Zum Frühstück gibt es bei den neapolitanischen Schwestern hausgemachte Feigenmarmelade. Wir brechen um 9:30 Uhr im La Casona auf, kaufen beim nächsten Tabacco 3 Liter Wasser und folgen den Wegweisern der lunga via delle Dolomiti. Wieder haben wir einen Pass vor uns. Wieder treffen wir keinen einzigen Fernradfahrer. Sondern nur Rentnergruppen, die ihr Gepäck - und je nach Steigung auch sich selbst mitsamt Fahrrädern - in Bussen transportieren lassen. In Travagola (Chiesa Madonna di Caravaggio) kommen uns nochmals Wandmalereien entgegen. Schöne Fahrt am Monte Aurin vorbei nach Arten und Fonzaso. Hinter Agana machen wir Pause und Notizen. Danach verlassen wir den lunga via ... wieder, fahren am Lago di Corlo vorbei und nehmen einen sehr ordentlichen Anstieg in Kauf. Die Fahrräder eine halbe Stunde in der Mittagshitze schieben. Eine gestylte Bikerin überholt uns federnd bergaufwärts. Auf den Serpentinen ins Cismontal hinunter kommt sie uns wieder entgegen. Was für ein Montagsvergnügen! Schwieriger Übergang zurück auf die lunga via ... - den Radweg der Brenta entlang. Wir müssen zweimal ein kurzes Stück auf der Autobahn fahren. Danach kommt zum ersten Mal Wind auf. Gegenwind. Die Brenta (bei mir ist sie weiblich) hat eine tiefe Schneise zwischen die Felsen geschlagen, wunderbare Kraft des Wassers, wunderbarer Radweg, wunderbare Steine. Gepäcklose Rentner. Pause in Valstagna in der Gelateria da Gino, gemischtes Eis und Espresso an der Wildwasserstrecke. Die letzten zehn Kilometer fahren wir auf der Straße. Die Beine werden schwer. Die Kehle trocken. Meine Augen tränen. Über die Ponte Nuovo fahren wir in Bassano del Grappa ein. Der Name der Stadt leitet sich nicht von einem bekannten alkoholhaltigen Getränk ab, sondern vom Monte Grappa, dem 1742 Meter hohen Hausberg. Wahrzeichen der Stadt ist die holzüberdeckte Brücke Ponte degli Alpini. Wer auf ihr steht, ist angehalten, das in ganz Italien bekannte Alpenjägerlied anzustimmen: "Sul ponte di Bassano, noi ci darem la mano, noi ci darem la mano, ed un bacin d'amor!"
Beim Abendessen (Tintenfisch mit Polenta - auch hier gestaltete sich die Suche nach einem geöffneten Restaurant schwierig) nehme ich meinem Reiseleiter das Versprechen ab, dass wir nur so lange Fahrrad fahren, wie wir unseren eigenen Krempel mitsamt gebügelten Hemden und Ausgehschuhen mit uns tragen mögen. Nur so lange, wie wir selbst in eine Stadt wie Bassano del Grappa hinein und wieder hinaus finden. Dass wir uns nie einer Gruppe anschließen und von einem spot zum anderen transportieren lassen wollen, im klimatisierten Bus mit Fahrradanhänger, nur um dann zwei, drei Kilometer in einer gefahrlosen Landschaft allein gelassen zu werden.
Nach dem Abendessen findet mein Reiseleiter das Motto unserer Reise. Das Handwaschbecken in der Herrentoilette des Restaurants funktioniert nicht. Am Spiegel hängt ein handschriftlicher Zettel: "rotto". Mein Kartenleser kommt an den Tisch zurück mit der Einsicht, dass dieses eine italienische Wort wie kein anderes auf der Welt etwas absolut Absolutes und unumkehrbar Unumkehrbares ausdrückt.
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