Mittwoch, 7. Dezember 2022

Der Röstigraben

Die Schweiz hat eine neue Bundesrätin und einen neuen Bundesrat in ihrer siebenköpfigen Kollegialbehörde. Die neue Bundesrätin ersetzt eine vorzeitig aus dem Amt scheidende Bundesrätin und der neue Bundesrat einen vorzeitig aus dem Amt scheidenden Bundesrat, beide mit dem selben Parteibuch ihrer Vorgängerin bzw seines Vorgängers. So what? Die Aufregung ist riesengroß, und die Emotionen in meinem sonst so beherrschten Heimatland schäumen. "Ein Armutszeugnis" heult ein Kommentator, seien diese Bundesratswahlen. So etwas habe die Schweiz nicht verdient! Nämlich was? Eine Jurassienne? Nein, die Tatsache, dass die "urbanen" und "finanzstarken" Kantone nicht mehr in der "obersten leitenden und vollziehenden Behörde des Bundes" vertreten seien. Sondern nur noch cretini und maladroits. Dass die Regierung sich nun mehrheitlich aus Welschen (einer Jurassierin!) und Ticinis zusammensetze. Dass die deutschsprachige Schweiz "östlich von Bern" nur noch eine einsame Dame aus "der Kleinstadt Wil" repräsentiere. Welche Schande! 

Mich irritiert aus der Ferne eher, dass heute ausgerechnet ein Politiker mit dem Namen "Rösti" in den Bundesrat eingezogen ist. Ob er sich auf das internationale Parkett vorwagt, und wie er dort wohl angesprochen werden wird?  Ob er von seinem Vorgänger das EFD übernehmen wird, ist (mir) überhaupt nicht wichtig. Denn mit Herrn Rösti ist nun der Graben zwischen "östlich von Bern" und dem Rest der klein(kariert)en Schweiz aufs Herrlichste personifiziert. 

PS: Rösti ist ein Schweizer Nationalgericht, am Vortag in der Schale gekochte, abgekühlte, gepellte und fein geriebene, in viel Fett goldbraun gebratene Kartoffeln. Der frisch gebackene Bundesrat erklärt, sein Name habe nichts mit Kartoffeln zu tun, sondern komme vom Adjektiv "rösch" - berndeutsch für knusprig oder spröde. Das Idiotikon sagt mir noch anderes (u.a. rasch, hurtig, von Frauenzimmern resolut, von Männern eher rüstig, lebenskräftig und lebenslustig, "etwa auch mit einem Stich ins Erotische"). Zum Röstigraben siehe einschlägige Nachschlagewerke.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen