Ich höre das Betzeit- oder Morgenläuten von Sankt Calixtus. Also steht die Kirche noch und der Glockenturm wird immer noch mit Strom versorgt. In der Nacht ist ein Teil des "Brienzer Rutschs", ein Teil der sogenannten Insel abgerutscht. Die Geologen vermuten einen sehr schnellen Schuttstrom, weder einen Fels- noch Bergsturz. Der Hilferuf, das Stoßgebet auf der Glocke wirkt immer noch: «Lubrica saxa manu retine caliste potenti! Atque tuere tuum sancte patrone locum.» Die "schlüpfrigen Felsen" sind wenige Meter vor dem alten Schulhaus stehen geblieben, dort türmen sie sich im Morgengrauen mehrere Meter hoch auf. Ob aber nun alles unten ist, was nach unten will, kann zu dieser frühen Stunde niemand sagen. Am Nachmittag mehr, verspricht ein Gemeindesprecher.
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Die Straße nach Lenz/Lentsch ist verschüttet. Noch in der Nacht wurde die Phase Blau ausgerufen, also die Verbindungen von Tiefencastel nach Surava und Lenzerheide sowie die Albula-Linie der Rhätischen Bahn gesperrt. Die heutige Etappe der Tour de Suisse muss verlegt werden. Gestern sind die Radler noch um die Gefahrenzone herumgeradelt, heute ist die Strecke von La Punt über den Albulapass auf die Lenzerheide nicht befahrbar.
Der Berg hat alle überlistet, auch die Webcam. Er kam in der Nacht, als die Geologen, die Vögel, die Grillen, die Winterfutter produzierenden Bauern und Handmähmaschinen schliefen. Die Kamera hat nur Schwärze aufgezeichnet sowie ein höllisches Gerumpel. Und der Berg riss alle neu angebrachten Spiegel, die perfekt ausgerichteten Reflexionspunkte mit sich und nahm dem Georadar, dem Steinschlagradar und dem GPS auf einen Schlag - oder Rutsch! - jede Orientierung. Gut gemacht! Der Krisenstab war natürlich wach und im Dienst, evakuierte 3 Familien und 4 Kühe, musste aber ansonsten die Nacht, wie es heißt, im "Blindflug" verbringen, bis der neue Tag Licht ins Dunkel bringt und die Glocke von St. Calixtus ihren Weckruf ins Tal schickt.
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