Einzig verbürgt ist das Ticken der Uhr. Für die, die noch in derart anachronistischen Vorstellungen verharren. Heute nun geht endlich der wunderschöne Monat Mai zu Ende, den wir zur Hauptsache schlotternd und zähneknirschend unter der Bettdecke verbracht haben. Jeder (unvermeidliche) Schritt vor die Tür war ein Abenteuer für sich.
Mittwoch, 31. Mai 2023
Monatsende
Dienstag, 30. Mai 2023
Weltuntergang
Gilt noch, was uns einst Kurt-Adolf Thelen, Die Lustigen Jungs, Die Toten Hosen (wer noch?) gesungen?
Der Weltuntergang wird wahrscheinlich seit Erschaffung der Welt vorhergesagt. Derzeit steht die Prognose auf 2076 (errechnet von Bede dem Ehrwürdigen im 8. Jahrhundert), nachdem auch der Maya-Kalender am 22. Dezember 2012 bei Sonnenuntergang versagt hatte. Auch das Auge der Seherin Sakina Blue Star irrte in jenem Jahr, sie glaubte nämlich aus den Sagen der Hopi-Indianer herauszulesen, dass das Ende der 4. Welt (nachdem die Menschheit schon 3 x vernichtet worden war), die Phase der großen Reinigung, im Jahr 2012 endgültig abgeschlossen sein würde. Pustekuchen.
Die Chronik der verpatzten Weltuntergänge ab ovo, also ab 33 n. Chr. ist hier nachzulesen.
Montag, 29. Mai 2023
Der Nachschlag
5 neue Wörter: Schlagsystem, Schlagwerk, Stundenschlagwerk, Stundennachschlagwerk, Selbstschlagwerk.
Es ist mir aufgefallen, dass die Kirchturmuhr im menschenleeren Dorf Brienz / Brinzauls über der altarlosen, dem Heiligen Calixtus / Son Tgalester geweihten Kirche jede Stunde des Tages auf as oder gis schlägt. Jeweils zur vollen Stunde mit den der Weltzeit angepassten korrekten Anzahl von Schlägen. Also ohne vorgängig vier Viertelstundenschläge die ganze Stunde ankündigen zu lassen. Drei Minuten später schlägt die Uhr die Stunde noch einmal. Auf demselben Ton. Mit derselben Anzahl. Das Elfuhrläuten um 11 Uhr vormittags erklingt erst nach dem Stundennachschlagwerk, also nach der Wiederholung (Repetierung) des Stundenschlags. Das Elfuhrläuten klingt in meinen Ohren einen halben Ton tiefer und dauert drei Minuten. Das Stundennachschlagwerk ist ein vom Stundenschlagwerk ausgelöstes Selbstschlagwerk und darf nicht mit dem Repetitionsschlagwerk verwechselt werden. Lese ich zu guter Letzt ziemlich zerknirscht! Obwohl es den Stundenschlag repetiert. Aber ein Repetitionsschlagwerk wird nie bei Turmuhren eingesetzt, sondern nur in tragbaren Armband-, Taschen- oder Reiseuhren. Aber wer besitzt heutzutage noch eine Kleinuhr und trägt die am Arm, in der Tasche oder auf der Reise?
Sonntag, 28. Mai 2023
Die Ankunft
Ich träumte in der Nacht, ich wär' in einem Hotel.
Stiege schweratmend eine enge Treppe hoch. Eine Stiege. Mit meinem schweren Gepäck. Unhandlich. Die Rezeption befände sich ganz oben. Unpraktisch. Ganz oben bedeutet Holz. Dachgeschoss, Dachschrägen, Dachbalken. Ganz oben ist kaum noch Platz zum Stehen. Aufrecht. Trotzdem befinden sich viele viele Leute oben, eine Gruppe oder mehrere Gruppen, jede und jeder mit mindestens einem Koffer ...Und ich erschräcke ob des Getümmels. Und der zu erwartenden Warterei. Halb auf der Stiege. Mit dem Rollkoffer auf dem letzten Treppenabsatz. Sie seien alle bereits abgefertigt, beruhigten sie mich und träten zuvorkomment zur Seite. Obwohl es gar keine Seite gibt, zu der sie treten könnten. Die junge Dame am Empfang, auch sie freundlich, sagte, den Schlüssel müsse sie holen, unten, bei der Mutter oder Großmutter. Eh ich meine Frage, unten? hätte stellen können, wäre sie bereits am Verschwinden hinter ihrem eleganten Counter und stiege eine enge enge Wendeltreppe hinab, nur der blonde Schopf wäre noch zu sehen, im letzten Moment, bevor auch der versinke. Wie in einem Ziehbrunnen der Eimer.
Ich wache auf. Ohne den Schlüssel zu was auch immer erhalten zu haben. Der Kater liegt zu meinen Füßen und macht keine Anstalten aufzuwachen oder Futter zu verlangen
Was hatte ich zu suchen in dem Auf und Ab? In einem Hotel, das nur aus zwei hohen, engen Treppenhäusern zu bestehen schien, das eine für die Gäste, das andere für die Angestellten. Etwas anderes erhellte der Traum, oder die Nacht, nicht. Zum Beispiel die Zimmer entlang langgezogener, spärlich erleuchteter Flure. Oder gar mein Zimmer, zu dem ich meinen Schlüssel hatte, und in dem ich ankommen wollte, den Koffer abstellen, auspacken, mich ausruhen von den Strapazen einer unbekannten Reise. Oder vorbereiten auf die Weiterreise ins Unbekannte.
