ich habe auch auf der Hallig die Nächte absolut tatenlos verbracht. Sprachlos. Eine Leere von unschätzbarem Wert. Es hat mir nichts gefehlt. Und ich musste mich nirgends hin flüchten. Das Wasser ist eher da an der Meldorfer Bucht, aber auch schneller wieder weg. 

Mittwoch, 12. August 2015

Mittwochmittag an der Meldorferbuch

Ich fahre zum Schwimmen. Trotz Wetter. Ich brauche keine Sonne, sondern auflaufendes Wasser. Die gelbe Rutschgefahr ist neu. Auch die Ermahnung zur Vorsicht. Die Stufen gereinigt, zum Teil ersetzt.
Die Hallig steckt immer noch schmerzhaft in den Füßen. Ich kann kaum auftreten. Die Fußsohlen sind an den sensibelsten Stellen getroffen. Die Wege sind weiter geworden und die Zeit knapper. Dafür funktioniert die Schaltung am Fahrrad und die Flut ist eine Dreiviertelstunde eher da. Also immer etwa einen Tag voraus. Ich muss noch zu Krogmann und nach Bargenstedt.