Freitag, 31. März 2017

WARTEN

Das war es also. Das WARTEN. Der März 2017. Das Warten auf den April, den Frühling, ein bisschen Wärme geht zu Ende mit Gartenarbeit. Das verlangt auch der wieder zunehmende Mond am Himmel. Und auf der irdischen Bank das verschmähte Buch. Ich lasse es links liegen. Ich verzichte auf die Mittagspause. Das tägliche Brot. Ein bisschen amerikanisches Englisch. Paul Auster hat alle meine Sympathien verscherzt! Ich dachte, ich verhalte mich als geschulte Leserin besonders raffiniert und schlug, nachdem ich gestern atemlos und mit staunenden Sinnen Kapitel 2.2. fertig gelesen hatte, heute also Kapitel 3.2. auf - und dann 4.2. Enttäuschung pur! Aber lest selber.

Donnerstag, 30. März 2017

Hüllen

Zum Ende meines Monats der zweisilbigen Infinitive - hat es jemand gemerkt? - gerate ich in die Zwickmühle des Plurals. Hüllen wir uns in Schweigen oder gestalten wir selbst iPhone Hüllen? Die irdische Hülle oder "... der Weg gehüllt in Schnee ..." (Schubert, nach Müller).
Ähnlich Lüfte. Lüfte ich das Geheimnis oder das Zimmer? Erhebt sich der Greifvogel in die Lüfte oder in die Luft? Entweicht die Luft aus dem Reifen?
Und die Fülle. Fülle ich ein Fass mit oder ohne Boden oder gibt es Fässer in Hülle und Fülle und fasse ich nur eines an.
Es ist tatsächlich zum Heulen mit Verben wie werben (der Werber), weben (der Weber) oder leben (die Leber), sperben (der Sperber), sprießen (die Sprosse) oder sprossen (der Spross) ...

Mittwoch, 29. März 2017

Heizen

Im Gegensatz zur perfekten Fortpflanzungsstrategie meiner Hausamseln ist die high-tec Heizungsanlage ein Jammertal. Als ich vor zwei Tagen vom Singen nach Hause kam, war das Haus kalt. Ich wunderte mich und inspizierte die Anzeigen auf dem Display des Bedienungsfeldes. Kein Alarm, keine Warnung, kein Fehler-Code, den ich im Bedienerhandbuch hätte nachschlagen können. Nur ein schlichtes schönes Wort, das ich seit Wochen sehnlichst erwarte:  "Sommerbetrieb". Daneben die Angabe über die Außentemperatur: 17°. Abends um halb Elf! Ich hatte gerade eine halbe Stunde auf einem verlassenen Bahnhof im kalten Ostwind gestanden, während zu Hause die Heizungsanlage vollkommen selbstständig das Ende des Winters einläutet! Natürlich hält sich die Elektronik strikt an die Daten, mit denen die Anlage zu Beginn ihres Betriebs vor Jahren gefüttert wurde - von uns! An die sogenannte Umschaltschwelle Sommer-/Winterbetrieb, an einen festen Wert, eine bestimmte Außentemperatur, bei deren Erreichen sie aufhören soll zu heizen. Damit keiner im Haus mehr daran denken muss, wann und ob man die Heizung ein- oder ausschalten soll.
Und nun fällt der Außentemperaturfühler aus. Wahrscheinlich ein winziges Plastikteil. Übermittelt seit 48 Stunden einen konstanten Wert von 17°. Ich kehre zum Winter, zur Arbeit und einem geheizten Zimmer zurück, indem ich manuell den Wert an der Umschaltschwelle erhöhe. 

