Freitag, 3. Dezember 2021

Wellenbrecher

Der oder die? Das Wort des Jahres 2021: Wellenbrecher. Ohne Artikel. Ein Abstraktum in unserer pandemiebedingten Irrealität.

Die eindrücklichsten Wellenbrecher habe ich in Japan gesehen, am japanischen Meer, in Niigata. Dort konnte ich sogar eine Weile bei Ebbe verweilen und zuschauen, wie die bestehenden Wellenbrecher - monströse Betonteile, überwachsen von Seegras - durch neue Wellenbrecher - noch monströsere Betonbrocken, noch nicht überwachsen von Seegras - ersetzt wurden. Wellenbrecher sind im Gegensatz zu Wellen eine scharfkantige Angelegenheit. Sie schäumen nicht, sondern werden nach einer ausgeklügelten Anordnung rutschfest verkantet. Am Japanischen Meer besorgte dies ein riesiger Stahlkran. Auf Hooge habe ich gesehen, wie die Deicharbeiter Lahnungen bauen, Faschinen zwischen die Holzpflöcke pressen, Steinkanten erneuern, den sogenannten Igel. Alles von Hand. Und vergleichsweise zahm. Die Halligen selbst erfüllen die Funktion von Wellenbrechern an der Nordfriesischen Wattenmeerküste.

Das Wort des Jahres 2021 bezieht sich auf gezeichnete, bunt gezogene Liniendiagramme. Auf graphische Darstellungen von Informationen. Auf sogenannte Schaubilder, die relativ unverblassbar in unser aller Köpfen und Herzen abgespeichert werden. Täglich aufs Neue. Mitsamt der Ratlosigkeit, dem Kopfschütteln, Schulterzucken, mitsamt der Wut, die manche bekanntlich erfasst, der Verzweiflung, Trauer und vielleicht Freude über eine einzige außer Protokoll überreichten roten Rose. Wellenbrecher!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen