Dienstag, 7. Dezember 2010

Winterlist

Ich wollte bloß Äpfel holen in der ganzen Garage. Zwei waren frisch angebissen.
Ich wundere mich nicht. Und räume gedankenlos, wenn ich schon hier stehe, endlich die Kiste mit Schwiegervaters Zimmermannswerkzeug weg, die ich kürzlich am Boden hatte stehen lassen. Ich hatte eine seiner Holzraspeln gebraucht. Und dann kam der Baumfäller und ich musste in Eile das Bambuswindspiel vom Vogelbeerbaum herunter holen und legte es kurzerhand auf die Zimmermannswerkzeugkiste am Boden.
Bevor ich also die Kiste an ihren Platz hieven kann, muss ich das Windspiel hochheben. Aus den einzelnen Bambusröhren rieseln meine getrockneten Kürbiskerne vom letzten Jahr, die ich im Frühjahr nicht in die Erde gesetzt hatte. Nun wundere ich mich. Zuerst über das Geräusch, dann über die Bescherung am Boden. Von wegen Nikolaus, Stiefel vor der Tür, Überraschungseier. Die Kürbiskerne (ich habe immer Unmengen davon) lagen seit dem letzten Herbst in einer Plastikschale auf dem Weinregal, das wir vom Vorbesitzer geerbt haben und seither zweckentfremden. Die Schale ist leer. Das ist doch sehr verwunderlich. Denke ich plötzlich laut. Auch die diversen kleinen Blumentöpfchen, in denen ich diverse Samen aus dem Garten gesammelt und im ehemaligen Weinregal zum Trocknen aufgebahrt hatte, sind leer. Wunder über Wunder im Winter. Jemand hat nicht nur unsere Äpfel angeknabbert, sondern Hamsterverstecke angelegt. Wo allerdings die Malven-, Mohn- oder Wickensamen hingekommen sind, sehe ich auf den ersten Blick nicht.
Welches hungrige Tier am Wattenmeer ist so klein, dass es bei geschlossenen Türen und Toren in unsere Garage hineinkommt - und wieder hinaus, oder hockt es vielleicht irgendwo unter den Gartenstühlen, den Liegestühlen, den Gartentischen, zwischen der Gartengrillkohle oder hinter den alten Fahrrädern, dem Rasenmäher, dem Vertikutierer, und beobachtet still mein Wundern?
Welches hungrige kleine Tier am Wattenmeer ist so schlau, getrocknete Kürbiskerne in Bambusröhren zu verstecken?
Auf einem Weinregal herumliegende Äpfel anzubeißen, ist keine große Kunst. Die würde ich jeder grauen Wühlmaus zutrauen.
Aber Kürbiskerne von eben diesem Regal von Menschenbrusthöhe herunterzuholen, keinerlei verräterische Spuren zu hinterlassen, sie in den einzelnen Holzröhren eines mächtigen Bambuswindspiels zu verstauen, das nicht mehr im Sturm am Baum klappert, sondern vollkommen unnütz auf einer Kiste voller Zimmermannswerkzeug am Boden einer ganzen Garage liegt, in der trotzdem kein Platz mehr für ein Auto ist ...

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