Freitag, 3. Mai 2024

Bindungsangst

Vor Ladenschluss bringe ich meine Berliner Designer-Uhr zum Dithmarscher Juvelier. Der Federsteg ist verbogen und das noch neue Designerarmband hält nicht mehr an meinem so zarten Handgelenk. Deshalb liegt die Uhr schon so lange ungenutzt in einer Ecke meines Meldorfer Hauses, dass sich die Batterie tatenlos und ganz von selbst erschöpft hat. Ich bringe also die Uhr zu Voss und erkläre, dass ich eine neue Batterie brauche, aber nur, wenn er das Original-Armband mit einem nicht Original-Federsteg wieder zur Vernunft bringt. So dass sich die Uhr wieder fest an mein Handgelenk bindet. Und ich sie nicht irgendwo in der Welt verliere. Ansonsten, sage ich, kann ich mir die Kosten und das anachronistische Tragen einer Armbanduhr sparen. Und die Uhr, wie jeden anderen Überfluss, sortiert meinen diversen Mülltonnen übergeben. So weit bin ich nämlich schon.

Die Designerfirma ihrerseits wirbt mit einem süffisanten Spruch (Bindungsangst? Einfach mal was Neues probieren? Mit unseren Wechselarmbändern kein Problem) für alles Überflüssige, um das eigenen Überleben zu sichern. Wir antiquierten Armbanduhrträgerinnen sollen jederzeit, passend zu jeder Abendrobe das passende strap einsetzen. Leder (pflanzlich gegerbt), Kork (nachhaltig, vegan), Edelstahl oder Mesh, in allen denk- und undenkbaren Farben. Um den Konsum und die Habgier anzukurbeln, werden die Uhren mit einem 10Strap-Gutschein verkauft. Damit komme ich aber hier am Wattenmeer heute leider keinen Schritt weiter.

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