Mittwoch, 31. März 2021

angebadet

zwischen dem Zwickeltag und primo aprilis kurz vor HW (15:55), aber bei ausreichend hohem Wasserstand.

Zwickeltag

Verflixt, verzwickt und zugenäht! Das Zwickelbier ist ein ungefiltertes, naturtrübes Bier. Es hat seinen Namen wohl vom Zwickel, veraltet für Zapfen, weil es frisch aus dem Fass kommt. Die Zwicke (oder Zwecke) ist eine Beißzange und wie die Zwecken (kurze Schuhnägel mit breitem Kopf) in der Werkstatt meiner Schuhmacherin zu Hause. Der Zwickel ist ein rautenförmiges Stoffstück, vorzugsweise in Damenunterwäsche zu finden aber auch an der Ferse meiner handgestrickten Wollsocken oder in umweltfreundlichen Stoffwindeln. Der Zwickelerlass war eine Notverordnung (es gabt zwei davon), ein sogenannt "brachtvoller" Erlass nach dem Herrn Bracht, Reichskommissar im preussischen Innenministerium. Der Zwickelerlass regelte die Bekleidung beim Baden in öffentlichen Badeanstalten und verbot selbstredend gleichzeitig jegliches Nacktbaden. Männlichen und weiblichen Badegästen war es untersagt, in "anstößiger Kleidung" zu baden, sie mussten Badehosen oder Badeanzüge tragen, die mit einem Zwickel versehen waren und die Genitalien auch in nassem Zustand vollständig bedeckten, also nicht durchsichtig wurden. Der Zwickeltag ist ein Brückentag. Und der Brückentag ist so etwas wie ein Fenstertag. Oder ein Fensterputztag. Jedenfalls hat er mit Wasser zu tun, denn er führt über den Fluss (nicht den Styx) des Lebens.

Dienstag, 30. März 2021

Ertag

Auch das: ein veraltetes Wort für Dienstag. Ertag oder Ergetag oder Erchtag. Wahrscheinlich über Vermittlung gotischer Missionare nach dem griechischen Tagesnamen für "Ares" (Kriegsgott) Ἄρεως ἡμέρα (Áreôs hêméra).

Der nordisch-germanische Gott "Tyr", in der althochdeutschen Schreibweise "Ziu" steckt hingegen nur noch in unserem helvetisch-alemannisches Zischtig. Dienstag hat die ursprüngliche Form Ziestag verdrängt. Ist aber noch im englischen Tuesday enthalten. Ach!

Montag, 29. März 2021

Esstag

Finster heut früh. Und nass. Der Kater freut sich, dass er sein Frühstück eine Stunde früher bekommt. Und hopst dann durch die Klappe. Er ist eigentlich immer unterwegs zur Morgendämmerung. Heute also mit vollem Magen.  

Ess-Tag. S-Tag. StAG = Staatsangehörigkeitsgesetz. Oder STAG = Sail Training Association Germany. Guten Morgen zur Karwoche!

Sonntag, 28. März 2021

Vollmondtag

Vollmond. Ein Mondtag, der nicht auf den Montag - jedenfalls nicht bei uns am Wattenmeer - sondern auf den Sonntag fällt. Im März(en der Bauer ..). Frühjahrsvollmond. Zeitumstellung. Palmsonntag. Nächstes Wochenende wird Ostern gefeiert - jedenfalls bei uns im christlichen Westen. Mit oder ohne Osterruhe, mit oder ohne Ostereier, mit oder ohne Osterreise.

Die Orthodoxen haben noch einen Monat mehr Zeit, Ostereier zu verstecken und Osterruhe oder Osterreisen auszuhandeln. So hat alles seine Vor- und Nachteile.

Spätestens zum Frühjahrsvollmondtag aber sollten die Baselbieter-Röteli-Samen in die Erde. Auf den Vorziehtöpfchen auf meinem Fensterbrett am Wattenmeer. Fensterputzen ist später an der Reihe. Denn heute herrscht Sonntagsruhe! Die Regentonnen laufen gerade über. Und so hat alles, wirklich alles, seine Vor- und Nachteile.

Samstag, 27. März 2021

Werkeltag

Werkeln ist ein nettes Verb. Viel netter als werken oder wirken. Der Werkeltag ist das Gegenteil vom Frei-Tag, oder Feiertag, vom Sonn-Tag oder Sonnentag. Am Werkeltag wird gewerkelt. Aber nicht gebüffelt, nicht geochst, vielleicht gebimst oder gebuckelt. Nicht geackert, gerackert, gefackelt, aber womöglich gefilibustert. Gerödelt. Gerobotet. Gemalocht. 

