Dienstag, 19. Oktober 2021

Onsernone ...

... ist einfach ein schöner Name für einen Ort. Einen Fluß. Ein Tal. Eine Gemeinde. Im Ticino. An der Grenze zwischen In- und Ausland. Je nachdem, auf welcher Seite man steht. Kürzlich hörte ich eine Lange Nacht zu Marlen Haushofer und musste einmal mehr über ihre "Wand" nachdenken. Die Lange Nacht brachte für mich dazu nichts neues. Aber der Roman könnte zB auch im Valle Onsernone spielen. Er kann überall spielen. Irgendwann vor langer Zeit bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass die Wand im Roman "Die Wand" nur den Zweck verfolgt, der Protagonistin einen rechtsfreien Raum zu schaffen, einen Raum, zu dem niemand außer ihr Zutritt hat. Einen Raum, in dem sie ungestraft ein Verbrechen begehen darf, nämlich den Mann zu erschießen, der eines Tages auftaucht. Wir erfahren natürlich nicht, wie, warum und woher der Mann in dieses Universum, den geschützten Raum eindringen konnte. Es ist auch nicht wichtig. Wichtig ist die Elimination des Maskulinen. Die Protagonisten fragt sich nach der Tat, warum der Mann ihre (notabene männlichen) Tiere (den Stier und den Hund) mit der Axt getötet habe. Und verschwendet keinen einzigen Gedanken daran, warum sie selbst ohne zu zögern (nein, sie macht sich sogar Vorhaltungen, dass sie zu lange braucht, die offenbar genau für diesen Fall geladene Flinte von der Hüttenwand zu holen) zum Jagdgewehr gegriffen und den Mann hingerichtet hat.

Onsernone. Die Wand, sagte die Autorin, die sie meine, sei "eigentlich ein seelischer Zustand, der nach außen plötzlich sichtbar wird." Ich google ein bisschen. Finde das Onsernonetal und einen Eintrag auf fembio.org: 

"Vielleicht ist dem Publikum allerdings gerade Haushofers brisantestes und damals zweifellos skandalös bahnbrechendes Werk vorenthalten geblieben. Hans Weigel, in den 1950er Jahren der mächtigste Mann im österreichischen Literaturbetrieb, riet Haushofer von der Publikation ab, woraufhin sie das Manuskript offenbar vernichtete. Später bekannte Weigel, dass der Roman „großartig geschrieben“ war, „er war lebendig, plastisch, er hatte alles was ein Roman haben soll“ (zitiert nach Strigl, S. 179). Warum also wollte er ihn dann aber partout nicht veröffentlicht sehen? Es war der Inhalt, der dem Herrn missfiel: Einige Frauen tun sich zusammen, töten einen „besonders widerlichen Mann“ – und kommen damit davon (zitiert nach ebd.). Das konnte er natürlich nicht durchgehen lassen." https://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/marlen-haushofer/

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