Mittwoch, 20. September 2023

Traumaüberwindung

Ich fahre spät, weil ich warte, bis der Wind nachlässt. Weil ich weiß, dass noch lange genug Wasser da ist. Ich fahre spät, obwohl ich weiß, dass niemand mehr da sein wird und ich mutterseelenallein meine Runden drehen werde. Ich fahre spät, um mein Trauma zu überwinden, bevor es entstehen kann. Seit Jahren, Jahrzehnten fahre ich an den Deich und nie, nie, aber auch gar nie hat mich mein Fahrrad im Stich gelassen. 

Wie erwartet, ist niemand mehr da. Nur das Wasser. Angenehm Oberbauchhoch. Unangenehm nach Norden ziehend. Immer noch angenehm warm. Ich versuche gegen die Strömung zu schwimmen. Komme kaum vorwärts. Mit der Strömung lande ich im Nu in der Hafeneinfahrt. Das will ich nicht. Also drehe ich im Kreis.

Ich fahre mit der untergehenden Sonne nach Hause. Zunehmender Gegenwind. Alles läuft wie geschmiert. Die Kette. Die Schaltung. Die Zählung. Die Gesamtstrecke wird nun mit 125 angezeigt. Plusminus 5 im Sturm nicht gezählte. Plus etwa 10 bei Mitfahrgelegenheit verlorene. Das ist mein heutiges, höchsteigenes konstruktivistisches Bild der Wirklichkeit.

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