Freitag, 26. März 2021

Zmittag

Zmittag ist unter den Helvetiern das, was sie am Mittag zu sich nehmen. Das Mittagessen. Die zur Mitte des Tages, pünktlich um 12 Uhr, angebrachte Mahlzeit. Am Freitag gab es in meiner Kindheit immer Spiegelei mit Spinat zum Zmittag. Nicht mit Gschwellti's, sondern mit Salzkartoffeln. Weil der Freitag ein Fasttag war. Nicht nur vor Ostern. Nicht nur in der Karwoche. Nicht nur in der Fastenzeit. Sondern immer. Jahraus, jahrein. 

Alle Mahlzeiten richten sich im Schweizerdeutschen nach einem exakten Stundenplan und werden sprachlich zusammengesetzt nach der einfachen Faustregel Tageszeit + Z: Znüni. Zmittag. Zvieri. Zobe. Zmorge. Znacht.

Donnerstag, 25. März 2021

Pfinztag

Ich ordne mich wieder in die normalen Zeitläufte ein. Pfinztag ist ein Tag der Woche, nämlich der heutige Donnerstag. Eine archaische, regionale, mundartliche, bayrische, österreichische Bezeichnung für den fünften Tag der Woche. Wenn wir antizyklisch, antialttestamentarisch, anti-Moses, anti-Deuteronomium  (Sechs Tage sollst du arbeiten ... am siebenten Tag ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun ...) die Wochentage mit dem Sonntag zu zählen beginnen: mhd. phinztac, das, durch die gotische Mission vermittelt (got. *paíntē dags), auf griech. pémptē hēméra (πέμπτη ἡμέρα) ‘fünfter Tag’ zurückgeht.

Mittwoch, 24. März 2021

Hashtag

Hashtag ist auch ein Tag, wenn auch kein Tag der Woche sondern ein Tag der Kommunikation, ein Meta-Tag oder ein Mark-Up oder Mark-Down, je nach inhaltlicher Schwere. Dieser Tag sieht aus wie eine winzige - an das übrige Schriftbild angepasste - geometrische Raute oder ein Doppelkreuz. Besagen tut er, der Tag, ungefähr soviel wie das verblasste Klebeetikett auf den Einweckgläsern meiner Großmutter im Vorratskeller. Oder ein von Hand geschriebenes Papppreisschildchen an einem dünnen roten Faden, der liebevoll um den Knopf der neuangelieferten Übergangsware gebunden wurde, zu Zeiten, als es noch Modeerscheinungen gab und wir unsere Klamotten analog einkaufen durften. 

Für mich klingt der Hashtag (oder das?) nach Haschtag (etwas erhaschen, nicht kiffen!), Naschtag, Waschtag.

Dienstag, 23. März 2021

Geburtstag

Das "Einsingen um 9" wird heute 1 Jahr alt. Das heißt: seit 365 Tagen - heute ist der 366. Tag - singen die drei aus der Schweiz, Barbara, Julia und Daniel uns aus aller Welt täglich um 9 Uhr live ein. Wir absolvieren regelmäßig unsere Stimm-, Sing- und Dehn- und Atemübungen, trainieren das Hirn und lernen gegen die Vergesslichkeit und andere Beschwerden jeden Tag einen neuen Kanon! Alle, die mitmachen - live um 9 oder zu einer späteren Stunde am Tage - haben dieses eine Jahr unbeschadet überlebt. 

Ein paar Tausend sind wir schon. Die, wie gesagt, noch am Leben sind und sich, trotz widriger äußerer Umstände, ihre geistige, psychische und körperliche Gesundheit erhalten haben.


Montag, 22. März 2021

Montag!

Nun aber! Frisch ans Werk! Endlich Montag! Vor Monaten schon hat eine Nachbarin an meinem Gartenzaun (ich war am Laubfegen, also muss es an einem Montag im letzten Herbst geschehen sein) lauthals ihr Erstaunen darüber geäussert, warum nicht in unserem reichen Land Spenden gesammelt würden für die armen Mallorquiner (ach, die Palmesans, die Inquers, oder die unaussprechlichen Andritxols und Fornalutxencs, die Deianencs, Bugerons, Taujans und Gabellís oder Gabellines und wie sie alle heißen), die nun nichts mehr verdienen können, weil unsere reichen Landsleute unter Hausarrest stehen. 

Ich muss gestehen, dass mich bis heute das Erstaunen über dieses Erstaunen nicht mehr loslässt. Gleich folgt im Radio die Morgenandacht von Herrn Kiene, unserem früheren Meldorfer Probst. Vielleicht hat der eine Antwort parat.

Sonntag, 21. März 2021

Montag

back to the roots - immer noch Montag, immer noch Wochenbeginn, immer noch Hoffnung: ich gebe es zu, es ist meine Form von "Urlaub", Eskapismus! Sich in Zeiten der Pandemie Erklärvideos zu Flügzeugabstürzen "reinzuziehen". Dabei beobachte ich zwei Sorten von Schweizern: die einen wissen alles besser und die andern wissen alles besser. Die einen haben (noch) das Glück, verbal über die anderen herziehen zu können. Die anderen haben ihr Unglück selbst heraufbeschworen und müssen schweigen. Punkt. Von "Cowboys im Cockpit" beim Gebirgsflug zu sprechen, zeugt von einer poetischen, nicht wissenschaftlichen Betrachtung der Welt. Ich lese gerade, dass Adam Zagajewski in Krakau gestorben ist - der beherrschte die Kunst des poetischen Weltverwandelns eindeutig besser!


Samstag, 20. März 2021

Samstag in Liestal

live aus Liestal, einer Kleinstadt in der Schweiz: Zentrum des "Stillen Protests"!

https://www.20min.ch/story/kommt-es-zum-grossaufmarsch-der-corona-skeptiker-im-baselbiet-798421896568

https://www.swissinfo.ch/ger/tausende-demonstrieren-in-liestal-gegen-corona-massnahmen/46465010 

https://www.srf.ch/audio/info-3/tausende-protestieren-in-liestal-gegen-corona-politik?id=11952886

Montag

Frühlingsanfang. Draußen ist es eisig kalt. Eine blutrote Sonne stieg vor vier Stunden kurz aus den Wolken am Horizont und hüllte sich gleich wieder ein und zu. Auch der Kater schläft seit dem Frühstück tief und fest und will nicht gestört werden.

Aber ich habe etwas vor am Nachmittag. Outdoormeeting. Fahrradausflug im Regen. Noch einmal mit Winterhose, Winterjacke, Wintermütze, Winterschal und Winter(hand)schuhen.

Montag? Ach ja, Montag will es wieder werden.

Freitag, 19. März 2021

Montag

Eine Woche magischer Montage. Heute Vormittag hat es geschneit. So dicke Flocken, dass Herr Caruso fasziniert dem Treiben zuschaute. Vom warmen Sofa aus. Kürzlich wurde "Das Jahr magischen Denkens" von Joan Didion als Hörspiel gesendet. Und schon am Montag musste ich es noch einmal nachhören. Und noch einmal. Undnocheinmal. Weil Montag auf Montag folgte. So sehr hat mich die Stimme von Heidi Ecks mitgenommen. Gefesselt. An den Abend vor einem der Montage. Ein Einfrauenstück. Die Stimme der einzigen Frau erzählt auch von Männern und anderen Frauen. Zuweilen wird sie (technisch im Studio) verdoppelt. Verdreifacht. Zurückgenommen. Abgedreht. Und wieder angeboten. Manchmal klingt sie so, als würde sie schreiben, manchmal so, als würde sie lesen und manchmal - und das sind die intimsten Momente dieses Sprachspiels, sehr sparsam eingesetzt - so, als würde sie sprechen. 

Bestimmt noch mehrere Montage nachzuhören:

https://www.deutschlandfunkkultur.de/hoerspiel-nach-joan-didion-das-jahr-magischen-denkens.3684.de.html?dram:article_id=49050

 

Donnerstag, 18. März 2021

Montag

Immer noch. Hänge ich. Hinke ich der Zeit hinterher. Herr Caruso kann mir nun nicht mehr weggenommen werden. Er gehört nach einem halben Jahr mir und nicht mehr seinen früheren Besitzern. Noch gehört er aber für ein weiteres halbes Jahr auch dem Tierheim (also könnte ich den Beiß-Ungehemmten doch retournieren?). Komplizierte Eigentumsverhältnisse. 

