Mittwoch, 30. September 2009
Kardamom und Koriander
Die letzte Handvoll Brombeeren koche ich mit Kardamom und Koriander ein. Auf den Ingwer verzichte ich diesmal, gebe aber ein bisschen Zimt dazu. Streue den Gelierzucker darüber, vermische alles sorgfältig und lasse es den ganzen Vormittag stehen. Am Nachmittag reibe ich, damit ich auf eine mathematisch eindeutige Größe komme, zwei eben vom Apfelbaum gefallene saure Äpfel auf der Bircherraffel hinein. Meine diesjährige Marmeladeküche dominierten scharfe Gewürze. Am Schluss müssen wir alles selber aufessen. Und was schenke ich Schwiegermutter zu Weihnachten?
Dienstag, 29. September 2009
"Die Schweiz nähert sich dem Iran an"
Roman Polanski kann auch den diesjährigen Filmpreis Köln nicht entgegennehmen.
siehe: http://www.sueddeutsche.de/kultur/6/489393/text/
siehe: http://www.sueddeutsche.de/kultur/6/489393/text/
Sonntag, 27. September 2009
"Der einzig mögliche Weg"
Roman Polanski wurde ans Zürcher Filmfestival eingeladen. Die Festivaljury wollte ihn heute Abend mit dem "Goldenen Auge" für sein Lebenswerk auszeichnen. Bei seiner Ankunft am Flughafen Zürich wurde Polanski gestern Abend festgenommen. Grund: ein nicht abgeschlossenes Missbrauchsverfahren in den USA aus dem Jahr 1978. Bundesrätin Widmer-Schlumpf, Justizministerin, erklärt: "Die Verhaftung war rechtsstaatlich der einzig mögliche Weg." Und weiter: Polanski sei gestern seit dem internationalen Haftbefehl vom Jahr 2005 zum ersten Mal "angekündigt" in die Schweiz eingereist.
Interessant, dass Polanski bisher in der Schweiz nie verhaftet wurde. Auch unter dem Vorgänger von Widmer-Schlumpf im Justizministerium, Bundesrat Blocher nicht. Dies, obwohl der "weltberühmte Filmemacher" mit französischer und polnischer Staatsbürgerschaft regelmäßig seine Ferien in der Schweiz verbringt. Zum letzten Mal im August diesen Jahres. Im eigenen Ferienhaus. In Gstaad.
Adolf Muschg schrieb vor wenigen Tagen in seinem "Bettagsmandat": "Ein Land, das so wenig Freunde hat, braucht keine Feinde mehr." In der Tat braucht dieses Land keine Feinde mehr. Es hat bereits alle.
Interessant, dass Polanski bisher in der Schweiz nie verhaftet wurde. Auch unter dem Vorgänger von Widmer-Schlumpf im Justizministerium, Bundesrat Blocher nicht. Dies, obwohl der "weltberühmte Filmemacher" mit französischer und polnischer Staatsbürgerschaft regelmäßig seine Ferien in der Schweiz verbringt. Zum letzten Mal im August diesen Jahres. Im eigenen Ferienhaus. In Gstaad.
Adolf Muschg schrieb vor wenigen Tagen in seinem "Bettagsmandat": "Ein Land, das so wenig Freunde hat, braucht keine Feinde mehr." In der Tat braucht dieses Land keine Feinde mehr. Es hat bereits alle.
Donnerstag, 24. September 2009
Zwillingseier
Mein Koch ist verreist und ich verpflege mich zähneknirschend selbst. Bevor ich in den Zug nach Hamburg steige, brate ich mir Kartoffeln aus eigener Ernte und schlage zwei Eier darüber. Strohwitwenküche, denke ich trübsinnig. Draußen fällt leichter Regen. Und drinnen fallen aus einem Ei zwei Eigelb in die Pfanne. Ich bin überrascht und überlege einen Moment, ob ich noch ein zweites Ei brauche oder ob bereits zwei Eier über meinen Kartoffeln liegen. Ich habe einen langen Nachmittag außer Haus vor mir, also schlage ich auch das zweite Ei auf. Wieder fallen zwei Eigelb in die Pfanne. Einen kurzen Augenblick zweifle ich an meinem Verstand. Dann an meiner Sehkraft. An meinem mathematischen Gedächtnis. Und schließlich an meinem Sprachgefühl. Ich hole den Duden in die Küche, verfalle ins Grübeln und verpasse fast meinen Zug ob dieses unalltäglichen Plurals. Habe ich zwei oder vier Eier auf meinem grünen Teller? Verspeise ich zu meinem einsamen Mittagessen nun vier Eigelb, vier Eigelbe oder gar vier Eigelbs?
Mittwoch, 23. September 2009
Schafweide
Kaum stelle ich mir Schafe auf unserem Grundstück vor (siehe gestern), stehen sie auch schon zuhauf vor unserem Haus. Unten auf der Bürgerweide, wo im Mai der Raps mit der Sonne um die Wette glühte, wühlen nun Schafe wollüstig durch das kniehohe Grün, das nach der Ernte bei dem milden Wetter nachgewachsen ist. Dutzende, Hunderte, ich kann sie nicht zählen, unendlich viele runde, sanfte, weiche, pralle Schafrücken ragen aus dem unendlich weiten Feld. Es macht ganz den Anschein, als seien sie im Paradies angekommen.
Dienstag, 22. September 2009
Meine bescheidene Ernte
Ich hole etwa 5 Kilogramm Kartoffeln aus dem Kartoffelbeet. Nehme zwei Hokkaidokürbisse ins Trockene und schon wieder eine Zucchini. Noch gibt es mindestens drei erfolgversprechende Prachtblüten. Und zwei zaghafte Minis. Auch die beiden grünen Kürbisse lasse ich weiterwachsen, in der vielleicht müßigen Hoffnung, dass trotz Lebkuchen und Dominosteinen in den Meldorfer Läden der November noch nicht angebrochen sei. Der erste Herbststurm ist für morgen angekündigt. Ich mähe Rasen und betrachte sorgenvoll den Apfelbaum. Auch seine Früchte brauchen noch Sonne. Nur die Tomaten reifen, Weihnachten hin oder her, hemmungslos weiter.
Ich grabe die Erde um, dort wo nichts mehr drin ist außer Regenwürmern und Pfefferminzwurzeln. Ich finde ein Geldstück. Es liegt ungewohnt leicht in der Hand. Ich kratze die Erde ab. Es ist Eine Mark der Bundesrepublik Deutschland. Geprägt 1957. Damals standen unsere Häuser noch gar nicht, denke ich und blicke in den Himmel. Auch die der Nachbarn nicht. Damals war hier, denke ich und blicke zu Boden, Acker. Oder Weide. Pferdeweide. Kuhweide. Schafweide. Wir beide, W. und ich, wurden in jenem Jahr, im Abstand von einunddreißig Wochen und drei Tagen, geboren. Also lege ich die rostige Münze auf die Küchenfensterbank.
Ich grabe die Erde um, dort wo nichts mehr drin ist außer Regenwürmern und Pfefferminzwurzeln. Ich finde ein Geldstück. Es liegt ungewohnt leicht in der Hand. Ich kratze die Erde ab. Es ist Eine Mark der Bundesrepublik Deutschland. Geprägt 1957. Damals standen unsere Häuser noch gar nicht, denke ich und blicke in den Himmel. Auch die der Nachbarn nicht. Damals war hier, denke ich und blicke zu Boden, Acker. Oder Weide. Pferdeweide. Kuhweide. Schafweide. Wir beide, W. und ich, wurden in jenem Jahr, im Abstand von einunddreißig Wochen und drei Tagen, geboren. Also lege ich die rostige Münze auf die Küchenfensterbank.
Montag, 21. September 2009
Dithmarscher Kohltage
Die Dithmarscher Kohltage seien ein voller Erfolg gewesen, lese ich in der Zeitung. Vom Kohlanschnitt im größten zusammenhängenden Kohlanbaugebiet Europas über die längste Kohltafel der Welt, den Kohlmarkt, die Krautwerkstatt, eine Kunstausstellung, den Kohl-Walk, die Kohlmeile und das Kohlvergnügen bis hin zur 3. Krauthobelweltmeisterschaft - alles eine runde Sache. Die Dithmarscher verteidigten ihren Weltmeistertitel im Krauthobeln erfolgreich gegen fünf andere Teams und errangen mit 17.450 Gramm gehobeltem Spitz-, Rot- und Weißkohl die Goldene Forke. Vize-Weltmeister wurde die Landjugend Marne, den dritten Platz sicherten sich die Westküstenfischer Urthel.
