Mittwoch, 21. Juni 2023

Wurmberg

Sommersonnenwende. Der subsolare Punkt - der Ort, über dem die Sonne genau senkrecht, also im Zenit, steht, erreicht heute, genauer: jetzt, um 16:57 MESZ seine nördlichste Position am nördlichen Wendekreis. So die wissenschaftliche Umschreibung des Sommerbeginns, des längsten Tages des Jahres auf der Nordhalbkugel. Also bei uns am Wattenmeer.

Vor fast einem Vierteljahrhundert suchten Gängster oder meinetwegen Hobbyarchäologen mit Metalldetektoren am Mittelberg bei Nebra in Sachsen-Anhalt gezielt nach Wertvollem. Sie gruben eine Metallscheibe, Beile und Schwerter aus und verkauften die Teile, maximal gewinnorientiert, an Profihehler. Die Scheibe, eine grün angelaufene Bronzeplatte von ca 30 cm Durchmesser, wenige Millimeter dick, über 2 Kilogramm schwer, errang Weltruhm als Himmelsscheibe von Nebra, nachdem sie auf abenteuerlichem Wege aus den gierigen Händen der Händler in die sorgsamen Hände der Denkmalschützer gelangte. Heute glänzen auf der Bronze hinter Panzerglas in einer Vitrine des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle/Saale die Ornamente wieder gülden: eine dicke Mondsichel und eine dicke Kugel, vielleicht die Sonne (oder der Vollmond - nebst der Sichel?), außerdem 32 Sterne, von denen 7 in einer Rosette zusammensitzen. Die Fachleute deuten Letztere als die Plejaden. 

Was aber die Scheibe mit dem Fundort wirklich verbindet, wofür sie hergestellt und warum dann dort vergraben wurde, bleibt geheimnisumwittert. Gewiss ist nur, dass heute abend wie jedes Jahr zur Sommersonnenwende die Sonne - vom Fundort der Himmelsscheibe von Nebra aus gesehen - hinter dem Wurmberg im Harz untergeht und nicht, wie der Volksmund immer wieder stur behauptet, weil's halt die schöner' Gschicht wär', hinter dem Brocken. Lange wurde darüber spekuliert, ob die fast 4000 Jahre alte Scheibe dazu gedient haben könnte, zum Sommeranfang vom Mittelberg aus den Sonnenuntergang anzupeilen. Blanker Unfung, sagen die Astronomen heute. Denn die Sonne gehe tatsächlich gute 2 Grad links vom Brocken unter. Außerdem sei der Brocken, der höchste Berg im Harz, vom Fundort der Himmelsscheibe 80 Kilometer weit entfernt und auch von dem dort für den blühenden Tourismus neu errichteten, 30 Meter hohen Aussichtsturm am Horizont kaum zu erkennen.

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