Dienstag, 20. Juni 2023

Molchzeit

Vor ein paar Tagen fiel mir "Der Krieg mit den Molchen" aus dem Bücherregal vor die Füße. Bei mir bewegen sich die Bücher. Der erste Teil las sich nach all den Jahren erstaunlich flüssig, der zweite zäh, auf den dritten verzichte ich angesichts des Radioprogramms. Kommt morgen als Hörspiel. Eine Wiederholung aus dem Jahr 1963! So gewinnt Weltliteratur die Patina der Antike.

Die Scheuchzeri - also die Pazifischen Riesenmolche Andrias Scheuchzeri Tschudi - sind keine reine literarische Erfindung von Karel Čapek, sondern gehen auf einen Fossilienfund durch den Schweizer Arzt und Naturforscher Johann Jakob Scheuchzer im Jahr 1726 im Steinbruch von Öhningen am Südhang des Schiener Bergs westlich des Untersees, also des kleineren der beiden Seen des Bodensees zurück. Den Fundort kennen wir schon, nicht aber Scheuchzers Schlussfolgerung: er meinte, den "Sündflutmenschen" entdeckt zu haben, das fossile Skelett einer vorzeitlichen "Menschenrasse". Gerade dieser Irrglaube mag den listigen Tschechen inspiriert haben, den zweiten Nachnmensteil Tschudi hingegen legt er einer seiner vielen Quellen in den Mund, die eine seiner Romanfiguren zufällig aus den Zeitungen ausschneidet. Eine übliche Methode der unwissenschaftlichen Materialsammlung durch zweitrangige Figuren. Tschudi stammt aus meinem Glarnerland! Der Autor bekennt, dass die "sogenannte Romanutopie" aus einem Satz entstanden sei, den er im Frühjahr 1935 zufällig bei irgendeiner Gelegenheit auf den Rand eines Notizblocks gekritzelt habe, nämlich: Wir dürfen nicht glauben, dass die Entwicklung, die unser Leben entstehen ließ, die einzige Möglichkeit der Entwicklung auf unserem Planeten war. Und schon war es um mich geschehen, schiebt er nach. Und weiter: "Ich schrieb meine Molche, weil ich an das Volk dachte, und ich wählte zum Gegenstand meiner Allegorie die Salamander gerade darum, weil einmal tatsächlich der Abdruck eines fossilen tertiären Salamanders für den Abdruck eines Vorläufers des Menschengeschlechts gehalten wurde. Die Molche waren mir jedoch nur ein Vorwand dazu, Menschliches zu schildern." (Karel Čapek)

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