Sonntag, 20. September 2009
Eidgenössischer Dank-, Buss- und Bettag
Zur üblichen Sonntagvormittagsgottesdienstzeit gebe ich hier statt einer Predigt zwei Lektüreempfehlungen ab:
- Das verlorene Paradies von Peer Teuwsen. In der gedruckten Ausgabe der Zeit illustriert mit kopfstehenden Bergen (von links nach rechts: Jungfrau, Mönch und Eiger)http://www.zeit.de/2009/39/Schweiz?page=all
- Selbstachtung 2009 von Adolf Muschg http://www.zeit.de/2009/39/CH-Bettag?page=all
Dienstag, 15. September 2009
Windstärke 6
Wie wohltuend ist der Nordseewind. Das Haus riecht feucht, wenn tagelang keiner da war. Heute fangen die Dithmarscher Kohltage an.
Wer unsere Reise im blog verfolgt hat, kann jetzt noch einmal zurückblättern bis zum 3. September. Und wird - ich verspreche es - sein blaues Wunder erleben.
Ich sperre derweil alle Fenster auf, hänge Wäsche in die Sonne (ja, das Wetter ist besser als am Mittelmeer), gehe einkaufen, räume liegengebliebene Ladungen aus dem Weg, gucke nach den Tomaten und sehe überhaupt überall zum Rechten.
Wer unsere Reise im blog verfolgt hat, kann jetzt noch einmal zurückblättern bis zum 3. September. Und wird - ich verspreche es - sein blaues Wunder erleben.
Ich sperre derweil alle Fenster auf, hänge Wäsche in die Sonne (ja, das Wetter ist besser als am Mittelmeer), gehe einkaufen, räume liegengebliebene Ladungen aus dem Weg, gucke nach den Tomaten und sehe überhaupt überall zum Rechten.
Montag, 14. September 2009
Meldorf
In der Nacht zerrte der vento di Venezia an den Bäumen und Sonnenschirmen auf der Isola di Certosa. Wir verlassen Venedig im Regen durch die Luft und mit einem neuen Koffer. Meine einzige Sorge galt den Fahrradtaschen mit ihren genialen Verschlüssen und meinem Imbusschlüsselset. Das alles ist nicht gemacht für eine Flughafenabfertigung. Wir starten geradewegs in ein Gewitter hinein. Unser Flugzeug - in diesem Fall ein Farraday'scher Käfig - wird von einem Blitz getroffen. Wir landen pünktlich und unversehrt in Hamburg. Am Bahnhof Altona treffen wir die ersten Fernradwanderer dieser Reise. Zwei Schweizerinnen, die von Prag nach Hamburg geradelt sind und auf den Nachtzug nach Zürich warten. Uns bringt die NOB über den Nordostseekanal nach Hause. Am Bahnhof Meldorf treffen wir die zweiten Fernradwanderer dieser Reise. Sie warten auf den Gegenzug nach Hamburg.
Sonntag, 13. September 2009
Fare Mondi 5
Fare Mondi 4
Fare Mondi 3
Wir sitzen vor der Kirche in San Stae und sind enttäuscht und entsetzt. Fabrice Gygi hat in diese schöne alte Kirche schnöde Metallkellerregale hineingestellt. Monströse, langweilige, mit Vorhängeschlössern abgeschlossene, leere Regale. Der Künstler will uns damit sagen, so steht es in der Pressemappe, die wir uns am Eingang gleich unter den Arm geklemmt haben, "dass ein Kirchenraum dafür bestimmt ist, geistige wie auch materielle Werte zu bergen, in normalen wie in krisengeschüttelten Zeiten." Die Kirche als Bank. Was wohl die Bayern dazu sagen. Oder der Ozeangleiche Lehrer. Oder der Erwachte. Der Erleuchtete. Der Prophet. Der eine. Und der andere. Oder die Forstverwaltung, unser - der Bären und Pinguine - geistliches Oberhaupt. Der Tempel als Bank. Nicht als Holzbank im Wald, am Straßenrand oder auf einer Eisscholle. Zum Hinsetzen. Für uns gottesfürchtige Wanderer. Sondern als Geldinstitut. Wenn zum Beispiel die Tresore der UBS ausgedient haben.
