Schlaflose Nächte. Denk ich an ... am Mittwoch, dem 6. August 1969 stirbt Adorno in Visper Krankenhaus St. Maria. Er verbrachte wie immer den Sommerurlaub mit seiner Frau in der Schweiz, aber diesmal in Zermatt unter dem "Horu", nicht wie sonst in Sils Maria. Die Adornos residierten im Hotel Bristol in einem Zimmer mit Blick nicht auf das Matterhon, sondern auf den Friedhot. Adorno, innerlich zerrissen, unruhig, ungeduldig und wahrscheinlich gesundheitlich ungenügend vorbereitet auf die Majestät dieser Bergwelt, wollte wandern. Der Ausflug zur Gandegghütte auf über 3030 müM. wurde zur Grenzerfahrung. Adorno trug schlechtes Schuhwerk. Da es damals in Zermatt nur einen Schuhmacher gab, der ihm aber nicht helfen konnte, fuhr Adorno nach seiner letzten Wanderung am Dienstag, dem 5. August nach Visp, um dort seine lädierten Bergschuhe reparieren zu lassen. In der Werkstatt bekam er Herzbeschwerden. Sie fuhren ins Krankenhaus. Man weollte den Herrn über Nacht zur Beobachtung behalten. Am nächsten Tag erlag er um 11:20 Uhr einem Herzinfarkt.
Am 25. Mai 1969 hielt Adorno einen kuriosen (für die damaligen Wirren) Vortrag für den Deutschlandfunk. Es dürfte einer seiner letzten öffentlichen Auftritte gewesen sein. Und der wurde gestern abend aus dem Archiv gegraben und wiederholt. Anläßlich des 60-jährigen Jubiläums des Radios werden im Januar 2022 solche Perlen vor die Säue geworfen. Thema damals: Hobby, Freizeit und Kulturindustrie. Titel: "Freizeit - Zeit der Freiheit?" In seiner aktuellen Pogrammvorschau schreibt das Radio: "Adorno führt darin unter anderem aus, dass für ihn das Lesen genauso wie das Musikhören und Musikmachen integraler Bestandteil seines Lebens sei. Davon lediglich als „Hobby“ zu sprechen, so Adorno, würde Hohn gleichkommen."
Und ist es nun Hohn, Poesie, eine Laune oder böse Ironie des Schicksals, dass dem Philosophen ausgerechnet eine Bergwanderung in zu luftiger Höhe das Herz gebrochen hat?
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