Nun aber! Der letzte Apriltag, der allerletzte Vertikutiertag. Es verbleibt mir die Nordseite. Eine letzte Mittagsruhe. Und dann ein letztes Mal ein Kabel quer über die stark vermooste Fläche spannen, so dass es nicht gleich durchschnitten wird. Geduldig das, was vom Rasen übrig ist, abschreiten. Die Nachbarsbuben, den beiden Großen voran Friedrich der Kleine, wollen "zu Caruso". Betreten stehen sie vor dem Beet aus dem die Stauden üppig schießen. Von den Schneeglöckchen ist noch ein Büschel sehr sehr saftigen Grüns übrig. Vor ein paar Tagen streute ich zwei Handvoll Halb- oder Ganz- oder Garnicht-Edelsteine in das Beet. Im Sinne einer sinnvoller Zweitverwertung. Gegen die Wegwerfgesellschaft. Zerrissene Lapislazuliketten oder Rosenquarzwinzlinge. Zersprungene Jadearmreifen. Falsche Perlen. Die Buben klauben mit leuchtenden Augen bunte Steine vom Gemeinschaftsgrab meiner beiden Schwarzen Kater.
Dienstag, 30. April 2024
Steinesammeln
Montag, 29. April 2024
Sonnenmontag
Die Welt ist wie ausgewechselt. Es ist warm am Wattenmeer: Warm, windstill, sonnig. Die Nachbarin gut gelaunt wie lange nicht mehr. Ich nehme mir vor, zum letzten Mal den Rasen auf der Südseite und auf der Ostseite zu vertikutieren. Aus reiner Vernunft und Fürsorge, denn nach dem nassen Winter ist er längst nicht so vermoost wie in früheren Jahren. Also einfach einmal längs und einmal quer mit der Maschine rüber. Und danach über den Sommer einmal wöchentlich lüften. Hingebungsvoll im Morgengrauen über den Rasen marschieren, mit leicht gebücktem Kopf, leise tröstende Worte murmelnd oder auch nicht. Die Nachbarn schlafen noch oder lachen mich aus. Das Resultat aber spricht für sich: die Maschine holt so wenig Moos aus dem Boden, dass ich es bequem in der Biotonne unterbringe. Ein Lob auf Morgenmeditation mit Rasennagelschuhen (siehe insbesondere das "Fazit")!
Sonntag, 28. April 2024
Tomatensonntag
Viele Dinge, so nehme ich mir ernsthaft vor, tue ich nun zum letzten Mal, dafür aber mit besonderer Hingabe. Bewusst. Tomaten pikieren. In den vergangenen Jahren schob ich es brav vor mir her. So lange es nur ging. Denn die Zeit läuft. Unerbittlich. Der Frühling kommt. Die Natur ruft. Schön romantisch!
Das hatte nie etwas mit Prokrastination zu tun. Beileibe nicht. Sondern nur mit Pikieren. Pikieren ist anstrengend. Pikieren ist mühselig. Pikieren dauer immer länger als gedacht. Jedes Jahr dasselbe, mit sturer Regelmässigkeit wie Weihnachten oder Geburtstag: Viel zu viele Pflänzchen. Die wundersame Vermehrung von Samengut. Und viel zu wenig Erde. Viel zu wenig kleine Pflanztöpfchen. Meist ist es auch Sonntag wie heute. Und keine Chance, an frische Anzuchterde zu kommen. Ich weiß nicht wohin mit dem zarten Grün.
In meiner allerletzen Tomatenpikierverzweiflung rufe ich S. an. Auf S. ist Verlass. Eine halbe Stunde später steht sie in meinem Garten und nimmt mir alles ab, was mir zuviel ist.
Samstag, 27. April 2024
Probensamstag
Heute proben wir in Meldorf mit dem immer noch amtierenden Interimsvakanzvertreter von 10 bis 18 Uhr am Messiah. Ein letzter Kraftakt vor dem Konzert an Himmelfahrt. Mit erhobenem Zeigefinger hat er - der mit Abstand Jüngste im Saal! - uns am Donnerstag zum Abschluss der üblichen Donnerstagsprobe eine Hausaufgabe aufgegeben: JEDE und JEDER bringt etwas zu Essen für ALLE mit. Damit wir durch die 8 Stunden ehrenamtlicher Wochenendarbeit kommen. Niemand muckste. Er hat uns sogar das Schweigen beigebracht!
Jeder für alle und alle für einen. Mich hat der gestrige Ausflug nach Heide so sehr beflügelt, dass ich seit Sonnenaufgang in der Küche stehe.
