Freitag, 13. September 2024

Das Ende


Das war's vom Wattenmeer! Mein (geradezu unheimlich) ordentlich eingepacktes Leben, online frankiert und zur Abholung für den Postzusteller bereit. Wir - meine auf 9 x 20-Kilo-Pakete reduzierten letzten 17 Jahre und Ich - machen uns getrennt auf den Weg von Normalnull aufs Dach der Welt.

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Donnerstag, 12. September 2024

Das Fahrrad

Ich verkaufe mein KTM Maranello nach nur knapp einem Jahr wieder und werfe mein Badehandtuch in den Müll. Damit ist die Deich-Tour-Saison beendet. Ohne Wenn und Aber. Ohne Tränen. Ohne Reue. Ohne Abbaden. Es ist kalt geworden und regnet in Strömen. Ich packe mein Leben für Lalitpur ein, nudle mich durch Versandanleitungen und Höchstmaße, spreche meiner persönlichen Waage gut zu, sie will neuen Saft, also bekommt sie ihn, bezahle bargeldlos, drucke Marken und Zollerklärungen aus und muss jetzt zum Schluss noch die halbe Nacht mit Schere und Leim hantieren. Klebstoff gibt es nicht in der virtuellen Welt.

Mittwoch, 11. September 2024

Die Küche

Am Vormittag Buchhaltung, am Nachmittag Küche. G. hilft mir, das Geschirr und die Gläser bruchfest für die Kirche einzupacken. Ich behalte einen Teller, zwei Tassen, drei Gabeln, die Reibe für den Japanischen Rettich und ein Schälchen für das Frühstück. Die Holzkleiderbügel sind plötzlich begehrt und gehen weg wie warme Semmeln. Caruso streicht mir um die Füße. Solange ich da bin, ist er auch noch da. Ein treuer toter Kater!

Dienstag, 10. September 2024

Die Achillessehne

Die Achillessehne ist die stärkste Sehne, der Knackpunkt im Körper des Menschen. Wenn sie reißt, knallt es. Die Schmerzen, berichten Betroffene, sind unerträglich und noch schlimmer ist die Beeinträchtigung. Totale Gehunfähigkeit. Jeder Aufrechte und Aufrichtige wird sofort, auf der Stelle zum Liegenden, Erlegten. 

Nun hat es Dieter K. getroffen. Den Sanften und Unbeugsamen, der Stahl erweicht und die Zeit in Griff kriegt. Ganz zu schweigen von den Köpfen.

Montag, 9. September 2024

Möbellos

Wer keine Wohnung hat, braucht auch keine Möbel. Hoelp holt sie alle ab, nimmt aber keinen einzigen Holzkleiderbügel mit. Wie verbissen manche Leute sind. Uneinsichtig. Ich mache einen gepackten DHL-Karton zum Schreibtisch und setze mich auf den Rand des Trampolins. Geht auch. Auf dem Boden breite ich meine Papiere aus. Es ist entsetzlich, wie früh es dunkel wird, wie groß das Haus geworden ist und was ich noch alles zu tun habe.

Sonntag, 8. September 2024

Der letzte Sonntag

Heute ist der Sommer vorbei. Gewitter ziehen auf. Regen. Blitz und Donner. Das Dreieck gestern war wohl mein Abbaden. Die letzte Nacht im Garten das Abschlafen.

Samstag, 7. September 2024

546 Rufzeichen

Gestern, als ich nach meiner Odyssee wieder den Garten betrat, besorgt in den lädierten Baum guckte und zu meinem Entsetzen eine tote Amsel darunter liegen sah, als ich das Haus von allen Seiten von außen betrachtete, fand ich schließlich im Briefkasten eine Postkarte mit 13 Zeileneinheiten Rufzeichen vom Himmel. Ich zählte nach, denn ich wusste nicht, was eine Zeileneinheit ist. Ich weiß es immer noch nicht. Auf dem Postkartenformat sind es 42. Auf einer A4-Seite vielleicht mehr. Ich weiß es nicht. Ich getraue mich nicht mehr ins Haus hinein an meinen Schreibtisch. Ein plötzlicher Denkanstoß! Oder ist es nur der Wind in den Haaren? Zeichen des Himmels. Ich dachte immer, diese Satzzeichen heißen Ausrufezeichen. Nun lerne ich auf der Zielgeraden, dass diese Zeichen in einem Satz gar nichts zu suchen haben, sondern wie Schnee vom Himmel fallen, aber anders als dieser nicht sanft und lautlos. Sondern mit einem 546 mal multiplizierten Ruf!

Ich fahre noch einmal schwimmen.

Freitag, 6. September 2024

Wohnungslos

Ich schlafe schon seit Tagen im Garten. Unter Sternen. Sternen. Sternen. Die Nächte sind heiß. Und seit ich die Gartenbank mitsamt Gartentisch verschenkt habe, ist der Raum auch draußen unendlich geworden. Nach dem Aufstehen betrete ich das halbleere Haus. Meine Schritte hallen. Heute verlasse ich es schnell wieder. Ich habe einen Termin im Amt. Ich melde mich ab und bekomme den handschriftlichen Eintrag in meinen deutschen Pass "keine Wohnung in Deutschland". Der bisherige Wohnort, Meldorf, wird mit dem Lineal durchgestrichen. Ich werde weiterhin im Garten schlafen, im Meer schwimmen, durch dern Speicherkoog radeln. Aber ich habe keine Wohnung mehr in Deutschland.

Donnerstag, 5. September 2024

25 Kilo

Ich habe den Koffer gepackt. Mehr kann nicht mit ins Flugzeug. Ich verzweifle an Kleinkram. W. hat mit dem zunehmenden Mond die Tickets gebucht. One way. Inklusive mein rundes, eindimensionales (die 6 kurzen Beine kann ich abschrauben) Sportgerät. Übergepäck. Durchmesser 110 cm

Mittwoch, 4. September 2024

Das Bad

Einmal anders: Die Vergangenheit hängt am Haken in meinem leeren Badezimmer im OG. In Form eines ausgeleierten Holzkleiderbügels, eines frühen Werbegeschenks der Firma meiner Großmutter: "Büsser & Blum, Wolle - Wäsche, Glarus". Die Frau Büsser, geborene Blum brachte heute vor 100 Jahren ihr erstes Kind zur Welt, meinen Vater. Nach dem unerwartet frühen Ableben ihres Gatten (er wurde auf dem Töff in einer Kurve im Tal der Linth von einem Auto totgefahren), dem Vater meines Vaters, des stolzen männlichen Erstgeborenen sowie zweier weiblicher Nachgeborener, machte sich die Witwe selbstständig und gründete mit ihrer unverheirateten Schwester, dem Fräulein Blum eben jenes Geschäft, von dem mir im Bad unter dem Dach ein einziger Holzkleiderbügel übrig geblieben ist, den hoelp nicht haben will, aber vielleicht die Kleiderkammer nimmt.

Dienstag, 3. September 2024

Neumond

Nach dem Neumond nehmen die Energien immer zu. Der Jungfrauneumond soll zusätzlich der Selbstoptimierung förderlich sein, was immer das heißen will. Der Organisation des eigenen Lebens, dem Setzen persönlicher Ziele. Tut wir das denn nicht immer? Ich bin am Ende meiner Kräfte, laufe aber sogar im Schlaf tapfer weiter.

Montag, 2. September 2024

Energiebotschaft

Die Energiebotschaft für Septemeber rät, auf alle Zeichen zu achten. Der Monat sei voller Magie und wir sollen spielerisch, erfinderisch, aufnahmebereit sein. Bewusst! Mit allen Sinnen! Denn: die geistige Welt sende ihre Botschaften auf vielerlei raffinierte, wenn nicht versteckte oder hinterhältige Weisen. Das Universum ist reicher, weiter, größer als all unser Empfinden, Denken und kleinliches Zermartern!

Sonntag, 1. September 2024

Hör- und Sichtweite

Ich habe nur einen einzigen Kommentar gelesen, wer denn um Himmels Willen auf dieses glorreiche Idee kam, die Wahlen in Sachsen und Thüringen ausgerechnet auf den 1. September zu legen. 

Die Polen gedenken in den frühen Morgenstunden auf der Westerplatte des Kriegsbeginns vor 85 Jahren und die Deutschen heben am Abend vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem" eingestufte Politiker in ihre Landtage.

Ich schwimme am Mittag unverdrossen mein Dreieck. Fragen gehe ich auch am Deich konsequent aus dem Weg. Was nicht hilfreich sei, soll man meiden - lese ich. Die Empfehlung: Auf sichere Distanz gehen. Außer Hör- und Sichtweite.

Samstag, 31. August 2024

Rekapitulation

Zum Monatsende Rekapitulation: es verbleiben 10 Tage weniger, also 12 + 4. Meine Hausamseln sind aus meinem Garten verschwunden, dahingerafft von einer Stechmücke, die das Usutu-Virus überträgt. Der warme und regenreiche Sommer hat leider die Vermehrung dieser Viecher begünstigt. Von meiner Terrasse verschwindet die Gartenbank und der Gartentisch. Nun habe ich mehr Platz und kann mich draußen ausbreiten. Die warmen und sternenreichen Nächte laden zum outdoorschlafen ein. Im Wohnzimmer stapeln sich derweil Kartons, leere, gefüllte und halbgefüllte, im Schlafzimmer Koffer, Schuhe und Rucksäcke. Im Herzen pumpt die Panik.

Freitag, 30. August 2024

Glasklar

Meckern hilft immer! Kaum hab ich mich beschwert, kommt der Lieblingssender wieder glasklar aus meinem altmodischen Empfangsgerät. Ich werde es trotzdem nicht einpacken, sondern ordnungsgemäß in den dafür vorgesehenen Container beim Bauhof entsorgen.

Donnerstag, 29. August 2024

Dienstbarkeit

Meinen Lieblingsradiosender kann ich seit Tagen nicht mehr empfangen. Auf der (bisherigen) Frequenz erreichen mich nur Geäusche aus dem All. Oder aus dem Jenseits. Nicht dechiffrierbar. Weder akustisch, geistig, haptisch, mental, intellektuell ... unfassbar! Trotzdem muss ich Rundfunkbeiträge abtragen. Meine persönliche Kündigung - ich kündige gerade alles um mich herum, meine ganze bürokratische Existenz - wg Um- und Auszug aus Dithmarschen wird nicht akzeptiert. Erst wenn "das Einwohnermeldeamt die Daten zu Ihrem Wegzug ins Ausland übermittelt" wird der Beitragsservice mein Konto abmelden. Der Mensch ist nichts mehr wert. Nur noch Dienste, Ämter und Services gelten etwas und haben etwas zu sagen.

Mittwoch, 28. August 2024

Waffenruhe

Dass ich das noch erleben darf am Wattenmeer: Sonnenuntergangsschwimmen! Die Flut kommt, die Sonne geht und ich mitten im Dreieck. Laues Wasser, lauer Wind, laue Luft. Kein Picknickkorb, aber lauter volle Tüten. Croissant aus Joldelund. Käse aus dem Appenzell. Rosé aus Baden. Gläser aus meinem Schrank sowie zwei Messer aus meiner Schublade. Gut, dass wir hier in der einstigen freien Bauernrepublik leben und immer noch kein Metalldetektor am Deichaufgang installiert ist.

Dienstag, 27. August 2024

Halbmond

Beim Entsorgen sämtlicher Rezepte aus der Biokiste, die ich über die Jahre sorgsam gesammelt und alphabetisch in einem Ordner abgeheftet habe, ist mir ein Tofu-Wurzelgemüse-Rezept in die Augen gestochen: da werden zuerst die Zwiebeln halbiert und in Halbmonde geschnitten, danach die Möhren halbiert und in Halbmonde geschnitten. Alles in Öl angebraten, nachdem der Tofu in Würfeln geschnitten bereits schön goldbraun gebraten ist. 

Noch nie in meinem langen Leben bin ich auf die Idee gekommen, Möhren oder Karotten (in Dithmarschen und Nordfriesland Wurzeln abgeschmiert zu Wutzen) in Halbmonde zu schneiden. So kommt kurz vor Schluss - ich werde in meinem  zukünftigen Leben nicht mehr kochen! - noch eine neue Form aufs Schneidebrett und in die Bratpfanne!

Vor dem Fenster hing seit dem frühen Morgen passend dazu der halbe Mond. Abnehmend natürlich. Jetzt geht er getrost unter.

Montag, 26. August 2024

Tag des Toilettenpapiers

Heute ist Internationaler Tag des Toilettenpapiers. In Deutschland vulgo Kackpappetag genannt! Goldeimer ist für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert. In der Sparte Papier, Karton und Pappe. Kürzlich im  Fölmliland habe ich Berge von Klopapierrollen aus recyceltem Karton gesehen, ungebleicht, reißfest und weich! Goldeimer wirbt scharmant (sic!) mit "Jeder Arsch kann Gutes tun!" Nun denn!

Sonntag, 25. August 2024

Morgengrauen

Vielleicht eine Viertelstunde brauste der Orkan am Abend durch meinen Garten. Am Morgen ist der halbe Apfelbaum leer und die unreifen Früchte liegen verloren am Boden. Dito die Birnen unter den Birnbäumen. In der Edelkastanie hängt ein mächtiger Ast fest. Abgebrochen, voller unreifer Maronen. Von allein kommt der nicht herunter. Ich kann ihm nicht helfen. Aber vielleicht kehrt der Orkan noch einmal zurück.

Samstag, 24. August 2024

Die Zwei

Dass ich mir den Zorn anderer Menschen zuziehe, nur weil ich unbeirrt meinen eigenen Weg gehe - zum Beispiel: Ditschiland verlasse - ist nicht neu. Mir nicht unvertraut. Kenne ich seit Kindesbeinen. Aus dem engsten Umfeld (sprich: von der lieben Familie). Einst ging es um die Schweiz. Jetzt geht es um etwas anderes. Es scheint meine Aufgabe in diesem Leben zu sein, haltlose Anschuldigungen einfach auszuhalten. Anderere Leute Karma zu reinigen. Mit der allergrößten Seelenruhe Auffangfläche für deren Rotz zu bieten. Dienen! Die Erfindung der digitalen Zwei - zum Löschen drücken Sie bitte die Zwei - knüpft nahezu nahtlos an an die Lethe in der Unterwelt der griechische Mythologie.

Freitag, 23. August 2024

Schwellwertüberschreitungen

Nina warnt vor einer Sturmflut an der Nordfriesischen Küste. Das Nachmittags-Hochwasser tritt eineinhalb bis zwei Meter höher als das mittlere Hochwasser auf. Das sind Schwellwertüberschreitungen!

An Schwimmen oder Radfahren ist eh nicht zu denken bei dem Wind. Sturmböen bis Bft 8, immer wieder Schauer.

Ich erledige, was ich erledigen muss. Rücke Stühle und Tische, schließe Fenster und Türen.

Donnerstag, 22. August 2024

countdown

Nun wird es ernst. Der Wind frischt auf am Wattenmeer, unter einem bleiernen Himmel. So richtig hell will es nicht werden. Regen ist angesagt. Mir verbleiben 22 und 4 Tage.

Mittwoch, 21. August 2024

Bahnhoftag

Ich bin nicht zum Vergnügen hier. Der dritte Tag in Wanderschuhen. Heute an der Zürcher Bahnhofstraße, dann an der Limmat und schließlich in der byebyebar am Flughafen Kloten. Auf dem Heimweg fällt wieder ein Zug aus, also sause ich mit der S-Bahn nach Altona und erreiche atemlos die Regionalbahn nach Sylt. Zum letzten Mal nach Norden, zum letzten Mal über den Kanal, zum letzten Mal auf die Insel. Nach Dithmarschen.

Zu Hause - in dem Haus, das mir nicht mehr gehört - ziehe ich meine Wanderschuhe aus. Auf dem AB zehn (10!) Anrufe aus T., eine Schimpftirade nach der anderen, allesamt im Minutentakt in der Vollmondnacht hinterlassen, als ich mit der Älteren der Fölmlisisters auf dem Weg ins Fölmliland war. Ich lasse die Nachrichten ablaufen während ich aufs Klo gehe, die Hände wasche, den Briefkasten leere. Sie spulen sich von selbst weiter. Die Wörter wiederholen sich wie Wassertropfen aus einem undichten Wasserhahn. Gleichmäßig. Stur. Nervig. Zum Schluss drücke ich die Taste, die mir eine AI empfiehlt: zum Löschen aller Nachrichten drücken Sie bitte die Zwei.

Dienstag, 20. August 2024

Wandertag

Wir durchschreiten das Fölmliland. Ich lasse meine Blicke übers Napfbergland schweifen. Ich bin den zweiten Tag mit Wanderschuhen unterwegs. Wir trödeln, steigen über Kuhweiden, durch Kuhfladen, an Kuhhintern vorbei. Bedienen uns am Edelweisskiosk mit Eis und Othello (Gebäck aus Othellomasse, Biskuit, Schokoladenballen, vulgo Schokokuss und damit umschiffe ich gekonnt eine veraltet-diskriminierende Bezeichnung), haben klebrige Hände wie Kinder, kommen zu spät nach Hause wie Kinder, sind müde wie Kinder. Essen wie Göttinnen und sehen noch einmal den Mond aufgehen. A perfect day out!

Montag, 19. August 2024

Reisetag

Ein Tag der Superlative.Vollmond. Supermond. Bluemoon. Störmond. Rhea in Berlin wird 90. Ein früher Zug fällt aus wegen Personalmangel. Ich schnüre derweil meine Wanderschuhe. Ich bin bereits auf dem Weg in die Berge. Mein Haus am Wattenmeer verkaufe ich eine Stunde später als geplant, da wir auf den aus Hamburg anreisenden Gatten warten. Ohne sein Einverständnis und seine Anwesenheit bei der notariellen Beurkundung darf ich mein "letztes Hemd" (wie es heißt) nicht veräußern. So sind die Zeiten. Modern! Danach fahren wir gemächlich zusammen nach Hamburg zurück, beschließen ganz nebenbei, am nächsten 16. das Land und den Kontinent zu verlassen und gehen im Dim Sum am Hauptbahnhof kantonesisch essen. Scharf! Am späten Nachmittag fliege ich allein nach Zürich. Meine Schuhfrau holt mich am Flughafen ab und geleitet mich sicher zur SBB. Sie hat Couscoussalat im Rucksack, einen kühlen Weißwein und zwei Zinntrinkbecher sowie Besteck, Tischtuch und Nachtisch. Wir speisen mit dem Mond vor dem Fenster, ehe wir in die BLS umsteigen. Gestärkt steigen wir spät im Fölmliland aus und den Berg hoch.

Sonntag, 18. August 2024

Sonntag

Noch ein Schwimmtag. Vielleicht der letzte für mich. Ich fahre früh, es ist heiß und ich muss am Nachmittag packen.

Samstag, 17. August 2024

Schwimmtag

Endlich! S. fragt mich im Wasser, ob ich verreist gewesen sei. Ich verneine. Ich war immer hier, wenn es mir möglich war. Jetzt bin ich bereits auf dem dritten Schenkel meines gleichschenkligen Dreiecks. S. trägt eine blaue Badekappe. Wegen der Sonne, sagt sie. Aber das Material (Gummi) beneble sie.

Freitag, 16. August 2024

Regentag

Ich lüfte den ganzen Tag. Die Nachbarin kocht den ganzen Tag. Immer Geschmortes mit viel Zwiebeln. Ich sperre die Fenster auf, weil der Regen die Luft reinigt. Und die Nachbarin tut dasselbe. Ich putze den ganzen Tag. Ständig laufen Menschen mit schmutzigen Schuhen durch meinen Flur. Ich sortiere Handgeschriebenes. Postkarten aus einer Zeit, als wir uns noch Postkarten schrieben. Von Natasza G. bekam ich immer die schönsten. Vom Mt. Kailash / Tibet. Aus Tanboche mit einem Yak. Von Olga T., mittlerweile Nobelpreisträgerin, hingegen das Blatt UNTERWEGS aus Wolf Erlbruchs Kinderzimmer-Kalender.

Donnerstag, 15. August 2024

Betzeit

Früher - in meiner Kindheit in einem Tal an einem Fluss - gab es täglich Betzeiten. Aber eigentlich riefen die Kirchenglocken nicht zum Gebet, sondern zum Essen. Am Mittag zum Mittagessen, am Abend zum Abendessen. Also riefen die Glocken dazu auf, die Arbeit niederzulegen und sich zu stärken. 

Heute ist Mariä Himmelfahrt. In manchen Teilen der Welt ein Feiertag, auf den in diesem Jahr ein langes Wochenende folgt. Also ein arbeitsfreier Freitag, ein Brückentag zum Samstag. Bei uns am Wattenmeer ein ganz normaler Donnerstag. Immer noch träge Tide.

Mittwoch, 14. August 2024

Müllzeit

Durchbrochenes Wetter und ungünstige Tide. Nippzeit. Ich schlafe immer mal wieder draußen, dann wieder drinnen. Es gibt keine Kontinuität in diesem Sommer. Ich fahre immer mal wieder zum Deich, dann wieder nicht. 

Also sammle ich Müll ein und fülle die Tonnen.

Dienstag, 13. August 2024

Der Geschiebesammler

Nun hat es auch das Bernerische Brienz am malerischen Brienzersee getroffen. Das Unwetter. Die nicht zu bändigende Natur. 

Das Bündnerische Brienz oder Brinzauls traf es letztes Jahr - knapp nicht. Der Schuttstrom vom bröckelnde Berg über dem Dorf hielt damals in einer Juninacht freundlicherweise vor dem ersten Haus inne.

Gestern Abend nun ist das zweite - im Bewusstsein der Helvetier eher das erste - Brienz im Berner Oberland überflutet worden. Überrascht von starken Regenfällen. Der Milibach nutzte die Gelegenheit und trat blitzschnell über seine Ufer. Überzog das Dorf mit Schlamm, Holz und Geröll. Schlimmeres verhinderte der sogenannte "Geschiebesammler", der einen Teil der Murgänge oberhaölb des Dorfes stoppte, die vom entfesselten Bach mitgerissen wurden und in die Tiefe rutschten. Der Geschiebesammler fing aber nur einen Teil des Geschiebes auf. Er sammelte, so lange es ging. Dann lief auch er über. 

Dieser Geschiebesammer, sagte ein Geologe vor Ort, sei "für ein Ereignis ausgelegt, das alle 100 Jahre vorkommt." Sein Wort in Gottes Ohr, dass Brienz nun die nächsten 99 Jahre verschont bleibt. Erste Priorität, führte er aber weiter aus, sei es nun, den Geschiebesammler zu entleeren, damit der seine Funktion uneingeschränkt ausüben könne.

Wozu diese Eile nach dem Jahrhundertereignis?

Montag, 12. August 2024

Bedenkzeit

Die Bedenkzeit ist die Zeit zum Denken. Zum Nachdenken. Zum Überdenken. Ehe eine Entscheidung getroffen wird. Zum Beispiel. Eigentlich ist jede Zeit zum Denken da. Was sonst tun wir geistig arbeitende Wesen denn die ganze Zeit?

Sonntag, 11. August 2024

Heulzeit

Gestern nachmittag war ich schwimmen, eine gute Stunde vor Hochwasser. Wilde Wellen, heißer Wind aus West. Kein Dreieck, dafür zwei lange Geraden. Auch der emeritierte Pastor aus Windbergen kämpfte mit den Elementen. Er trug einen roten Neoprenanzug. Ich schüttelte mich unter der Dusche und flog mit Rückenwind nach Hause. Ließ die Frequenzen aus. Schlief im Garten. Heute ist es so heiß, dass ich mich ins Haus verkrieche. Die Raupen der Kohlweißlinge fressen nicht nur alle Blätter meiner Tomatenpflanzen auf, sondern knabbern sage und schreibe auch die noch grünen, unreifen, kaum aus den Blüten hervorgewachsenen kleinen Früchte an. Sie höhlen sie richtig aus, es bleibt nur die Haut übrig. Es ist zum Heulen!

Samstag, 10. August 2024

Hexenwahn

In meinem Bücherregal steht immer noch ein Buch über die letzte Hexe der Schweiz oder Europas - Anna Göldi. Mittlerweile ist sie "rehabilitiert" und ihr Fall 226 Jahre nach der Hinrichtung von den beiden Kirchen und der Politik des Kantons Glarus (meines Heimatkantons!) als "Justizmord" qualifiziert. Das hilft Anna Göldi letztlich nichts mehr. Und auch anderen Frauen nicht. Heute wird - wohl nicht grundlos - bereits zum fünften Mal der Internationale Tag gegen Hexenwahn begangen. Ausgerufen am 10. August 2020 vom Internationalen Katholischen Hilfswerk missio in Aachen.

Freitag, 9. August 2024

kirmanfrei

Ich habe ein wunderschönes Parkett auf dem Boden im Wohnzimmer. Darüber lag jahrelang ein Perserteppich. Schön in blau und trotzdem unpassend, unpraktisch. Aber die Kater liebten ihn, deshalb blieb er liegen. Und mir diente er als überdiemensionierte Yogamatte unter dem Trampolin. Ich mache keine Yoga. Auf dem Trampolin schwinge ich barfuss und ohne Unterlage. Kein schwarzer Kater räkelt sich mehr auf dem Kirman und folgt dem Lauf der Sonne. Zusammengerollt in die Ecke schieben mochte ich ihn nicht. Diese Vorstellung weckt in mir mehr Grauen als die Tatsache, jeden Tag über den Teppich stolpern zu müssen. Heute nun, am Freitagmittag, kam er endlich weg. Ich bin kirmanfrei.

Donnerstag, 8. August 2024

wunschlos

Der Sommer ist durchbrochen. Mein Denken auch. Das Schreiben ist schon lange unterbrochen. Aus Gründen, die noch darzulegen sind. Ferien, Urlaub, eine Auszeit habe ich aber nie. In meinem Kopf spukt eine Szene herum, die ich vielleicht vor einem halben oder gar ganzen Jahr wie im Rausch nicht zu Papier sondern hier auf den Bildschirm gebracht habe. Nach wie vor wundere ich mich, wer und warum mir damals die Eingebung verliehen hat, ganz aus dem Nichts heraus. Das Wundern ist im Moment stärker, als der Wunsch, dorthin zurückzukehren, wieder anzusetzen und weiterzumachen.

Mittwoch, 7. August 2024

Tropennacht

Ich lag die halbe Nacht wach auf meiner Liege im Garten und starrte in den Himmel. Sternschnuppenschauer.

