Kern. Lot. Ton. Drei einsilbige Wörter zum Ende des kürzesten Monates des Jahres. Giacinto Scelsi (1905-1988) - wer diesen Namen richtig aussprechen kann, hat schon viel verstanden von der Welt - bezeichnete sich nicht als Komponist. Hat seine Werke nie selbst niedergeschrieben, notiert, sondern, wenn überhaupt, aufgenommen auf Tonband und den Rest anderern überlassen.
Giacinto Scelsi begreift sich als Bote, als Medium, als Dekompositor. Ihn interessiert nicht, wie etwas, Musik zum Beispiel, gemacht wird, sondern was es ist. Er zerlegt Botschaften, die er, wie er sagt, aus einer transdenzentalen Wirklichkeit empfängt, in Töne. Dann sucht er in den Tönen den Kern. Den Klang hinter dem Klang. Er wiederholt einen Ton so lange, bis es nicht mehr derselbe Ton ist.
Scelsi begibt sich auf eine Reise in das Innere eines Tons, um dessen Tiefe auszuloten. Die bezeichnet er als dritte Dimension. Der Ton gerät in andere rhythmische und klangliche Bezugsverhältnisse, tritt in einen anderen Raum ein. Idealerweise mit ihm auch sein Interpret und sein Zuhörer.
Der Klang ist sphärisch, sagt Scelsi, rund. Nicht linear, von keiner bestimmten Dauer. Wie alles Sphärische hat er ein Zentrum. Nur wer in den Kern eines Klangs vordringt, ist ein Musiker - wem das nicht gelingt, ist ein Handwerker. Auch ein musikalischer Handwerker verdient Respekt, aber er ist kein wahrer Musiker, kein Künstler.
Ich versuche, wie immer, das Faszinosum aus der Musik auf die Sprache zu übertragen. Wenigstens in meinem Kopf. Nur wer in den Kern eines Wortes vordringt ... wem das nicht gelingt, faselt. Noch nie hab ich im Radio so unendlich viel faseln gehört, wie seit es Podcasts gibt.
Scelsi wird von seinen Kritikern als Eintonphantast beschimpft. Als capriziöser Dilletant. Statt Vielfalt produziere er, manisch ausgebreitet, monothematische Aspekte, statische Klänge in minimalen Veränderungen.
Hört selbst: "Der Klang ist die erste Bewegung des Unbewegten" - nehmt Euch Zeit, so viel ihr wollt und braucht, sie ist im gerade Überfluss da: