Seit Jahren will ich eine Nacht am Deich verbringen. Seit Jahren verpasse ich den richtigen Moment. Und heute bricht das Glück unverhofft mit doppelter Wucht über mich herein. Die wärmste Nacht des Jahres ist angesagt. Vor dem wärmsten Tag des Jahres. Ich fahre mit Sonnenuntergang los. Perfektes timing. Sehe eine blutrote Kugel neben dem Dom versinken. Der Wind frischt auf und trägt mich nach Westen. Niemand fährt zu dieser Zeit in diese Richtung. Alle kehren heim. Das Abendlicht ist milde. Ich habe Gastrecht bei Strandkorb 66. Das Watt liegt trocken und die letzten kreischenden Spaziergänger waschen sich die Füße. Ich entrolle meine sich selbst aufblasende Isomatte. Ein Wunder nicht der Natur, sondern unserer unstillbaren Gier. Ich hatte die allergrößten Probleme zu Hause, die Luft aus ihr herauszupressen und sie auf eine auf dem Fahrrad transportierbare Größe einzurollen. Ich sende noch zwei Botschaften in die virtuelle Welt, dass ich mich häuslich eingerichtet habe. Die erste Mücken entdecken mich, meine Ausdünstungen oder den Schein des Minidisplays. Ich krieche in den Schlafsack und starre in den Himmel. Ein Stern nach dem anderen fängt an zu leuchten. Wie Lichter, die angeknipst werden. Die Mücken geben nicht auf. Ich schlage um mich, obwohl ich ihnen ihr Existenzrecht nicht abspreche. Ganz im Gegenteil. Ich bin dankbar. Hier gibt es noch Mücken und in Schwärmen! Ich rede ihnen gut zu, es anderswo zu versuchen. Aber ich bin ganz allein auf der Welt.
Dienstag, 19. Juli 2022
Alter Traum
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