Dienstag, 28. März 2017

Wohnen

Zuerst okkupierten Eichhörnchen Schwiegervaters schon etwas in die Jahre gekommenes, windschiefes Futterhäuschen. Jetzt hat eine Amsel darin ihr Nest gebaut. Ob das wohl gut gehen wird? Zumal Eichhörnchen leichten Zugang und Zugriff haben, auch Katzen und die Hasen haben schon - zwar erfolglos - versucht, an das Vogelfutter zu kommen. Die gierigen Krähen sowieso, der Fasanenmann, ewig hungriger und stolzer Ernährer zweier Familien ... Die Amseln aber sind weitsichtig und zukunftsorientiert. Nicht nur, dass sie das Nest "auf Vorrat" bauen, den Platz besetzen, lange bevor sie die Eier legen und mit Brüten beginnen. Im Garten tobt gerade ein erbitterter Brutplatz- und Revierkampf! Sie verstehen offenbar auch - oder erinnern sich aus dem letzten Sommer oder kombinieren die im Gedächtnis gespeicherten Daten mit Prognosen von Werten, etwa der im Folgejahr zu erwartenden Wuchshöhe und -dichte - wo welche Pflanzen sich aus dem Nichts plötzlich wild entwickeln, kaum scheint die Sonne zwei Tage und regnet es eine halbe Nacht, wie die Bäume belaubt aussehen, wo und wann der natürliche Schutz für ihren noch nicht gezeugten Nachwuchs optimal sein wird. Puh!

Montag, 27. März 2017

Stehen

Nach wie vor, seit dem 14. März 2011 (http://amwattenmeer.blogspot.de/2011/03/mahnwache-in-meldorf.html), stehen ein paar Aufrechte jeden Montag von 18:00 - 18:30 am Südermarkt und halten die Meldorfer Mahnwache für den sofortigen Atomausstieg am Leben!

Sonntag, 26. März 2017

Schlafen

Die Unruhe der Zeit. Des Raums. Des Lichts. Natürlich geht die Sonne immer noch fast zu derselben Zeit und an fast derselben Stelle auf wie gestern. Nur unser Schlaf ist um eine Stunde betrogen und das ganze Leben in einer NachtundNebelAktion verrutscht.
Wer heute Geburtstag hat, feiert am 29.10. zu Ende. Glückgehabt!

Samstag, 25. März 2017

Sonnen

Ich lese jeden Tag ein Kapitel aus 4 3 2 1. Mehr Zeit habe ich nicht. Im Garten an der Sonne. Sitze ich mit angezogenen Knien quer auf der Bank. Je nach Wetter mit einer Wolldecke. Seit gestern mit Sonnenhut. Weil seit vorgestern leichter Sonnenbrand auf der Nasenspitze. Ich brauchte 4 Tage, um die Konstruktion dieses Buchs zu begreifen, in dem ich nur lesen kann, wenn es irgendwo aufliegt. Auf den Knien. Auf dem Tisch. Auf einem Kissen. Meine Handgelenke sind mit dem Gewicht von 1.270 kg (english version!) überfordert. Und das Hirn, kann man denken, auch. Aber das Buch beginnt mathematisch unlogisch. Ich habe mich dem Lauf der englischen Sprache ergeben und vor 5 Tagen vorne angefangen zu lesen. Mit dem Kapitel 1.0 - und ausgerechnet diese 1.0 steht abseits. Ist eine Art Ouvertüre oder ein Nulllauf. Die Nullposition. Die Exposition. Der Nullpunkt, wie es auf Hooge heißt. Irgendwo muss das Erzählen ansetzen. Danach geht es weiter  mit 1.1, 1.2, 1.3, 1.4, 2.1 usw. Im Kapitel 1.3 habe ich also verstanden, wie der Hase läuft. Wo er Haken schlägt und warum.
Die restliche Zeit verbringe ich mit roden und harken. Ich befreie den Garten vom Winterpelz. Und in der Früh pflege ich den Sauerteig und heize den Ofen. 

Freitag, 24. März 2017

Puppen 2

Der Berliner ergänzt: es gibt auch eine nicht jugendfreie Erklärung des in die Puppen gehens: es wird getanzt bis in die Puppen und dann verschwinden manche Paare im Tiergarten im Gebüsch, hinter den antiken Statuen, hinter der Hera, der Gemahlin des Zeus und der Obersten der Göttinnen überhaupt, denn sie wacht über Ehe, Treue und Geburt. Hinter den Verkörperungen von Sinnlichkeit, Furie und Ekstase. In eindeutiger Absicht.
In dieser Dimension des in die Puppen gehens kehrt die Zeit tatsächlich und unvermutet wieder in den Raum zurück.