Samstag, 12. September 2009
Chengdu, I love you
Wir stehen an der Esso-Tankstelle am Lido und warten auf das Schiff, das uns nach Certosa bringt. Wir sind sprachlos. Einen so schlechten Film haben wir beide in unserem ganzen Leben noch nie gesehen. Rotto. Chengdu nach dem Erdbeben vom letzten Jahr. Chengdu im Jahr 2029. Und Chengdu im Jahr 1976. Ein Science Fiction Film, der von insgesamt 80 Minuten (mein Reiseleiter tröstete mich im voraus, es sei ein "kurzer" Film) mindestens 30 Minuten lang Kulturrevolution vom Schönsten präsentiert. Der sein spätes Ende - wie lange können 80 Minuten sein! - endlich mit Maos Tod findet. Pünktlich um 16 Uhr. Man stelle sich einmal vor, ein Osteuropäer, egal welcher couleur, würde heute einen SF-Film drehen, der mit Stalins Tod endet. Wir sind sprachlos. Fassungslos. Stehen an einer Tankstelle in Venedig und warten auf die Vigilanza (die Wachsamkeit), das Certosa-Hausboot. Ich dachte immer, die Polen seien Weltmeister in Romantik und Kitsch, wenn es um die Bewahrung, Tradierung des Nationalstolzes geht. Aber Chinesen können alles besser (making perfect world). Sogar ein Punkrocker.
Das einzige, was der Film uns Europäern sagt: wie man richtig Tee aufgießt. Und wie man richtig matto ist.
Das einzige, was der Film uns Europäern sagt: wie man richtig Tee aufgießt. Und wie man richtig matto ist.
Mostra Internazionale d'Arte Cinematografica
Also gucken wir uns nach der Verleihung des goldenen und silbernen Löwen, nachdem alle wichtigen Leute den roten Teppich abgeschritten haben, in der Sala Grande am Lido jetzt einen Film an, der außerhalb des Wettbewerbs gezeigt wird. Den ersten Science Fiction Film aus der VR China. Mal sehen.
Der Regisseur Cui Jian war früher Punkrockstar. Und hier steht er in seiner für ihn typischen Körperhaltung neben meinem persönlichen Reiseleiter und lächelt mich freundlich an.
Fare Mondi 2
Arsenale. Gegen Ende oder ganz am Anfang, wir haben hinten angefangen, weil wir von unserer Insel der Seligen schneller (schwimmend!) zur Stazione San Pietro gelangen, kommt uns wieder Michelangelo Pistoletto mit dem pseudonimo perfetto und seinen Spiegeln entgegen. Wir sehen nur das Resultat. Zerbrochene Spiegel. Twenty-Two less Two. 22 Spiegel. Davon schlug er selbst am 8. Juni 2009 zwanzig kaputt. Rotto. Wie das geht, kann hier verfolgt werden:
http://www.youtube.com/watch?v=Y2JwlFNUlg8
Arsenale, Outside. Opposite the main entrance. Campo della Tana, Castello. Hong Kong. Making (perfect) World. Von Pak Sheung Chuen. Natürlich. Ein Chinese (born 1977 in Fujian, immigrated to Hong Kong 1984) kann das besser.
Freitag, 11. September 2009
Fare Mondi
Die erschaffenen oder geschaffenen, gezeigten, vorgeführten Welten im Giardini erweisen sich fast allesamt als ... rotto. Unser Motto aus Bassano del Grappa. Rotto.
Zerbrochene Beziehungen ("you will never see me again"). Zerbrochene Häuser. Zerbrochene Bleistifte. Zerbrochene Karrieren (der tote Schriftsteller im swimming pool vor dem Pavillon der Nordischen Länder). Zerbrochene Spiegel (siehe morgen). Zerbrochene Illusionen (der französische Pavillon). Zerbrochene Geschichten. Zerbrochene Geschichte. Zerbrochenes Leben.