Samstag, 27. Mai 2023
Relative Windstille
Heute wäre der perfekte Tag für das längst überfällige Anbaden. Kaum Wind und relative Wärme. Aber die Tide stimmt nicht. Das Wasser ist am Morgen zu früh und am Abend zu spät. Ohne Wasser habe ich keinen Mut, ans Wasser zu fahren. Also wusele ich im Garten herum und koche Spargeln. Auch die Windstille erweist sich als relativ.
Freitag, 26. Mai 2023
Schwingungserhöhung
Tatsächlich zeigen die Tarotkarten für diese Tage eine Schwingungserhöhung. Es liegt alles auf dem Tisch. Ich muss nur auf meine Intuition hören, die Sinnhaftigkeit erkennen, also den tieferen oder den höheren Sinn, und offen sein für die Einflüsterungen der geistigen Welt. Nun gut. Frischauf. Oder wie der Dichter sagt: "Wohlan denn, lieber Freund, weder geziert noch gezaudert, sondern frisch von der Leber weg gesprochen." (Friedrich Dürrenmatt, Die Panne - btw nebst Der Tunnel der genialste Jugendstreich meines Landsmanns)
Donnerstag, 25. Mai 2023
Mit Blindheit geschlagen
Die Natur macht, was sie will. Auch an dem derzeit am besten und mit modernsten Geräten überwachten Berg der Welt. Nebel verhängt die Sicht am Hang über Brienz / Brinzauls. Er schlägt auch mich am Schreibtisch am Wattenmeer mit Blindheit. Der Lasertachymeter kann nichts sehen und wir keine Daten auswerten, meldet der Notfallstab, und sagt die für heute geplanten Kurzaufenthalte der Evakuierten in ihren Häusern im Dorf ab. Da helfen auch die kürzlich per Helikopter zusätzlich installierten Reflektorspiegel nichts. Der Nebel verhängt sogar jedes Zerr- oder Trugbild. Auch die "tageweise Bewirtschaftung der unteren Wiesen" sei aus Sicherheitsgründen nicht möglich. Also kein heimisches Kraftfutter für die evakuierten Kühe.
Bei uns klare Sicht, kalter Wind aus Nordost, Taunässe. Sonnenaufgang 05:05 Uhr. Zum Morgenlob schreite ich meinen Rasen mit den Nagelschuhen ab.
Mittwoch, 24. Mai 2023
Der Durchblick
Der Landregen hat den Blütenstaub gerecht verteilt. Ich habe mich aus den niederschwingenden Wertesystemen gelöst und putze drei Fenster nach Norden im Erdgeschoss. Klebe neue, schwarze Fliegengitter an die Rahmen. Entsorge die alten, einst weißen und nun grauenhaften mitsamt dem Staub, der toten Spinnen sowie anderer Spuren der letzten 5 Jahre. Die Dithmarscher Bauern führen Gülle. Es stinkt zum Himmel!
Der neue Mond steht am frühen Abend an diesem Himmel. Im Westen. Schwarze Fliegengitter ermöglichen einen besseren Durchblick als weiße. Warum das so ist, weiß ich nicht. Bei den streifenfrei polierten Fensterscheiben stellt sich mir diese Frage nicht.
Dienstag, 23. Mai 2023
Sankt Calixtus
Wer Glück hat, guckt durch die Webcam auf den bröckelnden Hang über Brienz / Brinzauls und hört die Kirchenglocken. Entweder ihren Schlag zur vollen Stunde. Oder Angelusläuten. Betzeitläuten. Mittagsläuten. Aufstehläuten. Wetterläuten. Feuerläuten. Totenläuten. Mich mutet das etwas gespenstisch an. Natürlich läuft die Zeit auch in einem menschenleeren Dorf weiter. Sie schlägt die Stunde vom Kirchturm herab, unabhängig davon, ob in den Küche noch Suppe gekocht wird oder nicht. Aufgrund der Unruhe im Gelände steht auch dieser Kirchturm schon lange schief. Die Turmuhr wird seit 1933 elektrisch betrieben. Solange also Strom durchs Dorf fließt, schlägt uns Calixtus die Stunde.
Die Kirche St. Calixtus / Son Tgalester in Brienz / Brinzauls. Nur der wertvolle spätgotische Altar wurde kürzlich evakuiert und zusammen mit Mensch und Tier aus dem Dorf in Sicherheit gebracht. Den Flügelaltar zerlegten Studierende und Dozenten der Hochschule für Künste Bern gut vorbereitet sorgsam in Hunderte Einzelteile, verpackten sie stoßsicher in Kisten und transportierten diese ins Tal. Die Evakuierung des Altars dauerte drei Tage, so lange wie die von Mensch und Tier. Die Turmuhr zählte jede Stunde. Vorher und nachher. Der Altar soll nun umfassend restauriert werden.
Ein karolingisches Gotteshaus ist urkundlich aus dem Jahr 831 in Brienz nachgewiesen, lese ich. Schon damals rollten vielleicht ab und zu Steine vom Berg herunter. 1513 gab der Bischof von Chur die Erlaubnis, die alte (wohl baufällig gewordene) Kirche vollständig abzutragen und an ihrer Stelle eine neue Kirche mit quadratischem Turm zu errichten. Die wurde am 15. September 1519 durch den Predigermönch und Churer Weihbischof Stephan Tschuggli konsekriert. Wer auf die Idee kam, sie dem Papst und Märtyrer Callistus I zu weihen, weiß ich nicht.
