Wir erwachen im Hotel Rosengarten auf 1240 Metern über Meer. Am östlichen Ausgang des Hochpustertals. Unterhalb einer wichtigen Wasserscheide. Die Rienz fließt nach Westen, in die Adria. Die Drau fließt nach Osten, erreicht in Osijek die Donau und begleitet sie als viertgrößter Nebenfluss ins Schwarze Meer.
Es geling uns nicht, dem Regen zu entkommen, obwohl wir früh aufbrechen. In Villabassa holen wir die Leihräder und sind bis auf die Haut nass, bevor wir die Leihhelme auf den Kopf gesetzt haben. Der Inhalt meiner Satteltaschen ist nass, bevor ich W's wasserdichte Taschen mit dem Imbusschlüssel 3 festgeschraubt habe. Das gestärkte Hemd für Venedig, die Bundfaltenhose, das Seidenkleid, das unzerknitterte Leinenjackett, die Ausgehschuhe ... was wir eben so brauchen am Ende unserer Reise. Wir trinken in der ersten Cafeteria auf unserem Weg einen wunderbar italienischen Cappuccino und warten auf das meteorologische Wunder. Vergeblich. Auch nach einer Stunde ist es noch nicht eingetroffen. Also radeln wir im Regen los. Zurück nach Dobbiaco, die erste Steigung ist ein Schock, dann auf der Trasse der ehemaligen Dolomiten-Eisenbahn nach Süden. Schotter hin oder her. Steinbruch (das Fahrrad schieben oder tragen) hin oder her. Wir fahren am Lago di Dobbiaco vorbei, durch die Dolomiti di Sesto, ahnen in der Ferne, in der Höhe, in den schwarzen Wolken die Tre Cime Lavaredo und passieren den Lago di Landro (Dürrensee) gerade als ein Sonnenstrahl den Nebel zerreisst. Den Monte Cristallo umfahren wir in westlicher Richtung, 300 Höhenmeter müssen wir trotzdem gewinnen, der Himmel hat sich wieder verdüstert, um über den Passo Cimabanche, zu deutsch das Gemärk, zu kommen. Oben klart es auf. Ein ladinisch sprechendes Bikerpärchen muntert uns auf "you are on the top, almost". Wir entledigen uns der Regenkluft, machen keine Pause wie alle anderen (unzählige Radlergruppen tummeln sich hier), sondern fahren auf dem schönsten Radweg der Welt, einsam zu zweit durch eine breite Schlucht, durch mehrere von Eisenbahnschienen befreite Eisenbahntunnels (W. juchzt vor Begeisterung, so kenne ich ihn gar nicht) und gelangen zufrieden mit uns und der ganzen Dolomitenwelt nach Cortina d'Ampezzo. Wo wir bleiben. Uns im Hotel Corona sofort ausziehen. Alle nassen Sachen zum Trocknen aufhängen. Auch die Taschen und Helme. Kaum sitzt W. in der Badewanne, bricht draußen ein heftiges Unwetter los.
Wir machen diese Reise durch diesen Regen nur, damit ich in Cortina d'Ampezzo an der Piazza Roma den Turm der Pfarrkirche besteigen kann und die Hänge sehe, an denen Toni Sailer am 3. Februar 1956 alle Goldmedaillen in den Skiherrenwettbewerben gewann. Aber es regnet und ich bin zum ersten Mal müde. Also verzichte ich darauf, die ungezählten Stufen im Kirchturm hochzusteigen, nur um oben das zu bewundern, was ich auch von unten sehe: einen Regenvorhang.
Sie haben tolle Orte besucht. Ich wünsche Ihnen mehr Glück planen den nächsten Urlaub!
AntwortenLöschen