Zerschnittene Weltkarten. Aufgehobenes Gewissen. Feigheit. Bequemlichkeit. Gedankenlosigkeit. Bis hin zur Anweisung eines Belgiers, wie Obdachlose sich von Kräutern an Straßenecken in den Metropolen dieser Erde - nicht ernähren, sondern heilen, zB ihre Zahnschmerzen lindern könnten. Rotto. Matto. Risotto.
Zerbrochene Beziehungen ("you will never see me again"). Zerbrochene Häuser. Zerbrochene Bleistifte. Zerbrochene Karrieren (der tote Schriftsteller im swimming pool vor dem Pavillon der Nordischen Länder). Zerbrochene Spiegel (siehe morgen). Zerbrochene Illusionen (der französische Pavillon). Zerbrochene Geschichten. Zerbrochene Geschichte. Zerbrochenes Leben.
Zerschnittene Weltkarten. Aufgehobenes Gewissen. Feigheit. Bequemlichkeit. Gedankenlosigkeit. Bis hin zur Anweisung eines Belgiers, wie Obdachlose sich von Kräutern an Straßenecken in den Metropolen dieser Erde - nicht ernähren, sondern heilen, zB ihre Zahnschmerzen lindern könnten. Rotto. Matto. Risotto.
La Biennale di Venezia
Es ist kaum zu glauben, dass es in Venedig einen so ruhigen Ort wie das Hotel Certosa gibt. Deshalb haben wir die Strapazen durch die Dolomiten auf uns genommen, um hier anzukommen und auszuschlafen. Um heute wieder in die 41 einzusteigen, übers Wasser zu fahren und an der Station Giardini auszusteigen. Um die 53. Esposizione Internationale d'Arte zu sehen. Sie steht unter dem Motto Making Worlds. Fare Mondi. Mal sehen.
Als erstes ist uns gestern bei der Ankunft auf der Insel schon die città ideale entgegengekommen. Eine durchlässige chinesische Mauer aus Glassteinen, the open wall von Shan Shan Sheng. Die Lippen von Claire Becker, the air we breathe. Und anderes. Den schwarzen Elefanten, der nie zum Zirkus kommt. Für mich sieht er so aus - auch wenn die Künstler etwas ganz anderes gemeint haben mögen, siehe hier http://berengocollection.wordpress.com/berengo-collection-la-citta-ideale-collateral-event-53rd-venice-biennale/. Und Animeated Scene von John Gerrard - eine realtime-Installation, mit der der Zuschauer auf keinen grünen Zweig kommt.
Als erstes ist uns gestern bei der Ankunft auf der Insel schon die città ideale entgegengekommen. Eine durchlässige chinesische Mauer aus Glassteinen, the open wall von Shan Shan Sheng. Die Lippen von Claire Becker, the air we breathe. Und anderes. Den schwarzen Elefanten, der nie zum Zirkus kommt. Für mich sieht er so aus - auch wenn die Künstler etwas ganz anderes gemeint haben mögen, siehe hier http://berengocollection.wordpress.com/berengo-collection-la-citta-ideale-collateral-event-53rd-venice-biennale/. Und Animeated Scene von John Gerrard - eine realtime-Installation, mit der der Zuschauer auf keinen grünen Zweig kommt.
Donnerstag, 10. September 2009
Contenti
In der größten Nachmittagshitze packen wir die Fahrradtaschen auf unsere Menschenrücken, laufen vom Hotel Roma zum Bahnhof in Mestre, kaufen zwei Fahrscheine zu je einem Euro und fahren mit dem Zug über die Lagune, über den Ponte della Libertà nach Venezia Santa Lucia. An der Station Ferrovia warten wir geblendet vom Septemberlicht auf die Linie 42. An der Isola della Certosa hält das Schiff nur für uns.
Malcontenta
Nostra via 4: San Crispino
Dann brechen wir auf. San Crispino auf der gegenüberliegenden Straßenseite gibt uns das Geleit. Unser letzter Tag auf den Fahrrädern. Und nochmals mehrere Höhepunkte der Reise. Die Brentavillen am Brentakanal mit ihrem Trauerweidenzauber.
Mittwoch, 9. September 2009
Nostra via 3: Stra
Es ist heiß und windig. Der anstrengendste Tag auf dem Fahrrad. Ich verfluche den Helm, der mir nur die Luft abschneidet. Den Augen keinen Schatten gönnt. Als es regnete, wurde mein Haar tropfnass darunter. Padua ist rumpelig, eng. Mein perfekter Kartenleser fährt am liebsten durch Einbahnstrassen. Natürlich in verkehrter Richtung. Toast am Dom. Und ein Schluck Wasser. Wolken ziehen auf. Wir suchen im Berufsverkehr den Ausweg aus dieser Stadt. Den Brentakanal. Canale Brentella. Dann auf Kies bis Stra. Mit der Abendsonne im Rücken. Auch das Gewitter hat keine Lust mehr. Mit dem Wind mitten im Gesicht. Stra - auch eine Stadt mit nur einem Hotel. Alighieri. Daneben die beste Pizzeria unserer Reise: L'imperfetta. Mein Reiseleiter isst Decamerone (von allem etwas), ich I promessi sposi (Gorgonzola, Mozzarella, Walnüsse).
Dienstag, 8. September 2009
Nostra via 2: Vicenza
Wir verlassen Bassano del Grappa über die Ponte Vecchia. Wir verlassen die Berge nach Westen. Dienstagsmarkt in Marostica - hier steht die letzte Festung in den Bergen vor der Ebene. Wir verzichten darauf, den Panoramaweg hochzusteigen. Wir haben beide bereits seit zwei Tagen genug von den Bergen. Wir sind beide überzeugt, dass die Berge nur dazu da sind, dass wir uns von ihnen entfernen. Wir fahren ein Stück auf der Hauptstrasse, bewundern den Kirchturm in Sandrigo, vergnügen uns ab Polegge auf dem Radweg bis Vicenza. Kurze Pause mit Kiwi, Apfel und Keksen. Mehr besitzen wir nicht mehr.
Wir kommen viel zu früh in Vicenza an. Das Relais Santa Corona ("un piccolo ed esclusivo hotel nel cuore di Vicenza") ist bis 14:30 Uhr geschlossen. Also machen wir uns ungeduscht auf zum sightseeing. Der Reiseleiter ist aufgeregt wie noch nie, wir nähern uns einem der Höhepunkte unserer Reise: dem teatro olimpico von Palladio! Danach absolvieren wir noch das weit weniger beeindruckende museo civico.
Erst spät am Abend merken wir, dass heute ein Feiertag ist und deshalb die siesta den ganzen Nachmittag und Abend, ja wahrscheinlich schon seit dem frühen Morgen andauert. Die Vicenzer gedenken der Madonna di Monte Berico, welche die Stadt im Mittelalter vor der Pest bewahrt haben soll.
Montag, 7. September 2009
Lunga via delle Dolomiti: Bassano del Grappa
Beim Abendessen (Tintenfisch mit Polenta - auch hier gestaltete sich die Suche nach einem geöffneten Restaurant schwierig) nehme ich meinem Reiseleiter das Versprechen ab, dass wir nur so lange Fahrrad fahren, wie wir unseren eigenen Krempel mitsamt gebügelten Hemden und Ausgehschuhen mit uns tragen mögen. Nur so lange, wie wir selbst in eine Stadt wie Bassano del Grappa hinein und wieder hinaus finden. Dass wir uns nie einer Gruppe anschließen und von einem spot zum anderen transportieren lassen wollen, im klimatisierten Bus mit Fahrradanhänger, nur um dann zwei, drei Kilometer in einer gefahrlosen Landschaft allein gelassen zu werden.
Nach dem Abendessen findet mein Reiseleiter das Motto unserer Reise. Das Handwaschbecken in der Herrentoilette des Restaurants funktioniert nicht. Am Spiegel hängt ein handschriftlicher Zettel: "rotto". Mein Kartenleser kommt an den Tisch zurück mit der Einsicht, dass dieses eine italienische Wort wie kein anderes auf der Welt etwas absolut Absolutes und unumkehrbar Unumkehrbares ausdrückt.