Donnerstag, 23. März 2017

Warnen

Ich bin bei den Warnungen des Matthäus angekommen. Er warnt vor dem Richten, dem Entweihen und vor falschen Propheten - just in time, der Deich ist wieder von hungrigen staksigen Osterlämmern besiedelt:
Hütet euch aber vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe. (Mt 7,15)

Mittwoch, 22. März 2017

Trinken

Heute ist der internationale Tag des Wassers, der Weltwassertag - World Water Day. In diesem Jahr steht er unter dem Motto Wastewater - also Abwasser. Zugang zu sauberem Trinkwasser ist ein grundlegendes Menschenrecht. Nestlé untergräbt dieses Recht seit Jahrzehnten weltweit, pumpt Trinkwasser ab, wo es nur geht, um es dann in Plastikflaschen abgefüllt zu verkaufen. Wer zahlt, trinkt. Wer nicht, verdurstet. "Wasser ist ein gemeinschaftliches Erbe", steht in der Europäischen Wassercharta. "Wasser ist eine gemeinschaftliche Reserve." Und: "Wasser kennt keine Grenzen."

Dienstag, 21. März 2017

Perlen

Wassertropfen perlen vom Fenster ab. Von den Krokussen. Von den Bambusblättern. Alles hängt und tropft. Schwermütig. Im Frühlingsregen. Vom Himmel herunter.
Die Perlen hingegen, die man vor die Säue wirft, stehen bei Matthäus (7,6). Die Säue selbst sind Luther geschuldet: Ihr sollt das Heiligtum nicht den Hunden geben, und eure Perlen nicht vor die Säue werfen, auf daß sie dieselben nicht zertreten mit ihren Füßen und sich wenden und euch zerreißen. (Lutherbibel 1912)

Montag, 20. März 2017

Erwachen

18:00 - 18:30 Südermarkt
Meldorfer Mahnwache für den sofortigen Atomausstieg

Heute um 11:28 passiert die Sonne den Himmelsäquator im Frühlingspunkt. Die Tage werden nun länger als die Nächte.

Sonntag, 19. März 2017

Nieseln

Der letzte Wintertag. Ein Tag wie im Herbst. Es regnet, nieselt, nebelt ohne Ende. Mein Krokusbeet steht am Mittag schon eine Handbreit unter Wasser. Die Amseln baden in dem kleinen Baggersee und turnen und turteln wie wild herum.

Samstag, 18. März 2017

Passion

Heute haben wir die einmalige Gelegenheit, das exzellente ensembleVOCESberlin in Meldorf zu hören:
19.00 Uhr, Meldorfer Dom
Vokal– und Orgelmusik des 17. und 18. Jahrhunderts
ensembleVOCESberlin, Leitung Sebastian Schwarze-Wunderlich

Rita Knobbe, Orgel
Christoph Demantius: Johannespassion und Weissagungen nach Jeremia
Heinrich Schütz: Motetten
Orgelwerke von Johann Sebastian Bach und Dietrich Buxtehude

Das Ensemble, dass sich 1991 in Berlin gegründet hat, besteht aus professionellen Sängerinnen und Sängern, die sich zur Aufgabe gemacht haben, Vokalmusik in solistischer Besetzung transparent und historisch informiert zu Gehör zu bringen. Im Mittelpunkt des Programms steht die Johannespassion von Christoph Demantius. Johann Walter, der musikalische Berater Luthers, hatte angefangen, den deutschen Passionstext kompositorisch umzusetzen. Zunächst entstanden Wechselgesänge zwischen den handelnden Personen. Die musikalische Darstellung der Volksgruppen wurde dem Chor übertragen. Etwas später entwickelte sich die durchkomponierte Passion, was bedeutet, dass der gesamte Passionstext, vom Chor mehrstimmig gesungen wird. Den Höhepunkt dieser Entwicklung stellt die im Konzert dargebotene Johannespassion dar.


Eintritt:12,-/erm.8,- €

Freitag, 17. März 2017

Pausen

Auf vielfältigen, wunderlichen, steinigen oder glatt polierten Umwegen gelange ich immer zum Ausgangspunkt zurück: zur Stille. Ich lerne Pausenwerte erkennen. Die sind ungefähr so wichtig wie die Notenwerte. Ein schwarz ausgefülltes Rechteck, das an (sprich: unter) der zweiten Notenlinie von oben hängt, bedeutet eine Pause, die so lang ist wie eine ganze Note. Liegt ein gleiches Rechteck aber auf der mittleren Notenlinie ist die Pause nur halb so lang. Die beiden befinden sich aber in einer verwirrend ähnlichen Position inmitten der 5 Notenlinien (guck hier: http://www.lehrklaenge.de/HTML/die_pausenwerte). Das wusste ich in meiner Kindheit schon mal, hab's aber im Lauf der Zeit und durch die Welt vergessen. Es gibt nicht nur ganze und halbe Pausen, sondern wie Noten oder Röcke in jeder denkbaren Länge.

Donnerstag, 16. März 2017

Spielen

There are eighty-eight keys on a piano - sagt James Rhodes - and within that an entire universe. Das Universum in achtundachtzig Tasten! Mein Liegnitz hat nur fünfundachtzig. Ich zählte dreimal, einmal von unten nach oben, dann von oben nach unten, zuerst nur die weißen, und obendrauf die schwarzen, dann nochmals alle von unten schön den Reihe nach, im Farbenlauf. Weiß, schwarz, weiß, weiß, schwarz, weiß schwarz, weiß, weiß und so weiter. Das Universum nicht in einer Nussschale - in nuce, wie Hooge - sondern in 88 oder 85 Tasten eines Klaviers.
Seither mache ich wieder jeden Tag meine Fingerübungen. Stümperhaft, aber jeden Tag etwas gelenkiger, geläufiger. Hört mal nach, was James Rhodes in seinem very british english zu sagen hat zum spielen auf dem Klavier:
http://www.ndr.de/ndrkultur/sendungen/kulturforum/Rachmaninow-Tattoo,sendung624708.html

Mittwoch, 15. März 2017

Puppen

Bis in die Puppen schlafen. Oder bis in die Puppen aufbleiben. Bis in die Puppen arbeiten. Versteht jeder. Lange schlafen, lange aufbleiben, lange arbeiten.
Aber wer oder was sind diese Puppen?
Berlinerinnen! Statuen der antiken Mythologie am Großen Stern im Berliner Tiergarten, der in diesem Fall kein Zoo, sondern ein Stadtpark ist. Ursprünglich war "bis in die Puppen" ein räumlicher Begriff, weil nämlich die am Sonntag flanierenden, eigentlich gehfaulen Berlinerinnen und Berliner im 18. Jahrhundert "bis in die Puppen" gingen. Vom Kuh'damm, zum Beispiel. Oder von Unter den Linden. Bis in die Puppen! Bis zu den Allegorien von Jugend und Schönheit, Kampfeslust und Fruchtbarkeit. Die Berliner Schnauze kennt keine Ehrfurcht, auch vor Marmor nicht. Erinyen sind Puppen, genauso wie Hermes, Helios oder Hera. Der große Stern hieß im Volksmund Puppenplatz. Irgendwann verrutschte die Bedeutung vom Raum in die Zeit. Bis in die Puppen feiern - meint nicht am großen Stern feiern, sondern bis zum Totumfallen. Oder, poetischer ausgedrückt, bis Aurora, die Morgenröte am Horizont erscheint.

