Freitag, 30. April 2021

Noch einmal

Noch einmal Bodennebel. Noch einmal ein bereits angeknabberter Supermond. Er steht höher als der Nebel am Himmel, weil er noch nicht dem Untergang geweiht ist. Noch einmal steigt die Sonne kreisrund und blutrot ganz ohne Streulicht aus dem Nebel. Noch einmal wird es am Nachmittag regnen. Am Vormittag aber kann ich noch einmal Wäsche aufhängen. Noch einmal Freitag. Noch einmal muss ich vor dem Regen los. Kochschokolade kaufen! Noch einmal und zum Glück zum letzten Mal werde ich "Übermenschen" hören, während ich auf dem Trampolin um mein inneres und äußeres Gleichgewicht ringe. Früher nannte man das Arztroman. Dreigroschenheft. Heute ist es der große Zeh.

Donnerstag, 29. April 2021

Verwandtschaftsverhältnisse

"Der frühere Stiefvater ..." lese ich in der Zeitung und reibe mir die Augen. "Der frühere Stiefvater des Opfers ...". In einem Gerichtsbericht. Von einer unserer Lokalreporterinnen. Ein Stiefvater ist kein Vater. Ein Vater ist immer ein Vater. Die Vaterschaft ist meines Wissens weder vergänglich noch aufhebbar. Sie ist vielleicht im Gegensatz zur Mutterschaft nicht immer auf Anhieb eindeutig, aber dafür gibt es ja die Medizin. Wie verhält es sich aber mit dem Stiefvater? Der Stiefvater ist nicht der leibliche Vater, also per se oder per Gesetz austauschbar, multiplizierbar? Der frühere, der jetzige, der ewiggestrige, der aktuelle, der zukünftige ... Kann ein Kind mehrere Stiefväter haben? Wechselnde, je nach LAP der Mutter? Fragen über Fragen am frühen Morgen. Weder die Sonne noch der Mond zeigten sich am Himmel. Am Nachmittag soll es regnen und vorher werde ich den Rasen düngen.

Mittwoch, 28. April 2021

Der Mond geht

Immer noch: der untergehende Supermond am Himmel über Meldorf und die aufgehende Sonne am Himmel irgendwo über dem Nordostseekanal. Aber, und das sagen die Leute, die etwas davon verstehen: der Mond geht, er entfernt sich kontinuierlich von der Erde. Um genau 3,8 Zentimeter pro Jahr. Warum? Keine Ahnung. Aber das sind immerhin im Laufe meines eigenen kurzen Lebens bereits 2,4 Meter! Früher, also ungefähr vor vier Milliarden Jahren, müssen die Vollmonde auf die Menschen viel beeindruckender, viel be- oder erdrückender gewirkt haben - falls es damals überhaupt schon so etwas wie human beings (EMH - early modern human, AMH - anatomically modern human, HE - homo erectus oder HS - homo sapiens) gab. Und die Kilometerangaben - für's Navi: Damals war der Mond etwa 60 000 Kilometer von der Erde entfernt und bewegte sich auf einer viel engeren Umlaufbahn um sie. Heute ist er zwischen 356.400 Kilometern im Perigäum und 406.700 Kilometern im Apogäum von uns irdischen Winzlingen in Dithmarschen und anderswo unterwegs und läuft, wie gesagt, von uns weg.

Dienstag, 27. April 2021

Nonplusultra

Das hab ich noch nie gesehen: der untergehende Vollmond im Westen, prall über dem Meldorfer Dom, leuchtend, riesig. Gerade, kurz vor Sonnaufgang, voll geworden. Und im Osten die aufgehende Sonne, die ihm, dem Supermond, schnell die Show am Himmel stiehlt, einfach sein Licht verschluckt!

Aber er kommt wieder. Sobald die Sonne das Feld über unseren Köpfen wieder geräumt hat.

Das DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) erklärt übrigens das Phänomen so: Derzeit befindet sich der Mond auf seiner elliptischen Umlaufbahn der Erde am nächsten: im Perigäum (im Gegensatz zum Apogäum). Steht der Vollmond im Perigäum erscheint uns seine beleuchtete Fläche um 30 Prozent größer und um dreißig Prozent heller, als wenn er in derselben Phase im Apogäum steht. That's it. Supermoon.