Brienz brannte am 31.3.1874 fast vollständig ab. Es war der Montag nach dem weißen Sonntag. Die Brienzer Bauern löschten in Ermangelung von Löschwasser das Feuer mit Milch. Auch Sankt Calixtus brannte ab und die Glocken fielen vom Turm. Der Altar wurde beschädigt, konnte aber auch damals gerettet werden. 1878 wurden Rutschungen am Hang registriert. Die Felskappe oberhalb Brienz ist in Bewegung geraten und wird nicht mehr zur Ruhe kommen, bis sie abbricht. Trotzdem bauten die Brienzer ihr Dorf wieder in der Mulde der sonnigen Hangterrasse am Fusse des Piz Linard auf. Auch St. Calixtus / Son Tgalester. Die Kirche steht allerdings auf einem Felssporn. Immer schon. Und die Brinzaulser vertrauen auf Gottes - oder des Patrons - Gnade. 1912 fiel bei einem Totengeläut die große Glocke vom Turm. Der damals amtierende Pfarrer schickte erschrocken sein Stoßgebet gen Himmel und ließ es in Latein auf die neu gegossene Glocke einbrennen: «Lubrica saxa manu retine caliste potenti! Atque tuere tuum sancte patrone locum.» (Durch Deine mächtige Hand, Calixtus, halte zurück die schlüpfrigen Felsen und beschütze, heiliger Patron, diesen Ort).
Montag, 22. Mai 2023
Niederschwingende Wertesysteme
In Erwartung von Regen mähe ich Rasen, lüfte ich Rasen, dünge ich Rasen. Das Rasenlüften mit meinen alten Nagelschuhen gehört zu meiner neuesten Lieblingsbeschäftigung. Sehr kontemplativ! Natürlich könnte ich mir einen Gang über die Grünfläche sparen (aber warum sollte ich das tun?), indem ich während des Mähens auch Lüfte. Also vorne Messer, unten Nägel. So weit bin ich noch nicht mit meiner Koordination von Hand und Fuß. Außerdem würde dadurch mein Hirn arg strapaziert und wäre womöglich nicht mehr in der Lage, zu sprudeln. Kreative Gedanken freizusetzen. Die Energiebotschaft für Mai empfahl (mir, aber nicht nur mir), mich (oder sich) aus "niederschwingenden Wertesystemen" zu lösen. Der Mai ist schon fortgeschritten, aber noch ist er da, drückend schwül vor dem ersten Gewitter.
Sonntag, 21. Mai 2023
"... ale z Ciebie bambik"
Tym razem po polsku. Po prostu. Donald Tusk podobno - tak podaje prasa niezależna - na jednym ze spotkań z potencjalnymi wyborcami (trwa kampania wyborcza w najlepsze) zwrócił się do (nieobecnego oczywiście) premiera Mateusza Morswieckiego takimi słowami: „Mateusz, ale z ciebie bambik!”
Nie tylko ja, staruszka znad morzem północnym niczego z tego nie rozumie.
Bambik - oto dzisiejsza lekcja nie tylko językowa (z lekkim wstydem przyznaję się do cytatu z SuperExpress-u): "pochodzi z młodzieżowego slangu i jest związane z popularną wśród dzieci oraz młodzież grą komputerową „Fortnite”. ... Bambik oznacza zaś osobę początkującą, która niedawno zaczęła grać w „Frontnite’a” i ma do dyspozycji tylko pulę podstawowych wyglądów dla swojego bohatera. Taka osoba może popełniać podstawowe błędy lub nie znać wszystkich zasad rozgrywki. Choć określenie ma pejoratywny wydźwięk, często jest używane w żartobliwy sposób. W szerszym kontekście oznacza po prostu nowicjusza, osobę niedoświadczoną czy zagubioną."
Najbardziej mi się podoba synonim "nowicjusza". Urzędzujący premier Polski po 5 latach urzędowanie jest więc nadal, zdaniem byłego przewodniczącego Rady Europejskiej, nowicjuszem. Czyli niezbyt doświadczony gracz, łatwymi celami.
Samstag, 20. Mai 2023
Piz Linard im Doppel
Die Schweiz ist ein Land von Besserwissern. Ein Land föderalistischer Füdlibürger, engstirniger Gartenhagaufrichter, passionierter Horizontverenger. Es gibt nicht einen einzigen Presseartikel über das derzeit vom Piz Linard bedrohte Bergdorf Brienz/Brinzauls, unter dem im Netz nicht der oberlehrerhafte Kommentar auftaucht, dass es sich bei dem rieselnden Gebirge keinesfalls um den Piz Linard handeln könne.
Nun denn. Nicht einmal die Bündner (= die Bewohner des Kantons Graubünden) scheinen zu wissen, dass in ihrem Kantonsgebiet zwei Berge denselben Namen tragen. Der Piz Linard (2767 müM) auf der Grenze zwischen Albula/Alvra und Lantsch/Lenz und der Piz Linard (3410 müM) auf dem Gemeindegebiet Zernez. Der Piz Linard mit seiner bröckelnden Südflanke über Tiefencastel und der Piz Linard als stolzes Wahrzeichen der Silvretta. Der Piz Linard in Bewegung und der Piz Linard als Status. Luftlinie sind die beiden Gipfel schätzungsweise 35 km voneinander entfernt, verkehrstechnisch sicher um einiges mehr.
Beide gehen der Legende nach auf Namen von Männern wie "Leonhard", "Linard", "Chünard" oder "Chuonard" zurück. Die vielleicht ein womöglich goldenes oder auch nur hölzernes Kreuz auf den Gipfel getragen oder sich in anderer Weise flurnamentechnisch unauslöschlich ins kollektive Gedächtnis der Unter- oder Oberengadiner eingegraben haben mögen.
Freitag, 19. Mai 2023
Neumond
Und immer noch kalter Wind aus Ost! Also keine neuen Wörter, nur Lamento und Wiederholung. Wo soll das alles hinführen? Trotzdem grabe ich fürsorglich um meinen kleinen Bambus einen Wassergraben und versuche, die Bewässerungstonkegel in die rieselnde sandige, schon wieder ausgetrocknete Erde zu drehen. Ich bin keine geübte Drainagelegerin. Rasen abzustechen ist mir ein Graus. Aber Herr Caruso mag es, wenn ich mich bücke und buddle. Er streckt sich dann neben mir aus.
Donnerstag, 18. Mai 2023
Der Technik Fünf
Fünf Menschen überwachen den Berg, Geologinnen, Geologen und ein Ingenieur. Im Office. Am Bildschirm. Sie könnten überall sitzen. Und natürlich sitzen sie außerhalb der Gefahrenzone. Sie bedienen fünf high-tech-Systeme - oder werden von den fünf Systemen bedient, mit Daten versorgt. Sie wiederum, die Menschen, sorgen dafür, dass den Systemen der Strom nicht ausgeht. Zum Beispiel. Wer also wen bedient, ist nicht eindeutig.
Aber meine täglich neuen Wörter, heute deren 5:
Georadar: Bodenradaranlage, wetterfest, tastet mit Funkstrahlen den Gefahrenbereich ab und registriert auch die kleinsten Bewegungen im Fels. Liefert die Daten an die Zentrale.
Photogrammetrie: zwei hochauflösende Kameras filmen von zwei Standorten nonstop den Schutt und die Felsen oberhalb von Brienz/Brinzauls. Liefern die Daten an die Zentrale.
Laser-Tachymetrie: ein Spezialgerät misst mit Laserstrahlen die Bewegung von Reflexionspunkten. Reflexionspunkte sind kleine Spiegel, die am Berg angebracht wurden. Und weiterhin angebracht werden. Das Gerät ist unterhalb des Dorfes aufgestellt und liefert die Daten laufend an die Zentrale.
GPS (Global Positioning System) - Messpunkte. Ist natürlich kein neues Wort, wo wir alle selbst längst zu solchen Messpunkten geworden sind. Dank unserer Habgier. Freiwillig und ungefragt. Am Berg wurden und werden sie gezielt verteilt. Sie melden ihren exakten Standort laufend an die Zentrale.
Steinschlagradar: ein zweites Radarsystem - dient der allgemeinen Sicherheit. Registriert Blockschlag und Felssturz. Löst bei Gefahr selbst Alarm aus und sperrt automatisch Straßen- oder Bahnabschnitte. Meldet seine Daten trotzdem unablässig an die Zentrale.
Der Ingenieur sagte gestern, was da derzeit runterkomme, sei noch nicht einmal ein Felssturz. Und sprach von "relativ kleinen Ereignissen". Und: die Überwachung sei größtenteils Hand- und Kopfarbeit.
Mittwoch, 17. Mai 2023
Dem Berg der Sturz
Natürlich gucke auch ich fasziniert an die Flanke des Piz Linard. Über die Web-Cam der Gemeinde Albula/Alvra. Es ist "momentan der wohl am besten überwachte Berg der Schweiz" berichten die Geologen vom Amt für Wald und Naturgefahren des Kantons Graubünden.
Ganz nebenbei lerne ich neue Wörter. Und das ist das einzig Wichtige in meinem Leben. Die Definition von Sturzereignissen. Ein Sturzprozess ist eine schnelle Massenbewegung, bei der Festgestein oder Lockergestein den Hang hinunter rollt. Oder fällt. Ausbricht. Springt. Abstürzt. Alteingessesene Brienzer/Brinzauler sagen, es seien "immer" Steine herunter gekommen. Mal größere, mal kleinere. Der Berg habe "immer" gegrollt, sie seien mit dem Brummeln eingeschlafen und mit dem Brummeln wieder aufgewacht.
Die Fachleute teilen die Sturzprozesse in drei Kategorien ein, je nachdem wieviel Material sie mitführen:
Bei Stein- oder Blockschlag fallen einzelne Felsblöcke ins Tal, Gesamtkubatur bis zu 10 m3, im Steinschlag sind die einzelnen Teile im Volumen kleiner als 0,25 m3, im Blockschlag größer als 0,25 m3.
Bei Felssturz brechen größere Gesteinspakete ab mit einem Volumen von über 10 m3. Meist kündigen sich Felsstürze durch Steinschlag oder Blockschlag an. Ist logisch und passiert in Brienz/Brinzauls schon seit über hundert Jahren.
Vom Bergsturz werden die Experten sprechen, wenn die ganze sogenannte "Insel" vom Hang abrutscht, also etwa zwei Millionen Kubikmeter Fels. Der Bergsturz ist ein hochdynamisches Sturzereignis und das Abbruchmaterial kann Distanzen von mehreren Kilometern zurücklegen und zu vielfältigen Katastrophen führen. Auch Bergstürze kommen nicht von jetzt auf gleich, sondern kündigen sich an. Durch Vorwärtsbewegungen. Felsspalten. Rissen in Straßen oder Hauswänden. Und so weiter.
