Samstag, 30. April 2022

black moon

Neumond. Also siehen wir nichts. Nur dunkle Nacht! Immer! Trotzdem wird nur der zweite Neumond in einem Kalendermonat so genannt, wie er aussieht in tiefster Nacht: schwarz. Schwarzer Mond, black moon.

Außerdem - in gewissem Sinne auch schwarz, passend zu den finsteren Zeiten - findet auf einer anderen Seite der Erdkugel gerade eine partielle Sonnenfinsternis statt, während bei uns die Zeit zum Schlafengehn gekommen ist.

https://www.timeanddate.de/finsternis/sonne/2022-april-30

Freitag, 29. April 2022

Die Mitfahrgelegenheit

Wenn es stimmt, was berichtet wird - das muss ja heute immer dazugesagt werden, obwohl es früher nicht anders war - , dann hat Herr Putin den Angriffskrieg auf die Unkraine tatsächlich bereits in den ersten Morgenstunden des 24. Februars verloren. Als es weder seinen angeheuerten Schergen noch seinen Geheimdienststrategen, offenbar alles Stümper gelang, als erstes den Komiker aus Kiew zu fassen und, wenn nicht gleich zu eliminieren, wie es in der Sprache des Krieges heißt, so doch wenigstens mundtot zu machen. Seither tobt der Krieg der Ansprache. Untermalt von einem fürchterlichen mittelalterlichen Gemetzel. Herr Selenskyj soll auf die Angebote westlicher Geheimdienste, ihn ausser Landes in Sicherheit zu bringen, an jenem Morgen geantwortet haben, er brauche kein Taxi nach Timbuktu, sondern Waffen.

Donnerstag, 28. April 2022

Doppelsöldner

Ich habe noch mehr Kriegsvokabular auf Lager. Die Gassenhauer sind überhaupt nicht das, was wir heute meinen. Die Gassenhauer hauten Gassen in die feindlichen Pikenierswälle. Und die Pikeniere waren, wie wir seit gestern wissen, die Dussel in der ersten Reihe. Es spielte sich alles auf dem blutigen Boden der Wirklichkeit ab. Also unter unberittenen Fußtruppen. Die Doppelsöldner waren Schwertspieler, ihre Waffe war die Flamberge, ein Flammenschwert mit einer gewellten scharfen Klinge. Die Doppelsöldner teilten gegen alle Seiten aus, sie hauten die Gasse durch die Pikeniere und köpften die besser bewaffneten feindlichen Soldaten, die durch die offenen Reihen vordringen wollten. Die Doppelsöldner waren meist Bündner. Sie galten als bestens bezahlte Profis, hatten aber, wie es lapidar heißt, meist kein langes Leben. Ihre Hinterlassenschaften, an die Körpergröße angepasste Einzelanfertigungen der Flammenschwerter, können heute noch in Chur im Rätischen Museum, im Polizeimuseum, mit etwas Glück auch im Torculum und im Domschatzmuseum bestaunt werden.

Mittwoch, 27. April 2022

Pikeniere

Pikeniere, Gassenhauer, Doppelsöldner, Schwertspieler ... alles neue alte Wörter. Die Redensart "etwas von der Pike auf lernen" kommt auch aus dem Kriegsalphabet. Es wäre interessant zu wissen, wie sich die Sprache entwickelt hätte, wenn immer schon das Wort "Krieg" und möglichst auch das damit einergehende Gemetzel verboten gewesen wäre. 

Die Pikeniere sind sozusagen die Kindergartenkinder in der Kriegsschule. Zu unerfahren, um eine Schusswaffe zu bedienen und zu arm, um auf dem eigenen Pferd in die Armee einzureiten. Früher bekamen sie eine Pike in die Hand und mussten das Kriegshandwerk von der Pike auf erlernen. Falls sie das erste Gefecht in der erste Reihe, in die sie gestellt wurden, überhaupt überlebten. 