Sonntag, 6. September 2009
Nostra via: Feltre
Ich schlafe ein, verwirrt von einer italienischen Stadt im Dolomitenvorland, in der alles in feurigen neapolitanischen Händen liegt.
Samstag, 5. September 2009
Ciclabile delle Dolomiti 2: Belluno
Freccia nel Cielo
Freitag, 4. September 2009
Ciclabile delle Dolomiti: Cortina d'Ampezzo
Es geling uns nicht, dem Regen zu entkommen, obwohl wir früh aufbrechen. In Villabassa holen wir die Leihräder und sind bis auf die Haut nass, bevor wir die Leihhelme auf den Kopf gesetzt haben. Der Inhalt meiner Satteltaschen ist nass, bevor ich W's wasserdichte Taschen mit dem Imbusschlüssel 3 festgeschraubt habe. Das gestärkte Hemd für Venedig, die Bundfaltenhose, das Seidenkleid, das unzerknitterte Leinenjackett, die Ausgehschuhe ... was wir eben so brauchen am Ende unserer Reise. Wir trinken in der ersten Cafeteria auf unserem Weg einen wunderbar italienischen Cappuccino und warten auf das meteorologische Wunder. Vergeblich. Auch nach einer Stunde ist es noch nicht eingetroffen. Also radeln wir im Regen los. Zurück nach Dobbiaco, die erste Steigung ist ein Schock, dann auf der Trasse der ehemaligen Dolomiten-Eisenbahn nach Süden. Schotter hin oder her. Steinbruch (das Fahrrad schieben oder tragen) hin oder her. Wir fahren am Lago di Dobbiaco vorbei, durch die Dolomiti di Sesto, ahnen in der Ferne, in der Höhe, in den schwarzen Wolken die Tre Cime Lavaredo und passieren den Lago di Landro (Dürrensee) gerade als ein Sonnenstrahl den Nebel zerreisst. Den Monte Cristallo umfahren wir in westlicher Richtung, 300 Höhenmeter müssen wir trotzdem gewinnen, der Himmel hat sich wieder verdüstert, um über den Passo Cimabanche, zu deutsch das Gemärk, zu kommen. Oben klart es auf. Ein ladinisch sprechendes Bikerpärchen muntert uns auf "you are on the top, almost". Wir entledigen uns der Regenkluft, machen keine Pause wie alle anderen (unzählige Radlergruppen tummeln sich hier), sondern fahren auf dem schönsten Radweg der Welt, einsam zu zweit durch eine breite Schlucht, durch mehrere von Eisenbahnschienen befreite Eisenbahntunnels (W. juchzt vor Begeisterung, so kenne ich ihn gar nicht) und gelangen zufrieden mit uns und der ganzen Dolomitenwelt nach Cortina d'Ampezzo. Wo wir bleiben. Uns im Hotel Corona sofort ausziehen. Alle nassen Sachen zum Trocknen aufhängen. Auch die Taschen und Helme. Kaum sitzt W. in der Badewanne, bricht draußen ein heftiges Unwetter los.
Wir machen diese Reise durch diesen Regen nur, damit ich in Cortina d'Ampezzo an der Piazza Roma den Turm der Pfarrkirche besteigen kann und die Hänge sehe, an denen Toni Sailer am 3. Februar 1956 alle Goldmedaillen in den Skiherrenwettbewerben gewann. Aber es regnet und ich bin zum ersten Mal müde. Also verzichte ich darauf, die ungezählten Stufen im Kirchturm hochzusteigen, nur um oben das zu bewundern, was ich auch von unten sehe: einen Regenvorhang.
Donnerstag, 3. September 2009
Toblach / Dobbiaco
Mit den gepackten Fahrradtaschen in den Händen und einem Rucksack auf dem Rücken verlassen wir Meldorf in der Früh Richtung Südsüdost. Das Wetter interessiert uns heute noch nicht. Wir sitzen vierzehn Stunden lang im Trockenen, lassen die Beine baumeln oder legen die Füße hoch und studieren Karten und Höhenangaben. Es ist bereits wieder dunkel, als wir in Toblach bzw. Dobbiaco aus dem Zug aussteigen und unser Nachtquartier suchen.
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