Dienstag, 16. Mai 2023
Dem Land sein Regen
Endlich pfeift wieder kalter Wind um die Hausecken. Die Eisheiligen haben sich verspätet und müssen sich nun ranhalten. Auch ich beeile mich, den lädierten Rasen vor der "Gesundungskalkung" noch einmal zu lüften, bevor ich Bio-Aktiv Kalk vermischt mit Kaffee und Tee verteile. Und den Himmel um gnädige Hilfe in Form von Regen bitte. Der trifft pünktlich ein und ich finde endlich meine verdiente Ruhe am Schreibtisch wieder. Ich hatte bereits vergessen, wo ich stehen geblieben war (beim Zickzack!). Die Nachricht von Sibylle Lewitscharoffs Tod rief mir seltsamerweise ein Hakenschlagen im schönsten barocken Rüschenkleid auf den geistigen Bildschirm. Und wer hat ihre Stimme nicht im Ohr?
Montag, 15. Mai 2023
Die 15 der Sophie
Wieder Hochsommer. Die kalte Sophie! Der Nachbar nimmt sich meines Gartentors an. Die Farbe blättert ab und die Schrauben sitzen locker. Es war einst enzianblau. Und wird nun in seine Einzelteile zerlegt, abgeschliffen und himmelblau frisch gestrichen. Bei dem Wetter, sagt der Nachbar, trocknet der Lack im Nu. Ich marschiere derweil über den Rasen hinten und den Rasen vorne und den Rasen an der Seite. Am Tag nach dem Sonntag im Wahllokal bin ich erfahrungsgemäß zu nichts anderem fähig. Ich fühle mich ausgehungert und ausgepowert und kann keinen klaren Gedanken fassen. Also beschäftige ich mich mit Grün.
Sonntag, 14. Mai 2023
Die 14 dem Sonntag
Wahlsonntag. Sonntagswahl. Schwarz ist das neue ... Grün, Rot, Blau. Braun. Grau. Weiß. Dithmarschen ist schwarz wie die Nacht. Schleswig-Holstein ist schwarz wie die Nacht. Meldorf ist schwarz wie die Nacht. Oder wie Berlin.
Meine Boys sind wie immer fleißig und zuverlässig. Zählen und sortieren. Gut gelaunt. Sortieren und zählen. Gut gelaunt. Zählen zusammen, sortieren auseinander. Gut gelaunt. Zählen noch einmal, weil zwei Kandidaten gleichauf liegen. Immer noch gut gelaunt. Es bleibt dabei, dass die beiden gleichauf liegen. Die Schriftführer verzweifeln an der Wahlniederschrift, weil die Unmögliches verlangt. Spät am Abend gelingt auch das. Das Unmögliche.
Samstag, 13. Mai 2023
Die 13 dem Samstag
Es ist plötzlich heiß wie im Sommer. Ich pflanze die Tomaten in Töpfe und stelle sie an die warme Südwand. Dann gehe ich im wahrsten Sinne des Wortes meiner neuesten Lieblingsbeschäftigung nach: Rasenlüften! Sehr zur Belustigung der Nachbarn. Alles redet nur von der anstehenden Wahl in Bremen. Oder in der Türkei. Und den damit verbundenen Horrorvorstellungen. Niemand redet von der anstehenden Wahl vor unserer Haustür. Den anstehenden Wahlen, der Kreiswahl und der Gemeindewahl.
Freitag, 12. Mai 2023
Der Nase Fell
Er kam natürlich wieder, mein Untermieter. Gestern. Gegen Mittag, mit wildem Blick und nur scheinbar ausgehungert. Denn er fraß seine Portion, immer noch das erste Frühstück, gar nicht auf, sondern rollte sich erschöpft zusammen und versank in tiefen Schlaf. Kaum war die erste Müdigkeit ausgeschlafen, ging er wieder. Mit demselben wilden Blick, mit dem er gekommen war.
Als ich am späten Nachmittag mein karges Mahl zubereitete, kam er, frohlockend, jauchzend und singend. Präsentierte mir einen jungen Feldhasen! Ich kämpfte mit Brechreiz am Kochherd, als der Kater dem Hasen zu meinen Füßen den Kopf abbiss. Dann kämpfte ich mit dem Kater, der den blutigen Rest nach oben in Sicherheit bringen wollte. Denn erstmal war er nun wieder satt und müde und musste sich erholen. Während er auf dem roten Sofa den Schlaf des Gerechten schlief, legte ich den Felltorso draußen vor der Tür unter den Rhododendron.
Bevor ich das Haus verließ - auch ich hab mal was außerhalb der vier Wände zu tun - kämpfte ich noch einmal mit dem Kater. Mit seiner Begriffstutzigkeit. Kaum war er wieder aufgewacht, suchte er nämlich seine Beute. Im Flur. Dort, wo er sie hinterlassen hatte. Schnupperte die Ecke ab. Seine Nase hatte eine präzise Erinnerung. Ich hingegen öffnete die Haustür. Was ihn verwirrte. Oder ängstigte. Meine erklärenden Worte und deutenden Finger, Hände, Arme erreichten sein Hirn nicht. Dort draußen hatte die Nase nichts zu tun. Erst als er einen Vogel auffliegend oder einen Labrador an der Leine vorbeimarschieren sah, folgte er meinen Lockungen. Und machte sich an die Arbeit.