Dienstag, 6. August 2024

Zielgerade

 vorher

 

 

dazwischen: im Garten unter einem unbeschreibbaren Sternenhimmel mehr gestaunt als geschlafen, Sternschnuppen und Satelliten gesichtet, Wünsche und Ziele formuliert, im Kopf, im Bauch und in der Seele natürlich, nicht auf der Zunge.


 

 

 

 

nachher

Montag, 5. August 2024

Zuständigkeiten

nachher

Früh zwei Fotos an den Bauhof geschickt - und fix kommt ein Mitarbeiter. Befreit den Gullydeckel und versetzt das Straßenschild. Das eine nach 3 Jahren, das andere nach 17 Jahren. Keine zwei Stunden nach entsprechender Meldung an die entsprechende Stelle. Gerichtet!

Sonntag, 4. August 2024

Geomantik

Neumond und ein Regenguss nach dem anderen. Also Handlangern, Herumlungern am Schreibtisch. Beim Aufräumen kommt eine handschriftliche Notiz zum Vorschein: "Aus Sicht der Feng-Shui Meister hat das Wasser die größte Bedeutung, weil es das ch'i festhält. Die zweitgrößte Bedeutung hat der Wind, der nicht zu stark wehen sollte, weil sich sonst das ch'i verflüchtigt." Das hat man uns schon in der Tai Chi Schule an der Akazienstraße in Berlin beigebracht: dass wir nicht am Strand bei auflandigem Wind praktizieren sollen. Weil uns das zuviel abverlangt, zuviel Energie kostet, die wir erzeugen, die uns aber nicht zugute kommt. Das ch'i verpufft, wird "wertlos" weggetragen und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. ZB den himmlischen Sphären - was ist daran wirklich schlecht?

Der Nachsatz der Feng-Shui Meister lautet: "Änderungen in der Relation zwischen Wind und Wasser werden für Erfolge und Misserfolge verantwortlich gemacht." Also ist das Wattenmeer mit seinen ständigen Wetterwechseln, Sturmfluten, Orkanböen, Nipptiden usw. really not the best place on earth ... 

Samstag, 3. August 2024

Straßenablauf

Vulgo Gully, bei den Helvetiern Dole. Sink- oder Senkkasten. Straßenablauf. Bodeneinlauf. Regenwassereinlauf. Durch und in den das überschüssige Wasser bei starken Regenfällen von der Straßenoberfläche verschwindet. Wie kürzlich nicht geschehen. Als es eine Viertelstunde lang so geschüttet hat, dass unsere Bahnhofsunterführung unter Wasser stand und der halbe Parkplatz vor dem Nahversorgungszentrum (vulgo Supermarktansammlung). 

Heute erst macht mich mein Nachbar darauf aufmerksam, dass bei der Neuaphaltierung der Straße zwischen unseren Häusern vor genau 3 Jahren der gusseiserne Rahmen rund um den gusseisernen Deckel über dem Straßenablauf vor meinem Haus zur Hälfte mitasphaltiert wurde. So dass seither der Deckel nicht mehr angehoben werden kann, oder wenn doch, dann nur unter Einsatz übermenschlicher Kräfte. Dabei würde, mutmaßt der Nachbar, wahrscheinlich die Asphaltdecke über die halbe Straße hinweg aufgerissen. Deshalb besser die Hände davon lassen. 

vorher
Mir ist das in all den Jahren nie aufgefallen. Weil ich nie die Absicht hatte, diesen Deckel anzuheben. Ich verfüge nicht über über- oder ur- und unmenschliche Kräfte. Bin ein schwaches Weib und habe nie einen Gedanken daran verschwendet, den Schlammfangeimer, der sich unter dem Gullydeckel befindet, eigenhändig vom sich darin angesammelten Unrat zu befreien. Das ist nicht meine Aufgabe. Sondern Aufgabe der Stadt. Sagt der Nachbar und fügt hinzu: aber die machen das ja nie! Deshalb säubere er regelmäßig seinen Gully selbst. Und würde, erklärt er, meinen mitsäubern. Wenn der Deckel nicht halb unter dem Asphalt läge. Ach so ist das. Langsam dämmert mir. Ich werde mich darum kümmern, verspreche ich. Dass der Deckel wieder angehoben werden kann, ohne dass derjenige, der das tut, weiteres Unheil anzurichtet.

Freitag, 2. August 2024

Träume

In der Nacht fällt leichter Regen. Bis in den Morgen hinein. Gut, dass ich mein Lager drinnen aufgeschlagen habe. Die Träume kurz vor dem Aufwachen sind wirr.  

Donnerstag, 1. August 2024

August

Ein milder erster August ganz allein am Wattenmeer. Alles hat sich beruhigt, die Nipptide ist endlich eingetreten. Ich schwimme ein sanftes Vormittagsdreieck, das Wasser ist sehr warm. Die Strandkörbe sind alle, bis auf einen, noch verlassen. Darin sitzt eine Raucherin.

Mittwoch, 31. Juli 2024

Gruppenbild

Celestial Clustering, Himmelsgruppenbild ohne Dame: Mond, Mars, Jupiter, Plejaden, Aldebaran und Uranus zeigen sich zum Monatsende am östlichen Abendhimmel.

Dienstag, 30. Juli 2024

Delta Aquariiden

Der Juli-Aquariiden-Sternschnuppenschauer soll heute Nacht seinen Höhepunkt erreichen und mischt sich möglicherweise mit den Perseiden. Mehr good luck geht nicht. Und der Himmel ist wolkenfrei über mir!

Montag, 29. Juli 2024

Überflug

Noch ein Joy Markert Krimi zur guten Nacht. Ich schlafe über der überfrachteten Story ein und mein Hirn kapituliert angesichts akustischer Exzesse. Wenn eine singende schwäbische Ermittlerin nach Leipzig fährt, kommt schon einiges zusammen.

An denb letzten Montagen hatte ich schon das Vergnügen mit Joys Hölderin und Chamisso. Nun also auch noch Mendelssohn. Der Sender nimmt in sein Programm die Notizen des Autors auf. Den kenne ich aus meinen frühen und seinen späten Berliner Zeiten. Akazienstraße.

Ich friere immer wieder in diesen heißen Tagen.

Sonntag, 28. Juli 2024

Wind

Viel Wind. Viel Wasser. Viel Wellen. Viel Wildes. Viel Schaum. Viel Aufgebrachtes. Ich schwimme eine bescheidene Gerade hin und eine ebensolch Gerade her und nochmals die erste Gerade hin, weil ich gegen das um sich schlagende Meer nicht hinaus bis zu den Bojen komme. Auf dem Deich, danach, ist es schon kalt und herbstlich. Auf dem Rückweg trägt mich der Rückenwind.

Samstag, 27. Juli 2024

Sonne

Nach dem Dreiecksschwimmen kaufe ich beim Supermarkt diesseits des Domhügels Zwiebeln. Dort komme ich nur vorbei, wenn ich vom Deich in den Osten zurückkehre. Der junge Mann an der Kasse trägt den gleichen Haarschnitt wie ich. Das macht ihn mir sympathisch. Und er fragt mich, was auf meinem blauen T-Shirt stehe. Ich lese es ihm vor: Kultura jest jak tlen. Er will wissen, was das heißt. Kultur ist wie Sauerstoff. Oxygen (wie mein Mönch auf der anderen Seite der Erdkugel sagt). Luft zum Atmen. Ergänze ich. Der junge Kassierer will noch wissen, welche Sprache das ist. Polnisch, sage ich und er zählt mir die Münzen auf die Hand.

Freitag, 26. Juli 2024

Regen

Regen in der Nacht und am Morgen und den ganzen Tag über. Meine zweite Regentonne läuft voll. Ich lebe gerade von Tonnen. Mülltonnen. Tonnenweise Müll. Überflüssiges. Auch in nicht flüssiger Form. Angefangen von der Hundescheiße vor der Haustür. Und endend auf dem Dach. Irgendwann, wenn es Wind und Wetter erlauben, werde ich auf die Bockleiter steigen müssen und die Regenrinnen reinigen. Denn auch die sind auf beiden Seiten des Dachs voll und verstopft von den Samenfäden (= männliche Blüten, wie ich erst jetzt lerne) meiner Edelkastanie. Der Baum hat das Überflüssige abgeworfen und nun reifen seine Früchte, die laut einschlägigen Nachschlagewerken Nüsse sind.

Donnerstag, 25. Juli 2024

Lebensretter

Endlich Beruhigung. Badewetter. Milder Wind. Hoch auflaufendes Wasser. Ich schwimme mein Dreieck lange, bevor die Massen kommen. Zum ersten Mal sehe ich, dass auf dem Dach des mobilen DLRG-Wagens DLRG-Menschen, also Lebensretter sitzen. Und hinter dem Deich sehe ich zum erstenmal einen Badebus mit offener Tür warten. Ich frage den Fahrer, woher er komme und wohin er fahre. Friedrichskoog-Spitze. Sagt er. Weil dort der Deich verstärkt wird. Und hier in Elpersbüttel die bunten Strandkörbe aus Friedrichskoog stehen. Deshalb bringen die zustande, was die Meldorfer seit Jahr und Tag nie und nimmer vemögen: Einen Badebus einzurichten. Ihr Fahrrad, sagt der Fahrer, nehme ich aber nicht mit! Ich habe ein anderes Ziel, erwidere ich und radle fröhlich weiter nach Osten. Nun weiß ich, woher die Massen kommen.

Mittwoch, 24. Juli 2024

Lunar occultation of Saturn

Und schon ist der Mond wieder im Perigäum, an seinem erdnächsten Punkt angekommen. Nicht mehr ganz voll, aber doch noch ziemlich fett!

Gestern fiel in etwa zehn Minuten so viel Regen wie noch nie in Meldorf. Sagen alle, die immer schon hier leben und ncihts anderes kennen. Sogar im Fernsehen sollen die Bilder der überschwemmten Unterführung und der unter Wasser stehenden riesigen Parkfläche vor dem Nahversorgungszentrum zu sehen gewesen sein.

Heute wildes Wetter und wilde Gedanken. Trotzdem kommen am Nachmittag die Zimmerer und "kleben" das undichte Garagendach. Er habe keine "Blasen" entdeckt, erklärt der Boss nach getaner Arbeit. Gemacht werden musste es trotzdem. Und ich erledige, was erledigt werden muss.

Der Mond, indes, marschiert weiter. Kommt am Saturn vorbei und verdeckt diesen. Die Verdunkelung ist aus Teilen Asiens vielleicht zu sehen.

Dienstag, 23. Juli 2024

Opposition

Schon seit einer Woche am Morgen Kafkas Prozess im Radio. Am 3. Juni jährte sich sein, des Autors, Todestag zum 100. Mal. Beim Wiederlesen/Wiederhören verstehe ich, an welchen Stellen der Roman "unvollendet" ist. 

Gegen Mitternacht wird Pluto seine erdnächste Position erreichen und in Opposition zur (bei uns längst untergegangenen) Sonne stehen. Menschen auf der Erde können den Zwergplanet nur durch ein large-aperture telescope erkennen:

Montag, 22. Juli 2024

danke

Im allgemeinen achte ich sorgfältig auf die Wahl meiner Worte. Manchmal aber führt kein Weg daran vorbei, die Dinge beim Namen zu nennen: 

Liebe Meldorfer Hundeausführende: 

DANKE FÜR DIE SCHEISSE!!!

Einmal in rot und einmal in gelb, einmal mit Majuskeln und einmal mit Minuskeln.

Gestern, Sonntag, beim schönsten Sonnenschein, lange vor dem Regen, zwischen 17 und 18 Uhr auf dem Bürgersteig vor meinem Haus, zT direkt vor meinem himmelblauen Gartentor (von dort habe ich die Haufen eben mit der Gießkanne weggespült - aus Rücksicht auf meine Familie, meine Freunde, den Briefträger sowie die Prospekte austragenden Kinder der Nachbarn) HINTERLASSEN. 

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Die Bilder können durch Anklicken vergrößert werden!

Sonntag, 21. Juli 2024

Buck Moon

Die nordamerikanischen Algonkin-Stämme nennen den Julivollmond Buck Moon - Bocksmond, Widdermond. Denn sie sind überzeugt, dass die männlichen Hirsche, die Böcken, gerade jetzt einen Geweihwachstumsschub erleben. Vielleicht ist das bei unseren Böcken nicht anders und wir wissen es nur nicht. 

Am Wattenmeer trifft der Bocksmond heute fast genau auf das Hochwasser in der Meldorfer Bucht. Das wiederum zieht Turbulenzen nach sich. Die Springtide ist schon im Gange und wird noch ein paar Tage für Wassersegen sorgen. Blitz und Donner und die damit einhergehende Abkühlung hingegen lassen auf sich warten.

Denn der Buck Moon hat noch andere Namen, zB Full Thunder Moon (Donnervollmond) oder Full Hay Moon (Heuvollmond). Wie auch immer wir den Julivollmond nennen, er soll mit Wachstum und Stärke daherkommen und uns ermutigen, die Vitalität der Natur für uns und unser Vorwärtskommen zu nutzen. Wir dürfen, so lese ich, "unsere innere Kraft umarmen und uns auf die persönliche Transformation konzentrieren". Wie immer befolge ich sklavisch jede Handlungsanweisung, woher auch immer sie erschallt.

Samstag, 20. Juli 2024

Tropen

Die Nacht verbrachte ich im Garten. Es war tropisch warm und hell. Viel geschlafen habe ich nicht, auch die Sterne verblassten schnell wieder. Am Mittag schwimme ich mein Dreieck. Der Wind ist unentschieden. Die Luft brennt auf der Haut. Den Rest des Tages verbringe ich im kühlen Haus. 

Und die Nacht?

Freitag, 19. Juli 2024

Herbst

Am Morgen Nebel. Sonne im Dunst. Klatschnasser Rasen. Am Mittag schwimme ich mein Dreieck. Hitze. Kaum Wind. Immer noch wenig Wasser, dafür umso mehr Menschen. Ich stehe lange an der Badetreppe, in ein Gespräch nach dem andern vertieft. Dunst am Horizont. Die Sonne hoch darüber. Ich bin im Nu wieder zu Hause. Am Abend noch einmal Garten. Die letzten Samenfäden. 

Und wo verbringe ich die Nacht?

Donnerstag, 18. Juli 2024

Dichotomie

Nur zögerlich wird es wärmer. Sommer? Nein! Badewetter? Nein. Nipptide. Hochwasser zu früh am Vormittag. Am Mittag kreischen die Nachbarskinder eine Stunde im Pool. Es war nun tagelang kalt und still. Im Briefkasten landet prompt ein flyer von JW. Auch das kam lange nicht mehr vor. Das Papier ist dünn und schäbig. Wie eh und je. 

Am Abend Merkur in der Halbphase, also zweigeteilt. Eine Hälfte beleuchtet, die andere nicht, half-lit.

Mittwoch, 17. Juli 2024

Lunar Occultation of Antares

Heute Nacht Canetti. Sein (vergeblicher) Versuch, literarisch gegen den Tod anzukommen. Auch das ist nicht neu. Und nicht mehr zeitgemäß. Ich werde höchstwahrscheinlich darüber einschlafen, während sich der Mond vor Antares, den hellsten Stern im Sternbild Skorpion schiebt und diesen versteckt. Hier am Wattenmeer ist davon nichts zu sehen. Nur von Teilen Südafrikas aus und nur mit viel Glück.

Dienstag, 16. Juli 2024

Samenfäden

Alle Jahre wieder. Vor dem Regen sammle ich die Samenfäden meiner Edelkastanie ein. Solange sie trocken sind, lassen sie sich widerstandslos auf dem Asphalt zusammenschieben und zu luftigen Bergen auftürmen. Auf dem Rasen ist es schwieriger, da können sie aber erstmal liegenbleiben. Nach dem Regen, der für die Nacht angesagt ist, und im Morgentau verkleben sie. Matschig und ohne Löcher.

Montag, 15. Juli 2024

Trypophobie

Die Tarot-Wochenbotschaft warnt vor jemandem, der lügt. Der falsch ist. Eine Schlange oder ein Fuchs. Was tue ich nicht alles, um auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben. In meinem Garten halten sich mittlerweile ganz ungeniert fremde Tiere auf. Wenn ich mal aus der Tür trete, gucken sie mich vorwurfsvoll an, was mir einfalle, ihre Ruhe zu stören. So weit ist es schon gekommen. 

Die Trypophobie ist das Fremdwort des Tages. Der Woche. Was lese ich nicht alles, um ... Trypophobie ist die irrationale Furcht vor "Ansammlungen von kleinen Löchern oder Unebenheiten". Oft in organischen Materialien. Als Beispiele werden Honigwaben oder Lotusblüten genannt. Hirnrissig und wissenschaftlich nicht anerkannt. Aber in den Praxen der Psychologen ständiger Gast. In Form von unerklärlichem Schwindel oder nicht therapierbarem Ekel.

Heute Abend treffen sich in der Dämmerung im Osten Mars und Uranus, aber nicht nah genug, um in die Linse des Teleskops zu passen. Und von bloßem Auge ist es müßig, den löchrigen Horizont abzusuchen.

Sonntag, 14. Juli 2024

Verwechslungen

Vor ein paar Tagen hörte ich am Abend das wunderbare Hörspiel mit dem unaussprechlichen Titel "Die Brautschau des Dichters Robert Walser im Hof der Anstaltswäscherei von Bellelay, Kanton Bern".  Ich bin altmodisch und höre nur live am Radio. Ich hasse das Geschwätz auf den Podcasts, dafür fehlt mir regelmäßig die Geduld. Und allein des Titels wegen lohnt es sich, aufgeregt und atemlos am Radio zu sitzen! Ich kenne das Hörspiel, es ist fast so alt und altmodisch wie ich. Aber: in der Anmoderation kürzlich entblödete sich die Anmoderatorin nicht - und das war der Beweis, dass auch sie live am Mikrophon saß, sonst hätte jemand in der Chefetage die Peinlichkeit mitbekommen und kurzerhand rausgeschnitten - von Martin Walser zu sprechen und Martin Walser nicht nur in die Schweiz zu versetzen, sondern eben auch in besagte Anstalt, eine - wie es damals hieß - Nervenheilanstalt für Geisteskranke oder Geistesverirrte. Im ehemaligen Kloster. Der eine wie der andere Walser wird sich Grabe umdrehen und zu Recht verwundert die Augen reiben. 

Viel schlimmer sind die Verwechslungen auf meinem Dach. Seit einem halben Jahr streite ich mich mit der neuen Betreiberfirma (es ist ja keine neue Firma, nur eine neue Gesellschaftsform, der Schlendrian ist derselbe geblieben) über die Abrechnungen der Einspeisungen meiner beiden Solaranlagen aus dem vergangenen Geschäftsjahr. Morgen beschreite ich, eine friedliebende Frau, den Weg aller Wege, der zum Anwalt meines Vertrauens führt.

Samstag, 13. Juli 2024

Eggstedt

Ich radle kurz vor dem Mittag voller Zuversicht nach Eggstedt. Nieselregen schon in Nindorf. Aber der hält mich nicht auf. Und nicht ab. Die Tropfen trocknen im Fahrtwind. Auf der Haut und auf der Brille. Ich habe ungefähr dieselbe Entfernung vor mir, wie wenn ich zum Deich zum schwimmen fahre, nur in halbentgegengesetzter Himmelsrichtung.

Nach Hause komme ich nicht mehr auf meinem stolzen Fahrrad. Sturzbäche fallen vom Himmel und verschließen die Sicht auf die Welt. 

In Teilen Nordamerikas sieht man heut Nacht die lunar occultation of Spica - der Mond schiebt sich vor den hellsten Stern im Sternbild Jungfrau. Gute Nacht!

Freitag, 12. Juli 2024

Apogäum

Nun ist der Mond an seinem erdfernsten Punkt angekommen: moon at apogee - Mond im Apogäum! Er erscheint deshalb etwas kleiner als sonst, falls ihn jemand zu Gesicht bekommt. Hier Wolldeckenwetter.

Außerdem: Merkur erreicht seinen höchsten Punkt am Abendhimmel. Er soll kurz nach Sonnenuntergang im Westen auftauchen. Am Wattenmeer s.o. Starkregen und Wolkenvorhänge, obwohl die Sonne theoretisch noch, nicht mehr hoch, aber noch am Himmel steht.

Donnerstag, 11. Juli 2024

Meer

Ich habe es erst heute wieder geschafft, an die Meldorfer Bucht zu kommen. Schwimme eine Stunde vor Hochwasser mein Dreieck. Das Wasser ist schon über Kopfhoch und läuft immer noch auf. Immer noch Springverzögerung nach dem Neumond. Immer noch Springtide. Immer noch warmes Wasser. Immer noch Menschenleere. Immer noch kalter Wind. Immer noch von West. Er lehrt mich das Frieren und schiebt mich nach Hause.

Mittwoch, 10. Juli 2024

Besuch

Vor dem Schlafengehen spazieren wir durch die menschenleere Stadt. Danach frischen wir in meinem Wohnzimmer alte Erinnerungen auf. 

Nach dem Aufwachen regnet es, so dass wir nicht im Garten frühstücken können. 

Gegen Mittag fahren sie weiter nach Norden, nun schon in der Sonne. Aber ohne Schwimmen. In der Meldorfer Bucht ist immer noch Hohlebbe. Ins Wasser gehen sie dort, wo es angekommen sein wird. An ihrer Lieblingsbadestelle.

Dienstag, 9. Juli 2024

Lachen und Weinen

Ich bin heute 2 x beim Zahnarzt meines Vertrauens gewesen. Als ich vor Tagen telefonisch einen Termin erfragte, bekam ich zur Antwort "da sind wir schon im Oktober". Als ich heute früh um 8 zur Kontrolle auf dem Stuhl lag, hörte ich "da gucken wir gleich".  Und bekam dann, als ich wieder auf meinen zwei Beinen stand, einen fragenden Blick zugeworfen: 15 Uhr?

Die deutsche Sprache ist zuweilen auch für Deutschsprechende nur über Umwege zu verstehen.

Montag, 8. Juli 2024

Hören und Sehen

Im Radio liest seit heute eine Erfolgsautorin über das Alter(n). Ich halte es gerade mal eineinhalb Minuten aus, eh ich abschalte. Ich prophezeie ihr leider kein leichtes Sterben, denn ich bin so etwas wie eine Seherin. Zusehr hält sie an ihrer Zuckerdose und einem Koffer auf dem Dachboden fest. Leichtigkeit hat mit Loslassen, Gelassenheit mit Verlassenschaften zu tun. Hören und Sehen hingegen vergehen, auch das gehörtwerden und das gesehenwerden, und natürlich das gehörthaben(wollen), das gesehenhaben(glauben).

Sonntag, 7. Juli 2024

Sonntag

Ein stiller Sonntag. Ich pflege meine Kopfschmerzen. Der Wind ist heftig und die Kinder sind wohl weggesperrt. Der Pool ruht verlassen in der Mittagssonne. 

Ich habe hier nichts mehr zu sagen. Obwohl: die meisten hörten auf mich und erschienen gestern abend pflichtschuldigst nicht. Wenn es nicht der gereizte Darm ist, ist es der gesunde Menschenverstand. Etwas rebelliert immer.

Samstag, 6. Juli 2024

Neumond

Neumond in finsterer Nacht! Die meisten Kalender geben den Neumond für den 5.7.24 an, aber er ist erst jetzt ganz neu oder leer, eine knappe Stunde nach Mitternacht - nach MESZ!

Und am Abend ist dann ganz bestimmt das Datum richtig. Ich lese 10 (in Worten: zehn) Minuten aus meinem neuesten Buch. Mehr Zeit ist nicht, sagen die, die das Sagen haben beim Meldorfer Literaturtreiben. Und die wissen, was getrieben wird. Mit Literatur & Co. Ich mache Gute Miene zum Bösen Spiel und werde das Rätsel der 144 (Seiten) x 144 (Wörter) auflösen. 

Das kann aber jede und jeder Interessierte selber nachlesen, bequem zu Hause auf dem Sofa, ganz ohne Nebengeräusche, vertieft nur ins eigene Blättern. 

Ich ermuntere also alle, das Buch zu kaufen - statt sich pünktlich um 19 Uhr in der Ditmarsia einzufinden.

Freitag, 5. Juli 2024

Aphel

Gerade jetzt, um 07:06 Uhr durchläuft die Erde den sonnenfernsten Punkt - das Aphel - auf ihrer Bahn. Genau 152 099 968 km trennen uns. Die Bahn der Erde ist elliptisch, sie läuft nicht schnurgerade wie die Eisenbahn. Die Erde besitzt keine Schuhe, wie die Eiskunstläuferinnen, hat keine Kufen an den Füßen, sitzt nicht auf zwei parallelen Schienen auf, die wiederum auf einem erhabenen und unerschütterlichen Schotterbett aufliegen. Nein, die Erde - und wir mit ihr - schlenkert schon mal wie besoffen hin und her im All und um die Sonne. Je nachdem, welcher Anziehungskraft sie gerade nicht widerstehen kann, der des Mondes oder der eines Planeten, Jupiter oder Saturn. Wir Irdischen haben darauf gar keinen Einfluss. Da hilft weder eine geschwellte Brust noch das übersteigerte ego. 

Und zum Trost sowie entgegen der Energiebotschaft: Das Sommerhalbjahr dauert rund eine Woche länger als das Winterhalbjahr. Aufgrund der allgemeinen Schieflage von Erdachse, Einbildung und Vermessenheit!

Donnerstag, 4. Juli 2024

Heckenschneiden

Noch so eine outdoor-Lieblingsbeschäftigung in der zweiten Hälfte des Jahres. Während Regenpausen und unter Sturmböen. Der Vater der Nachbarin schneidet und ich sammle ein, was er geschnitten hat. Es fällt weniger an als in den letzten Jahren. Weil wir früher schneiden, die Hecke anders wächst und das Wetter ist, wie es ist. Die Nachbarin selbst macht homeschooling, weil ihre Schule in Heide nach dem Brand aus Sicherheitsgründen immer noch geschlossen ist. Wahrscheinlich ist sie froh, dass der Opa, während die Enkel in Wöhrden in einer nicht geschlossenen Schule sitzen, sich draußen beschäftigt. So hat rundum alles sein Gutes.

Mittwoch, 3. Juli 2024

Rückwärtsgang

Es regnet und stürmt so heftig, dass ich Dateien sichte und Sicherungen lösche. Virtuellen Platz schaffe. Nicht alles muss für die Ewigkeit erhalten bleiben. Spuren beseitigen ist heutzutage eine Herausforderung. Speicher öffnen und von zwei Seiten durchpusten lassen. Durchzug hieß das früher und der Ort Tenne. Oder Scheune. Stoßlüften. Meine indoor-Lieblingsbeschäftigung.