Dienstag, 14. März 2017

Sehen

Ab und zu betrete ich ein fremdes Haus und bin umgeben von fremden Menschen. Lebenden und Toten, Neugeborenen und Wickelkindern, die in Form von Fotografien an den Wänden hängen. Wie kürzlich, als ich unvermutet an einem der Ränder dieser Welt in einen Kaisersaal hineinschneite. Ich weiß nicht, wer dann wen sieht. Ob die Vergangenheit in die Gegenwart guckt. Oder ob umgekehrt die Gegenwart in die Vergangenheit guckt. Ob ich die Bilder der Vorahnen betrachte. Oder ob die Vorahnen, die gerahmt oder ungerahmt für immer die alten Mauern zieren, erstaunt mich, die Fremde und Eingedrungene betrachten. Ich bilde mir ein, das Alte und die Alten zu sehen und zu verstehen. Und stelle mir vor, dass die Alten mich und mein Auftreten nicht unbedingt verstehen. Oder gutheißen. Wenn sie merken, dass ich gerade stümperhaft versuche, mein drittes Auge zu aktivieren. Das muss ihnen ziemlich lächerlich vorkommen.

Montag, 13. März 2017

Wachen

18:00 - 18:30 Südermarkt
Meldorfer Mahnwache für den sofortigen Atomausstieg

Fukushima - 6 Jahre nach dem Supergau: heute wird an gewissen Stellen auf dem Reaktorgelände mehr Radioaktivität gemessen als direkt nach dem Erdbeben und Tsunami!
https://www.theguardian.com/world/2017/mar/09/fukushima-nuclear-cleanup-falters-six-years-after-tsunami

Sonntag, 12. März 2017

Reisen

Gestern gelangte ich tatsächlich bis an den Rand den Welt, an die Eider, die nördliche Grenze Dithmarschens. Und an den Rand der Realität. In den seit fast zehn Jahren geschlossenen Kaisersaal in Hennstedt. Ein Tatortdrehteam hatte am Vormittag das halbe Dorf besetzt. Sie waren am Aufräumen, bis ich des Weges kam, und die Ermittler, Leichen und Mörder bereits abgereist. Der 93-jährigen Kaisersaalbesitzer war gerade dabei, die Türen wieder zu verriegeln und erlaubte mir einen Blick in die Vergangenheit von der Empore.
Heute ist der Mond am Himmel zum letzten Mal voll vor dem Äquinoktium.

Samstag, 11. März 2017

Stehlen

Mit den Dieben ist es so wie mit Lügnern und anderen Verbrechern: es gibt Große und es gibt Kleine. Meist hängt man die Kleinen und lässt die Großen laufen. Heute ist der Jahrestag von Fukushima.
Vom Altar der Heider St. Jürgen Kirche verschwand vor einer Woche die Altarbibel. Eine "Lutherbibel 2017". Gestern beobachtete ich Eichhörnchen in meinem Garten. Sie hielten sämtliche Vogelfutterhäuschen besetzt.
Wer ist verantwortlich für die verseuchte Erde nach 11-3-11? Hat jemand die Bibel aus der Kirche gestohlen oder sie mitgenommen aus Not? Um darin zu lesen? Sind die roten Eichhörnchen in meinem Garten Diebe oder kämpfen auch sie, wie die Rotkehlchen und Blaumeisen im Frühlingsrausch ums Überleben? Die Vögel hockten ziemlich verdattert im Apfelbaum, konnten die Pelztiere aber auch durch energisches Schimpfen nicht vertreiben.
Hat der Hooger Dieb meinen Wodka getrunken, weil er ohne ihn den Tag nicht überstanden hätte? Auf Hooge ist es so wie im Rest der Welt: es gibt Große und es gibt Kleine. Diebe. Lügner. Verbrecher.

Freitag, 10. März 2017

Lügen

Es gibt Gesellschaften, die tolerieren das Lügen oder die Lügen als eine Taktik zum Selbsterhalt. Raffiniert. Man wahrt die Form. Man wahrt das Gesicht. Diese Gesellschaften kennen weder Moral noch ein schlechtes Gewissen. So etwas wie die katholische Beichte ist dort überflüssig. Die einzige höhere Instanz, auf die sich die Menschen berufen, sind die eigenen toten Vorfahren.
Es gibt andere Gesellschaften, die sich an den zehn christlichen Geboten orientieren. Dort ist lügen per Dekret (8. Gebot: "Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen") verboten.
Es gibt derzeit 2 große Lügner auf dem Parkett der Weltpolitik und ungezählte kleine. Vom einen (Großen) reden gerade alle, den anderen (Kleinen) nimmt kaum jemand außerhalb seines Heimatlandes (Polen) wahr. In nur 7 Jahren hat der Kleine Dicke es geschafft, sein Land konsequent und absolut zu spalten. So sehr, dass sogar ich, die sanfte und tolerante Schweizerin, ohne mein Zutun dort die Hälfte meiner besten Freunde verloren habe. Der Lügner ist ein übrig gebliebener Zwilling, sein Bruder ist tot. Statt dass er, wie die Asiaten, den Toten ehrt, rächt er den Tod. Dazu ist ihm jedes unchristliche Mittel recht. Er lügt 6 Tage die Woche. Am 7. geht er zur Beichte. Und so weiter, da capo, perpetuum mobile.

Donnerstag, 9. März 2017

Fliehen

Die Bettflucht. Fliehen. Floh. Geflohen. Der Floh war's. Den mir der Traum in's Ohr gesetzt. Der Fluch. Die Flucht. Die Zimmerfluchten.

Mittwoch, 8. März 2017

Würzen

Würzen als Nebenprodukt von Warten. Vor einer Woche in der Hamburger Kunsthalle. Die Mondphasen. Hinter Glas. Pulverisiert. Zum Schmecken. Abschmecken. Visualisiert auf Schleifpapier. Spice Moon Cycle von der Koreanerin Heague Yang. Aus Gewürzen von Gemüsemärkten in Singapore: Ingwer, roter Chili, Kreuzkümmel, Garam Masala, Ganthoda, Kardamon, Koriander, Senfsamen, weißer Chili, Nelken, schwarzer Pfeffer, weißer Pfeffer, Kurkuma, Sternanis, Zimt, Schwarzkümmel, chinesischer Flügelknöterich, Rhabarberwurzel, Süßholzwurzel und Myrrhe.
Im Video ab Minute 2:33 bis 3:00 zu sehen, der ganze schöne Rest lohnt sich aber auch: https://player.vimeo.com/video/176307797

Dienstag, 7. März 2017

Singen

Singen ist für mich mit Reisen verbunden. Mit Bewegung. Ich gehe aus dem Haus, steige in den Zug, fahre eine oder mehrere Stationen, je nach dem, wo ich gerade zu Hause bin. Um mit anderen zusammen zu singen. Sogar von der Hallig bin ich einmal im Monat weggefahren, mit der Fähre aufs Festland, mit dem Bus zum Bahnhof, mit dem Zug zur nächsten Umsteigestation und so weiter. Den letzten Rest lege ich immer zu Fuß zurück. Um - was auf Hooge nicht möglich war - zwei Stunden lang mit anderen zusammen zu singen, ein herrliches Einsingen zu absolvieren, danach an Messias, Requiem, Oratorium, oder was auch immer, hart zu arbeiten und glücklich und zufrieden in kalter Nacht nach Hause zurückzukehren.

Montag, 6. März 2017

Mahnen

18:00 - 18:30 Südermarkt
Meldorfer Mahnwache für den sofortigen Atomausstieg

Danach singen.

Sonntag, 5. März 2017

Essen

Mein Bäcker hingegen isst mit der Nase. Die Qualität der Erzeugnisse aus den Backöfen der Joldelunder Biolandbäckerei prüft er, indem er eine Scheibe von einem frischen Laib abschneidet und sie sich an die Nase drückt. Er riecht daran. Ausgiebig und ausdauernd. Wie ein Schnüffler. Auch am Brot der Konkurrenz natürlich. Auch in der Fastenzeit. Auch an Sonn- und Feiertagen.

Samstag, 4. März 2017

Gehen

Kürzlich begab sich meine Schuhmacherin, wie sie mir berichtete, wieder an die Frühlingsschuhmesse in Spreitenbach. Dorthin hatte ich sie vor Jahren einmal begleitet.
Spreitenbach war in meiner helvetischen Kindheit Synonym für Modernität. Autobahn. Autobahnkreuz. Autobahnauffahrt. Autobahnabfahrt. Ein Symbol für uneingeschränkte Mobilität, Freiheit, Beton, Lärm und Gestank statt bunte Wiesen und summende Schmetterlinge wie jenseits des Belchen im Kirschbaumbestandenen Baselbiet.
Die Spreitenbacher sind bis heute reich und erfinderisch. Um die Staus des 21. Jahrhunderts zu beherrschen, sie einzudämmen und maximalen Nutzen aus stehenden Autos und deren ungeduldigen Fahrern zu ziehen, schufen sie ein Dosiersystem für ihre berühmte Auffahrten rund um das Kreuz und führten schweizweit die erste Rampenbewirtschaftung ein. Warteräume und Tropfenzähler wurden für 1,8 Mio Schweizerfranken installiert. Wie im Krankenhaus.
Seit ich damals meine Schuhmacherin nach Spreitenbach begleitet habe, überlagert alle Spreitenbacher Autobahnraststättenbilder meine Spreitenbacher Erkenntnis, dass Leute, die mit Schuhen zu tun haben, die Schuhe verkaufen oder reparieren, jeden neuen Schuh, den sie in die Hand nehmen, zuerst umdrehen, um die Sohle zu prüfen. Sie betrachten sie, betasten sie, beklopfen sie, biegen sie und beschnuppern sie. Sie zollen Respekt der Unterseite. Das Gehen fängt an der der Sohle an.

Freitag, 3. März 2017

Lesen

Ich habe also 4 3 2 1 von Paul Auster von Unbekannt geschenkt bekommen. Der Briefträger hatte mir das dicke Paket am blauen Gartentor überreicht. Darin befand sich keine Rechnung. Auch kein Billet, wie man früher Geschenke zu verzieren pflegte. Auster im Original! 866 Seiten in american english! Boże! Ich fange Bücher, egal in welcher Sprache, immer von hinten zu lesen an. Der letzte Satz ist kurz und knapp: "He was married to a woman named Happy."
Bekommen habe ich es aber, wie mir erst jetzt mitgeteilt wird, weil im ersten Satz Warsaw - nicht Warszawa und nicht Warschau - vorkommt. Der erste Satz ist lang und führt rund um den Globus: von Minsk nach Hamburg über Berlin und Warsaw (!), mit der Empress of China über den im Winter stürmischen Atlantik am ersten Tag des 20. Jahrhunderts direkt in den New Yorker Hafen. Ich habe meine guten Gründe, weshalb ich ein Buch lieber von hinten, als von vorne anfange zu lesen.

Donnerstag, 2. März 2017

Fliegen

Im Garten ist Hochbetrieb. Die Vögel verrichten ihre Besorgnisse ohne Rücksicht auf uns. Die Menschen. Im Wohnzimmer tauchen plötzlich Fliegen auf. Tote, aber auch lebendige. Wie aus der Winterstarre erwacht, die sie zwischen den Büchern - wo sonst? - verbrachten.

Mittwoch, 1. März 2017

WARTEN

Ich fahre mit Sonnenaufgang nach Hamburg. Um zu warten. Nach dem Nord-Ostsee-Kanal bleibt der Zug auf freier Strecke stehen. Um zu sehen. In Itzehoe werden wir gebeten, den Zug zu verlassen, da sich die Weiterfahrt aus technischen Gründen um unbestimmte Zeit verzögert. Um zu hören. Mit einer völlig überfüllten Regionalbahn lande ich schließlich direkt vor dem Eingang der Kunsthalle. In der Ausstellung WARTEN. Zwischen Macht und Möglichkeit.

Warten ist mindestens zweideutig. Und Geräusche können fliegen.