Montag, 26. April 2021

Steigerung

Immer noch Nachtfrost. Hört denn der Winter gar nie auf? Und dann kommt die Sonne, natürlich, ihr bleibt auch nichts anderes übrig im täglich Trott, und schlürft den gefrorenen Tau von den Feldern, den Wiesen, meinen Pflanzen im Garten. schüüli - ist auch so ein helvetisches Idiotikon, das der Steigerung und Verstärkung dient. schüüli meint heute nicht mehr viel anderes als sehr, vibriert vielleicht noch ein bisschen aufregender in den Ohren durch das Doppel-Ü. Eigentlich meint es scheusslich, entsetzlich, schauderhaft. Es ist ein qualitatives und quantitatives Steigerungswort, furchtbar, arg, das sich im Laufe der Zeit wandelte vom Unerfreulichem über das Neutrale bis hin zum Erfreulichen: im höchsten Grade überaus sehr. Schön!

Sogar sehr hat seine komplizierte Vergangenheit. Es kommt nämlich von wund, versehrt. 

Wie Tschernobyl. Der Reaktor explodierte heute vor 35 Jahren. Ich studierte damals in Warschau, wo wir von der Gefahr durch Verstrahlung infolge Windverfrachtung mit einiger Verspätung erfuhren. Ich erinnere mich an die Schlangen nach oder vor Milchpulver. Und daran, dass bis zum Herbst bereits alles vergessen war und die Polen wie eh und jeh in die Pilze gingen. Die Zeit heilt nichts, sondern verwandelt wie die Sprache das Unangenehme irgendwann ins Angenehme, das Entsetzliche ins Bewunderte. Die verseuchte Sperrzone, mittlerweile ein Naturreservat, soll Weltkulturerbe werden. Gleichbedeutend mit dem Wattenmeer vor meiner Haustür oder der Glarner Hauptüberschiebung in meinem Hinterkopf.

Sonntag, 25. April 2021

Sonntagsfrühstück

Durch das Einsingen um 9 (kurz: Eu9) steigen immer wieder Wörter aus meiner Seele in meinen Kopf, die ich längst vergessen glaubte. schampar gestern, vor einiger Zeit grüseli oder giibeligäl. Da beim Eu9 Menschen aus verschiedenen Ländern und verschiedener Muttersprache mitmachen, treiben diese Wörter im Chat die wunderlichsten Blüten. Anders in meinem Kopf. Dort entsteht eine ganze Landschaft, geografisch verortbar im Baselbiet, ästhetisch greifbar als sanft gewelltes Kirschblütenland (nicht nur in Japan blühen Kirschbäume). schampar gehört nicht dem Appenzellerland, sondern auch meiner Kindheit. schampar schön ist ein positiv verstärkendes Adjektivpaar wie cheibe guet. Beide haben aber ein eher negatives Fundament: schampar zu Schande, schändlich, mit Schande behaftet, va in geschlechtlicher Beziehung, ehrlos, schamlos - und cheib zu keib als Kadaver, Aas, Leichnam oder gar ansteckende (Tier-)Seuche ... smacznego (das ist Polnisch, meine zweite Muttersprache, für ä guete) zum Sonntagsfrühstück!

Samstag, 24. April 2021

Fasanenschmaus

Es gibt verschiedene Apps, aus denen unser Leben derzeit besteht. Oder die unser Leben mehr und mehr bestimmen. Überall sollen wir, flüstern uns diverse Stimmen ein, Apps herunterladen. Umsonst natürlich. Klar doch. Den Gegenwert liefern wir automatisch ab. Eine App also sagt mir, Sonnenaufgang heute in Meldorf um 05:53, eine andere um 06:05. Das ist schon erstaunlich. Eine Differenz von 12 Minuten. Ich bin in der Tat spät dran, weil Herr C. ein paar Streicheleinheiten verlangt und ohne Gegenleistung, vom zufriedenen Schnurren mal abgesehen, bekommt. Als ich kurz nach 6 Uhr rasendradelnd in die Feldmark einbiege, wie immer über die Husumer auf die Bürgerweide, steigt sie vor mir geradewegs im Osten über den Horizont. Mein Horizont an dieser Stelle ist leicht erhöht und damit die Sicht auf die aufgehende Sonne mir etwas versperrt durch natürliche Hindernisse wie Knicks oder Bodenerhöhungen, mein Küchenstudio, den Riesenwohld, irgendwo sogar einen Abschnitt des Nordostseekanals oder eine Autobahnbrücke. Trotzdem unternimmt sie, die aufgehende Sonne schon mächtige Schritte gen Süden. Und ich radle meine Morgenrunde bei Morgensonnenschein. Auf den frisch angesäten Feldern jede Menge hungrige Fasanenfamilien!

