Dienstag, 5. Juli 2022

Nachbereitung

Seit wir an der Eider waren, denke ich vermehrt über den Sinn des Lebens nach. Ha! Als ob ich das an allen anderen Tagen dieses Jahres (und aller vergangenen) nicht bereits zur Genüge getan hätte. Aber die Eider, die ich vor ein paar Tagen in den Text gesetzt habe, ist an der Stelle, an der wir standen, als Jürgen B. knipste, eigentlich ein stehendes Gewässer. Sie mäandert dort, unweit des einstigen Schulhauses mit seinem einsamen Schüler, weder nach links noch nach rechts, weder nach Ost noch nach West, weder nach Süd noch nach Nord. Sie ist genügsam still und gelangt trotzdem irgendwann am Eidersperrwerk vorbei in die Nordsee. Falls das Sperrwerk nicht - wie sein Name schon sagt - seine Tore schließt und der Eider den Weg versperrt. Also das Süßwasser daran hindert, sich westlich der Siehltore mit dem Salzwasser zu vermählen. Wie der Dichter sagte, wenn es ihn noch gäbe. Aber wir brauchen ihn nicht mehr, den Poeten, denn die Vermählung findet trotzdem statt. Liebe kann nichts aufhalten! Auch nicht der Normalbetrieb mit seiner Flutdrosselung. Entweder finden sich die beiden ungleichschweren Wässer diesseits oder jenseits der Sperre. Bei Springflut oder Sturmflut tritt die Nordsee durch die Tore in den Flusslauf hinein, auf die Eider zu, stößt ins Eiderwatt vor, dringt ins Eidervorland ein und drängt den Fluss, die Angebetete, Süße, zurück nach T. - Tönning, Delve oder Tielen. Kentert die Flut, läuft die Nordsee wieder weg ins Katinger oder Weselburener Watt. Dann darf auch die Eider wenden und der See hinterher das Hinterland entwässern.

Aber was sagt mir das jetzt über den Sinn des Lebens? Über Vorsehung oder Dichtedifferenz? Traumwelten oder Schaumkronen? Über Leerstellen im Wasser und Auftrieb im Toten Meer?

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