Donnerstag, 8. Dezember 2022

Marsfinsternis

Der Mond ist voll und steht der Sonne fast exakt gegenüber, sagen die Himmelsgucker. Bei mir ist noch finstere Nacht. Die Abweichung betrage nur gerade zwei Grad, erklären die Himmelserklärer weiter, und deshalb erscheine der Vollmond in besonderem Glanz, viel viel heller als sonst, sogar heller als alle vermeintlichen Supermonde des zu Ende gehenden Jahres. Also wieder ein Mythos geplatzt! 

Die Unregelmäßigkeiten auf der Mondoberfläche werfen für unsere Augen diesmal keine Schatten, sondern streuen das Sonnenlicht perfekt und maximal. Siehe Seeliger-Effekt. Oder Oppositions-Anstieg. Der Oppositionseffekt sei so etwas wie ein Heiligenschein, lese ich ausgerechnet im Lexikon. Um ihn zu entdecken, muss der Betrachter die Sonne im Rücken haben. Das ist mir neu. Die Heiligenscheine, die ich kenne, sind durchwegs künstlicher Natur, mit Ölfarbe aufgemalt. Beim Opposisionseffekt handele es sich um einen "trockenen" Heiligenschein, lese ich weiter, das Objekt im Gegensonnenpunkt verberge seinen eigenen Schatten (engl. shadow hiding wird wie zum Beweis in Klammern angefügt). Ich assoziiere Schattenverluste mit teuflischen Intrigen. Wie auch immer. Der Nachthimmel kennt keine schwarzen Buben. Der Vollmond strahlt in der Tat gerade zehnmal so hell wie der Halbmond - was er eigentlich aus rein mathematischen Gründen nicht dürfte. Und von bloßem Auge erkennen wir das alles im Detail natürlich gar nicht. Aber glauben dürfen wir, an den Heiligenschein und andere Märchen, und in den Morgenhimmel staunen. Auch unbestritten ist, dass sich der volle Mond - von der Erde aus gesehen - gerade vor den Mars schiebt, denn der steht praktischerweise der Sonne gerade auch fast exakt gegenüber. So kommt es, dass sich der Mars für etwa eine Stunde tatsächlich hinter dem Mond befindet. Marsbedeckung. Planetenfinsternis. Am Ende der längsten Vollmondnacht des Jahres.

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