Freitag, 29. Juli 2016

Standfest

Ich bin zurück. 8 Uhr schwimmen am Landsende. 9 Uhr Deutsch mit N+M. Die Kinder haben Lernfrei, die Eltern noch nicht. 11 Uhr Kram auf Hanswarft erledigen. 12 Uhr Ockenswarft. Vor dem Fenster Kühe, Schwalben, Kirschen. Hinter dem Fenster Schreibtisch. Ich kann immer noch nicht verstehen, weshalb die Geistlichkeit im Mittelalter dachte, Schwalben würden am Grunde von Seen überwintern und Ringelgänse in fernen Ländern auf Bäumen wachsen. Nur weil sie noch niemand nisten gesehen hatte und die Taymir-Halbinsel jenseits jeglicher Vorstellungskraft lag. 13:30 Ende der Denkpause. Umziehen. Sonnencreme und Sonnenhut. 14 Uhr Abmarsch ab Lorenzwarft zum Japsand. Ideal! Besser geht es nicht. Eventuell zur harmonischen Abrundung des Tages um 22 Uhr nochmals schwimmen am Landsende.

Donnerstag, 28. Juli 2016

Strandpromenade

Ich komme todmüde und ernüchtert zurück. Ich weiß nicht, was mich mehr erschöpft. Der Briefkasten oder das Wetter. Muss mich als erstes auf den Deich setzen und aufs Watt gucken.
Kein Wasser weit und breit, obwohl ich eben erst von der Fähre gestiegen bin. Dafür der Kirchturm von Pellworm zum Greifen nah. Und ein Himmel! Und Wolken! "Glotzen" darf ich nicht mehr sagen, weil das Wort falsche Assoziationen wecke. Ich soll den Fernseher - die "Glotze" im Volksmund, aber eben nicht in meinem - den ich als erstes am ersten Tag auf der Hallig, in meinem Zimmer auf Ockenswarft weggepackt habe, herausrücken. Tu ich doch gerne.
Jeder Festlandtrip dient nur dazu, meinen Stand hier zu festigen. Punkt.

Mittwoch, 27. Juli 2016

Aufgehobenes

Ich fahre mit leichtem Gepäck für einen halben Tag und eine ganze Nacht aufs Festland. Auf der Fähre lese ich Sarah Kirsch, "Krähengeschwätz". Notate aus den Achtziger Jahren. Vieles über Schafe in "Tee" wie Tielenhemme. Aber nicht nur. Der Trost kommt auf Seite 124: "Ich muss für die Rentenversicherung Bürokratie erledigen. Die wollen Diplome sehen, die ich längst weggeschmissen oder verbummelt habe. Noch nicht mal mein Abi-Zeugnis konnte ich finden. Kann ich aber nachbestellen, selbst noch im Ländchen müsste alles aufgehoben sein."

Dienstag, 26. Juli 2016

Bahnenschwimmen

Die Flut kommt in den Morgen.
Die Sonne geht bereits eine halbe Stunde später auf als nach der kürzesten Nacht. Und entsprechend unter. Das ergibt eine ganze Stunde Tageslicht, die uns abhanden gekommen ist. Der Mond steht noch oder schon wieder halb am Himmel. Die Wolken kommen von Nordnordost. Vom Festland. Ich bin am Landsende und das Wasser ist so warm, dass ich Bahnen webe. Hin und Her. Her und Hin. Hin und Her.

Montag, 25. Juli 2016

Wandtafelbild

Die Schulferien haben begonnen. Die Entwicklung von Eis über Wasser zu Dampf ist hochspannend!
Handschriftlich kam der Dank auch bei mir an. Zweifach und in Grün. Die Halligkinder sind nett und gut erzogen!

Sonntag, 24. Juli 2016

Entenmuschel

Entenmuscheln haben kein Herz und lieben doch. Sie sind Zwitter und pflanzen sich trotzdem fort. Sie ernähren sich von Plankton und trübten lange Zeit den menschlichen Verstand. Nährten Irrtum und Irrsinn. Ein walisischer Bischof will im finsteren 12. Jahrhundert gesehen haben, dass Nonnengänse aus eben diesen Muscheln "schlüpften". Er wusste nichts von Zugvögeln oder vom Vogelzug, hatte keine Ahnung, dass die Gänse bis zu 4000 Kilometer zurücklegen, um die Brutgebiete auf Svalbard zu erreichen. Er dachte, sie wüchsen auf Bäumen. Und er wusste nicht, dass die Nonnengänse im Gegensatz zu den Ringelgänsen nur salzarme Nahrung mögen und deshalb im Herbst auf den Salzwiesen der Halligen nur anzutreffen sind, wenn es gnadenlos vom Himmel schüttet und der Regen die Wiesen aussüßt. Im Mittelalter diente die Erkenntnis von Bischof Giraldus dazu, dass die Nonnengänse auch während der Fastenzeit verzehrt werden durften. Sie galten als "meeresgeborene Fastenspeise". Und die Entenmuschel - ein Krebs aus der Gattung der Rankenfüßer, percebes in Spanien und Portugal, gilt als mediterrane Delikatesse, die nur unter Lebensgefahr von steilen Felsen in der Brandung an der galizischen Atlantikküste geerntet werden kann.

Samstag, 23. Juli 2016

Wüstengefühl

Ich laufe mit dem Wasser ab. Gehe ins Watt. Es ist voller Muschelschalen. Und weich. Und windstill. Ich spüre jetzt schon die Hitze dröhnen. In meinem Kopf. Ich verdurste fast. Wie in der Wüste, denke ich und eile nach Hause.

Freitag, 22. Juli 2016

Konkurrenzvegetation

Auch ein schönes Wort: Konkurrenzvegetation. Die Pflanzenwelt ist nicht anders gestrickt als das menschliche Hirn. Oder umgekehrt. Man kann alles mit der Evolution erklären. Pionierpflanzen entstehen aus dem Nichts und überziehen Felsschutt, Ergussgestein, Aschekegel. Auf der Gezeitenebene sind es die Halophyten, salztolerante Pflanzen, die als erste aus der Salzwiese sprießen. Andelgras und Queller. Ist der Boden aber stabilisiert, am Wattenmeer durch Aufschlickung und Anlandung, im Gebirge durch karbonhaltige Feinerde, werden die Erstbesiedler gnadenlos kahlgeschoren, von der Konkurrenz eliminiert, überwuchert, erstickt und vertrieben. Irgendwann blüht dann der Deich so poetisch anrührend wie gerade jetzt auf der Hallig: Wie eine hochalpine Blümchenwiese, denke ich, ohne etwas auszuschließen.

Donnerstag, 21. Juli 2016

Hitzefrei

Hitze und Zitronenkuchen. Statt Konversation Küchendienst. Ich mische die Zutaten im Stehen. Unsere afghanischen Gäste sind immer wieder bestürzt über Nachrichten von afghanischen Landsleuten. Und dann sind sie glücklich darüber, dass ihre Wohnung von unnötigen Möbeln befreit wird. Es fällt ihnen sehr schwer, Wörter wie Tisch oder Stuhl zu behalten. Sie brauchen tatsächlich nichts, außer einem Teppich am Boden. Auch in der Küche. Und sauberen Tüchern. N. knetet den Teig im Sitzen.

Mittwoch, 20. Juli 2016

Vollmondtag

Nach dem Nebel der Nacht kam die Hitze des Tages. 28° im Schatten. Auf der Hallig! Auf dem blühenden Deich, wo es keinen Schatten gibt. Der Wind frischt erst jetzt zum Abend, kurz vor Mondaufgang, etwas auf. 

Nebellandunter

Der Vollmond ist gerade eben, kurz nach Mitternacht, voll geworden. Nach Sonnenuntergang stieg der Nebel aus den Fennen. Waberte durch Kühe hindurch, die sich davon unbeeindruckt zeigen. Sie schweben. Ohne Boden unter den Klauen. Und die Warften scheinen vom Landsende aus unerreichbar fern. Der Mond ging vor Sonnenuntergang auf und beleuchtet nun das Spektakel mit seinem  kalten Licht. Ich mag überhaupt nicht nach Hause gehen in so einer Nacht und die Augen schließen.  