Es blieb nichts übrig. Nicht ein Fetzen des Fells. Von den Knochen ganz zu schweigen.
Donnerstag, 11. Mai 2023
Der Abwesenheit Glänzen
Herr Caruso kommt zum Frühstück nicht nach Hause. Nicht zum ersten und nicht zum zweiten. So etwas kommt vor, wenn auch selten. Aber vor allem im Mai. Und immer wieder ist es schwer zu ertragen.
Gestern schien er irgendwie leidend, schlief den ganzen Tag, bettelte nicht um Futter. Fraß aber, wenn ich ihm den vollen Napf hinstellte. Putzte sich am Abend nach der letzten Portion ausgiebig auf meinem Bett und schlief mit glänzendem Fell an meiner Brust ein. Irgendwann in der Nacht muss er gegangen sein. Das macht er immer so, diskret und still. Auf sanften Pfoten ohne mich zu stören. Etwas ruft ihn dann. Oder treibt ihn.
Mittwoch, 10. Mai 2023
Der Brinzaulser Exodus
Das Bündner Bergdorf Brinzauls, deutsch Brienz (nicht zu verwechseln mit dem Bernerischen Brienz am schönen Brienzersee) muss sofort, spätestens bis Freitag evakuiert sein. Vor einem Monat hieß es noch, mit einem "Ereignis" (= Absackungen, Schuttstrom, Erdrutsch, Felssturz, Bergsturz) müsse im Laufe des Jahres gerechnet werden. könne. Heute heißt es, im Laufe der nächsten sieben Tage. So dynamisch entwickeln sich Gefahren für Mensch und Tier am Piz Linard. Es ist nicht tauender Permafrost, der den Berg zum Wanken bringt. Der Berg rutscht schon immer, sagen die Dorfbewohner. Auch das Dorf rutscht. Der Hang rutscht. Der Kirchturm rutscht, die Kirche rutscht. Der Kuhstall rutscht. Jedes Haus, jeder Stein, jede Treppe rutscht. Unter dem oberflächlichen Dolomit liegt Schiefer, der dem Druck nicht standhält und hervorquillt. Dann nagt noch die Albula an den tiefsten Partien. Der Boden ist unruhig. Der Berg ist unruhig. Der Fluss ist unruhig. Es ist zuviel Wasser im Untergrund. Die Brinzaulser sind unruhig und packen nun ihre Siebensachen.
Hier anschauliches Anschauungsmaterial. In Swissgerman, Surmeirisch und Hochdeutsch.
Dienstag, 9. Mai 2023
Schach dem Brett
In meinem Garten blüht eine weiße Schachbrettblume. Man kennt sie auch unter dem sprechenden Namen Kiebitzei, im pommerschen Volksmund als Kukukstulpe oder Perlhuhntulpe. Auf dem Weiß der Blüten ist das Brett schlecht zu erkennen, und trotzdem da! Letztes Jahr kam keine aus der Erde und ich dachte schon, die Mäuse hätten die Zwiebeln zum Nachtisch verputzt. Da aber fast alle Mäuse von unseren Hauskatzen im Hauptgang verputzt werden, schien mir das fraglich.
Montag, 8. Mai 2023
Der Täuschung Kunst
Hochstapelei ist eine Kunst, die Köpenickiade ein gelungener Staatsstreich und die Eulenspiegelei so etwas wie Rundumversorgung. Volksbelustigung.
Der Hochstapler ist ursprünglich ein vornehm auftretender Bettler und stapeln etymologisch verwandt mit stappen (was ich gestern mit den Nagelschuhen im Rasen tat). Stapeln war also nicht das, was der Gabelstapler heute tut, Dinge aufeinanderstapeln, sondern das, was ein Bettler oder heutzutage ein Obdachloser tut: ständig herumgehen, tippeln. Das wurde irgendwann verbunden mit der ununterbrochen ausgestreckten leeren Hand, der Bitte um ein Almosen und stappeln zu betteln.
Meine Hochstaplerin bettelt nicht. Das hat sie nicht nötig. Zur Köpenickiade taugt sie nicht und den Eulenspiegel hat sie bestimmt nicht gelesen. Sie schmückt sich gerne mit fremden Federn, eine typische Seldwylerin eben, von Gottfried Kellers Gnaden.
Sonntag, 7. Mai 2023
Der Nägel 2x13
Die Feen haben vertikutiert und sind wieder abgezogen. Ich bin nicht zufrieden. Immer noch viel zu viel Moos im Boden. Ich solle den Rasen lüften, empfahlen sie. Bevor sie abzogen. Ins wohlverdiente Wochenende. Bevor sie ihn kalken. Vor dem nächsten Regen. Ich krame meine Rasenlüfterschuhe hervor, schnalle sie mir um die Gummistiefel und trete Löcher in den Boden. Rutsche immer wieder aus dem Nagelfußbett. Suche andere Schuhe. Wanderschuhe! Damit geht es noch schlechter. Die Sohle ist zu fest, für anderen Untergrund gemacht. Nicht für eine unbeugsame Kunststoffplatte. Der Wanderschuh selbst ist zu selbstbewusst, will wandern, duldet keine Spikes. Die Füße leiden. Ich finde meine uralten grasgrünen Tennisschuhe, die ich so nenne, weil ich altmodisch bin und kein besseres Wort finde. Sie sind von der Sonne ausgebleicht wie mein Fahrradhelm und an der Seite schon leicht aufgerissen. Belüften die Füße perfekt! Tennis habe ich in meiner Lebtag noch nie gespielt, weder mit diesen noch mit anderen Schuhen. Aber Rasenlüften geht perfekt. Der eine Nagel links vorne wackelt. Lässt sich festschrauben. Und so komme ich endlich in kleinen Schritten, indem ich jeweils einen Nagelschuh vor den anderen setze, einmal längs und einmal quer über die vermooste Fläche. Mit zweimal Dreizehn Nägeln an den Füßen = wieviele Lüftungslöcher?