Freitag, 23. April 2021

Austernfischer

Auch die Austernfischer hocken in der Feldmark. Und lärmen schon bei Sonnenaufgang. Obwohl zu der Tageszeit nicht einmal Jogger oder Hunde unterwegs sind. Das bedeutet, dass sie brüten oder bereits ausgebrütet haben, ihre Jungvögel füttern und lautstark verteidigen. Die Austernfischer waren sonst immer näher am Wasser. Später am Vormittag putze ich ein Stück meines Bürgersteigs an der immer noch kaputten Straße. Der Wasserrohrbruch war im Dezember. Und im Sommer, hieß es damals, würde die Straße neu gemacht. Bis dahin stehen die Absperrungen vor meinem Haus und jeder wundert sich, auch der Biokistenfahrer, was bei mir denn immer noch los ist. Nach halb getaner Arbeit die erste siesta des Jahres auf der Gartenbank. Und zum allerersten Mal, seit er bei mir lebt, zeigt auch Herr Caruso Haltung, Charakter, Rückgrat: legt sich zu meinen Füßen.

Donnerstag, 22. April 2021

Aufrecht

Ich bin auch vernebelt. Um eine Woche verrutscht im Kalender. Oder im Kopf. Ich fahre trotzdem zum testen und muss, weil ich so spät dran bin, gar nicht warten. Am Morgen wird jetzt Übermenschen - oder über Menschen? - von Juli Zeh vorgelesen und ich ärgere mich den ganzen Tag über diesen Schmarren. Unter aller Sau! Wer will denn dieses Corona-Gequatsche unverfälscht auch noch als Literatur vorgesetzt bekommen? Außerdem ist das alles schon nicht mehr aktuell. Verbrauchsliteratur. Verbrämt mit juristischem Fachvokabular. Dem Volk aufs Maul, aber leider hinterher geschaut. Wer spricht denn in der Brandenburgischen Provinz von "Flurstück", wenn er - es ist natürlich eine sie - im Schweiße seines Angesichts Brombeeren und anderes Gestrüpp aus dem sandigen Boden haut? Um einen Kartoffelacker anzulegen. Ich bin über all diese Stadien der Selbstfindung längst hinaus und lerne, trainiere, übe auf dem Trampolin eine halbe Stunde täglich (eben während im Radio vorgelesen wird) Haltung. Bis in den Abend hinein.

Mittwoch, 21. April 2021

Herbstnebel

Dicker Nebel am Morgen. Bodenfrost. Am späten Vormittag, nach dem Einsingen um 9, Ausflug ins Rathaus. Ich bekomme meine neuen Ausweise. Danach, spontan übermütig geworden, wenn ich schon mal mit bedecktem Mund, bedeckter Nase und gültigem Reisepass unterwegs bin, Besuch in der Fahrradwerkstatt. Hochsprünge. Wie ein freigelassenes Wildtier. Gestern nach dem Vertikutieren fand ich viele versteckte Walnüsse in den Beeten. Wintervorräte, die nun keiner meiner Gartenbewohner mehr knacken mag. Ich bekomme ein Leihrad, lasse meines zur Inspektion da. Fahre entlang der aufgerissenen Hindenburgstraße gen Bahnhof.

Dienstag, 20. April 2021

Gartenarbeit

Vertikutieren. Alle Jahre wieder. Ich bilde mir ein, dass das Moos und das Unkraut im Rasen weniger wird. Oder dass es leichter geht. Oder dass es zwischenzeitlich wirklich wärmer geworden ist und ein Nachmittag an der frischen Luft Leib und Seele gut tut. Natürlich ist jeder und jede versucht, sich in jede nur mögliche Richtung selbst zu überlisten und alles Unangenehme angenehmer zu gestalten. Kurze Unterbrechung mit Tee in U's Garten. Sie hat noch Umtopftöpfe für meine Tomatensetzlinge.

Montag, 19. April 2021

Schuhlegenden

Shakespeare, Wagner, Picasso - was haben die drei gemeinsam? Berühmt. Männlich. Dominant. In diese Reihe könnten wir noch viele andere berühmte, männliche und von sich reden machende (was nicht gleichbedeutend ist mit mit sich reden lassende) Wesen stellen. Weltberühmt. Weltmännisch. Weltbeherrschend. 

Aber nein. Shakespeare, Wagner, Picasso verbindet die Hochachtung vor dem 25. Oktober. Shakespeares Titelheld, King Henry V spricht im Theaterstück seine berühmte St. Crispin's Day Speech umd seine Truppen auf einen harten Kampf einzuschwören. Historisch ist die Speech nicht belegt, aber Tatsache bleibt, dass die bereits ermatteten Truppen des englischen Königs in der Schlacht von Azincourt am 25. Oktober 1415 das zahlenmäßig weit überlegene Heer König Karls VI von Frankreich vernichtend schlagen: 

This day is call'd the feast of Crispian.
He that outlives this day, and comes safe home,
Will stand a tip-toe when this day is nam'd,
And rouse him at the name of Crispian.
He that shall live this day, and see old age,
Will yearly on the vigil feast his neighbours,
And say 'To-morrow is Saint Crispian.'
Then will he strip his sleeve and show his scars,
And say 'These wounds I had on Crispian's day.' (William Shakespeare, Henry V, act IV, scene III)

 

Wagner hingegen schürt in den Meistersingern das Vorurteil, die unter dem Schutz von Sankt Krispin stehenden Schuster würden ihr Leder auf unrechte Art und Weise besorgen:

Sankt Krispin,
lobet ihn!
War gar ein heilig Mann,
zeigt, was ein Schuster kann.
Die Armen hatten gute Zeit,
macht ihnen warme Schuh;
und wenn ihm keiner 's Leder leiht,
so stahl er sich's dazu.
Der Schuster hat ein weit Gewissen,
macht Schuhe selbst mit Hindernissen;
und ist vom Gerber das Fell erst weg,
dann streck, streck, streck!
Leder taugt nur am rechten Fleck. (Richard Wagner, Die Meistersinger von Nürnberg, 3. Aufzug, 5. Szene)

Und Picasso? Geboren am 25.10.1881 in Málaga - als Pablo Diego José Francisco de Paula Juan Nepomuceno Crispín Crispiniano María de los Remedios de la Santísima Trinidad Ruiz Picasso - wurden ihm die Namen der Tageszwillingsheiligen zu allen familiär bedingten anderen Namen hinzu verliehen.

Sonntag, 18. April 2021

Tausendund ...

Tausendund Eine Nacht. Tausendund  Ein Lockdown. Tausendund Ein Gegacker im Radio - was interessiert die Welt die Balz zweier deutscher Politiker? Hühnerhof. Vorsommertheater. Vorhofflimmern. Verwirrspiel. Ich bin gewappnet! Gestärkt, getestet, gesund. Eingesungen. Und lege mich auf die Gartenbank, eingewickelt in eine warme Decke, denn der Wind ist nach wie vor unverschämt unfreundlich für die Jahreszeit! Und lese das Glückliche Ende, das bislang unbekannte Ende, das von Claudia Ott gefundene und übersetzte Glückliche Ende von Tausendund Einer Nacht!

https://www.tausendundeine-nacht.com/daswerk/ und hier ein Appetithäppchen:

Freitag, 16. April 2021

Hygienemaßnahmen

Ab heute sollen die Temperaturen steigen. Herr Caruso liegt unschuldig im Garten unter dem kleinen Bambus, sonnt den schwarzen Bauch und bewacht sein Revier. In der Nacht hat er gekotzt (sorry!), zum ersten Mal seit er bei mir ist, jedenfalls zum ersten Mal im Innern des Hauses, im Flur, direkt vor und halb in sein rotes Edelnest vor der Küchentür. Was er draußen treibt, bekomme ich nicht mit. Der Appetit ist aber ungebrochen, und die Freude über mein Erscheinen am Morgen auch. Krank wirkt er nicht. Er kam kurz vor Mitternacht ziemlich verdreckt nach Hause, zu einem Zwischenstopp, um die vierte Mahlzeit des Tages einzufordern. Ich betrachtete ihn nachdenklich, wie er sich zur Verdauung putzte, bevor ich schlafen ging. Anders funktioniert die Katerkörperhygiene nun mal nicht, er muss den Schlamm, den Sand, die Erde mit allem, was so drin steckt aus dem Fell lecken und hinunterschlucken. Katzen können nicht ausspucken, was sie einmal ins Maul genommen haben. Sie schlingen es hinunter, egal, wie eklig es schmeckt. So funktioniert zB die Medikamentenaufnahme: eine bittere Pille, geschickt unters Futter gemischt, rauscht mit dem leckeren Rest irgendwann die Kehle hinunter. Kauen können Katzen auch nicht. Das Trockenfutter zerbeißen sie und schlingen. 

Der Dreck aus Nachbars Garten (eine riesengroße Baustelle) war wohl doch zuviel des Guten. Gott sei Dank hat sich irgendwann in der Nacht der Magen umgedreht. Und ich habe die erste Stunde des heutigen (Arbeits-)Tages statt am Schreibtisch mit Putzen und Waschen verbracht.

