2 Stunden und 41 Minuten dauern die von zwei Schauspielerinnen gelesenen Briefe von Sarah Kirsch und Christa Wolf. Man kann an einem Samstag Abend Dümmeres tun. Also setzte ich mich gestern abend mit Herrn Caruso aufs rote Sofa und hörte nach, was ich bereits auf 322 Seiten, in Auszügen, immer mal wieder vor dem Einschlafen oder nach dem Aufwachen, quergelesen hatte. Der Vorteil dabei: Der Kater bekommt auch etwas mit! Stimmen berühren anders als Papier, und ich kann Moritz gut verstehen, dass er weder Iris Berben als Christa Wolf noch Sandra Quadflieg als Sarah Kirsch hören mag. Er hat die Originalstimmen im Ohr und Emilie, die Katze, lebt nicht mehr. Mich berührt das abrupte Ende. Nach 30 Jahren innigsten Austausches - die Quantität ist belegt, die Qualität meine persönliche Einschätzung - folgen 20 Jahre Schweigen. Nicht der Tod trennte die Briefschreiberinnen, sondern die sogenannte "Wende". Die Politik. Die Weltpolitik. Dies, obwohl die beiden ungefähr die Hälfte ihrer 30-Jährigen Brieffreundschaft aus verschiedenen Systemen dieser Welt praktizierten und aufrecht erhielten - trotz aller ideologischer Unterschiede. Ihren Beruf ausübten, sich gegenseitig respektierten, achteten, lasen, lobten oder kritisierten. Der Kitt hielt und die Post funktionierte, trotz Zensur - über den Eisernen Vorhang hinweg. Und als der fiel, bzw. in Fetzen zerrissen wurde, war alles auf einen Schlag vorbei.
Am 21.12.89 schrieb Sarah Kirsch aus Tielenhemme "die Post geht jetzt viel schneller, das ist doch auch was. Irgendwelche Rüssel fehlen anscheinend." Ein Jahr später wünschen sich beide noch ein Gutes Neues 1991. Danach leben sie in einem Land und der Mantel des Schweigens wird über die Distanz von Ost zu West oder West zu Ost geworfen. Der Wind kam mal von der Eidermarsch, mal von der Spree. Christa Wolf starb 2011 in Berlin, Sarah Kirsch 2013 in Heide.
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