Dienstag, 19. Juli 2016

Homöostase

Im neuesten Feuilleton meiner klugen Freundin J. aus W. lese ich, dass jede wichtige Diskussion mit der Beeinträchtigung der Homöostase beginnt. Mit der Störung eines unaufgeregten Seelenzustandes also, der mentalen Gelassenheit oder eines austarierten Blutdrucks. Auch das körperliche Gleichgewicht ist wichtig bei der Selbstregulation des Systems. J. aber, meine kluge Freundin aus W. geht sogar so weit, die Grenzverletzung (nennen wir es mal so) als Grundbedingung für jede gesellschaftliche Veränderung anzusehen. W. ist die Hauptstadt Polens, also Warschau, und dort geht gerade alles drunter und drüber.
J wie Joanna weist nach, dass das Sprechen über Sprechenmüssen ("wir sollten sprechen"), oder das Sprechen über den Ton des zu Sagenden und Noch-nicht-Gesagten statt über den Inhalt, oder Sprechen über die Haltung des Gegenübers, des potentiellen oder zukünftigen Gesprächspartners ("Du bist überheblich", "Das hätt' ich von Dir nicht gedacht ...") ausgezeichnete Strategien sind, ein Gespräch, das man nicht führen will, gar nie zu beginnen.
Alles bezogen natürlich nur auf die aktuelle Lage in Polen. In polnischer Sprache nachzulesen hier:
Joanna Krakowska http://www.dwutygodnik.com/artykul/6653-konformy-kropka-nienawisci.html

Montag, 18. Juli 2016

äolische Sedimente ...

... sind vom Wind transportierte Sedimente. Also alles, was von der Rautispitzostwand am Hooger Süderdeich oder auf den Amrumer Dünen anlandet. Ich lerne, dass diese Sedimente schweben, springen oder kriechen können. Aiolos ist der griechische Gott des Windes, mein ganz persönlicher Erlöser. Löss und Schluff bilden fruchtbare Böden. Und die Sandsteine, die aus äolischen Sedimenten entstehen, sind so gut sortiert wie die Seele eines Sterbenden. Ich hoffe es jedenfalls, dass die Schöpfung einigermaßen perfekt eingerichtet ist. Die Sandkörner, die diese Sandsteine bilden, sind alle ähnlich groß und entsprechend regelmäßig ausgeformt sind die Hohlräume zwischen ihnen, den einzelnen Körnern. Ich habe einmal etwas über das Sandlückenlabyrinth geschrieben. Es gibt für mich fast nichts faszinierendes als die Ewigkeit der Innenräume.

Sonntag, 17. Juli 2016

Deichsteine

Das ist die Vier mit Steinbuhne. Ich laufe gegen den Uhrzeigersinn um die Hallig. Ich versuche, anzukommen und zu vergessen. Das geht am besten mit Mathematik. Die Deichstrecke ist in je 100 Meter lange Abschnitte gegliedert und mit entsprechenden Deichsteinen von 0 bis 110 markiert. Nicht alle sind für mich auffindbar. Trotzdem beträgt die gesamte Deichlänge seit Fertigstellung im Juli 1914 also 11,1 Kilometer. Trotzdem brauche ich normalerweise zweieinhalb bis drei Stunden um herumzukommen. Die größere Strecke, sagt mein Handbuch, besteht aus einem Erddeich. Sommerdeich mit besodeten Böschungen. Hier laufe ich federnd auf Gras und zwischen blühenden Blumen. Der Untergrund ist weicher als auf dem Steindeich. Der Steindeich ist höher als der Sommerdeich. Der Norderdeich hat ein Schotterbett, der Deichfuß ist aus Felsen gesetzt und die wärmende Deichdecke besteht aus Basaltsteinen. Hier gelingt das Vergessen am besten, denn immer habe ich den Eindruck, ich befände mich in einer Vulkanlandschaft auf Island.
Wieder am Landsende angekommen, ist schon so viel Wasser aufgelaufen, dass ich vor dem Regen schwimmen kann.

Samstag, 16. Juli 2016

Zeitverschiebung

Zugausfall. Ich warte genau hundert Minuten am Bahnhof in Meldorf auf den Schienenersatzverkehr. Es sind die hundert Minuten, die ich in Bredstedt auf dem Markt im Café verbracht hätte. Es hat sich nur die Umsteigezeit verschoben. Und die Umsteigeumstände. Ich friere erbärmlich und bekomme nichts Warmes zu trinken. Die Hallig betrete ich trotzdem pünktlich. Es regnet, aber das macht nichts.
Schon auf der Fähre kehre ich zurück zu Wörtern wie Wattsockel, Fluvialerosion, gefräßigen Bohrmuscheln, Strudellöchern oder Auskolkung von Lahnungsköpfen und so weiter.

Freitag, 15. Juli 2016

Handschrift

Ein Tag in Meldorf. Im Dauerlauf. Ich muss nicht nur mein Leben, sondern auch meinen Tod in meine Hand nehmen. Das weiß ich nicht erst seit gestern, sondern seit mindestens zehn Jahren. Ein Kind wird in eine Welt hinein geboren, der es erstmals bedingungslos vertraut, es würde sonst keinen Tag überleben. Ich verliere mit zunehmendem Alter zunehmend Vertrauen. Es baut sich so kontinuierlich ab wie meine Haare zuerst grau werden und dann schlohweiß. Ist das ein Wunder? Ich habe heute alles handschriftlich festgelegt, was handschriftlich festgelegt werden kann. Und zu guter Letzt habe ich die Mülltonnen anders platziert. Die Ameisen waren dabei, sich in ihrem Schutze meines ganzen Meldorfer Hauses zu bemächtigen.

Donnerstag, 14. Juli 2016

Kirchenglocken

Wie zum Trost wecken mich heute Kirchenglocken. Domglocken. Lange nicht gehörte Klänge, vermischt mit Verkehrslärm und Martinshorn. So ist das, wenn man die Klimaanlage im Zimmer ausschaltet und das Fenster öffnet. Das Fernsehen hat im Gegensatz zu einem Hotelzimmer keine Fenster. Der Auftritt gestern Abend kostete mich unendlich viel Kraft. Zu viel für ein einziges Leben. Ich weiß, wer mir etwas davon zurückgeben kann. Der Wind auf der Hallig. Aber der Weg zum Wind scheint schier endlos, wenn nicht gar ganz unmöglich.
Während der Sendung dürfen keine richtigen Türen geöffnet werden, sonst geraten die Pappwände des in einen riesigen Raum hineingebauten Studios durch den Luftzug ins Wanken und die Illusion stabiler Wände zerfiele vor den Augen der Zuschauer.
Gleich verlasse ich diese Welt der verschachtelten Kunsträume. Mit einem unausgesprochenen Traum auf der Zunge.

Mittwoch, 13. Juli 2016

Im Fernsehen

Ich wache in Köln auf. Zwischen Dom und DB. Im 7. Stock. Im 7. Himmel. Ich wage nicht zu sehen, was ich sehe.
Alle (paar) Jahre wieder. Maischberger. Heute im Ersten 22:45 Uhr.
http://www.daserste.de/unterhaltung/talk/maischberger/sendung/der-fall-niels-h-100.html

Dienstag, 12. Juli 2016

In Köln ...

... geht die Sonne auch unter. Aber früher und hinter Häusern. Eine gänzlich ungewohnte Sicht auf Dächer.

In Panik

Ich fahre nach Köln. Das geht mit dem Zug bequem ab Itzehoe ohne Umsteigen.
Da ich nicht mehr weiß, wie man einen Koffer packt, was ich für zwei Tage in der Zivilisation und bei Regen brauche, verbringe ich den Vormittag in heller Panik.

Montag, 11. Juli 2016

Zeugnisse

Ich suche den halben Tag meine Schulzeugnisse und Testatbücher. Rechne Wochenstudienzeiten zusammen. Muss sogar angeben, wieviel Zeit mein täglicher Schulweg mich kostete. Der reine Wahnsinn. Erledige meine Sachen im Rathaus und merke erst jetzt, in tiefer Nacht, dass mir ein völlig falsches Dokument ausgehändigt wurde. Ich weiß mir nicht mehr zu helfen, wasche, bügle, nähe und gehe schließlich doch unverrichteter Dinge schlafen.

Sonntag, 10. Juli 2016

Dithmarschen

Ich hatte einen unumstößlichen Sonntagstermin und fahre anschließend an die Meldorfer Bucht zum Schwimmen. Das ist ganz anders als auf Hooge ans Landsende zum Schwimmen zu fahren. Kostet mich mindestens anderthalb Stunden reine Fahrradfahrzeit durch den Speicherkoog. Der Wind hält still und das Meer ist sanft. Die Farben verschwimmen in einem vielfältig glitzernden Grau. Vorgewitterstimmung. Es ist fast niemand mehr auf dem Deich in Elpersbüttel um diese Zeit.

Samstag, 9. Juli 2016

Wattsockel

Auch der Wattsockel erodiert. Und zwar flächenhaft. Die Priele werden ausgeräumt. Alles ist in ständiger Bewegung. Aber es muss ein Gleichgewicht geben. Was hier weggeschwemmt wird, landet woanders an. Nichts geht verloren. Ich fahre aufs Festland. Ich habe noch nie so viele Menschen gesehen auf der Fähre.

Freitag, 8. Juli 2016

Oberflächenerosion

Ohne Oberflächenerosion wären die Alpen mindestens ein Dutzend Kilometer hoch. Seit die Rautispitzostwand fast senkrecht aufgerichtet ist, werden ihre beiden Gipfel kontinuierlich abgetragen.
Und wo landet das Material? Wohin trägt es der Wind? Was umspült meine Füße, wenn ich im Regen am Landsende schwimme, eine Stunde nach Flut und der Steindeich immer noch unter Wasser ist?

Donnerstag, 7. Juli 2016

Reden

Vorgespräch mit einer Mitarbeiterin von Maischberger TV. Nein, es ist wahrlich kein Gefallen, den ich mir damit antue. Schwiegervater wurde vor fast genau zehn Jahren in der Berliner Charité umgebracht. Getötet. Ermordet. Und es hat sich nichts verändert. Die Fragen sind dieselben geblieben. Die Antworten sind dieselben geblieben. Ich hocke auf dem Fensterbrett und rühre mich nicht. So ist der Empfang am besten. Mit dem Rücken zum Himmel. Als es vorbei ist, habe ich steife Beine und steife Arme. Ich falle schlotternd ins Bett.
Es ist mir schon lange klar: ich will dereinst, sollte mich der Schlag hier treffen oder was auch immer mich niederstrecken, nicht gerettet werden, nicht vom Hubschrauber in eine Klinik aufs Festland geflogen werden, nicht in die Fänge einer möglicherweise mörderischen Maschinerie geraten. Mein Misstrauen werde ich in diesem Leben nicht mehr ablegen können und will deshalb, wenn es so weit ist, einfach nur sterben. Am besten auf der Hallig.

Mittwoch, 6. Juli 2016

Schweigen

Schweigen hat Tradition. Ortsnamen sind in der Weltliteratur kreativ besetzt. Schweigen ist ein fiktives Dorf in Österreich, in einem Roman von Hans Lebert. Kürzlich erschien ein Roman unter dem Titel Unterleuten. Unterleuten ist ein fiktives Dorf in Brandenburg. Ich selber halte mich eher an Landkarten und Grammatik der Grenzregionen. Ich liebe über alles polnische Pluralortsnamen wie Zebrzydowice oder Kwiatonowice.
Hans Lebert war ein Neffe von Alban Berg. Berg ist in diesem Fall ein Familienname und keine Landschaftsform.

Die Wolfshaut, Teil 1 heute abend im Radio:
http://www.ndr.de/ndrkultur/epg/Hoerspiel,sendung534638.html

Dienstag, 5. Juli 2016

Lebensraum Meer

Schreibtisch mit Schulp am Morgen.
Tintenfische haben die Fähigkeit, die äußere Kalkschale ins Körperinnere zu verlagern. Dort übernimmt die Schale die Funktion eines hydrostatischen Organs und heißt ab sofort Schulp. Dieser Schulp ist gekammert und von Lufträumen durchzogen. Dadurch gewährt er dem Kopffüßer, wie der Tintenfisch in der Biologie korrekt bezeichnet wird, im Wasser Auftrieb. Kopffüßer, weil die Fangarme am Kopf sitzen. Und im Kopf hockt auch die Intelligenz, nehme ich an. Denn Kopffüßer sollen die gescheitesten unter den wirbellosen Tieren sein. Ein Fisch ist der Tintenfisch auch nicht, eher Schnecke und sollte, wenn schon, Tintenschnecke genannt werden, obwohl auch nicht alle Sepias Tinte haben. Kompliziert ist die Welt der irreführenden Wörter. Mit den Fischen verbindet die Kopffüßer nur der Lebensraum: Das Meer. Die Nordsee im Fall der Gemeinen Sepie.
Die meisten Menschen verwenden am Strand gefundene Schulpe als Schnabelwetzsteine und Kalkquelle für ihre Käfigvögel zu Hause.
Ich halte nichts in Käfigen, bin gerade nirgends zu Hause und lege meine Riesenschulpe aufs Fensterbrett meines derzeitigen Arbeitszimmers. In Erwartung des geistigen Auftriebs. Am frühen Morgen.

Montag, 4. Juli 2016

Synonymfindung

Besuch aus Dithmarschen: der Vorstand von Agenda 21 für Meldorf e.V. posierte gestern auf dem blühenden Hooger Sommerdeich.
Natürlich komme ich nicht ganz um besagtes Wort herum, das ich ab Jahresmitte vermeiden will. Noch übe ich mich in Synonymfindung. Viel frische Luft und schäfchenwolkenbestandener Himmel. Stefan springt mit mir ins Wasser, großartig! Und dann Königspesel und Blauer Pesel. Kuchen zum Abschied. Und hier die Bilder der wieder aufs Festland Gefahrenen: http://www.agenda21-meldorf.de/

Sonntag, 3. Juli 2016

Meine Werkstatt

2 Meter mal 60 Zentimeter Hartfaserplatte und fünf pulverbeschichtete Stahlbeine. Während des letzten Festlandbesuchs auseinandergeschraubt und eingewickelt in Luftpolsterpapier von mir selbst. Sowie unverpackt und unversehen mein fünffüßiger Bürostuhl. Eben auf Ockenswarft angekommen.
Ich bedanke mich bei meinen Meldorfer Freunden sowie beim Hooger Hafenmeister. Für die ungewöhnliche Sonntagmittagsarbeit.

Ödnis

Der Tödi schließt das Tal der Linth ab. Unberbittlich.
Aber mit dem Tod hat er nichts zu tun.
Schräg geschichtet liegt Korallenkalk über Rötidolomit. Und begrenzt wird das Unzugängliche, Vergletscherte vom Sandpass und vom Sandtal. Sand gehört zum Alltag der Glarner Alpen und ist im Gegensatz zum Schiefrigen und Kalkigen mobil, flüchtig.
Der Name des Gipfels hat nichts mit Endlichkeit oder Unendlichkeit zu tun. Er ist ein sprachliches Gebilde. So nannten die Menschen den Ort, den sie nicht bewohnen können: D'Ödi. Die Ödnis. Das Öde. Das absolut Verlassene.

Samstag, 2. Juli 2016

Sandstrasse

Aus heutiger Sicht, aus Wattenmeersicht, scheint es schier unwahrscheinlich. Aber ich habe tatsächlich viele Stunden, Tage, Wochen meines Lebens an der Sandstrasse verbracht. Im Schatten eines baumlosen Dreitausenders. Im dornigen Vorgarten eines Stadthauses. In meinem alpinen Heimatort - der nicht mit meinem Geburtsort zu verwechseln ist. Ich bin an der Sandstrasse nicht aufgewachsen, ich habe dort nur regelmäßig meine Ferien verbracht.

Freitag, 1. Juli 2016

Wasserscheide

Monatsanfang und Richtungsänderung. Heute beginnt die zweite Jahreshälfte. Seitenwechsel. Januskopf. Ab sofort kommt die Tektonikarena Sardona zur Sprache. Ich werde kein Wort mehr über die Hallig schreiben. Das Kreative liegt in der Entgrenzung, nicht in der Begrenzung. In der Vielfalt, nicht in der Einfalt. Im Zweierlei, nicht im Einerlei. 
 "Der Zusammenstoss von Afrika mit Europa hat die Alpen über Jahrmillionen aufgetürmt. Ursprüngliche Gesteinsschichten wurden übereinandergeschoben, gefaltet und zerbrochen. Vielfältige Zeugnisse und Spuren dieser gewaltigen Kräfte sind im Welterbe Sardona aussergewöhnlich gut sichtbar." (http://www.unesco-sardona.ch/Wie-Berge-sich-erheben.das_welterbe.0.html)