Freitag, 6. Januar 2023

Ingeborg

Bachmann. Gelesen von Johanna Wokalek. Passt auch nicht. Vielleicht sollten die Briefe dieser beiden, Lieber Max ... Liebe Ingeborg ... überhaupt nicht laut vorgelesen werden. Weil keine fremde Stimme passt. Keine noch so gekonnte forsche Intonation. Die Frage, warum die Briefe überhaupt veröffentlicht wurden, steht auf einem anderen Blatt. Bachmann war explizit dagegen und Frisch hatte ihr ursprünglich auch zugesichert, dass nichts davon an die Öffentlichkeit gelangen wird. Nach der Trennung forderte sie ihren Teil der Korrespondenz zurück. Erfolglos. Er betrachtete ihre Briefe an ihn als sein Eigentum. Seinen Teil der Korrespondenz hatte sie - ebenso erfolglos, siehe gestern - selbst vernichtet. Er änderte im Alter seine Meinung und gab die Briefe nach einer 20-jährigen Sperrfrist nach seinem Tod frei.

Ingeborg Bachmanns früher Tod im Oktober 1973 wäre vermutlich vermeidbar gewesen. Max Frisch trifft keine, oder die geringste Schuld. Die Tabletten traten vor Max in ihr Leben. Wenn ein Entzug den Tod bringt, muss die Sucht groß gewesen sein. Nein, es war die Familie. Das Schweigen um eines guten Rufes wegen. Eine hinterlistige Sorge und feige Scham. Was sollen die Leute denken, wenn sie erfahren, dass Hohe Kunst den Abgrund bedingt. Dass eine begnadete Poetin täglich Dutzende Tabletten, Angstlöser, Beruhigungsmittel (Tranquilizer, Benzodiazepine) einwarf? Gepart mit der begründete Furcht guter Freunde, zur Verantwortung gezogen zu werden. Sie wussten nicht nur von den "Schlafmittel-Whisky-Cocktails", sondern bedienten diese qua amt mit Rezepten.

Ingeborg Bachmann ist nicht an äusserlichen Verbrennungen gestorben. Die Gauloises, die sie beim Einschlafen im Bett in Rom rauchte, ist zwar ursächlich für einen Brand. Dieser hat aber die Eingeschlafene nicht lebensbedrohlich verletzt. Sie ist an inneren Verätzungen gestorben. Daran, dass man sie zwar ins Krankenhaus Sant'Eugenio brachte, den Ärzten aber ihren Medikamentenkonsum verschwieg. Sie ist gestorben, weil man ihren Körper verrecken ließ. Er schrie und wand sich vergeblich. Die Mediziner behandelten die verbrannte Haut, erkannten aber die heftigen Entzugserscheinungen nicht als solche. Wie auch? Konvulsionen bis bis hin zu epileptischen Anfällen. Sie vermuteten eine Schädigung des Gehirns, konnten sich aber nicht erklären, wodurch verursacht. Die Zigarette konnte es nicht gewesen sein. Und alle, die es besser wussten, schwiegen bis zum bitteren Ende. Auch so kann man sterben. 22 Tage lang.

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