Nach drei Wochen Probenpause ist es wahrlich nicht einfach, aus dem Stand Eisler zu singen. Dodekafonie. Über Brechts Textvorlage Gegen den Krieg. In der "Weite der realistischen Schreibweise". Immerhin: ein Meisterstück! Natürlich sind wir alle gegen den Krieg, wir Pantoffelheldinnen und -helden. Auch 90 Jahre später oder 100 Jahre später oder 1000 Jahre später. Verbunden mit der avancierten Technik der Musik. Musik war immer schon und ist es nach wie vor: meilenweit weiter als die Schrift. Angeblich wollte Eisler Schönbergs Zwölftontechnik "vom Kopf [wieder, Erg JA] auf die [zwei, dito] Füße" stellen. Wir verlassen den Probenraum stolpernd und kopflos. Von den 24 Varationen haben wir gerade mal einen Bruchteil gesungen und auch den ohne Überzeugung. Ohne Standhaftigkeit. Die auf- und absteigenden kleinen Terzen (Kuckucksrufe! Kleinterzstruktur), die auf- und absteigenden großen Sexten, die Leittonschritte und Regelbrüche, die Krebse und Krebsumkehrungen, die homophon harmonischen und unharmonischen Akkordbildungen - alles zitternd und wackelig.
Durch eine kalte Nacht unter einem klaren Himmel ohne Handschuhe nach Hause. Vor der Haustür die klare Erkenntnis: Der Protest, auch mit schrägen Harmonien auf Halbtonleitern, hat nichts gebracht. Es ist Krieg und alle laufen hin. Kein Brechtzitat, auch kein verfälschtes. Der entsprechende Satz wurde aus dem Englischen übersetzt zum deutschen geflügelten Wort der Pazifisten: "Sometime they’ll give
a war and nobody will come." (Carl August Sandburg 1878-1967, aus dem Gedichtband "The people, yes" von 1936)
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