Donnerstag, 15. April 2021

Bodenfrost

Am Morgen war alles weiß. Sogar der Nebel schien gefroren über den Feldern. Gegen Mittag wurde es wärmer. Am Abend ließ ich mich testen. Stand keine 10 Minuten in der zerdehnten Schlange vor dem DRK-Testzentrum. Und fuhr anschließend durch die Marschkammer nach Hause. Zufrieden. Plötzlich befreit. Als ob ich nach über einem Jahr Mehltau überm Kopp mein Leben endlich wieder selbst in die Hand genommen hätte. Kein untäötiges Warten mehr. Kein erbitterter Kampf an der Kasse im Supermarkt um was auch immer. Einst war es Klo-Papier, dann waren es Desinfektionsmittel, dann Masken und neuerdings Selbsttests - von deren Nutzen ich nicht überzeugt bin. Ich lasse das lieber Profis machen. Sperrte den Mund auf und das wars. Ohne Termin, Ohne hotline. Ohne zermürbendes Gedusel im Ohr. Über das Resultat werden wir nur benachrichtigt, wenn es besorgniserregend ist. Wer eine schriftliche Bestätgung braucht, bekommt sie innerhalb von 15 Minute.

Morgen übe ich mein Ehrenamt aus und führe eine Schlichtung durch. Notgedrungen in einem geschlossenen Raum mit mindestens zwei Parteien. Und: getestet!

Mittwoch, 14. April 2021

Windböen

Der Wind ist eiskalt. Im Innern - meines Milchtopfs - brodelt es. Ich habe endlich den ultimativen Milchschäumer entdeckt: effektiv und nachhaltig, ressourcenschonend, handbetrieben, einfach zu reinigen. Handgemacht. Keine Beleidigung für meine neue Küche.

Am Resultat - an der Festigkeit des Schaums muss ich noch feilen, ohne Fleiß kein Preis, sagte meine Glarner Großmutter immer.

Dienstag, 13. April 2021

Baselbieter Röteli

Meine diesjährige Tomatenplantage: Seltene Tomaten. Baselbieter Röteli (kleine süße Eiertomaten). Black Cherry (schwarze mundgerechte Tomaten). Glossy Rose Blue (wunderbare lila Köstlichkeit). Tigerella (gestreift, müsste eigentlich Zebrella heißen, schwer groß zu ziehen). Und dann habe ich bereits Kreuzungen aus den Nachbarsgärten, wo meine Zucht bessere Bedingungen vorfindet und sich stürmisch weiter entwickelt. Große Gelbe Malta. Und Große Rote Antje. Tagsüber dürfen die zarten Pflänzchen schon mal hinaus an die Sonne. Aber nur, wenn nicht zuviel Wind ist. Nachts kommen sie wieder auf das um den Esstisch erweiterte Fensterbrett.

Montag, 12. April 2021

Neuer Montag

Der Mond ist neu - oder leer, wie manche sagen. Die Woche ist neu - oder noch leer von Versprechungen, Versprechern oder Versprochenem, Entbehrungen, Versagungen, Versagern, Versagtem. Die Vorsätze sind gut, weil weder über- noch untererfüllt. Ich lebe kontrapunktisch. Oder gar kontrapunktistisch. Seit Karfreitag mache ich meine Solekur. Trinke jeden Morgen auf nüchternen Magen ein großes Glas Wasser, angereichert mit einem Teelöffel der von mir selbst angesetzten Himalajasalzsole. Die setzt dann einiges in Bewegung. Innen und außen. Wieder wandernde Schmerzen! Und danach fahre ich zum Sonnenaufgang in die Feldmark. Und der Tag ist gerettet. Zuerst natürlich, kaum aus dem Federn: Kater füttern. Damit er, ausgehungert nach seinen nächtlichen Eskapaden, gestärkt auf dem Sofa in den verdienten Tagesschlaf sinken kann. Manchmal eilt er auch unverzüglich zum Bahnhof, um den ICE ins Neumondland noch zu erwischen. Wenn er träumt, rennt er immer.

Sonntag, 11. April 2021

Weißer Sonntag

Die am Ostersonntag Neugetauften durften früher - ja wann? In der frühen Kirche! - in der Woche nach ihrer Taufe sich nicht waschen. Sie trugen die weißen Taufkleider die ganze Woche bis zum ersten Sonntag nach Ostern. Die ganze Osteroktav in einem Gewand. Deshalb wird der heutige Sonntag heute noch Weißer Sonntag genannt, in oder von der katholischen Kirche - obwohl der ungewaschene Körper und das 8 Tage und 8 Nächte lang ununterbrochen getragene Taufkleid alles andere als rein (weiß) gewesen sein konnten. Die Evangelische Kirche nennt den heutigen Sonntag hingegen Quasimodogeniti (quasi modo geniti infantes- wie die neugeborenen Kindlein). Dass katholische Kinder am Weißen Sonntag das erste Mal die Heiligen Kommunion empfangen, das nach der Taufe zweite Initiationssakrament, Erstkommunion als Erneuerung der Taufe sozusagen, soll ein Schweizer Brauch sein. Das war mir damals, vor gefühlt hundert Jahren, festlich ausstaffiert mit zurechtgeschneiderten Resten des Hochzeitskleides unserer Mutter, natürlich nicht bewusst. Wer in starre Traditionen hineingeboren wird, kann sich lange Zeit kaum, manchmal seiner Lebtag nie vorstellen, dass die Welt anderswo anders funktioniert.

Unsere Mutter wäre heute 95 Jahre alt geworden. Sie ist am ersten Sonntag nach Ostern, am Weißen Sonntag oder Quasimodogeniti - quasi modo geniti infantes! - geboren worden. Vor 95 Jahren verhielt sich am und im Himmel alles exakt so wie im Jahr 2021. Vollmond, Ostern, die wunderliche Auferstehung nach einer fragwürdigen Verurteilung und brutalen Bestrafung. Die Osteroktav oder Weiße Woche ging schon damals mit dem 11. - ihrem Geburtstag - zu Ende. Und schon damals lag der 31. März - der Todestag ihrer Erstgeborenen - außerhalb des Leidenstriduums. 

Unsere Mutter ist vor fünfeinhalb Jahren gestorben. Wenige Monate vor ihrem 90. Auch meine letzte Glarner Tante ist letzten Herbst wenige Monate vor ihrem 90 gestorben. Dieses Zeitmuster gehört wohl zu dieser Generation von Frauen. Meine Schwester hingegen hat, Patriciahighsmithähnlich, wenig Zeit gehabt, ein Leben ohne Mutter zu leben. Aber vielleicht wollte sie gerade das nicht?

Samstag, 10. April 2021

Ostersamstag

Heute ist der letzte Tag, an dem ich noch verreisen könnte. Nur auf Sparflamme. Mit dem deutschen Personalausweis. Den Deutschen Pass hat mir die Dame im Amt kürzlich, als ich einen neuen beantragte, kurzerhand mit der Schere entwertet. Obwohl er bis heute noch gültig gewesen wäre. Ich kam gar nicht auf die Idee, darauf zu bestehen, dass sie bitte einen noch nicht abgelaufenen Reisepass nicht vernichten möge. Es fiel mir nicht im Traum ein, dass ich aus der norddeutschen Provinz abberufen werden könnte.

Die neuen deutschen Ausweise bekomme ich in zehn Tagen. Alles eingefädelt und festgezurrt, mit bestätigtem Abholtermin. Auch der Gang ins Rathaus ist mittlerweile eine Reise, die beantragt und genehmigt werden muss. Also zehn homedays, mehr als die Osteroktav. Splendid ... was auch immer. Marvelous isolation. Gorgeous privacy. Sumptuous grounding.

Der Schweizer Pass und die Schweizer ID sind seit Jahren verfallen. Sie würden mir wahrscheinlich derzeit die Einreise in die Schweiz erleichtern. Obwohl hüben wie drüben, gehupft wie gesprungen, geimpft oder ungeimpft, vor unnötigen Reisen gewarnt wird. Ob ein Begräbnis eine Reise nötig oder unnötig macht, weiß ich nicht. Und ob ich am offenen Grab überhaupt vorgesehen bin? Unlikely! 

Idealerweise wäre ich als Schweizerin in die Schweiz eingereist und als Deutsche nach Deutschland zurückgekehrt. Aber das sind nun reine Albtraumtänzereien.

Freitag, 9. April 2021

Osterfreitag

Ja, die Osterwoche dauert immer noch an. Sie ist länger als jede andere Woche des Jahres. Die Osteroktav hat, wie der Name sagt, 8 Tage und alle acht, nicht nur die beiden Sonntage, der eine am Anfang, der andere am Ende dieser Woche, stehen im Rang eines Hochfestes.

Jeder Tag ein Fest. Mancherorts auch verkürzt als Triduum, drei Tage nach Ostern reicht zur Feier der Auferstehung. Auferstehungstriduum - in Entsprechung zum Leidenstriduum. Drei Tage Leiden vor Ostern reicht ja auch. Partnerarbeit wie auf der Wippe. Jedes Hoch - Runter braucht den Gegenpart Runter - Hoch, fördert den Gemeinsinn, den Gleichgewichtssinn und den Koordinationssinn.

Wir am Wattenmeer haben jeden Tag April. Schnee. Regen. Sturm. Sonne. Hagel. Schnee. Orkan. Regen.

Donnerstag, 8. April 2021

Osterdonnerstag

Es schneit immer noch. Aber für den Sonnenaufgang - und für mich! - macht sich der Himmel jeden Morgen frei. Ganz nach der heutigen Tageslosung: "Ich hörte dich im Garten und fürchtete mich; denn ich bin nackt." ( 1. Mose 3, 10) - den Rest verschweige ich mit unversteckter Absicht.

Die Blutpflaume blüht. Die Tomaten wachsen wild auf der Fensterbank. Der Kater schläft zufrieden, er beansprucht nach dem Frühstück keinen andern Platz als den auf dem Sofa.

Mittwoch, 7. April 2021

Ostermittwoch

Lehrtext für den heutigen Tag: Segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen. (Lukas 6,28)

Dem heutigen "tap bulletin" - das ich, wie die Losungen, online abonniert habe zu dem einen Zwecke: täglich emotionslos informiert zu werden, dort über Bibelsprüche, hier über Todesfälle im Umkreis von 15 Kilometern meines Geburtsortes - entnehme ich, dass meine Schwester bereits vor einer Woche, an dem Tag, als ich übermütig in der Nordsee anbaden war, gestorben ist. Es ist wie bei den Inzidenzen und Infektionen: über die Feiertagen wird weniger getestet und später gemeldet. 

Nun hat also die Erstgeborene sich als erste auf den Weg dort hinüber gemacht, sich bestimmt bereits zu den anderen gesellt, auf diesem düsteren, nun für immer in der Vorosterzeit eingefrorenen Familienporträt, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt, auf dem keine Rehabilitierung der virides möglich ist, das vor dem Triduum Sacrum steht und keine Fußwaschung kennt, kein letztes Abendmahl, kein Leiden, kein Ostern, keine Auferstehung, keine Vergebung!

Dienstag, 6. April 2021

Osterdienstag

Mit Schnee. Die Sonne ging an einem im Osten klaren Himmel auf. Im Norden stand noch blass der halbe (abnehmende) Mond. Im Westen die Wolken, eine gewaltige Wand, leuchteten kurz in allen die Sinne betörenden Farben. Seit der Zauber vorbei ist, herrscht Krieg. Über unseren Köpfen Schneetreiben. Hagel. Sturm. Regenschauer. Windböen um Bft 7. Peitschen an die Fenster und über die Dächer. Der Rasen wechselt von grün auf weiß, die Osterglocken von gelb auf weiß. Das Eis auf dem Gartentisch kämpft mit der Sonne. Immer wieder mit der Sonne. Versuche der Demut. 

Hans Küng ist tot. Der katholische Theologe, der sich seit Ende der 1970-er Jahre so nicht mehr nennen durfte, hat mich trotzdem, auch ohne die kirchliche Lehrerlaubnis, damals schon überzeugt, dass ich in dieser Kirche nichts mehr suchen, nichts mehr finden werde.

Montag, 5. April 2021

Ostermontag

Mit Regen. Der Kater kommt hungrig und durchnässt nach Hause. Er will zuerst Futter. Und dann die Fellpflege. Der Wettergott regelt die Osterruhe besser als alle Virologen, Infektiologen, Politologen, Anthropologen, anders, quer oder kopfüberdenkende.

Sonntag, 4. April 2021

Ostertag

Es ist kalt. Vor meiner Tür steht vor Sonnenaufgang ein Osternest. Der nachtaktive Osterhase hat tatsächlich auch den auch nachtaktiven Kater bedacht und obenauf eine achteckige Schale Sheba Huhn in Gelee gelegt. Tierliebe! Uns Menschen hingegen, vor allem uns schreibenden Menschen, fehlt es an jeder Größe. Was haben die beiden Größten der Schweizer Literatur (persönlich miteinander durch einen furchtbaren Kleinkrieg bis ans Ende ihrer Tage verstrickt) mit ihren Frauen (und Töchtern) angestellt? Kürzlich las ich in einer alten Kolumne von Eva Menasse, dass sie den Besuchern ihrer Lesungen (als es so etwas noch gab), den Leserinnen und Lesern ihrer Bücher, die nach der Lesung Schlange stehen (als man so etwas noch durfte) für eine Handsignatur, das Wort verbieten will. Die Leute sollen bitteschön die Autorin nicht belästigen, möglichst nicht unnötig ansprechen und vor allem nichts von ihren eigenen geheimen Schreibplänen preisgeben, ja nicht um Rat fragen und um Himmels Willen nicht - und das ist erst ein "Wort"! - den "Atombomben-Satz" (sic!) aussprechen: "Also ich könne ja Romane schreiben, wenn ich endlich einmal Zeit hätte." (sic!)

Und warum nicht? 

Wenn sich eine Gubaidulina der Literatur fände, würde das Publikum vielleicht vor Ehrfurcht verstummen. So aber ... Frohe Ostern!

Samstag, 3. April 2021

Osternacht

Mit Frisch. Karsamstag ist der stillste Tag des (Kirchen-)Jahres - wie oft habe ich diesen Satz schon aufgeschrieben? Ich krieche im Garten dem Giersch nach und liege am Abend halbtot im Bett. Da kommt mir die Lange Nacht mit Max Frisch ("Max, you are a monster!" - Zitat aus Montauk) gerade recht. Ich schlafe zwischendurch ein, wache vor den entscheidenden Stellen aber immer wieder rechtzeitig auf. Die zweite Hälfte höre ich mit fast ununterbrochener Aufmerksamkeit. Und Hingabe! Die Tochter. Die Tochter, die sich in einem fast unverständlich hektischen Schweizerhochdeutschduktus beklagt, dass der Vater, der sie verlassen und sich nie um sie gekümmert hat, sie in seinem literarischen Werk mit einem entsetzlich nebensächlichen und verletzenden Satz beschreibt, dass sie nämlich, die Tochter, als sie bereits selbst ein Kind hat und also auch einen Mann und einen Beruf, dass sie keinen Wein trinkt.

Sätze berühmter Väter über ihre unberühmten Töchter. Maria, die Tochter meines Meisters Konwicki hat sich immer wieder beklagt, dass ihr Vater ("Ojciec był magusem" - https://wyborcza.pl/duzyformat/1,127290,17757154,Maria_Konwicka__Ojciec_byl_magusem.html) wie mit einem monströsen Vergrößerungsglas das Allerwinzigste und Allerunwichtigste ihres Wesen ans literarische Licht der Welt gezerrt habe. 

Ich glaube, ohne die komplizierten persönlichen Beziehungen zwischen diesen Vätern und diesen Töchtern wirklich zu kennen, dass es dabei um etwas ganz anderes geht.

Freitag, 2. April 2021

Karfreitag

Mit Gubaidulina und ihrer Johannespassion (kann noch ein paar Tage nachgehört werden: https://www.deutschlandfunk.de/musik-panorama.1759.de.html). 

Hochspannend (Achtung Hochspannung!) die Verbindung von Passion und Apokalypse. Passt in die Zeit, das Werk ist aber von zehn Jahren schon entstanden. Hier in der Aufführung von Orchester und Chor des Marijnskij-Theaters St. Petersburg. Nur Russen können diese Basspartien singen!

Gubaidulina hat das Werk aber hier, bei mir, um die Ecke komponiert. Im frostigen Norden Deutschlands, so wie seit langem lebt. Und sagt - bescheiden, wie sie nun mal ist - sie habe nur in Musik umgesetzt, was andere, Michelangelo zb in der Sixtinischen Kapelle, ihr vorgemacht hätten:

„Mir blieb nur, in der Musik das zu tun, was mehrfach und lange Zeit vor mir mit den Mitteln der Architektur und der Freskenmalerei gemacht wurde. In meinem Werk habe ich mich ebenfalls bemüht, diese zwei Texte so miteinander zu verbinden, dass die beiden Ereignis-Typen ständig nebeneinander bestehen und sich durchkreuzen – die Ereignisse auf der Erde, die in der Zeit ablaufen (Leidensgeschichte) und die Ereignisse im Himmel, die sich außerhalb der Zeit entfalten (Apokalypse).“

Donnerstag, 1. April 2021

Badehosentag

Es ist kein Aprilscherz - aber trotzdem lustig:

https://www.welt.de/geschichte/article198998169/Friedrich-Eberts-Badehose-erschuetterte-die-Weimarer-Republik.html

Am Wattenmeer wieder frisch und zugig. Ein grauer Gründonnerstag. Gut, hab ich das Anbaden gestern ganz ohne (Badehose) erledigt. Fisch und körniges, rosiges Himalayasalz gekauft.