Ich hatte einen Termin an der Tür des Rathauses in Sachen PA und RP. Ich habe ihn nicht verpasst und wurde eingelassen. Der Reisepass wurde entwertet, da man derzeit eh nicht reisen kann. Ich behalte ihn noch ein paar Montage aus purer Nostalgie. Mein erster deutscher Pass! Der Personalausweis ist noch ein paar weitere Tage gültig, Danach bin ich ausweislos. Bis ich den neuen bekomme. Ausweglos. Aussichtslos. Ich besitze nicht einmal einen Führerschein. Geschweige denn ein Statusstiftendes Gefährt dazu.

Mittwoch, 17. März 2021

Montag

Es ist wie ein Kratzer auf der Schallplatte. Ein Anachronismus. Ein Sprung in der Teeschale oder in der Schüssel. Wabi-Sabi bei den Japanern. Upcycling bei uns. Der Sprung in die Schüssel. Eine Maus, die vor Jahren in unserer Garage in einen großen grünen Keramikblumenübertopf gesprungen war, kam nicht wieder heraus. Ich entdeckte sie erst im Frühjahr. Völlig vertrocknet. Den Spuren nach zu urteilen, musste sie den halben Winter bis zur totalen Erschöpfung im Innern herumgesaust sein und vergeblich versucht haben, die glatten Wände hochzukommen.

Es ist schon einige Montage oder Monate her, seit ich (wer? mein Bauch? mein Hirn?) das erste Mal seismografisch erschüttert wurde. Durch eine Kleinigkeit, ein in normalen Zeiten völlig normales "halbsoschlimm", in nichtnormalen Zeiten aber ein mittelschweres Seebeben. Ich hatte eines Tages absichtslos, also ohne danach gesucht zu haben, endlich entdeckt, wo ich Glühbirnen entsorgen kann. In einem der neu entstandenen Super-Märkte an der B5 gibt es ein Rücknahmesystem nicht nur für gebrauchte Batterien. Also radelte ich eines Tages, er war tatsächlich ein Montag, denn mit guten Vorsätzen fängt immer die neue Woche an, mit meinen über die Jahre gesammelten verglühten Leuchtkörpern durch die Marschkammer auf die andere Seite der Bahnlinie. Und als ich vor dem Behältnis stand, fiel mir die erste Birne einfach aus der Hand auf den polierten Boden und zersplitterte in hunderttausend spröde Fasern.

Dienstag, 16. März 2021

Montag

Über Nacht wie neugeboren. Ausgeschlafen. Jede Erinnerung gelöscht. Es war auch ein Montag, aber ein ganz anderer, als ich merkte, dass mein deutscher Personalausweis demnächst abläuft. Auch mein deutscher Pass. Ob ich den überhaupt noch einmal brauche in meinem Leben? Fragte ich mich am Dienstag. Und: Wie komme ich nun an neue Ausweise? - Meine Schweizer Ausweise sind schon seit Jahren abgelaufen, ohne dass es mich kümmert, wie ich sie erneuerrn kann. Hier warte ich auf die technologische Innovation, die kürzlich vom helvetischen Stimmvolch abgeschmettert wurde. - Bei uns, versicherte mir eine Dame am Telefon aus dem Rathaus, mit Anmeldung. Und woher bekomme ich in diesen Zeiten ein neues Passfoto? Beim Fotografen, beruhigte sie mich. Auch mit Anmeldung. Und ohne Maske. Der Fotograf hatte am selben Tag einen freien Termin, so dass mir die Qual, ich könnte wie immer über Nacht alles vergessen, erspart blieb.

Montag, 15. März 2021

Montag

Ein ganz normaler Montag. Das Einsingen um 9 muss ich vorzeitig abbrechen, da ich einen Termin habe. Routine. Kontrolle. Seit Tagen erinnere ich mich daran, dass ich am Montag einen Termin habe. Seit Tagen fürchte ich, ich könnte vergessen. Weniger den Termin, als den Tag. Seit Wochen, Monaten muss ich mich jeden Tag aufs Neue beim Aufwachen zwingen, mich zu erinnern. An den Tag, der Woche, des Monats, des Jahres. 

Ein ganz normaler Montag also. Ich vergesse den Termin nicht, ich vergesse den Tag nicht, ich vergesse die Zeit nicht. Ich verlasse rechtzeitig mit Regenjacke das Haus. Vor dem Ärztezentrum stelle ich das Fahrrad ab und ziehe die medizinische Maske über Mund und Nase. Im Ärztezentrum bin ich zum ersten Mal verwirrt. EG oder OG? Zwar sehe ich Tafeln, aber ich kann nicht lesen. Die Brille ist nicht nur beschlagen sondern auch verregnet. Vor einem Jahr hatte ich die Kontrolle abgesagt, ich hatte keine Lust, während des lockdowns in eine Arztpraxis zu laufen. Ich hätte sie auch heute absagen sollen. Ich habe nach wie vor keine Lust. Zu nichts. Ich bin nach einem Jahr physical distancing gesellschaftlich so entwöhnt, dass ich mich in einem ganz normalen Gebäude einer ganz normalen Kleinstadt nicht mehr zurechtfinde. 

Ein ganz normaler Montag. Wenn ich schon, denke ich, während ich das Fahrradschloss wieder aufschließe, im Regen unterwegs bin und eine medizinische Maske aufhabe, die ich so schnell nicht wieder absetze, kann ich noch einkaufen. Ich kaufe also Milch, Joghurt, je 4 x, damit es für die ganze Woche reicht, Bananen, Zitronen, Ingwer, Haferflocken. Im Vorbeigehen Couvertüre Zartbitter und Milchschokolade. Vielleicht backe ich heute noch Kuchen. 

Ein ganz normaler Montag. Ich bin nach zwei Stunden wieder zu Hause. Verregnet. Herr Caruso freut sich. Er wartet auf Futter. Bestürzt merke ich, dass sich eine Banane in einen Joghurtbecher gebohrt hat. Dass eine Packung Haferflocken auf der ganzen Längsseite aufgerissen ist. Dass die herausquellenden Flocken zum einen Teil Regengetränkt sind, zum anderen Joghurtgetränkt. Ich ziehe eine tropfende Spur hinter mir her. Herr Caruso ist so freundlich, alles aufzulecken. Konsterniert betrachte ich in der Küche das Frühstück meiner nächsten Tage: unappetitlich im Einkaufsbeutel vereint. Versaut. Ich überlege, was nun zu tun sei. Und finde keinen Ausweg. Sogar der Kater zieht sich zurück.

Ein ganz normaler Montag. Nachdem ich eine Stunde am Mittag erschöpft und traumlos geschlafen und danach das Einsingen zu Ende nachgeholt habe, betrachte ich die Bescherung in der Küche. Die Haferflocken bekommen die Vögel, den Joghurt Caruso. Die Banane hat eine harte Schale. Der Einkaufsbeutel landet im Müll. Alles andere, Zitronen, Ingwer, Couvertüre usw. lag im zweiten Beutel und ist unversehrt. Alles halbsoschlimm.

Ein ganz normaler Montag. Trotzdem zittern meine Knie. Halbsoschlimm, ja. Aber so etwas ist mir noch nie passiert. Und das erste Mal ist immer ein Anfang. Der Anfang wovon? Ich friere und frage mich am Herd, wie ich denn heute wieder auf ganz normale Gedanken komme?

Sonntag, 14. März 2021

Montgolfière

Die Montgolfière ist keine Frau. Sie bekam ihren Namen von zwei Männern, von zwei Brüdern. Sie hießen Montgolfier. Die Montgolfière ist die weibliche Form eines männlichen Namens. 

Abgesehen davon ist die Montgolfière eine Maschine, eine sogenannte aerostatische Maschine. Ein Ballon, ein Gasballon, ein Heißluftballon. Ein Unding, ein Luftball, ein Luftsprung. Das vorläufige oder kurzfristige Ende der Gravitation, die Überwindung der Erdanziehung. Ein Übermut. Mehr als männlicher Mut. 

Mit der Montgolfière konnte man reisen. In der Höhe, in der Luft über den Feldern fahren, nicht fliegen.

Samstag, 13. März 2021

Mond

Wir verlassen nach "men-" und "mün-" nun auch das "man-" und kommen zum "mon-": Was ist naheliegender als der Mond, der gerade neu wird, dh ab der nächsten Sekunde bereits wieder zunimmt. 

Es regnet und ich lasse die Regentonne halbvoll laufen. Ganzvoll ist mir zu riskant. Falls doch noch einmal richtiger Tag- und Nachtfrost kommt. 

Am Nachmittag werde ich die Fensterbank abräumen für meine Vorzucht. Tomaten, Jalapenos, Linsen und was ich sonst noch so finde in meinem Fundus.

Freitag, 12. März 2021

Mandarin

Noch ein Wort, das nicht essbar ist und im Deutschen mit allen drei grammatischen Gechlechtern funktioniert. 

Das Mandarin, sagt der Sinologe, ist die Sprache der Mandarin. 

Der Mandrin war ein kaiserlicher Beamter solange es ein Kaiserreich gab in China. Das Mandarin ist also genaugenommen die Beamtensprache. Ungenau genommen meint es landläufig die chinesische Hochsprache. Linguisten aus aller Welt behaupten, Mandarin sei eine Gruppe von Dialekten. 

Wie auch immer: die Mandarin ist nicht eine kaiserliche Beamtin, solange es ein Kaiserreich gab in China. Denn weibliche Beamten existierten nie. Kaiserlicher Beamter konnte nur ein Mann werden. Auch das ist hier unwichtig. Denn die Mandarin ist eine OLH - Orientalisch Lang-Haar Katze. Im Gegensatz etwa zu meinem EKH - Europäisch Kurz-Haar Kater.

Donnerstag, 11. März 2021

aufplustern

Klaus, der Orkan fegte heute Nachmittag beeindruckende Böen über unsere Köpfe und Dächer. Noch ist er nicht am Ende. 

Major, der dreijährige "First Dog" (Schäferhund, der erste Tierheimhund im Weißen Haus) des Amerikanischen Präsidenten musste den Amtssitz bereits wieder verlassen. Sein älterer Spielgenosse Champ auch. Obwohl nur der Jüngere sich nicht an die neue Umgebung anpassen wollte und ungezügeltes Verhalten an den Tag legte, Bedienstete und Sicherheitspersonal unfreundlich anbellte, ansprang und angriff. Ein "Beiß-Vorfall" wird kolportiert, aber nichts genaueres wissen wir.

Herr Caruso, my personal first cat (EKH, Tierheimkater) darf bleiben. Obwohl er mich kürzlich wieder auf dem Sofa gebissen hat. Und fast täglich im Garten Herrn Baron verprügelt, den schwarzen Kater meiner Nachbarn. Ich ziehe die Tierärztin telefonisch zu Rate. Sie vermutet Langeweile (die schließe ich aus), Schmerzen (kann ich nicht beurteilen) oder eine nie erlernte Beißhemmung. Zu früh von seiner Katzenmutter getrennt. Meine Rede! So wie dieser Kater sich auf meinem Bauch auf meinem Sofa benimmt! Die Tierärztin rät mir dringend davon ab, ihn weiterhin auf mir liegen oder sitzen zu lassen. Im Internet lese ich, Katzen mit fehlender Beißhemmung solle man anpusten, ihnen einen heftigen Luftstoß aus dem Mund entgegenschleudern - damit würde man das Fauchen der Mutter imitieren. Sich im Wohnzimmer aufplustern und Stärke manifestieren. Das werde ich ausprobieren! Nach dem Vorbild von Klaus.

Mittwoch, 10. März 2021

anbandeln

"anbandeln" geht auch im Märzen der Bauer ... kaum steigen die Temperaturen tagsüber sachte über Null, schmeißen die Dithmarscher Bauern ihre Gülle in die Feldmark, dass es zum Himmel stinkt! In Ermangelung anderer Tätigkeiten pflanze ich meine Zimmerpflanzen um. Die frisch gekaufte Blumenerde riecht so übel nach Schweinestall, dass ich die sorgsam umgetopften Zimmerpflanzen bis auf Weiteres aussetze. Draußen vor die Tür. Zum Auslüften. Nachtfrost hin oder her.

Dienstag, 9. März 2021

aufmandeln

"aufmandeln" hätte vielleicht besser zum gestrigen Tag gepasst. Für mich passt das Wort zu jedem beliebigen Tag des Jahres. Ich bin ausnahmslos an jedem Tag des Jahres eine Frau. So will es meine Geburtsurkunde. Nicht nur am Achten März. Aufmandeln hat so wenig mit essbaren Nüssen (Mandeln eben) zu tun, wie die Mandel, das norddeutsche Zählmaß, das angeblich nur noch in Kreuzworträtseln Verwendung findet. Aufmandeln, teilt mir ausgerechnet mein von mir getrennt lebender Ehemann mit, komme aus Altbayern, sei die altbayerische Verkleinerungsform zu Mann (Hochdeutsch: Männlein, am Oktoberfest: Mandl). "Der mandelt si auf!" Das (!) ist ein Wichtigtuer. Ein großer Mann nämlich, der sich wie ein kleiner Mann aufführt.