Freitag, 26. April 2024
Musikerliebe
Was Anfang März in Meldorf stattfand, wurde heute abend auch in Heide absolviert: die Kandidaten für die vakante Kirchenmusikerstelle stellten sich vor. Es waren nur zwei, was für den Chor Erleichterung brachte, ein Drittel weniger sängerische Geduld und Kraftaufwand. Es waren nur Männer. Aber beide mit der Musik verbunden und mit Musikerinnen liiert. Der eine (der ältere) schon länger. Der andere (der jüngere) weniger lang. Aber beide sozusagen ihr ganzes Leben lang. Und dann kam das déjà vu. Das Feuer aus Apulien! Und die obligate Frage aus dem Sopran: ob er, der zweite Bewerber Kinder habe. Der erste hat drei, davon zwei schon mehr oder minder Erwachsene. Noch nicht, lautete die Antwort des Südländers. Und seine schwarzen Augen blitzten.
Donnerstag, 25. April 2024
Korallenliebe
Auch die Korallen lieben den Vollmond. Denn dann können sie sich durch Knospung vermehren und sind nicht angewiesen auf den anderen Geschlechtspartner. Praktisch! Wenn das Licht des Vollmonds unter die Wasseroberfläche scheint umnd dieses Wasser eine bestimmt Wohlfühltemperatur hat, werden Korallenteile ermuntert, sich vom Mutterorganismus abzulösen und selbstständig weiter zu entwickeln.
Fällt das Mondlicht aus, wegen Wolkendecke oder Ähnlich Widrigem, Stromausfall oder so, können sich die Korallen traditionell fortpflanzen: durch massenhafte Abgabe von Ei- und Samenzellen ins Meerwasser.
Mittwoch, 24. April 2024
pink
Der Aprilvollmond heißt im christlichen Volksmund Ostermond. In diesem Jahr lag Ostern für uns im Westen näher am Märzvollmond als am Aprilvollmond. Den Orthodoxem steht die Auferstehung hingegen noch bevor und wird erst am 5.5. gefeiert.
In Nordamerika heißt der Aprilvollmond Pinkmond. Die Fabre bezieht sich auf die ersten Blüten, die gerade zart aufbrechen. Magnolien zum Beispiel, wie ich sie kürzlich zu Tausenden auf der Fahrt in einem grünen Bus quer durch Europa bestaunen konnte.
Der Mond, sagen die Mondgucker, erscheine beim Aufgang gelblich, manchmal auch etwas rötlich. Das hängt davon ab, wieviel Dunst in der Atmosphäre vorhanden ist, wenn der Mond bei uns über den Südosthorizont steigt. sei. Außerdem ist er dann nie perfekt rund, sondern etwas "geplättet". Die dicken Dunstschickten verbiegen sein Licht. Erst ungefähr eine Stunde nach Aufgang leuchtet der Mond perfekt rund und silbrighell.
Andere Völker andere Namen. Es gibt Leute, die sprechen gerade vom Mond des brechenden Eises, vom Mond, wenn die Enten zurückkehren, vom Mond, wenn die Gänse Eier legen. Vom Froschmond oder vom Zischmond!
Dienstag, 23. April 2024
albern
Es ist zum Heulen kalt und nass! Der Wind peitscht von allen Seiten, um alle Ecken. Der Regen schlägt an alle Fenster. Trotzdem wächst der Rasen unverdrossen. Ich warte auf die berühmt Pause und hänge zuerst Wäsche auf, dann führe ich den Rasenmäher aus.
Montag, 22. April 2024
hirnlos
Es gießt immer noch in Strömen. Die letzte volle Aprilwoche bricht an. Ich habe seit über fünfzehn Jahren keine Kreditkarte mehr und lebe trotzdem! Habe immer was anzuziehen, immer was zu essen, immer was zu trinken. War auch mal zwischendurch hier oder dort, bin also keine verbissene Stubenhockerin, keine konsequente Konsumverweigerin. Nur Überfluss ist mir zuwider. Saure Äpfel. Tote Kater. Seufzend beiße ich auf die Zunge. Wer reisen will, muss bezahlen.
Sonntag, 21. April 2024
handgreifen
Weil Sonntag ist, vertage ich die Entscheidung. Reisen oder nicht reisen, das ist hier die Frage. Ich gebe sie zwischenzeitlich ab an die Hand. Was meint meine Hand zu der Perspektive eines stromlosen Schreibens? Ich greife kurzerhand in das Bücherregal zu meiner Rechten. Ziehe mit geschlossenen Augen ein Buch heraus. Es ist das polnisch-deutsche Fachwörterbuch des Jagdwesens. Polsko-niemiecki słownik tematyczny: Myślistwo. Leider nur in dieser Richtung. Als nicht deutsch - polnisch. Trotzdem schlage ich es wahllos auf. Lasse die linke Hand Orakel spielen. So lande ich bei der Unterabteilung Trophäenkunde. Versorgen des erlegten Wildes. Fängt an mit dem Transport und leitet mich über die Art der Aufbewahrung hin zu allgemeinen Begriffen.
