Am 8. Januar 1967 um 04:20 Uhr starb Zbigniew Cybulski am Hauptbahnhof in Wrocław. Gerade erst 39 geworden, am Bahnsteig 3, eingeklemmt zwischen Bahnsteinkante und Fahrwerk des bereits ausfahrenden Zuges nach Osten, in die stolica (Hauptstadt). Diesen Zug wollte er im letzten Moment seines Lebens besteigen. Ganz außer Atem. Er war zu spät. Die Züge fuhren damals pünktlich los.
Cybulski war einer der ungewöhnlichsten Schauspieler Polens. 1965 spielte er in "Salto" (Regie + Drehbuch Tadeusz Konwicki) den Unbekannten, die Hauptfigur, die zu Beginn des Films irgendwo in der Provinz aus einem fahrenden Zug springt (s.u. - ein herrlich anachronistisches Video!) und anschließend ein ganzes Dorf in Aufruhr bringt.
Sie waren alle kleine Teufel zu jener Zeit. Mein Meister Konwicki. Seine literarischen Figuren. Die Verkörperungen seiner irren Phantasie auf der Leinwand. Am Set. Cybulski spielte (fast) immer mit Sonnenbrille, war immer in körperlicher und seelischer Unruhe, tänzelte, wirbelte, sprach in Halb- und Ganzsätzen, in atemberaubenden Tempo. Seine Augen sieht der Zuschauer selten, und wenn, dann verschattet. Die Filme waren schwarzweiß. Aber die Macher, diese kleinen und großen Teufel vor oder hinter der Kamera leuchteten die letzten finsteren Ecken der menschlichen Existenz aus. Ja, so war das damals.
Und heute? Heute erst ist mir bewusst geworden, dass der Todestag Konwickis (7.1.2015) nahtlos übergeht in den Todestag Cybulskis (8.1.1967). Es trennen die beiden tatsächlich nur ein paar Stunden. Eine kleine Verschnaufpause zwischen Mitternacht und Morgengrauen im atemlosen Lauf zum Bahnhof. Zum letzten (oder ersten) Zug in die Hauptstadt.
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