Unser Heider Kantor wirft das Handtuch. Er ist jung, begabt, selbstsicher. Will etwas erreichen in seinem Leben. Die Heider Kantorei ist heimatlos, weil die Heider Kirche umgebaut wird, die alte Heider Orgel herausgerissen und nach Süden verkauft wurde und für eine neue Heider Orgel immer noch Geld von den Heiderinnen und Heidern gesammelt wird. Wir, die Sängerinnen und Sänger der Heider Kantorei gucken tatenlos zu, sind ruhelos, denn singen dürfen wir seit fast zwei Jahren mehr oder weniger nicht. Proben finden nur unter besonderen Umständen statt, mit weniger Leuten und größeren Abständen, im Sommer draußen auf der zugigen Wiese, im Herbst drinnen bei durchgehend geöffneten Fenstern, mit diversen G's, plus oder minus, Test oder Ausweis. Eingangskontrollen! Eine vertrackte Situation. Nun schreibt der Kantor uns an, uns derzeit Inaktive, einst Aktive aber auch Ehemalige Mitglieder seines Chores, und teilt mit, die Chorstrukturen seien "zerrüttet". Ich zitiere das absichtlich umständlich in einer nicht zweideutigen Deutlichkeit. Und die Gesellschaft rund herum, schreibt der Kantor weiter - und ich bin nicht sicher, was er damit genau meint, die Gesellschaft rund um die Baustelle auf Norddeutschlands größtem Marktplatz? oder die Gesellschaft überhaupt, die vielleicht noch nie von dieser kleinen Kirche auf dem großen Marktplatz gehört hat, die gerade stumm und orgellos vor sich hin döst - habe sich so entwickelt, dass er und seine Frau und die beiden Kinder nicht mehr ruhig schlafen können. Und Schaden nehmen. Also gehen sie weg. Die ganze junge Familie wandert aus. In ein gelobtes Land.
Und wir? Frage ich. Ziemlich verstört. Bleiben verlassen zurück.
Und ich? Ich bin nun frei und werde mir endlich einen lange und lang gehegten Wunsch erfüllen!
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