Ergo: ohne Strom kein Wiki. Also muss die ganze Bibliothek mit.
Samstag, 20. April 2024
adaptieren
Ich habe Reisepläne, bin aber, wie allgemein bekannt, des Reisens längst gründlich entwöhnt. Und so kommt es, dass mir die einfachsten Dinge die größen Schwierigkeiten bereiten. Lange, lange, eine geschlagene Ewigkeit lang vor Abfahrt des Zuges. Einfach nur im Kopf.
Ich lerne, dass es verschiedene Steckdosen auf der Welt gibt. Was uns "normal" scheint, ist Typ C. Zwei Löcher. Angeblich gilt C für Europa. Wie ich aber weiß, gilt C nicht für die Schweiz. Die Schweiz gehört nicht zu Europa. Sie verbaut in die Wände ihrer Häuser Steckdosen mit drei Löchern.
Ich habe vor, in ein Land zu reisen, in dem nicht überall und nicht immer Strom fließt. Auch Wasser übrigens nicht. Das ist die erste Herausforderung: ohne Strom und ohne Steckdose auszukommen. Vielleicht auch ohne tägliches Warmduschen. Die zweite Herausforderung ist, rechtzeitig vor der Abreise einen Adapter zu besorgen. Wo es Wände gibt, in denen Stromleitungen unter oder über Putz den Strom leiten, haben die Steckdosen am Ende der Leitung 3 Löcher. Aber natürlich nicht die helvetischen. Das wäre ja ein wahres Kinderspiel. Déjà vu! Nein, es soll sogar zwei verschiedene dreilöchrige Steckdosen geben, nämlich Typ D (ein etwas dickeres Loch oben, darunter, rechts und links wie in einem mehr oder minder gleichschenkligen Dreieck, zwei kleinere) und Typ M (drei identisch angeordnete Löcher wie Typ D nicht identischen Durchmessers). Die dritte Herausforderung ist es, den Bauch entscheiden zu lassen. Reisen oder nicht reisen?
Freitag, 19. April 2024
Zikadenstürme
Vor etwa 14 Jahren schrieb ich einen kryptischen Text, der ein Ereignis, das erst 11 Jahre später stattfinden sollte, vorwegnahm. Nur im Titel. Und in Andeutungen mittendrin. Damals war das eine kleine, von niemandem anerkannte Utopie. Heute ist sie biologisch überholt oder übertrumpft: die letzte größere Zikaden–Welle, der Zikadensturm der Magicicada septendecim, Brut X (Great Eastern Brood).
Während bei uns Eiszeit herrscht, steht in 17 US-Bundesstaaten gerade eine doppelte Zikadeninvasion bevor - und eine solche gab es zum letzten Mal vor 221 Jahren, also 1803. Die Zikaden brauchen eine Bodentemperatur von nachts mindestens 18°, vorher getrauen sie sich nicht an die Luft. Wer immer die Zikadengesänge in den nächsten Wochen hört, wird sie in seinem Leben nicht noch einmal in dieser Lautstärke vernehmen können. Also passt auf und speichert das Ereignis. Die neue Population der Magicicada tredecim, Brut XIX (Great Southern Brood) schlüpft nach 13 Jahren Larvalstadium gleichzeitig mit der neuen Population der Magicicada septendecim, Brut XIII (Northern Illinois Brood) nach 17 Jahren Larvalstadium. Insektenforscher rechnen mit Schwärmen von mehreren Billionen gehäuteten Nymphen. Die fortpflanzungswilligen Männchen umwerben sie mit lautstarkem Zirpen. Je lauter desto bulliger! Vom Rasenmäher des Nachbarn bis hin zur Flugzeugturbine übertönen sie alles. Die Forscher empfehlen menschlichen Bewohnern in den von Begattungsstürmen betroffenen Gebieten Ohrstöpsel, um Hörschäden vorzubeugen.
Hier kann man verfolgen, wo es gerade am lautesten ist: https://cicadas.uconn.edu/
Donnerstag, 18. April 2024
weiß
Erster Bodenfrost! Gestern hab ich "Herr Schwarz und Frau Weiß", das Bilderbuch, das auf Farben ganz verzichtet, in meinem Bücherregal unter S wie Sch gefunden und heute, weil Donnerstag ist, flugs verschenkt.
Mittwoch, 17. April 2024
Rasentreten
Erstes Rasentreten. Erster klirrender Morgen, aber nur Fastfrost. Erste Sonne. Später Regen.
