Dienstag, 15. Februar 2022

Buddleja

Natürlich habe ich einen Kater. Den ganzen Tag schon. Wie früher am Tag danach. Am Tag nach dem Konzert. Obwohl ich gestern keinen Ton gesungen und keinen Tropfen getrunken habe. 

Und ich habe meinen Kater, Herrn Caruso. In der Apotheke hole ich 3 Dosen Hustenbonbons mit demselben Namen ab. Ich musste sie bestellen. Sie sind altertümlich verzuckert. Auf dem Rückweg kaufe ich vorsorglich Katzenfutter. Wer weiß, wann ich wieder aus dem Haus komme. Zurück im Garten pflanze ich ein Weihnachtsgeschenk endlich in die Erde, die gelbblühende Buddleja, die natürlich noch nicht blüht, aber die kurzen Tage im Topf seit den Festtagen unbeschadet überstanden hat. Sie treibt grün aus. Also muss sie nun in die Erde. Und ich muss mich beeilen. Regen zieht auf. Wind zieht an. Die Sonne geht unter. Mein tibetischer Mönch wartet am anderen Ende der Welt. 

Den Kater über das plötzliches Ende als Heider Chorsängerin besänftige ich mit den bitteren Hustenbonbons. 

Mein Kater hat gefressen und ist friedlich, legt sich mir zu Füßen, putzt sein glänzendes Fell. Ein Prachtskerl! Ich bin gestern Abend gegangen, ehe die eigentliche Chorprobe, das Singen begann. Nein, ich kann jetzt nicht singen, war mein Abschiedssatz. Nein, ich bin keine Heldin. Nein, ich habe keinen Husten. Ich habe einen Kater und meinen Kater und bin eine Heidin. Ich erdreiste mich jeden Morgen bei Sonnenaufgang, den Himmel von der Erde zu trennen.

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