Montag, 8. März 2021

Mandat

Das Mandat. Der Mandatsträger oder die Mandatsträgerin. Kommt natürlich von lat. mandare, einer Verschmelzung von manus (Hand) und dare (geben) - in die Hand geben. Übergeben. Anvertrauen. Bevollmächtigen. Jemandem etwas in die Hand legen. Manchmal ist das so eine Sache. 

Auch mit den Mandanten. Dem Partizip (Präsens: mandans, mandantis) und dem Prinzip.

Die Schweizerinnen und Schweizer haben wieder einmal abgestimmt. Ich auch. Weil ich nach wie vor dazu gehöre, zum stimmmündigen nimmermüden Stimmvolk. Weil es schätzungsweise zwei Mandeln potentieller Nikabträgerinnen (Ganzkörpergewand mit Augenschlitz) im ganzen Land gibt (abgesehen von Touristinnen, deren zahlungskräftige Ehemänner hofiert werden), wurde mit erprobten Mitteln gegen Extremismus gehetzt. Gegen Islam. Gegen die fremden Fetzen. Business as usual. In Zeiten von Corona darf man nun in der Schweiz nicht mehr sein Gesicht verhüllen. 

https://www.spiegel.de/politik/ausland/schweizer-verhuellungsverbot-ein-sieg-der-ignoranz-kommentar-a-f31b7eb2-1173-4660-a4b7-1a7771928364?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

Sonntag, 7. März 2021

Mandeln

Die Mandel kommt wahrscheinlich auch von lat. manus = die Hand! Eine Handvoll. Oder von mittellat. mandala = Bündel, Garbe. Plural: Die Mandeln.

Drei Mandeln Eier sind also drei Handvoll Eier. Wieviele Eier damit gemeint sind, hängt davon ab, wie groß die Hand ist und wie viele Eier auf dem Weg in die Küche zu Boden fallen. Eine Mandel Getreide hingegen hängt eher davon ab, wie lang die Arme des Bauern sind.

Auf jeden Fall sind diese Mandeln im Sprachgebrauch als Maßeinheit veraltet. Und man kann sie, wie jedes andere Zählmaß auch, nicht essen.

Samstag, 6. März 2021

münden

Derzeit mündet alles, Leben, Nichtleben, Nachtleben, Tagleben, begegnen, nichtbegegnen, sprechen, nichtsprechen, verstummen, schweigen, verschweigen, Stille, Unstille, Lärm, Verständnis, Unverständnis, Kunst, Nichtkunst, verholen, unverholen, Handschlag, Handumdrehen, Handkuss, Hinterhand, Vorderhand, Handgelenk, Hinterhaus, Vorderhaus, Hinterlist, Ruhe, Unruhe, Verschwörung, verzagt und unverzagt, Wahrheit, Unwahrheit, Vordergrund, Hintergrund, Abgrund ... und dergleichen und des ungleichen mehr: im Livestream. Marthalers "Orphée et Euridice" am Opernhaus Zürich (video on demand bis 5.4. - am ergreifendsten der Abspann!) oder "aller-retour" im Zug von Lausanne oder Bern nach Fribourg in die Neue Welt am Alten Bahnhof, das alltägliche virale Einsingen um 9 seit einem Jahr, die Zoomchorprobe am Montag, die Bachstiftung am Viehmarkt in der Olmahalle. Wie der Golfstrom ist der Livestream zum globalen Förderband geworden. Wie es anläuft, was es transportiert, wo es mündet, weiß niemand. Wie der Golfstrom kann auch der Livestream jederzeit kippen, die Richtung ändern oder einfach aufgrund einer restlos ausgeschöpften Datenübertragungsrate enden. Abruptus. Im schwarzen Un.

Freitag, 5. März 2021

mündig

Mündig wird ein/e Mündel nie, denn sobald er oder sie oder es "erwachsen" / "volljährig" / "zu Rechtshandlungen berechtigt" ist, fällt der Status des Mündelseins dahin. Mündig und Mündel sind also, obwohl etymologisch blutsverwandt, semantisch sich ausschließende Gegensatzpaare. Heute ist ein/e mündige/r/s Mündel ist ein Oxymoron. Kein Pleonasmus.

