Ich kann nichts tun. Nicht denken. Nicht arbeiten. Herr Caruso liegt nach seinem täglichen Toilettengang wieder eine Stunde in einem Winterbeet, diesmal auf der Südseite des Hauses. Es regnet nicht. Also bewaffne ich mich mit Gartenhandschuhen, Gartenschuhen, Gartenschere. Steige auf die Leiter. Schneide das Efeu zurück, das an der Pergola nur ein Ziel verfolgt: das Jelängerjelieber (Echtes Geissblatt) zu überwuchern und irgendwann im Wettwachsen (Wettkampf?) doch zu triumphieren. Würde ich nicht in regelmäßigen Abständen mit meinem scharfen Werkzeug eingreifen, wäre von dem Jelängerjelieber schon lange nichts mehr übrig. So aber!
Der Kater legt sich irgendwann etwas näher an mich heran. Er will nicht allein sein. Ruht sich aus im Windschatten des neuen Holmsbu, im noch kahlen Brombeerbeet, hinter der winterharten Stachelbeere. Ich steige derweil von der Leiter, sammle den Efeuschnitt ein und begradige noch den Pippilangstrumpfzaun. Der war mir schon lange ein Dorn im Auge! Und so wird meine grüne Tonne fast voll. Herr Caruso kommt mit mir durch die Hintertür ins Haus hinein, schärft vorher noch in alter Gewohnheit an seinem Lieblingsholz seine unversehrten Krallen, und legt sich dann an der erstbesten Stelle, vor der Sauna, auf den Boden. Und rührt sich nicht mehr vom Fleck. Atmet schwer. Will nicht auf eine der Decken, die ich um ihn herum ausbreite. Will nicht fressen. Schlabbert aber ein bisschen Wasser.
Ich setze mich allein auf das rote Sofa und schlage ein Buch auf. Was soll ich sonst tun? Die Notfallnummer wählen? Jetzt beim Eindunklen? Francis Ponge. Le parti pris des choses - Im Namen der Dinge. Zweisprachig. Die ersten zwei Seiten handeln vom Regen. Links französisch, rechts deutsch. "Mit sehr unterschiedlichem Gang kommt der Regen herab, in den Hof, wo ich ihn fallen sehe. Mittendrin ist er ein feiner, diskontinuierlicher Vorhang (oder Netz), ein unversöhnlicher, doch relativ langsamer Fall vermutlich ziemlich leichter Tropfen, ein immerwährendes Herabstürzen ohne Nachdruck, ein sehr feines Zerbröckeln des reinen Meteors." Soweit der erste und der zweite Satz ins Deutsche übersetzt von Gerd Henninger. Ponge aber im Original: "La pluie, dans la cour où je la regarde tomber, descend à des allures très diverses. Au centre c'est un fin rideau (ou réseau) discontinu, une chute implacable mais relativement lente de gouttes probablement assez légères, une précipitation sempiternelle sans vigueur, une fraction intense du météor pur." Hervorhebung von mir. Deutsch ist eine Holzbocksprache!
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