Samstag, 9. Oktober 2021

O-Ton ...

... unverständlich! In den letzten zwei Wochen wurde Am Morgen der Roman des Schweden Alex Schulmann vorgelesen. Ging mir stellenweise ziemlich unter die Haut. "Die Überlebenden". Mit autobiografischen Anklängen. Die Schlüsselstelle aber - der Protagonist versucht, sich zu "suizidieren", indem er ins Meer hinausschwimmt, so weit, bis es weiter nicht mehr geht - musste ich x mal nachhören, bis ich sie endlich verstand. Aus dem Radio am Morgen kam das entscheidende Wort, das letzte in einem Satz, vollkommen unverständlich. Ein Gemurmel, Gresäusel, Gemansche. Der Vorleser - ein Schauspieler und professioneller Sprecher - ließ ihm, dem Wort und damit dem ganzen Satz - nicht die gebotene Sorgfalt angedeihen. So einfach entstehen Miss- oder Unverständnisse. Das letzte Wort eines Satzes wird verschludert, verschluckt, verhöhnt, verunstaltet, verkackmeiert. Weil einer keine Geduld mehr hat, keine Zeit, aufs Klo muss oder was auch immer. Also hörte ich am Computer nach, stellte die Lautstärke auf volle Pulle. Nichts. Nochmals. Immer noch nichts. Nochmals. Und so weiter. Vielleicht liegt es an meiner zunehmenden Schwerhörigkeit, dachte ich beschämt. Und griff zum Kopfhörer. Setzte ihn auf. Hörte endlich, was diese literarische Figur am Ende des berühmten schwarzen Tunnels erblickte. Nämlich nicht ein verheißungsvolles Licht, von dem alle Nahtoderfahrenen immer faseln, sondern einen Kiesweg! KIESWEG. Dieses gänzlich unerwartete Wort auf Hoher See muss frau erstmal verstehen. Schlucken. Leer. Der Protagonist sieht ertrinkend im Wasser den Kiesweg zu seinem Alptraum, zu seinem Kindheitstrauma, zu seiner Schuld, die er einst auf sich geladen hatte, ohne es zu wollen, zu wissen oder verhindern zu können.

Und dann wird er (natürlich!) aus dem Wasser gezogen. Sonst hätten wir Leser/Zuhörer die Bedeutung dieses Kieswegs nie und nimmer begriffen.

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