Dienstag, 16. April 2024
Stromausfall
Seit einigen Tagen - Nächten, Morgen - quäle ich mich mit einem Behelfswecker, den mir U. freundlicherweise ausgeliehen hat. Kein Ersatz für meinen Lichtwecker! Sondern ein praktisches Uhrenradio. Mein Kopf wird arg strapaziert bei den Versuchen, die Weckzeit nach meinen Wünschen einzustellen. Kaum habe ich die Uhrzeit eingestellt, geht um 23 Uhr das Display automatisch aus und bis 6 Uhr nicht mehr an! In der Nacht sehe ich nicht, wie spät es ist. Wenn die Zeit um 6 Uhr wieder an meinem Bett steht, bin ich längst aufgestanden. Mürrisch, weil meiner Seele die gewohnte Lichtdusche ganz offensichtlich fehlt.
Heute ärgere ich mich zusätzlich, weil plötzlich alles weg ist. Die Uhr läuft, steht aber gerade auf 00:11 (wie erst ich im Laufe des Tages erfahre, ist es ab 05:45 aufgrund von Erdschlüssen zu mehreren Stromausfällen in Meldorf gekommen) und ich nehme mir vor, die störrische Leihgabe bei der nächsten Gelegenheit zurückzugeben.
Am Abend fange ich nochmals von vorne an. Ich muss vor 23 Uhr wissen, wie spät es ist. Also erstens die Uhrzeit von meinem Smartphone ablesen und eingeben. 20:03 Uhr. Zweitens den richtigen Wochentag bestimmen. Dienstag. Drittens die 20 Plätze für Radiosender über die automatische Sendersuche belegen lassen (so viele Sender kann man hier in der Provinz überhaupt nicht ungestört hören, aber egal). Viertens sich für Weckzeit und Weckart entscheiden: Alarm oder Radio, sowie Wecktage bestimmen: MO-FR oder SA-SO oder sowohl als auch. Fünftens, wenn bei viertens die Wahl auf Radio fiel, den Lieblingsaufwachsender (kein Gelaber bitte) suchen: Beim Durchklicken höre ich plötzlich meine eigene Stimme! Ich halte verblüfft inne. Die Stimme, meine eigene, spricht oder liest gerade von einer verlorenen Schuhsohle. Ich hocke auf dem Bettrand und reibe ungläubig die Augen: Frequenz 105,20 - klar und deutlich. OK Westküste Heide! Aus einem temporären Radiowecker! Am frühen Abend! Richtig! Dienstags ab 20 Uhr gibt es "Lesungen" (meist ab Konserve), heute abend die Wiederholung von Text & Tango! Unsere Lesung mit Boris vom 7.3.2020 - die allerletzte öffentliche Veranstaltung vor Corona! Wir saßen dichtgedrängt in einem Saal zusammen, umarmten und küssten uns alle zur Begrüßung und zum Abschied, im Publikum u.a. Ehrengästen die frisch gebackene (gerade mal 7 Tage alte) Schuhfrau i.R. aus Menznau ... unmittelbar vor Maskenpflicht und lockdown und all den anderen Unbillen (die es lt Duden im Plural nicht gibt). Ich starre auf dieses kleine schwarze handliche Kästchen, das, wie der Umkarton verspricht, "besonders einfach" zu bedienen ist.
Montag, 15. April 2024
frischbacken
Montag ist immer ein guter Tag, um anzufangen. Womit auch immer. Vormittags soll die Sonne scheinen, am Nachmittag Regen in Strömen fallen. Also einmal noch rundum Rasen mähen, möglichst kurz vor der Mittagsruhe. Und dann Kronos. Witold Gombrowicz. Das letzte Werk. Oder das posthum Entzifferte und Veröffentlichte. Ein intimes Tagebuch, dessen Manuskript der Autor für so unverzichtbar erachtete, dass er seiner späteren Witwe ein Jahr vor seinem Tod auftrug, es, sollte überraschend Feuer im Haus ausbrechen, in die Hand zu nehmen und hinaus zu rennen. Nichts sonst müsse sie retten (doch, die Verlagsverträge, handlich vorsortiert).
Tagsüber kann ich in dicken Büchern lesen, denn sie liegen auf dem Tisch, abends im Bett nur noch dünne, zB Marek Nowakowski, Trampolin!
Sonntag, 14. April 2024
altbacken
Altbacken ist das Wort, das seit zwei Tagen in meinem Kopf herumgeistert. Altbacken - auf der Zunge oder im Bauch ist es meist Brot. Aber so etwas kenne ich nicht. Mein Joldelunder 1000-Körner-Brot kann per se nicht albacken sein oder werden. Aber was ist altbacken im Kopf? Da wird mir mulmig zumute.
Den ganzen Sonntag viel Wind, wenig Mut, viel Sonne. Wenig Tat: Die Fenster nach Osten habe ich schon vor Sonnenaufgang vom Saharastaub der letzten Tage befreit.
Samstag, 13. April 2024
K&K
Samstag der Dreizehnte! Kaffee & Kuchen. Um nicht aus der Übung zu kommen und Vorräte aufzubrauchen, habe ich braungebacken. Auch, um den Sonnenschein auszunützen und den Backofen mit Strom vom Dach zu versorgen. Aus lauter Übermut schüttete ich ein bisschen roasted chili powder, also geröstetes Chilipulver, von dem auch noch ein Übermass in meinem Vorratsschrank lagert, in das von Hand fein geraspelte Bitterschokoladenpulver, ehe ich Kakaopulver dazu gab, wie im Rezept empfohlen. Denn das kennen (und verspeisen) mittlerweile sogar die Helvetier: Schokolade mit Chili. Bei deutschen Discountern kann gut & günstig erstanden werden: Trink- oder Ess- oder Speiseeisschokolade. Mit oder ohne roter Schärfe.
Wie so oft in letzter Zeit ist mir leider die Hand ausgerutscht. Der Grund dafür kann Gedankenverlorenheit oder Altersschusseligkeit sein. Wie auch immer, die Schärfe meines Schokoladenkuchens weckt alle schlafenden Geister und Dämonen!
Freitag, 12. April 2024
rotbacken
Pausbäckige Äpfel liegen in der Biokiste. Kürzlich in Krakau bekam ich im Café Lu-Kier zum Abschied ein Stück "roter" Kuchen. Saftig, keine Himbeeren, nein buraki! Auch da denk ich immer ... nicht in der Nacht, sondern am Tag an Natasza G. Rote Beete, vielfach unterschätzt!
Meine so pausbäckig lachenden Bioäpfel erweisen sich bei näherer Betrachtung - nach dem Schnitt mit dem scharfen Obstmesser - als ungenießbar. Innen morsch wie ein alter Baum. So etwas hab ich noch nie gesehen!
Donnerstag, 11. April 2024
Grünes Licht
Ich wurde nicht geweckt. Und wachte trotzdem auf. Mein Lichtwecker (Wake-Up Light) hat offenbar in der letzten Nacht das Ende seiner Lebensdauer erreicht. Auch er.
Im Sommer am Wattenmeer muss ich nicht von Licht geweckt werden, das nachgewiesermaßen künstlich ist und aus der Steckdose kommt, meinem Hirn aber seit fast zehn Jahren erfolgreich einen natürlichen Sonnenaufgang zu nachtschlafener Zeit simuliert.
Diese Sonnenaufgangssimulation konnte ich, solange das Gerät funktionierte, sogar meinem individuellen Lichtempfinden anpassen, meiner Aufwachintensität oder meinem vielleicht übertriebenen Schlafbedürfnis. Das habe ich nie getan, und jetzt ist es für alles zu spät. Der optimale Start in den Tag auch mitten in der Nacht für immer dahin!
Meine Mutter wäre heute in Liestal 98 Jahre alt geworden, wenn sie das Ende ihrer Lebenszeit nicht schon vor ein paar Jahren erreicht hätte. Und der jüngere Bruder meiner Schuhfrau, seines Zeichens Lokomotivführer, hat heute seinen letzten Arbeitstag im Führerstand! Die ganze große einstige Schuhmacherfamilie fährt Abschnittweise heute den ganzen Tag durch die Schweiz. Mir hat die Schuhfrau i.R. gerade eben die Einfahrt in den endlich fertig umgebauten Bahnhof meiner Kindheit per livestream geschickt. Also bin ich doch ein bißchen, aus gebührender räumlicher und emotionaler Distanz, zu Hause. Zu Besuch.
Mittwoch, 10. April 2024
stante pede
Der Haussinologe steht stets zu Diensten! Seine Kritik ist harsch und folgt sofort - stante pede (stehenden Fußes). Mir ging es gestern nicht um den Fluss - sondern um die Hoffnung. Um die Überraschung! Die Offenheit für solches, Überraschendes. Also nicht um den trägen Fluss des Wassers, den beständigen Fall des Regens, nicht um den Fluss der Sprache, der Wörter, der Buchstaben, auch nicht um den Fluss des Übersetzens oder den Fluss des oder der Übersetzer. Den neudeutsch sogenannten flow. Natürlich wunderte ich mich insgeheim über die hucpe eines Schweizer Multiinstrumentalisten, das Dao aus dem Chinesischen zu übersetzen. Aber das war mir keine Erwähnung wert, weil weitab von Hoffnung oder Offenheit für Überraschnungen. Wie mir schien. Eher ein Werbegag. Und dagegen bin ich immun. Daran hab ich die letzten Jahre hart gearbeitet!
Nun also der Sinologe im Wortlaut - er bietet das chinesische Original sowie zwei englische Übersetzungen zum Vergleich an, zu 1 (Der Fließweg, S.15):
道可道,非常道。名可名,非常名。
The Dao that can be trodden is not the enduring and unchanging Dao.
The name that can be named is not the enduring and unchanging name.
(James Legge, most famous translation, 19 th century)
The Way that can be followed is not the eternal Way.
The name that can be named is not the eternal name. (A. Charles Mueller, 1991)
Sagst du DAO
Verschwindets
gibst du ihm einen Namen
kennst du’s schon nimmer (David Steindl-Rast &
Balts Nill, 2024)
Verschwindets? Das heisst, vorher war es da?
Nimmer? Das heisst, vorher kanntest Du es?
Aus 4x3 Schriftzeichen AxA YZA BxB YZB wird 3 / 1 / 5 / 4 ohne jede Wiederholung
AU WEIA!
Bei Laozi gibt es KEINEN Gott, das Dao ist nicht göttlich, denn das würde das Eins-Sein von allem zerstören. "Der Unterschied von Sein und Seiendem ist, wenngleich nicht ausdrücklich gewußt, latent im Dasein und seiner Existenz da ... Existenz heißt gleichsam >im Vollzug dieses Unterschiedes sein<." sagt uns doch so richtig der Herr Heidegger. Aus dieser Latenz kommen wir nicht heraus, deshalb Dao Ke Dao, Fei Chang Dao - das Dao das man kennt, kennt man nicht.
Ende Zitat. Ich kann kein Chinesisch und mich stört bei näherer Betrachtung im gepanschten Deutsch eines Benediktiner-Buddhisten sowie eines Berners tatsächlich das Graphisch-Unästhetische End-s einmal ohne und einmal mit Apostroph. Wirkt slangig und das war vielleicht gerade beabsichtigt. Für mich ist es unangebracht und schlampig, Herr Hundertjähriger!
Dienstag, 9. April 2024
Guten Morgen!
Die Sonne ist wieder aufgegangen. Also hinter dem Mond hervorgetreten. Weitergelaufen. Aber sie ist den ganzen Tag nicht zu sehen. Nicht bei uns am Wattenmeer. Es regnet in Strömen und am Nachmittag werde ich 2 x bis auf die Haut nass. Vorher verkündet mir aber ein fast Hundertjähriger Benediktinermönch und Zen-Meister in einem, der einst von Gottes Gnaden (also: von Rom ermächtigt) den interreligiösen Dialog zwischen Christentum und Buddhismus beförderte, sein Lebensmotto: "Hoffnung ist die Offenheit für Überraschungen." Wohlauf!
Bruder David oder David Steindl-Rast unterscheidet zwischen Hoffnung im Singular und Hoffnungen im Plural. Die Hoffnungen, sagt es und hat natürlich Recht, machen wir uns selber. Die sind, sage ich, meist nichtig. Die Hoffnung aber, sagt der buddhistische Benediktiner oder benediktinische Buddhist, die Hoffnung im spirituellen Sinne bedeute "Offenheit für Überraschungen". Und diese Offenheit "für das, was das Leben uns schenkt" befähige uns, kreativ damit umzugehen. Nun denn!
David Steindl-Rast (der Mystiker) hat eben zusammen mit Balts Nill (Schweizer Musiker) das Daodejing (Tao te King) des Laozi (Lao-Tse), das Basiswerk des Daoismus und angeblich nach der Bibel das weltweit am meisten verbreitete Buch, neu ins Deutsche gebracht und kommentiert: Der Fließweg. Der Fluss fließt und das Wasser wird sauber.
Bei uns ist es der Regen, der fließt. Und der Himmel, der sauber wird.
Montag, 8. April 2024
Gute Nacht!
Eine Sonnenfinsternis gibt es nur bei Neumond. Und natürlich nur auf der Erde! Der Mond muss genau zwischen Erde und Sonne stehen, um für uns Irdische die Sonne zu verdecken. Diese Position nimmt er zuverlässig nur bei Neumond ein. Wenn aber bei uns am Wattenmeer die Sonne bereits untergegangen ist - oder gerade am Untergehen ist -, wenn der Mond sich vor die Sonne schiebt, ist von dem Spektakel am Himmel leider gar nichts zu sehen. Die Dithmarscherinnen können geruhsam schlafen gehen!
Der Mond wandert jetzt vom Pazifik über Nordamerika bis weit in den Nordatlantik. Die Totalität beginnt in Mexiko! Der Mond bewegt sich von Sinaloa nach Coahula, passiert ungehindert die Grenze zu den USA, schreitet von Texas nach Maine, bis er den Norden von Kanada erreicht und von Ontario nach Neufundland weiterzieht. Eine partielle Finsternis können die restlichen Nordamerikaner beobachten sowie mit etwas Glück ein paar schlaflose Portugiesinnen oder British Ladies.
Für Alle Anderen gibt es die Animation hier.
Sonntag, 7. April 2024
Drittnutzung
Hab auf Signal auf mein Händi (auf meine Hand!) zwei Foto bekommen. Ein Signal und noch eines. Wie zum Trost für mein bereits zweites einsames Frühstück. Minou liegt in dem Kissen, das Caruso erst nach längerem Zögern, Abwarten, Gucken, Schnuppern, Umschleichen aus sicherer Distanz usw., aus dem Erbe von Rasputin akzeptierte. Und für sich in Beschlag nahm. Für wen auch sonst? Damals dachte ich, das Ruhekissen hätte noch die Duftnoten des nierenkranken Vorgängers gespeichert und lüftete und wusch es um die Wette.
Minou ist ein junges Kätzchen und hat vielleicht aufgrund ihres Alters oder Geschlechts weniger Vorbehalte gegen die Materie dieser Welt. Oder: Caruso war gesund! Strotzte vor Kraft. Hinterließ keinerlei negative Spuren.
Samstag, 6. April 2024
Das Erste Zweite Allein
Das erste zweite Frühstück im Garten. Das erste allein. Mit Sonne, der neuen Brille und ohne den Kater zu meinen Füßen. Das war immer unser Ritual im Frühling und im Herbst. Die ersten oder letzten Sonnenstrahlen zusammen. Kurz und freundlich. Ohne Beißattacken. Kürzlich bin ich zum ersten Mal verreist, ohne die Fütterung des Raubtiers den Nachbarskindern und ihren Müttern übertragen zu müssen. Und dann bin ich zum ersten Mal zurückgekommen, ohne dass jemand tief in der Nacht noch etwas von mir wollte.
Nun ist die Heizung auf Sommerbetrieb umgesprungen und ich kann nach der Mittagsruhe Rasen mulchen.
Freitag, 5. April 2024
Alte Große Duden
Der Regen hatte gestern abend rechtzeitig sein Einsehen. Nur der Raum war verändert. Die Uhr an der Wand war verschwunden. So probten wir zeitlos. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich nach Hause kam. Auch die Müllabfuhr ist aus dem Takt geraten. Nach Osternn kommt sie erst am Freitag. Im Morgengrauen sammle ich also kopflos noch Papier für meine blaue Tonne ein, und finde zwei Alte Große Duden. Einer von 1939: Elfte, neubearbeitete und erweiterte Auflage. Erster verbesserter Neudruck. Darin wird auf dem Schmutztitel geworben mit "Schlag nach! Das Buch der 100 000 Antworten." Auf der Titelseite der Ex Libris Stempel, die handschriftlich eingetragene Nummer 121, von Tadeusz Alszer. Das ist der Schwiegervater von Maciek. Die beiden Männer, die die Liebe zu einer Frau eint, teilen nun ihre letzte Ruhestätte. Macieks Urne wurde letzte Woche im Familiengrab der Alszers auf dem Rakowiecki Friedhof beigesetzt. Wie des Schwiegervaters Duden zu mir ans Wattenmeer kam, kann ich noch nachvollziehen. 2007 mit dem Umzugsgut aus Berlin. Wie er aber dereinst den Weg in mein Berliner Bücherregal fand, weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich über die Schweiz.
Der zweite Alte Große Duden (16., erweiterte Auflag, neu bearbeitet, im Einvernehmen mit dem Institut für deutsche Sporache) trägt auch einen denkwürdigen Stempel, auch mit handschriftlichen Ergänzungen, was mich daran hindert, das Buch umgehend in die Tonne zu werfen: "Dieses Buch ist mir vom Land Berlin am 3.11.1969 übereignet worden. Wolfgang Arlt" (kursiv = handschriftlich). Die Rückseite der Titelseite trägt den gedruckten Vermerk: "Das Wort DUDEN ist für Bücher des Bibliographischen Institus als Warenzeichen geschützt."
Dieses Bibliographische Institut hat in der durch das Land Berlin übereigneten 16. Ausgabe ihren Sitz in Mannheim und Zürich, in der 11., der Alszer-Ausgabe aber in Leipzig. Was sagt uns das?
Donnerstag, 4. April 2024
Schmuddelwetter
Puh, was für ein garstiges Wetter! Die Nordsee zeigt sich von ihrer besten Seite. Wenn es bis zum Abend nicht aufhört zu regnen, werde ich den Messiahprobe schwänzen. Bei aller Liebe zur Musik und dem Vakanzvertreter. Alle Mütter und Väter schwänzen sie sowieso, weil die Kinder zu Hause sind und keine Ruhe geben.
Mittwoch, 3. April 2024
Ankunft
Ich erwache in meinem eigenen Bett. Früh. Am Morgen. Obwohl ich spät ankam. Sehr spät. In der Nacht. Ich erwache mit Kopfschmerzen. Ich erwache unausgeschlafen. Die Müdigkeit einer Reise ist nicht auf einmal auszuschlafen. Die Kopfschmerzen sind nicht auf einmal auszumerzen. Nach 19 Stunden Unterwegssein ohne eine einzige warme Mahlzeit. Mich weckt die Sonne. Zuversichtlich stelle ich die Waschmaschine mit meinen schwarzen Klamotten und der rotschwarzen Hose an. Frühstücke. Hänge die nassen Teile frohlockend in den Wind. In den Garten. Hole sie nach einer Stunde ohne zu murren wieder ins Haus hinein. Noch nicht trocken. Es fängt an zu regnen!
Was mir am Ende des Tages neue Energie verleiht, sind die neuen Brillen. Bunt vor Ostern bestellt, nicht vor Ostern fertig geworden. Sprich: nicht vor meiner Abreise. Ich war mit den alten Gläsern unterwegs. Nun sitzt die eine seit dem frühen Abend auf meiner Nase. Die andere wartet auf dem Schreibtisch. Arbeitsbrille in klassischem Gold. Die Haare hat mir M. am Tag vor der Zeitumstellung auf 16 mm geschoren. Mit dem neuen Kopf wird sofort alles klarer, schärfer, eindeutiger.
Dienstag, 2. April 2024
Fahrt nach Dithmarschen
Der Saharasturm ist vorbei. Es regnet in Strömen. Fast überall, wo ich heute langkomme. Alles ist verspätet, der Grenzübergang blockiert, jedenfalls werden wir umgeleitet über wunderhübsche malerische Dörfer hüben und drüben. Ich verpasse es leider, in Berlin-Südkreuz bei Sonnenschein aus dem Bus zu springen und den Zug zu nehmen. Am Funkturm regnet es schon wieder so stark, dass mich jede Energie, meinen Reiseplan zu ändern, schlagartig verlässt. Man wird träge in einem Flixbus. Sitzt und sinnt und schläft. Schlägt ein Buch auf und das andere zu. Knabbert Nüsse. Trinkt reines Wasser. Beißt in einen Apfel. Mit einer vollen Stunde Verspätung treffen wir schließlich am ZOB in Hamburg ein, und ich schaffe es, bis auf die Haut nassgeregnet auf den letzten Zug nach Norden. Trotz Gleisänderung in letzter Minute. Leichtfüßig wie ein Reh hüpfe ich die Treppen von 8 hoch und auf 6 wieder hinunter. Rolltreppen versagen stets pünktlich den Dienst. Zu guter Letzt verlasse ich den hinteren Zugteil, den ich nach Atem lechzend überglücklich endlich erreicht zu haben glaubte, wieder, weil eine resolute Schaffnerin uns daraus vertreibt. Nur die vorderen 4 Wagen, erklärt sie, fahren nach Husum. Und die sind überfüllt mit Menschen und Gepäckstücken - wo kommen um diese Zeit nur all die Reiselustigen her?
Ich will nicht nach Husum, nicht nach Nordfriesland. Ich will nur nach Meldorf. Trotzdem müssen alle in Elmshorn umsteigen. Der Nachfolgezug hat zunächst 10 Minuten Verspätung. Dann 20 und schließlich 30. Wegen Bauarbeiten auf der Strecke. Es fahren mehrere Züge in den Bahnhof ein. Allesamt von Norden. Und bleiben stehen. Dunkel und leer. Nicht einsteigen. Es regnet immer noch oder schon wieder. Eine gutgelaunte Schaffnerin lacht nach der Abfahrt ins Mikrophon und sagt die nächste Station an: Wenn wir Glück haben, erreichen wir Glückstadt um 23:48 Uhr ... Ungefähr um Mitternacht werde ich voraussichtlich den Nordostseekanal überqueren und in Dithmarschen ankommen. Zu Hause bin ich dann allerdings noch lange nicht, auf den Beinen aber werde ich seit genau 05:05 Uhr gewesen sein.
Montag, 1. April 2024
Fahrt nach Krakau
Primo aprilis. Kein Scherz: M. und K. bringen mich mit einem der drei Hunde im Auto nach Krakau zurück. Sie sind zum Ostermontagkaffee eingeladen. Fahren also so oder so. Ersparen mir trotzdem eine erneute Mutprobe am Fahrscheinautomaten und/oder beim Schwarzfahren.
Ich muss umpacken. Überlasse D. den polnischen Brodski. Werde mir nach der Rückkehr das Original beschaffen. Überlasse ihr auch den polnischen Rilke (mit Widmung meines Meisters). Das Original steht in meinem Bücherregal. Und meinen Desigualmantel. Wir gehen noch einmal ins Lu-Kier und dann früh ins Bett. Kein Scherz!