Am Abend, zur Vordämmerung, zum Trost, am Himmel: "Celestial Necklacy: Mars, Moon, Jupiter, Plejades and Aldebaran can be easily seen with the naked eye in the eastern predawn sky."

Dienstag, 2. Juli 2024

Weichenstellen

Die Energiebotschaft für Juli spricht von den verzweigten Wegen des Lebens. Meines, deines, unseres. Und von den Abzweigmöglichkeiten, die ich entweder verneine oder bejahe. So werde ich Schöpferin meines eigenen Daseins, indem ich mich entscheide, nach links zu gehen und rechts links liegen zu lassen. Oder umgekehrt. Oder indem ich beschließe, unverdrossen geradeaus zu marschieren. In der Annahme, das Ziel liege genau vor mir.

Hochwasser ist in drei Stunden, Regen fällt erst am Mittag, aber dann wahrscheinlich ohne Pause bis zum Abend. Das Wasser ist warm, die Luft kalt. Ich bleibe zu Hause am Schreibtisch.

Montag, 1. Juli 2024

Fragenstellen

Jahresmitte. Beginn der zweiten Jahreshälfte. Es ist kalt und es schüttet gnadenlos von einem bleiernen Himmel. Ist es das, was wir wollen? Wer ist wir? Ich + Mein Baum! Im Sommer schlafe ich unten auf den Tatamis und wache unter der Edelkastanie auf, die mit jedem Jahr größer und mächtiger wird. Eine einzige Nacht verbrachte ich letzte Woche draußen im Garten, aber auf der Terrassenseite. Eine klare, kurze, helle, heiße Nacht. Die Sterne hatten kaum Zeit zu leuchten. So schnell vertrieb sie die Morgendämmerung wieder.

Und heute? Aufstehen? Aus dem Fenster gucken? Die Haushasen begrüßen, die die Wurzeln meiner Edelkastanie anbaggern, warum weiß ich nicht. Aber gefallen tut es mir nicht, also werde ich Gegenmasßnahmen ergreifen müssen. Heute! Um meinen Hausbaum zu retten! That's it!

Sonntag, 30. Juni 2024

Regentreiben

Der Regen vertreibt alle outdoor-Aktivitäten schon nach kurzer Zeit. Im Pool tummeln sich heute die Väter! In meinem Garten wohnt seit kurzem eine ganze Hasenfamilie. Die Kleinen warten wie im Bilderbuch auf die Großen. Und knabbern derweil meinen Klee. Wäre Herr Caruso noch am Leben, wäre der Idylle Ende nah.

Samstag, 29. Juni 2024

Kindertreiben

Der Badespass im Nachbarsgarten treibt mich zum Wahnsinn! Seit der nicht eingehaltenen Mittagsruhe bis jetzt. Zwei Dutzend kreischende kids. Open end!

Gestern ist meine Amtszeit als Schiedsfrau zu Ende gegangen. Und heute denke ich tatsächlich darüber nach, in einem Nachbarschaftskonflikt bei meinem Nachfolger einen Antrag auf Schlichtung zu stellen.

Donnerstag, 27. Juni 2024

Die Floskel

Wer kennt sie nicht? Diese sagenhaft nichtssagenden Phrasen, diese Lückenbüßer peinlicher Pausen, Eisbrecher oder kommunikative Anschubhilfen, ohne die unser soziales Miteinander vielleicht gar nicht möglich wäre, oder wenigstens zuweilem um einiges frostiger ausfiele.

Mir war aber bis eben nicht bewusst, dass die Floskel etymologisch auf die Blume bzw das Blümchen zurückgreift. Das lateinische flosculus ist die Diminutivform zu flos, floris (hier erkennen wir doch sofort unsere Floristin wieder!). Das Blümchen der Abgedroschenheit! 

Dieses Blümchen hat nichts mit blümerant zu tun. Blümerant ist vornehm und stammt aus dem französischen. Es bedeutet sterbendes (verblassendes) Blau: bleu mourant.

Mittwoch, 26. Juni 2024

Alte Hüte

Seit Tagen trage ich mich mit dem Gedanken, draußen im Garten zu schlafen. Immer finde ich eine neue Ausrede. Zu kalt, zu nass, zu unsicher. Hell ist es fast bis Mitternacht, wenn ich vorher todmüde umfalle, tue ich es meistens unter dem schützenden Dach.

Gestern abend war ich fast so weit. Alles passte. Eine sternenklare Nacht stand bevor! Aber diese unsägliche App warnt und warnt und übernimmt die Kontrolle über mein freies Denken und Handeln. Sie warnt durchgehend, ohne Pause, die ganze Nacht hindurch bis in die frühen Morgenstunden. Sie warnt beständig vor dieser todbringend erhöhten UV-Intensität. Sie rät auch im Schatten (!) zum Tragen von Sonnenbrillen und breitkrempigen Hüten. Um nur zwei Beispiele zu nennen. Wie soll ich so bekleidet auf meiner Liege im Thermoschlafsack unter freiem Himmel die Nacht verbringen?

Und kaum ist sie, die Sonne am Wattenmeer wirklich wieder  aufgegangen, nimmt sie, die App, neuen Anlauf.

Dienstag, 25. Juni 2024

Gefahrenabwägung

Früh am Morgen ist mein Rasen wunderbar feucht. Morgentau! Ich bürste ihn mit meinen Nagelschuhen, den Rasenlüfterschuhen und muss dabei, sehr zu meiner Verwunderung, mehrmals heftig niesen. Danach ist meine Nase frei und der Rasen sieht wie frisch gekämmt aus. Frisch gewaschen. Frisch gelockt und geföhnt. 

Die Wetterapp warnt seit gestern vor "erhöhter UV-Intensität" und rät zu "sonnengerechtem Verhalten" gemäß international einheitlichen Empfehlungen der WHO. Nur wir Überheblichen, Weißen, angeblich Zivilisierten, Westler oder Nordler verhalten uns fahrlässig. Also: nicht klimagerecht. 

Am Wattenmeer immer noch Springtide. Immer noch viel Wasser. Also werde ich - von meiner Sommergrippe bereits schnell genesen, vielleicht war es auch nur ein Anfall von Allergie (s.o.) - heute früher, noch im vorgegebenen UV-Gefahrenzeitfenster zum Deich radeln. Getragen von der Vernunft und einem schwachen Ostwind. So verhindere ich, dass mich beim Dreiecksschwimmen der mächtige Sog des Ebbstroms hinausträgt aus der Meldorfer Bucht in die offene Nordsee. Auf Nimmerwiedersehen!

Montag, 24. Juni 2024

Sommerschnupfen

Tatsächlich habe ich mir gestern so etwas wie eine Sommerverkühlung geholt, so dass ich heute vernünftig zu Hause bleibe. Ich sortiere Postkarten und werde am späteren Nachmittag Rasen mähen und meinen Bürgersteig entkrauten. Was sein muss, muss sein (va die Postkarten, die unbeschriebenen und beschriebenen, die vorfrankierten und unfrankierten).

Sonntag, 23. Juni 2024

Sonntagsschlottern

Ich fahre zuversichtlich rechtzeitig los. Springtide! Die Flut läuft fast einen halben Meter über das mittlerere Hochwasser auf. Nehme ein dickes Buch mit und und eine Stulle.

Das Wasser ist warm und wild. Der Wind nach dem Schwimmen giftig. Ich halte es auf dem Deich gerade so lange aus, bis ich mich gestärkt (mein Brot gekaut) habe. Dann rase ich schlotternd mit Rückenwind am Sonntag durch den Speicherkoog nach Hause.

Unterwegs springt plötzlich mein Bordcomputer wieder an. Nach wochenlangem Streik! Maximale Geschwindigkeit 36,1 km/h. Warm wird mir trotzdem erst wieder auf meiner Bank. In meinem Garten.

Samstag, 22. Juni 2024

Träume

Der Mond nimmt seit zwei Stunden wieder ab. Er hat mich geweckt. Trotz dicker Wolkendecke. Der Junivollmond soll auch Erdbeermond heißen! Die Träume übernehmen, wo der wache Geist versagt. Mein Meister wäre heute 98 Jahre alt geworden. Er ist zur Sommersonnenwende geboren worden, an dem Tag, an dem der Nordpol so stark zur Sonne gerichtet steht, wie nie sonst im Jahr. Aktuell, also im laufenden Jahr 2024 war das aber bereits vor zwei Tagen, also am 20. Juni genau um 20:50 Uhr UTC (oder 22:50 Uhr MESZ) der Fall. So früh, wie angeblich zum letzten Mal 1796, während der Französischen Revolution. Tatsächlich aber auch im Jahr 2020 aufgrund des Schaltjahres. 

Konwickis Roman "Bohiń" spielt im Jahr 1875. Darin rudern Zar Alexander I und Napoleon seit einem halben Jahrhundert - also seit 1825, dem Todesjahr Alexander des Ersten - in einem Boot auf dem Fluss Niemen. Sie sitzen sich gegenüber und jeder rudert in seine Richtung, also kommen sie nicht und nie vom Fleck. Sehen kann die beiden nur der Kutscher Konstanty, der im Roman mit 182 Jahren älteste Mensch der [dargestellten] Welt.

Freitag, 21. Juni 2024

Freitag

Der Sommer ist schon wieder vorbei. Ich friere und es regnet. Die Tageslosung lautet: "Du sollst nicht töten" (2. Mose 20,13). Die Erfahrung lehrt mich, an solche Sätze nicht mehr zu glauben! Ich war seit langem wieder einmal im Dom zur Marktandacht, fand aber keinen Trost. Die Pastorin plauderte in gewohnt jovialer Manier - der Ton ist nach wie vor grauslig verzerrt, aber das liegt an der Technik im Gotteshaus - vom Stadtradeln. Who cares? Ich irre durch den Tag.

Donnerstag, 20. Juni 2024

Sommer

Der längste Tag und alles kommt ans Licht! Am Mittag bin ich an die Nordeee gefahren und habe mein Dreieck absolviert. Außer mir war kaum jemand da. Das Wasser war angenehm, immer noch Bauchnabelhoch. Es lief bereits ab, die Strömung war erträglich. Der Wind aber erlaubte kein Verweilen am Deich, trieb mich bissig und böse, kalt über die Krone nach Hause.

Am Abend dann die alles an und in mir erschütternde Nachricht, dass ich die kürzlich in Niebüll am helllichten Vormittag vergewaltigte und ermordete junge Frau kenne! Ein makabres déjà-vu! Ich dachte, denn das behaupteten damals, als Schwiegervater ermordet wurde und es in der Zeitung stand, ehe das Krankenhaus es für nötig befand, uns Angehörige zu benachrichtigen, alle so, wie zur Beruhigung meiner geplagten Seele, dass es einem Menschen höchstens einmal - wenn überhaupt! - im Leben passiert, dass er oder sie von einer Schlagzeile am Kiosk in der U-Bahn (einst) oder im WorldWideWeb (heute) im tiefsten Innern getroffen wird. Und die absolute Ungläubigkeit - "das kann doch nicht wahrsein" - sich mit der absoluten Gewissheit - "es gibt überhaupt keinen Zweifel" - misst. Ein kräftezehrendes Manöver des Geistes.

Mittwoch, 19. Juni 2024

Das Leben auf NN

Ich bin immer noch kurzatmig, praktiziere aber mein Qigong am Morgen draußen vor der Tür. Der Wind ist immer noch kalt. Kaum habe ich die Wäsche auf der Leine, kippen die Bauern ihre Schweinegülle in die Feldmark. Ich schließe ständig Fenster. Weil die Nachbarskinder kreischen (sollten die nicht längst in der Schule sein?). Weil die Nachbarn grillen (ist schon wieder Wochenende?). Weil immer Wind von West. Weil die Nachbarn rauchen (immer, immer, immer wenn ich meine fünf Minuten Kontemplation auf der Gartenbank brauche). Weil die Nachbarn reden (je später der Abend, desto lauter). Weil die Bauern arbeiten (je früher am Morgen, desto geruchsintensiver). Ich ersticke hier auf NN (NormalNull).

Dienstag, 18. Juni 2024

Tide

In der Nacht hat es heftig geregnet. Jetzt scheint die Sonne und ich schaue zum ersten Mal seit langem auf den Tidenkalender. Die Flut hat gerade ihren Scheitelpunkt erreicht und den Stab an die Ebbe abgegeben. Das Wasser im Wattenmeer läuft weg. Gut so, denke ich, heute kein schwimmen mehr möglich. Oder erst im letzten Abendlicht gegen 23 Uhr. Lieber lege ich mich nach dem zweiten Frühstück auf die Gartenbank. Ich fühle mich immer noch unausgeschlafen, wache früh vor Sonnenaufgang auf und werde in den unglaublichsten Momenten sterbensmüde.

Montag, 17. Juni 2024

Liminalität

Das Wort des Tages! Der Woche! Der Zeit! Liminalität, lese ich, beschreibe einen "Schwellenzustand". Das "Nicht mehr" und "noch nicht" zugleich. Übergänge. Oder betwixt and between.

Sonntag, 16. Juni 2024

Letzigraben

Sonntag. Ich friere immer noch. Statt Suppe am Mittag baden im Radio. Im Freibad Letzigraben in Zürich, im sogenannten Maxfrischbad. Ein sprechender Name! Erfrischendes Wasser. Wir Schweizerinnen wissen, dass Frisch Architekt war und 1943 - als der Rest der Welt wahrlich andere Sorgen hatte - einen Wettbewerb gewann, der ihm für einige Jahre das täglich Brot einbrachte. Ja, Max Frisch hat ein Schwimmbad gebaut, das vor 75 Jahren eröffnet wurde. Ein Sportbad. Ein Freizeitbad. Ein Volksbad als Erholungsort. In dem das Individuum nicht in der Masse untergehen soll ... Mit Zehnmetersprungturm. Und einem Pavillon mit Imbiss auf dem höchsten Punkt des Geländes. Dort stand einst, weil es eben der höchste Punkt weit und breit ist, der Galgen von Zürich. Die letzte Hinrichtung soll 1810 stattgefunden haben. Es kamen aber keine Schädelknochen zum Vorschein bei den Bau- und Grabungsarbeiten. Architektonische Inszenierung. Kulinarische Inszenierung. Literarische Inszenierung. Jeder Text ist ein Bauwerk. Jedes Eis muss schmelzen. Emotional und durchdacht. Funktional und reduziert. Interesse an der Wiederhulung, am Seriellen. Subtile Ästhetik, Frische!

Bei uns kein Badewetter, deshalb relative Ruhe. Die Kinder des Nachbarn haben eine Rutsche in den Pool bekommen, wodurch der Geräuschpegel natürlich ansteigt. In gegenläufiger Richtung zum plumpsenden Po.

Samstag, 15. Juni 2024

Gewitter

Gewitter am hellen Mittag, bei eiskalten Temperaturen. Kein Ende abzusehen. Schafskälte, Dauerregen.

Freitag, 14. Juni 2024

Donnerstag, 13. Juni 2024

Garten

Ich fange immer dort wieder an, wo ich aufgehört habe. Der Rasen ist in die Höhe geschossen, die Tomaten sind in die Höhe geschossen, die Brombeeren sind in die Höhe geschossen, die Himbeeren und Johannisbeeren sind in die Höhe geschossen und wie alle Jahre wieder vollkommen verlaust. Die Stauden auf dem Grab der beiden schwarzen Kater sind in die Höhe geschossen und blühen um die Wette, die Felsenbirnen sind fast reif, die Hasen haben die Edelkastanie angebaggert, im wahrsten Sinn des Wortes. Ich weiß nicht, was die da wollen. Unter den mächtigen Wurzeln. Ein Nest bauen? Einen Bau bauen wie Kafka? Jetzt, wo die Gefahr gebannt ist und Herr Caruso längst sein Unwesen anderswo treibt? Ich komm nicht nach mit gucken. Und staunen. Und schweigen. Und es regnet und regnet und regnet immer wieder. Es ist kalt. Der Wind bläst eisig um die Hausecke. Schafskälte. Überhaupt kein Gartenwetter. 

Mittwoch, 12. Juni 2024

online

 Ich bin schon seit ein paar Tagen wieder online, muss aber immer noch schweigen.

Dienstag, 28. Mai 2024

offline

Ich fahre weg. Nach Jahren, Jahrzehnten endlich Urlaub. Wie er im Bilderbuch steht.  Mit Koffer (viel zu schwer), Ticket, händi und ein bisschen Reisefieber. So long. Hebet's guet, wie die Helvetia auf dem Kleinbasler Brückenkopf sagen würde, wenn sie sich tatsächlich noch von der Stelle rühren wollte und lesen und schreiben könnte.

Montag, 27. Mai 2024

Garten

Ich beschäftige mich am späten Nachmittag noch ein bisschen mit dem Garten. Das Gewitter gestern nachmittag und der Regen in der Nacht haben gut getan. Der Rasen ist gesund und kräftig geworden. Am Morgen graste ein Hase, aber nicht zuverlässig und nicht gleichmäßig. Nun habe ich den Duden online konsultiert und verstehe immer noch nicht, warum die beiden Wörter auf "-ässig" nicht gleich geschrieben werden.

Sonntag, 26. Mai 2024

Gewitter

Rechtzeitig schwimme ich mein Dreieck in der Meldorfer Bucht. Das Wasser ist gnädig, über eine Stunde vor Hochwasser bereits brusthoch. Warm. Ruhig. Die Ruhe vor dem Sturm. Auf dem Deich ist es heiß und windstill. Die Sonnenanbeterinnen strömen in Latschen und mit Thermoskannen herbei. Von Süden dräuen mahnend dunkle Wolken. Wir fahren rechtzeitig los und bald schon prasselt der Regen auf die Windschutzscheibe. G. hat mich mit dem Auto mitgenommen.

Samstag, 25. Mai 2024

Erleichterung

Ich putze das Haus von oben bis unten und entleere zum Schluss den Staubsauger, der ohne Staubsaugerbeutel auskommt. Schraube die Teile auseinander, klopfe den Staubbehälter direkt über der schwarzen Mülltonne aus, und siehe da: es krabbeln mehrere Spinnen heraus, mit staubbedeckten Häuptern. Sie überleben also! Dann wasche ich den Filter unter fließendem Wasser aus. Wenn er sauber ist, muss er 24 Stunden trocknen, bevor die Hausfrau ihn wieder benützen darf. Das erleichtert mich ganz unerwartet und nimmt mir viel Schwere von der Seele, den ganzen Ballast der Zeit. Ich lege das tropfnasse Teil an die frische Luft, auf den Gartentisch, an die Mittagssonne, wie eine Pflanze, die vom Licht genährt werden will.

Freitag, 24. Mai 2024

Verzweiflung

Der letzte Arbeitstag. Die Verzweiflung greift von allen Seiten. Ich habe nicht einmal den Mut, ans Meer zu fahren. Es ist zu heiß und ich bin zu fahrig. Ich sammle stattdessen meine Gedanken und versuche sie zu ordnen. Nach Farbe, nach Größe, Länge und Breite, nach Gewicht. Dasselbe funktioniert auch mit Buchstaben und mit ganzen Wörtern. Mit vollständigen Sätzen und vollgeschriebenen Seiten. Mit numerierten Kapiteln, titellosen Geschichten und mit sämtlichen Romanen der Weltliteratur, allen geschriebenen und ungeschriebenen.

Donnerstag, 23. Mai 2024

Blumenmond

Maivollmond: Blumenmond oder Vesakh, je nach dem, wo wir uns in der Welt gerade befinden. Bei den nordamerikanischen Ureinwohnern oder unter den Theravada-Buddhisten in Südostasien.

Angeblich wurde Buddha an einem Maivollmondtag geboren - und ist Jahre später, nach seinen Wanderungen durch Lehre und Stille bis hin zur Erleuchtung, an einem eben solchen Maivollmondtag gestorben. Also heute. Und auch heute ist also der Tag, an dem sich alle Katzen dieser Welt, also auch meine Herren Rasputin und Caruso, für immer und ewig den Fluch nicht gezeigter Trauer auf sich geladen haben sollen.

Das Leben in seiner Fülle ist kompliziert. Nicht vergossene Tränen können nie wieder nach-vergossen werden. Das Leben ist eben weder eine Regentonne noch eine Gießkanne. Am Wattenmeer hat es aufgehört zu regnen, die Luft ist rein und ich radle zum Hochwasser an die Meldorfer Bucht, schwimme mein besinnliches Dreieck, eingedenk des hoffentlich nun bis zur Unkenntlichkeit verdünnten Universalreinigers. Am Abend, wenn der Maivollmond über den Horizont im Osten steigt, bitte zur atmosphärischen Reinigung Einkehr halten, für den Weltfrieden meditieren und die Figur eines stehenden (ich besitze mehrere, leider allesamt Sitzende) Buddhas mit klarem Wasser übergießen. Dann wird alles gut!

Mittwoch, 22. Mai 2024

Regen

Wie erlösend! Nachtregen, Morgenregen, Landregen. Gegen Abend Starkregen. Zum Glück habe ich gestern abend kurz nach Sonnenuntergang, im letzten Licht des Tages, den Rasen auf der Nordseite gedüngt. Nachdem ich ihn gemäht, gemulcht und getreten hatte. Wenn ich mit den Nagelschuhen über den Rasen gelaufen bin, sieht er aus: Wie gekämmt. Und jetzt, nach einem ganzen Tag im Regen: Wie gewaschen! Eine saubere Sache, auch für die geplagte Seele!

Dienstag, 21. Mai 2024

gokuraku

Um meine verwirrten Sinne zu beruhigen las ich vor dem Einschlafen unter der Nachttischlampe das Manesse Indigo-Bändchen "In einem japanischen Garten" von Lafcadio Hearn alias Koizumi Yakumo. Ein wunderbarer Text - ausgehend von der buddhistischen Unterscheidung aller Dinge in "hijō" (= Dinge ohne Wunsch, Steine oder Bäume) und "ujō" (= Dinge mit Wunsch, Menschen und Tiere, auch Insekten!) - mit vielen liebevollen Schilderungen von Steinen und deren Anordnungen, Größen und Formen, von Blumenleeren Beeten, von Grenzen und Zäunen, vom Sinn des Unsichtbaren und Sichtbaren, vom Sinn des Sinnentleerten (nicht Sinnlosen!) und Sinnvollen. Sowie natürlich von Tieren, von Garten- und Haustieren, Grillen, Fröschen, Vögeln, Zikaden und nachtaktiven Insekten. Die Katzen kommen zwiespältig und eher schlecht weg, behauptet der griechisch-irische Japaner doch einerseits: "Katzen sind Magier und haben die Kraft, Leichen tanzen zu machen.", andererseits: "Katzen sind fluchbeladen: einzig die Katze und die giftige Schlange weinten nicht beim Tode Buddhas; und sie werden nie in die Seeligkeit des gokuraku eingehen."

Ich aber bin eingegangen in die Seligkeit. Das Indigoblau bescherte unaufgeregte Träume. Und wieder hinausgekommen.

Montag, 20. Mai 2024

Unruhe am Deich

Mittagsschwimmen. Ruhige See. Ich drehe zufrieden mein Dreieck. Dann kommen Strandkorbsaisonmieter mit Putzeimer und Universalreiniger (Orangengeschmack). Wegen der vielen "Viecher". Richtig! Kleine schwarze Fliegen. Kleben sogar auf meinem Fahrradsattel. Stören aber nicht. Sind nicht aufdringlich und nicht durstig. Ist doch gut, sage ich, dass es noch Insekten gibt. Aber nicht so viele! Sie könnten sich nicht einmal in Ruhe in den Strandkorb setzen! Ich sitze auf dem Deich, auf meinem Handtuch, unter mir vertrocknete Ringelganskacke. Ungerührt. Sie kommt auf die Quallen zurück. Ach ja. Kürzlich, als wir uns das letzte Mal begegnet waren, an der Badetreppe, gab es Quallen. Das Wasser sei viel zu warm! Damals war es noch viel kälter als heute, sage ich. Rechthaberisch. Unnachgiebig. Und heute gibt es keine Quallen. Alles müsste wieder zur Norm zurückkehren, fordert sie. Zu welcher Norm? Frage ich irritiert. Ihr Mann hatte Nervenschmerzen, die ganze Nacht. Er bestätigt das, während er den Strandkorb von hinten und von unten besprüht. Unverdünnt. Sie habe gelesen, sagt sie, die Insekten mögen keinen Citrusduft. Oho! Ich erhebe mich, ziehe mich an. Mir wird das hier zu bunt. Bin ich (k)eine Insekte? (K)Eine kleine schwarze Spinne? Beim nächsten Regenguss, sage ich, wird doch alles wieder abgewaschen! Auf den Deich ins Gras gespült, das die Schafe fressen sollen. Sie wollte nicht mit Insektenspray anrücken, erklärt sie, denn der sei giftig und würde die Insekten töten. Aha! Sie will sie nur aus ihrem Strandkorb vertreiben.

Ich muss nach Hause, Gewitter sind angesagt. Sie fragt wohin. Und gibt ungefragt Anweisungen, wie ich am besten hinkomme. Ich kämpfe so oder so gegen den Ostwind. Angekommen gehe ich schnurstracks ins Internet. Geheimnisse gibt es in dieser Welt nicht mehr. Der "umweltverträgliche" Universalreiniger, von dem die Herrschaften gerade eine halbe Flasche ungeschützt an das fragile Ökosystem am Wattenmeer abgegeben haben, besteht aus 5 % anionischen europäischen (sic!) Tensiden, nichtionischen Tensiden, Seife, Duftstoffen (Limonene, Linalool) sowie aus Orangenöl und Kosmetikfarbstoffen. Unter dem weiterführenden Pfeil "Detergenzienverordnung" finde ich die genaue Liste der Inhaltsstoffe "in absteigender Reihenfolge": 

AQUA
SODIUM LAURETH SULFATE
PHENOXYISOPROPANOL
SODIUM CHLORIDE
PEG-4 RAPESEEDAMIDE
Linseed Acid, Methyldiethanolamine salt
METHYL DIETHANOLAMINE
PARFUM
TETRASODIUM GLUTAMATE DIACETATE
LIMONENE
LINALOOL
COLORANT

Gar kein Insektenabtötendes Gift?

Sonntag, 19. Mai 2024

Quark an Pfingsten

Immer, wenn ich mit dem Messer oder mit dem Löffel eine Quarkpackung ausschabe, kommt die Erinnerung an Herrn Caruso hoch. Er liebte es über alles, solche Verpackungen leerzuputzen. Und er hörte am schabenden Geräusch meines Essbestecks, wann die Zeit für seine Raspelzunge gekommen war. Ein sensibler, intelligenter Kater! Er verbrachte viel Zeit mit den Quarkresten, zuerst in der Quarkpackung und dann rund um sein Näschen herum. Er putzte zuerst das Plastik restlos aus, dann sein Fell. Und war lange glücklich beschäftigt! Alle Katzenfutterhersteller warnen natürlich vor solch menschlichen "Leckerlis", die Tierärztin hatte mir Quark aber schon für den nierenkranken Vorgänger empfohlen. Herr Caruso bekam zudem nur vollfetten Quark, weil seine Herrin anderen verachtet, aber in unregelmäßigen Abständen, was die Freude auf beiden Seiten erhöhte. Es war das letzte, was er noch zu sich nahm, etwa einen halben Teelöffel pro Tag, von mir auf Knien gereicht wie in einem japanischen Edelrestaurant. Bevor er, wenige Stunden vor seinem letzten Atemzug, nur noch Regenwasser trinken wollte. Was er nie zuvor tat. Er trank nie. Oder fast nie. Ich reicherte sein Nassfutter deshalb immer mit einem Schluck Wasser an, besorgt um seinen Flüssigkeitshaushalt. Aber der war bis zum Schluss in Ordnung.

Samstag, 18. Mai 2024

Ruhe am Himmel

Morgenschwimmen. Wenig Wasser, kein Mensch, kaum Wind. Himmlische Ruhe! Ich frühstücke und friere am Deich. Schlottere, bis ich mich wieder warmgetreten habe. Das Wattenmeerkontrastprogram. Zu Hause müssen die Tomaten endlich an die Luft und in die Töpfe. Die Tonkegel liegen schon seit gestern im Wasser aus der Regentonne. Es kocht in der Mittagssonne. Auch der kleine Bambus bekommt sein Bewässerungssystem. Am Nachmittag nimmt der Wind wieder Fahrt auf. Und im Nachbarsgarten lärmen die Kinder im Pool. Im anderen Nachbarsgarten jault der Rasentrimmer. Das Wattenmeerkontrastprogram.

Freitag, 17. Mai 2024

Der Rhododendron

Der Rhododendron explodiert an der Hausecke. Er kriegt von mir nur ab und zu Kaffee. Auf Kunstdünger verzichte ich in meinem Garten. Und ich absolviere in seinem Schatten täglich nach Sonnenaufgang mein Qi Gong. In der Edelkastanie nisten Tauben. Hoch oben über den Nistkästen der Stare. Das Gezänk ist weithin hörbar, aber dazwischentreten kann ich nicht.

Donnerstag, 16. Mai 2024

Die Wüste

Der Ostwind ist gnadenlos. Heiß und staubig. Der erste Donnerstag ohne einen Schritt vor die Tür. Ohne Chorprobe, ohne Schwimmen, aber mit Trampolin im Wohnzimmer.

Mittwoch, 15. Mai 2024

Die nasse Sophie

Die kalte Sophie. Die eisige Sophie. Die Patronin der Spätfröste. Nichts davon zu sehen am Wattenmeer. Sturmböen bis Bft 7. Über 20 ° schon zum Frühstück. Trotzdem hege ich meine zarten Tomatenpflänzchen weiterhin auf dem Festerbrett im Wohnzimmer. Der heiße Wind aus Ost würde sie im Laufe des heutigen Tages zerzausen, zerrupfen, ausdörren, und ich käme überhaupt nicht nach mit gießen. Regen ist nicht in Sicht. Aus den noch unbepflanzten großen Tomatentöpfen auf der Terrasse sprießen derweil ungefragt Kürbisse. Ich hatte die Erde rechtzeitig angereichert und gut vermischt mit meinem eigenen Kompost. Und darin lebt und überlebt und wuchert nun so manches Wunder. Eisheilige hin oder her. Meeresspiegelanstieg her oder hin. Klimakatastrophe jetzt oder nie. Heute kein Schwimmen. Es ist schon wieder Halbmond und die Nippzeit beginnt.

Dienstag, 14. Mai 2024

Bonifatius von Tarsus

Bonifatius kam hier schon öfters vor, immer am 14. Mai. Der vorletzte Eisheilige. Der scharfe Ostwind nimmt täglich zu. Ich rase trotzdem am Abend zum Meer. Mit Rückenwind und zuweilen über 40 kmh. Ich will schwimmen. Bis zur Boje hinaus. Auch die Temperaturen nehmen täglich zu. Und der Übermut. Am Nachmittag erteilte ich dem Schweizer Radio ein Interview zu Lina Bögli. Über WhatsApp. Es ist alles nicht mehr so wie früher. Die Bode-Lina (nach dem "Boden", dem Ort, dem Flurstück diesen Namens hinter oder über der Oschwand, wo ihr Geburtsthaus stand und wo sie, die kleine Bögli, groß wurde) war mE weder ein gutes noch ein böses Mädchen, sondern ein viel zu braves. Auf dem Heimweg quäle ich mich sehr gegen den Gegenwind. Ich muss alle meine Muskelkräfte aufbieten. Sogar der Bordcomputer kapituliert auf halber Strecke, gibt seinen Geist erneut erschöpft auf, nachdem er gestern in der Werkstatt mit frischem Mut (einer neuen Batterie) ausgestattet wurde und sofort (aber nicht nachhaltig oder unwillig, wie sich heute zeigt) seinen Dienst aufnahm.  

Nichts ist mehr so wie früher.

Montag, 13. Mai 2024

Servatius von Tongern

In der Nacht steht der Fingernagelmond am Himmel. Die Eisheiligen (heute der Hl. Servatius von Tongern) machen sich bei uns durch scharfen Ostwind bemerkbar. Ansonsten wären die Temperaturen moderat. Gestern abend zeigte das Badewannenthermometer eines Schwimmers eine Wassertemperatur von 18° an. Er lachte und sagte, die Leute glauben alles, was das Fernsehen sagt. Das Schleswig-Holstein Magazin verkünde nämlich immer noch eine Wassertemperatur an der Westküste von 11°. Wir allein, die wir uns im Badewannenmeer räkeln, kennen die Wahrheit.

Sonntag, 12. Mai 2024

Die Hitze der Nordsee

Nach dem langen Winter endlich eine heiße Nacht. Die Hitze der Nordsee ist aufsteigend und verzögert. Sie liebt das Bett. Kommt, wenn ich endlich liege, auf dem Rücken, von den Zehen über die Fersen bis in den Nacken hoch. Eine lange nicht empfundene Wohligkeit. Mit Sonnenaufgang bin ich wieder auf den Beinen.

Samstag, 11. Mai 2024

angebadet!

Endlich! Samtweiches Wasser. Nicht kalt. Voller Quallen. Voller Menschen. So etwas gab es noch nie. Ich bin eine der Letzten. Die bunten Strandkörbe mit den Hunderternummern, sagen die anderen Badenden, kommen aus Friedrichskoog. Dort wird der Deich erneuert. Und die Strandkörbe mussten weichen. Wanderten wohl der Meldorfer Bucht entlang nach Norden. Vielleicht kamen mit ihnen auch die Strandkorbnutzerinnen? Deshalb die überraschende Übervölkerung an meinem ersten Tag. Im Wasser. Und auf dem Deich.

Mein drahtlos gesteuerter hightech Fahrradcomputer streikt auf der ganzen Strecke. Hin und zurück. Aber die Strecke bleibt auch ohne die Technik wie sie ist. 25 Kilometer lang, bei mäßigem Ostwind ist die Hinfahrt etwas leichter zu bewältigen als die Rückfahrt.

Freitag, 10. Mai 2024

ausgesungen!

Wie immer am Tag nach dem Chorauftritt pflege ich meinen Kater. Den Messiah kann ich jetzt auswendig. In english! Das ist leider immer erst post factum der Fall. Es war mein letztes Konzert mit dem Domchor. Und mein persönlich bestes! Ich habe diesen Handel (ja! ohne a-Umlaut) jetzt verstanden. Durch die Musik. Dank eines sehr gepflegten Orchesters und dank sehr engagierter Solisten. Und dank des jungen Nordfriesen am Dirigierpult.

Der Chor aber hat zu seiner alten Verwilderung zurückgefunden. Blitzartig! Von den blumigen Umschreibungen einer neuerstandenen Chorgemeinschaft, mit denen uns die Vorgängerin des Interimsvakanzverteters vor dem Winter verabschiedet hatte, ist nichts geblieben. Nichts! Zur Generalprobe erschien unangemeldet ein gutes Dutzend Primadonnen, die sich an prominenter Stelle aufpflanzten, so dass zuerst das Podest erweitert werden musste, damit der Rest auch Platz fand. 

Viel mehr ärgerten mich aber die zumeist männlichen Großmäuler, die bei (fast) jeder Probe anwesend waren und immer den Mund aufrissen, wer welchen Einsatz von wem am besten übernehmen sollte, sie wussten auch nach dem Konzert immer noch alles besser als der freundliche nordfriesische IVV (s.o.). Obwohl sie höchstselbst gerade ihren wichtigsten Einsatz verpatzt hatten. 

Never mind. Es war trotzdem mein bestes und letztes Konzert. Der Maestro hat eine große Karriere vor sich, wenn er sich dereinst aus seiner Vertreterrolle loseist sowie sich von der Westküste wegbewegt, sich aus Dithmarschen und einer vermeintlichen Kulturhauptstadt verabschiedet, und - wo auch immer in der großen weiten Welt - einen eigenen Chor leitet, den er "erziehen" darf. Und muss!

Donnerstag, 9. Mai 2024

Himmelfahrt

Es gibt noch Karten an der Abendkasse und der Dom ist geheizt. Es ist drin ungefähr so kühl wie draußen, wer das Glück hat, auf einem Heizkissen zu sitzen, wird ins Schwitzen kommen!



Mittwoch, 8. Mai 2024

Neumond

Wenn ich aufstehe, ist der Mond neu!

Am Abend im immer noch eiskalten Dom Generalprobe. Draußen Sommer, drinnen Winter. Irgendwie müssen wir da alle durch oder hin. Mit Thermounterwäsche, Lammfellgefütterten Stiefeln und dem in schwarz eingeschlagenen Notenbuch.

Dienstag, 7. Mai 2024

Waldmeister

Es ist kalt! Früh war ich nüchtern beim Hausarzt zum Blutzapfen. Natürlich nicht bei ihm selbst, sondern bei seiner professionellen Blutsaugerin. In regelmäßigen Abständen werde ich von einer der freundlichen Damen am Telefon aufgefordert, dies zu tun. Wenn ich ein Folgerezept bestelle. Für meine müde Schilddrüse. Ich fröstele den ganzen Tag, rücke am Nachmittag im Garten dem Waldmeister zu Leibe. Aber da ist es auch nicht wärmer. Kürzlich erzählte mir eine Sopranistin in der Probenpause, sie koche Waldmeistermarmelade. Nach der seien alle verrückt! Sie färbe sie mit grüner Grütze. Musst Du machen, bevor er blüht, sagt sie. Und warnt: ist sehr zeitaufwändig! Wenn er blüht verliert er das alle betörende Aroma. Meiner blüht wie ein Weltmeister. Ich schicke ein Stoßgebet in den bleiernen Himmel.

Montag, 6. Mai 2024

Klarsicht

Auf Ostern folgt traditionsgemäß der Ostermontag. Ich bin mit vielerlei Unösterlichem und Unmontäglichem beschäftigt. Ich putze in einem Anfall von Irrationalität sämtliche Fenster! Nur weil ich gestern alle Tomatenpflanzen losgeworden bin, und vorgestern einen guten Teil meiner traditionsgemäß im Sommer schmählich vernachlässigten Zimmerpflanzen, und also das Fensterbrett im Wohnzimmer plötzlich leer ist. Und die Scheibe verdreckt und verklebt. Zum besseren Durchblick einlädt. 

Ich beeile mich, bevor mir die Sonne aus meiner besten Absicht einen Strick drehen kann.

Sonntag, 5. Mai 2024

Ostern

Die Orthodoxen feiern Ostern. Auch sie feiern an diesem Tag die Auferstehung Christi. Der Krieg geht trotzdem weiter. Bei uns bricht ein kühler Sonntag mit Regen an. In der Nacht brannten nur die energiesparenden Straßenlaternen wieder. In ihren Lichtkegeln versammelten sich herumstreunende Katzen, Hasen, Igel ... Ich schlief beruhigt ein und wachte traumlos auf.

Samstag, 4. Mai 2024

Blaugrün

Ich führe mein Maranello zum ersten Mal im Mai aus. Setze den Helm auf und klappe Sonnenvisier hinunter. 

Matsch (Niedrigwasser, Ebbe) in der Meldorfer Bucht, weit und breit kein Mensch, sanfter Wind aus West. Auf dem Deich bunte Strandkörbe. Die Duschen sind bereits aufgestellt und an die Wasserleitung angeschlossen. Die grasgrünen Mülleimer stehen stramm, mit himmelblauen Müllsäcken bestückt. Auch die Warntafeln vor der Pazifischen Auster und der Rutschgefahr sind wetterfest an die Handläufe festgeschraubt. Zum Anbaden fehlt nur das Wasser!

Ich beeile mich, vor dem Regen wieder nach Hause zu kommen, um den Rasen zu düngen.

Freitag, 3. Mai 2024

Bindungsangst

Vor Ladenschluss bringe ich meine Berliner Designer-Uhr zum Dithmarscher Juvelier. Der Federsteg ist verbogen und das noch neue Designerarmband hält nicht mehr an meinem so zarten Handgelenk. Deshalb liegt die Uhr schon so lange ungenutzt in einer Ecke meines Meldorfer Hauses, dass sich die Batterie tatenlos und ganz von selbst erschöpft hat. Ich bringe also die Uhr zu Voss und erkläre, dass ich eine neue Batterie brauche, aber nur, wenn er das Original-Armband mit einem nicht Original-Federsteg wieder zur Vernunft bringt. So dass sich die Uhr wieder fest an mein Handgelenk bindet. Und ich sie nicht irgendwo in der Welt verliere. Ansonsten, sage ich, kann ich mir die Kosten und das anachronistische Tragen einer Armbanduhr sparen. Und die Uhr, wie jeden anderen Überfluss, sortiert meinen diversen Mülltonnen übergeben. So weit bin ich nämlich schon.

Die Designerfirma ihrerseits wirbt mit einem süffisanten Spruch (Bindungsangst? Einfach mal was Neues probieren? Mit unseren Wechselarmbändern kein Problem) für alles Überflüssige, um das eigenen Überleben zu sichern. Wir antiquierten Armbanduhrträgerinnen sollen jederzeit, passend zu jeder Abendrobe das passende strap einsetzen. Leder (pflanzlich gegerbt), Kork (nachhaltig, vegan), Edelstahl oder Mesh, in allen denk- und undenkbaren Farben. Um den Konsum und die Habgier anzukurbeln, werden die Uhren mit einem 10Strap-Gutschein verkauft. Damit komme ich aber hier am Wattenmeer heute leider keinen Schritt weiter.

Donnerstag, 2. Mai 2024

Morgensonne

Seit zwei Nächten brennen keine Straßenlaternen mehr. Es ist stockfinster wie auf der Hallig oder im Himalaya. Vielleicht ist das neu seit dem Ersten? Wunderbarer Sternenhimmel!

Aber gegen 5 Uhr wird es hell vor meinem Schlafzimmerfenster. Gestern fragte mich die Nachbarin, ob ich draußen geschlafen habe? Irritiert schüttelte ich den Kopf. It's not the season ... not yet! Obwohl die Nachttemperaturen es durchaus zuließen. Die Tagestemperaturen sowieso. Aber wer schläft schon tagsüber draußen im Garten? Erstmal fängt der Tag an, und ich gönne mir zum ersten Mal im Garten am Wattenmeer auf dem frisch gepflügten (vertikutierten) Feld (Rasen) Qigong am Morgen mit meinem vietnamesischen Mönch in Kalifornien. Zunehmender Wind aus Ost. Dann Rasentreten. Und Rosenbinden. Sie brechen unter ihrem eigenen Gewicht zusammen. Der Garten manifestiert in der Morgensonne eine unheimliche Kraft.

Mittwoch, 1. Mai 2024

Baumliebe

Nun folgen die ersten. Beginnend mit dem ersten Mai. Der Apfelbaum blüht! Und die Edelkastanie schießt endlich aus. Sie ist immer die letzte. Ein Nachbar fragte schon, ob sie krank sei. Nein, die Edelkastanie ist gesund! Sie fordert uns nur etwas Geduld ab. Mit schönster Regelmäßigkeit. Im Frühjahr und im Herbst. Sie bekommt als letzte von allen Bäumen rundum Blätter und verliert sie entsprechend erst dann, wenn rundum alles schon kahl ist. Aber auf den Baum ist immer Verlass! Auf die Vögel ist Verlass. Die Starenkäste sind besetzt. Die Meisenkästen ist besetzt. Und die Amseln, die Spatzen, die Sperlinge, die gelben und grünen, die Rotkehlchen sind schon lange dabei. Sogar die Eichhörnchen rupften an meinen tibetischen Gebetsfahnen, um ihren Nachwuchs in einem gut gepolsterten Nest empfangen.

Dienstag, 30. April 2024

Steinesammeln

Nun aber! Der letzte Apriltag, der allerletzte Vertikutiertag. Es verbleibt mir die Nordseite. Eine letzte Mittagsruhe. Und dann ein letztes Mal ein Kabel quer über die stark vermooste Fläche spannen, so dass es nicht gleich durchschnitten wird. Geduldig das, was vom Rasen übrig ist, abschreiten. Die Nachbarsbuben, den beiden Großen voran Friedrich der Kleine, wollen "zu Caruso". Betreten stehen sie vor dem Beet aus dem die Stauden üppig schießen. Von den Schneeglöckchen ist noch ein Büschel sehr sehr saftigen Grüns übrig. Vor ein paar Tagen streute ich zwei Handvoll Halb- oder Ganz- oder Garnicht-Edelsteine in das Beet. Im Sinne einer sinnvoller Zweitverwertung. Gegen die Wegwerfgesellschaft. Zerrissene Lapislazuliketten oder Rosenquarzwinzlinge. Zersprungene Jadearmreifen. Falsche Perlen. Die Buben klauben mit leuchtenden Augen bunte Steine vom Gemeinschaftsgrab meiner beiden Schwarzen Kater.

Montag, 29. April 2024

Sonnenmontag

Die Welt ist wie ausgewechselt. Es ist warm am Wattenmeer: Warm, windstill, sonnig. Die Nachbarin gut gelaunt wie lange nicht mehr. Ich nehme mir vor, zum letzten Mal den Rasen auf der Südseite und auf der Ostseite zu vertikutieren. Aus reiner Vernunft und Fürsorge, denn nach dem nassen Winter ist er längst nicht so vermoost wie in früheren Jahren. Also einfach einmal längs und einmal quer mit der Maschine rüber. Und danach über den Sommer einmal wöchentlich lüften. Hingebungsvoll im Morgengrauen über den Rasen marschieren, mit leicht gebücktem Kopf, leise tröstende Worte murmelnd oder auch nicht. Die Nachbarn schlafen noch oder lachen mich aus. Das Resultat aber spricht für sich: die Maschine holt so wenig Moos aus dem Boden, dass ich es bequem in der Biotonne unterbringe. Ein Lob auf  Morgenmeditation mit Rasennagelschuhen (siehe insbesondere das "Fazit")!

Sonntag, 28. April 2024

Tomatensonntag

Viele Dinge, so nehme ich mir ernsthaft vor, tue ich nun zum letzten Mal, dafür aber mit besonderer Hingabe. Bewusst. Tomaten pikieren. In den vergangenen Jahren schob ich es brav vor mir her. So lange es nur ging. Denn die Zeit läuft. Unerbittlich. Der Frühling kommt. Die Natur ruft. Schön romantisch!

Das hatte nie etwas mit Prokrastination zu tun. Beileibe nicht. Sondern nur mit Pikieren. Pikieren ist anstrengend. Pikieren ist mühselig. Pikieren dauer immer länger als gedacht. Jedes Jahr dasselbe, mit sturer Regelmässigkeit wie Weihnachten oder Geburtstag: Viel zu viele Pflänzchen. Die wundersame Vermehrung von Samengut. Und viel zu wenig Erde. Viel zu wenig kleine Pflanztöpfchen. Meist ist es auch Sonntag wie heute. Und keine Chance, an frische Anzuchterde zu kommen. Ich weiß nicht wohin mit dem zarten Grün.

In meiner allerletzen Tomatenpikierverzweiflung rufe ich S. an. Auf S. ist Verlass. Eine halbe Stunde später steht sie in meinem Garten und nimmt mir alles ab, was mir zuviel ist.

Samstag, 27. April 2024

Probensamstag

Heute proben wir in Meldorf mit dem immer noch amtierenden Interimsvakanzvertreter von 10 bis 18 Uhr am Messiah. Ein letzter Kraftakt vor dem Konzert an Himmelfahrt. Mit erhobenem Zeigefinger hat er - der mit Abstand Jüngste im Saal! - uns am Donnerstag zum Abschluss der üblichen Donnerstagsprobe eine Hausaufgabe aufgegeben: JEDE und JEDER bringt etwas zu Essen für ALLE mit. Damit wir durch die 8 Stunden ehrenamtlicher Wochenendarbeit kommen. Niemand muckste. Er hat uns sogar das Schweigen beigebracht!

Jeder für alle und alle für einen. Mich hat der gestrige Ausflug nach Heide so sehr beflügelt, dass ich seit Sonnenaufgang in der Küche stehe.

Freitag, 26. April 2024

Musikerliebe

Was Anfang März in Meldorf stattfand, wurde heute abend auch in Heide absolviert: die Kandidaten für die vakante Kirchenmusikerstelle stellten sich vor. Es waren nur zwei, was für den Chor Erleichterung brachte, ein Drittel weniger sängerische Geduld und Kraftaufwand. Es waren nur Männer. Aber beide mit der Musik verbunden und mit Musikerinnen liiert. Der eine (der ältere) schon länger. Der andere (der jüngere) weniger lang. Aber beide sozusagen ihr ganzes Leben lang. Und dann kam das déjà vu. Das Feuer aus Apulien! Und die obligate Frage aus dem Sopran: ob er, der zweite Bewerber Kinder habe. Der erste hat drei, davon zwei schon mehr oder minder Erwachsene. Noch nicht, lautete die Antwort des Südländers. Und seine schwarzen Augen blitzten.

Donnerstag, 25. April 2024

Korallenliebe

Auch die Korallen lieben den Vollmond. Denn dann können sie sich durch Knospung vermehren und sind nicht angewiesen auf den anderen Geschlechtspartner. Praktisch! Wenn das Licht des Vollmonds unter die Wasseroberfläche scheint umnd dieses Wasser eine bestimmt Wohlfühltemperatur hat, werden Korallenteile ermuntert, sich vom Mutterorganismus abzulösen und selbstständig weiter zu entwickeln.

Fällt das Mondlicht aus, wegen Wolkendecke oder Ähnlich Widrigem, Stromausfall oder so, können sich die Korallen traditionell fortpflanzen: durch massenhafte Abgabe von Ei- und Samenzellen ins Meerwasser.

Mittwoch, 24. April 2024

pink

Der Aprilvollmond heißt im christlichen Volksmund Ostermond. In diesem Jahr lag Ostern für uns im Westen näher am Märzvollmond als am Aprilvollmond. Den Orthodoxem steht die Auferstehung hingegen noch bevor und wird erst am 5.5. gefeiert. 

In Nordamerika heißt der Aprilvollmond Pinkmond. Die Fabre bezieht sich auf die ersten Blüten, die gerade zart aufbrechen. Magnolien zum Beispiel, wie ich sie kürzlich zu Tausenden auf der Fahrt in einem grünen Bus quer durch Europa bestaunen konnte.

Der Mond, sagen die Mondgucker, erscheine beim Aufgang gelblich, manchmal auch etwas rötlich. Das hängt davon ab, wieviel Dunst in der Atmosphäre vorhanden ist, wenn der Mond bei uns über den Südosthorizont steigt. sei. Außerdem ist er dann nie perfekt rund, sondern etwas "geplättet". Die dicken Dunstschickten verbiegen sein Licht. Erst ungefähr eine Stunde nach Aufgang leuchtet der Mond perfekt rund und silbrighell.

Andere Völker andere Namen. Es gibt Leute, die sprechen gerade vom Mond des brechenden Eises, vom Mond, wenn die Enten zurückkehren, vom Mond, wenn die Gänse Eier legen. Vom Froschmond oder vom Zischmond!

Dienstag, 23. April 2024

albern

Es ist zum Heulen kalt und nass! Der Wind peitscht von allen Seiten, um alle Ecken. Der Regen schlägt an alle Fenster. Trotzdem wächst der Rasen unverdrossen. Ich warte auf die berühmt Pause und hänge zuerst Wäsche auf, dann führe ich den Rasenmäher aus. 

Montag, 22. April 2024

hirnlos

Es gießt immer noch in Strömen. Die letzte volle Aprilwoche bricht an. Ich habe seit über fünfzehn Jahren keine Kreditkarte mehr und lebe trotzdem! Habe immer was anzuziehen, immer was zu essen, immer was zu trinken. War auch mal zwischendurch hier oder dort, bin also keine verbissene Stubenhockerin, keine konsequente Konsumverweigerin. Nur Überfluss ist mir zuwider. Saure Äpfel. Tote Kater. Seufzend beiße ich auf die Zunge. Wer reisen will, muss bezahlen.  

Sonntag, 21. April 2024

handgreifen

Weil Sonntag ist, vertage ich die Entscheidung. Reisen oder nicht reisen, das ist hier die Frage. Ich gebe sie zwischenzeitlich ab an die Hand. Was meint meine Hand zu der Perspektive eines stromlosen Schreibens? Ich greife kurzerhand in das Bücherregal zu meiner Rechten. Ziehe mit geschlossenen Augen ein Buch heraus. Es ist das polnisch-deutsche Fachwörterbuch des Jagdwesens. Polsko-niemiecki słownik tematyczny: Myślistwo. Leider nur in dieser Richtung. Als nicht deutsch - polnisch. Trotzdem schlage ich es wahllos auf. Lasse die linke Hand Orakel spielen. So lande ich bei der Unterabteilung Trophäenkunde. Versorgen des erlegten Wildes. Fängt an mit dem Transport und leitet mich über die Art der Aufbewahrung hin zu allgemeinen Begriffen.

Ergo: ohne Strom kein Wiki. Also muss die ganze Bibliothek mit.