Samstag, 6. Mai 2023
Des Duftes Weite
Der öffentliche Raum wird auch "beduftet", lese ich, sehr zum Leidwesen von Allergikerinnen und Asthmatikern. Das fängt an im Treppenhaus und hört nirgends mehr auf. Weder an der Bushaltestelle noch im Stadtpark. Der angebliche Wohlgeruch lauert überall. Im Haar einer Kundin an der Kasse im Supermarkt, in den Designerklamotten ganzer Schulklassen auf Klassenfahrt. Aber auch im Kinderspielzeug, in Verpackungen, auf öffentlichen Toiletten ... Ganz zu schweigen von all den parfümierten Putz- und Waschmittel. Die eigene Wohnung (oder das eigene Auto) duftfrei zu halten, sei ein ständiger Spießrutenlauf, klagen Betroffene. In Urlaub fahren zu wollen, scheitere spätestens an der Bettwäsche.
Freitag, 5. Mai 2023
Der Öffentlichkeit Raum
Vor ein paar Tagen beklagte ich die Bilderflut, die alles Geistige ersäuft und im Nachgang zur digitalen Revolution die Phantasie in die überflüssig gewordene Dunkelkammer sperrt. Nebenbei bemerkt ist das Wort digital - das Zauberwort unserer Zeit - etymologisch verwandt mit digitus, lateinisch für Finger. In der Medizin meint digital das Anfassbare: der Arzt untersucht eine Stelle am Körper seines Patienten mit den Fingern. Und schiebt nicht den ganzen Körper des kranken Menschen in die Röhre. Ende der Abschweifung.
Seit Jahren bemühe ich mich, gedanklich keinen Blick zurückzuwerfen. Nicht auf einen Eintrag von "vor ein paar Tagen" zurückzukommen. Das hat mir (m)eine gestrenge Lehrmeisterin beigebracht. Heute muss ich auf die Bilderflut zurückkommen. Kino existiert ja per definitionem nicht ohne Bilder, Kinematographie ist so etwas wie Aufzeichnung/Wiedergabe bewegter Bilder. Bildersturmflut. Nun forderte kürzlich jemand in einer analogen Gesprächsrunde dezidiert und wiederholt, der öffentliche Raum Kino müsse (wieder, wenn ich mich recht entsinne) geöffnet werden. Ich war perpelx. Ist das Kino ein öffentlicher Raum? Wie die Kirche oder der Marktzplatz, der Parkplatz, der Supermarkt? Und war dieser öffentliche Raum jemals geschlossen? Es wurde gewettert gegen Multiplex-Kinocenter und Filmpaläste, gegen streaming, klar, und als Gegensatz zum heimischen Sofa oder privaten Smartphone all over the world eine (längst abgesoffene?) Welt heraufbeschworen, nämlich der durch lichtdichte Vorhänge abgeschlossene Raum in einerm Provinz(verzehr)kino, in dem alle mucksmäuschenstillsitzen und in eine Richtung gucken. Die be- oder übervölkerte Dunkelkammer?
Vollmond und Halbschattenfinsternis. Der Mond wird vom Halbschatten der Erde bedeckt und zeigt im von der Erde ersichtlichen Universum (=öffentlicher oder offener Raum?) keinen Schatten, nur eine gleichmäßige Tönung (Verdunkelung).
Donnerstag, 4. Mai 2023
Der Novelle Meister und sein Stück
Der schreibenden Mutter, die mich kürzlich anfauchte, weil ich ihre Novelle kritisierte, sei's gesagt: das Wort "Novelle" auf dem Cover macht den Text noch lange nicht zu einer solchen. Nicht einmal wild kopulierende Protagonisten zwischen den Buchdeckeln erheben das Ganze aufs Pantheon (The Most Excellent and Lamentable Tragedy of Romeo and Juliet).
Zur Nachhilfe kann Frau Mutter, wenn ihre Kinder endlich Ruhe geben, sich gerade am Abend ein Meisterstück vorlesen und sich vormachen lassen, wie Figuren modelliert und in ein soziales Spannungsfeld gepflanzt werden, in dem das tragische Ende unausweichlich bleibt. So bekommt sie ganz umsonst einerseits ein bisschen schreibtechnisches Rüstzeug und andererseits im allerersten Satz eine Lektion der Demut: "Diese Geschichte zu erzählen, würde eine müßige Nachahmung sein, wenn sie nicht auf einem wirklichen Vorfall beruhte, zum Beweise, wie tief im Menschenleben jede jener Fabeln wurzelt, auf welche die großen alten Fabeln gebaut sind." (Gottfried Keller, Romeo und Julia auf dem Dorfe. Zitiert aus: Gottfried Keller Werke, Hrsg von Gustav Steiner. Birkhäusers Klassikerausgaben, Band 3: Die Leute von Seldwyla, S. 69)
Mittwoch, 3. Mai 2023
Das Offen der Barung
Ich wundere mich immer wieder, warum heutzutage alles erklärt werden muss. Ich höre Nachrichten in nicht leichter Sprache (auch das gibt es und zu Recht), die trotzdem beginnen mit "In dem Land Ukraine ..." oder "Die Zeitung die Zeit / die Welt / .." oder "Das Magazin Der Spiegel ..." oder "Die Partei Die Partei / Die Linke / Die Republikaner / Die Violetten / Die Urbane ...".
Heute früh höre ich einen Bericht über die letzte Generation und die christliche Hoffnung. Darin - in dem Bericht - fällt ua der Slogan "Nein und Amen", mit dem Vertreterinnen und Vertreter der letzten Generation nun von der Straße auch in die Kirchen gehen wollen. In Gottes Namen ... Mich erinnert dieser Schritt an das Gleichnis vom Nadelöhr (siehe Matth 19:24, Lk 18:25, Mar 10:25), aber ich will nicht abschweifen und nicht ablenken und auch am frühen Morgen bei der Sache bleiben. In dem Bericht wird also prompt erklärt, dass "Nein und Amen" sich beziehe auf die Redewendung "Ja und Amen[-Sagen]".
Das ist eine schwache Offenbarung zum neuen Tag. "Ja und Amen sagen" ist eine verwässerte (wie ich meine), umgangssprachliche (wie der Duden behauptet) Redewendung, mit der zB opportunistische Kopfnicker oder Wendehälse stigmatisiert werden können. Das sind dann "Die Ja-und-Amen-Sager". Wie alles andere - Kamele, Nadelöhre, Arme und Reiche - kommt auch das Ja und das Amen aus der Bibel. Wieviel Unsinn aber in der Kumulation der beiden Wörter steckt, kann hier nachgelesen oder nachgehört werden.
Dienstag, 2. Mai 2023
Dem Tag das Danach
"Erstaunlich friedlich" ist das erste, was ich am Morgen höre. Einhelliges "erstaunlich friedlich". So hat der 1. Mai in Berlin dem 2. Mai Platz gemacht. Erstaunlich friedlich! Erstaunlich friedliche Proteste, erstaunlich friedliche Revolutionäre und Nichtrevolutionäre. Erstaunlich friedliche Alle, von Randalen, Müttern, Chaoten über DGB bis hin zu den MyGruni-Demonstrierenden. Alle gingen erstaunlich friedlich auf die Straße und, wie lange nicht mehr, erstaunlich friedlich wieder nach Hause. Einhelliges Morgenlob! Schön, nach einer erstaunlichen friedlichen Nacht in einer erstaunlich friedlichen Welt aufzuwachen.
Mein blog wird gerade von einer erstaunlichen Welle des weltweiten Zugriffs über-r-r-r-rollt. Am Morgen des zweiten Tags des Monats bereits über 1000 Zugriffe, mehrheitlich von sonstigen URLs, mehrheitlich von Einem (von mir nicht genutzten) Browser sowie Einem (von mir auch nicht verwendeten) Betriebssystem und mehrheitlich zu Zeiten, zu denen ich den Schlaf der Gerechten schlafe. Das listet mir die interne Statistik freundlicherweise tagesaktuell und, wenn ich dies unbedingt möchte, auch stundenaktuell auf. Aber was es zu bedeuten hat, ver-r-r-r-rät sie nicht. Wahrscheinlich habe ich mit einem kleinen Wort große Schuld auf mich geladen.
Montag, 1. Mai 2023
Dem Mai die Mütze
Im Traum traf ich an einer Straßenkreuzung einer Stadt, welcher spielt keine Rolle, es fuhren viele Autos, sie lärmten und verpesteten die Luft, die wir dringend zum Atmen brauchten, wir warteten vor der wahrscheinlich roten Ampel auf die Berechtigung, auf die andere Seite hinüber zu gehen, oder überhaupt unseren Weg, in welche Richtung auch immer, fortsetzen zu dürfen, eine Frau, die hatte 14 Kinder, der Älteste, oder auch nicht der Älteste, auch das spielt keine Rolle, aber es war bestimmt ein Junge, schob ein kaputtes Fahrrad, der Lenker stand quer und der Bub musste, um vorwärtszukommen, sicherlich seine ganzen Überredungskünste aufwenden, aber noch standen wir und die Mutter hielt den Bollerwagen mit Unmengen von frischen Broten an ihrere Seite wie einen Kinderwagen, und schlug freudig, weil wir alle gerade mitten auf unserem Weg innehalten mussten und den Autos die Vorfahrt nicht nehmen durften, und so die Gelegenheit zu einer wahren Begegnung hatten, das graue Leinentuch, das schützend über den frisch gebackenen, bemehlten, unverpackten, knusprigen Laiben lag, zurück. Wie als Beweis dafür, dass sie tatsächlich 14 Kinder zu versorgen hatte! Obwohl die 14 an der Zahl, ohne dass ich sie wirklich nachgezählt hätte, ich glaube es auch so, ungeduldig um uns herumstanden oder -hüpften, aneinander zerrten und sich laut zankten, während sie, auch sie, nur auf Grün warteten.
Ich erwache mit kaltem Kopf. Die Sonne ist aufgegangen und ich aufgestanden, weil das Raubtier Futter verlangt. Ich werde den Tag der Arbeit, Mai und Wonne hin oder her, mit Mütze und vielleicht sogar im Bett verbringen. Oder unter einer warmen Decke auf der Bank im Garten.