Mündel und mündig gehen zurück auf indo-urgermanisch munt/mund als "Hand, Schirm, Schutz" und sind verwandt mit lateinisch manus, griechisch márē - beide Hand. 

Der wichtigste Muntverband war die Familie, in der der Hausherr die Herrschafts- und Schutzgewalt über alle in der Hausgemeinschaft lebenden und somit von ihm zu schützenden Personen ausübt. Töchter traten aus der Munt des Vaters unverzüglich in die Munt des Gatten über. Söhne hingegen wurden bei der Gründung eines eigenen Hausstandes selbstmündig.

Sprachgeschichtlich folgen die Formen mündig, unmündig, entmündigt, Mündel usw. einer schwundstufigen Erweiterung von -nt, -nd zu -ndi, nde.

Mündig sein oder werden bedeutet also, das eigene Leben in die eigene Hand nehmen zu können. Die eigene Hand schützend über sich selbst halten, und sich selbst rechtlich vertreten zu können.

Donnerstag, 4. März 2021

Mündel

Mündel ist vielleicht das einzige Wort, das lt Duden in allen drei grammatischen Geschlechtern auftreten darf: die Mündel, der Mündel, das Mündel. Sie unterscheiden sich aber im Plural, so bleiben die männlichen und neutralen (?) Mündel Mündel, auch wenn sie zu mehreren, zum Beispiel selbdritt auftreten. Die weibliche Mündel aber vereinigt sich im Kreise anderer adrett zu Mündeln. Selbstredend unterscheidet sich auch der Genitiv: die Stiefel des Mündels, die Sandalen der Mündel.

Mittwoch, 3. März 2021

Mendelssohn

Noch einmal ein frostiger Morgen. Es wird nicht mehr viele davon geben, deshalb noch einmal ein Bild.

Mendels Söhne, Töchter, Schwestern, Brüder ... deren gab es viele.  Fanny Hensel war eine hochbegabte geborene Mendelssohn, die Schwester ihres berühmten Bruders, die Enkelin ihres berühmten Opas, die Tochter ihrer weniger berühmten Mutter. Fanny Hensel musste wie alle weiblichen Mitglieder dieser Familie ihre Fähigkeiten weitgehend unter Verschluss halten. Zur privaten "Zierde" durfte ihr die Musik dienen, und dass sie "wie ein Mann" Klavier spiele, galt als höchstmögliches Kompliment für eine Frau.

Dienstag, 2. März 2021

Mendelevium

Mendelevium hingegen hat nichts mit Natur und nichts mit dem Lieben Gott zu tun. Das Mendelevium ist ein "ausschließlich" künstlich hergestelltes chemisches Element mit der Ordnungsnummer 101 und dem Symbol Md. Mendelevium gehört zur Gruppe der Transurane und ist benannt nach dem russischen Chemiker Dmitrij Mendelejew (1834-1907).

Mendelejew war fast ein Zeitgenosse Vater Gregorius Mendels, dem späteren Abt der Brünner St. Thomas Abtei, der seine wissenschaftliche Laufbahn aus bitterer Brotnot mit der eines Ordensmannes tauschte, dem zeitlebens die Anerkennung für seine Erkenntnisse in der Vererbungslehre, die er aus Experimenten im Klostergarten gewann, verwehrt geblieben war.

Im Märzen der Bauer ... bei mir dürfen es auch mal kompliziert verschachtelte Sätze sein.

Montag, 1. März 2021

mendeln

mendeln ist in der Grammatik ein schwaches Verb (er oder sie hat gemendelt), in der Biologie aber eine starke Sache in der Vererbungslehre. Gewisse, vorteilhafte Merkmale werden nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten an die nächste Generation weitergegeben. So soll, glaubt man der Heiligen Schrift, mit Hilfe der Priester aus wilden Gräsern unser Kulturgetreide entstanden sein. Das Hauptproblem dabei war der Wind. Es galt den Wind zu überlisten, der die Samen immer wieder nach Belieben wegpustete und wild zerstreute. Es galt, dem Wind die Macht über die Fortpflanzung zu nehmen und die Pflanzen dazu zu bringen, dass sie Ähren bildeten, in denen ihre Körner feststeckten. Das ist mendeln, benannt nach dem mährischen Augustinermönch Gregor Johann Mendel (1822-1884): aus Gras Getreide züchten. 

Getreide kann geerntet, die Körner gemahlen, aus dem Mehl gebacken werden ... Aber das sind andere Geschichten.