Sterben sollen die zuerst, in die am wenigsten investiert wurde. Das ist heute nicht anders. Angeblich sterben in der Ukraine als erstes die russischen Soldaten, deren Mütter nicht gleich auf die Barikaden steigen. Weil sie irgendwo zerstreut in der Provinz leben und es dauert, bis sie merken, dass sie Söhne nicht mehr heimkehren.

Dienstag, 26. April 2022

Spießbürger

Spießbürger sind - oder waren - mit Piken bewaffnete Stadtwächter. Als es noch rasselnde Tore und klare Regeln gab, wer nachts innerhalb der Stadtmauern bleiben darf und wer nicht. Die Pike ist eine Stichwaffe (von französisch piquer = stechen), kein Speer und keine Lanze.

Ich bin also gestern nach der Mozartprobe in Marne mit dem frisch geschmierten Fahrrad nach Hause gefahren. Weil ich auch hin mit dem Fahrrad gefahren bin und das Fahrrad nicht alleine in Marne stehen bleiben wollte. Ein langer Weg, auch wenn der angestrahlte Dom von weitem zu sehen war. Je dunkler die Nacht, desto besser das elektrische Licht. Noch gibt es Strom zu vergeuden. Niemand hat uns gehindert, die Stadtgrenze zu überfahren. Es gibt keine Spießer mehr. Mein Hintern tut weh vom neuen Sattel!

Montag, 25. April 2022

Widerwort

Der wiedergewählte französische Präsident hat kürzlich vor einer Eskalation der Worte gewarnt. Juristen, nicht Politiker sollten darüber entscheiden, ob das, was in der Ukraine gerade passiert ist, Völkermord sei oder einfach nur Mord (an, um nur ein paar Beispiele zu nennen, Fahrradfahrern, Straßenüberquerern, oder auf den Zug Wartende). In meiner freien kreativen Formulierung. Ich muss Widerworte geben, wo es nur geht. Der ukrainische Präsident ist Jurist. Nicht nur Komiker. Und vor den Worten waren die Taten da.

Sonntag, 24. April 2022

Ostern II

Klare kalte Nächte. Klare kalte Morgen. Ein Massaker nach dem anderen. Es pfeift gnadenlos um die Hausecken. Ich trete nicht vor die Tür.

Samstag, 23. April 2022

Tomaten

Kurzer Ausflug ans südliche Ende der Stadt. Dann versuche ich, einen Teil meiner Tomatenpflanzen einzeln in Töpfchen zu setzen. Ich glaube wieder einmal nicht, was aus einer Handvoll Samen werden kann. Mir fehlen Pflanztöpfe, mir fehlt Anzuchterde, also steige ich noch einmal auf mein versilbertes Rad (frisch aus der Inspektion, neuer Sattel, neuer Reifen, neue Kette, neu geschmiert, neuer Kilometerzähler, neue Luft in den Lungen) ...

Freitag, 22. April 2022

Ehrenpforte

Der Wind ist immer noch bissig. Die Ehrenpforte ist das, was gemeinhin als Lettner bezeichnet wird und den Kirchenraum trennt in einen Bereich für Laien und einen für Diener Gottes. Im Dom ist es noch kälter als draußen vor der Tür. Wer wissen will, wieviele Engel in der Meldorfer Ehrenpforte sitzen, kommt um 17 Uhr zur Dombegegnung mit Buchvorstellung:

https://www.kirche-meldorf.de/archiv/dombegegnung-april2022

Donnerstag, 21. April 2022

Gartenarbeit

Wir kommen nicht drum herum. Alle Jahre wieder ist vor dem zögerlichen Frühjahr das Moos im Rasen da. Vertikutieren. Herr Caruso ist begeistert und schnuppert den halben Garten ab. Wälzt sich in der frischen Erde. Und ich liege flach.

Mittwoch, 20. April 2022

Angemessene Schritte

Aktive Schritte. Active measures. активные мероприятия - bitteschön: das ist die Sprache des KGB, dessen berühmtester pupil seit über 20 Jahren im Zentrum der Macht sitzt und die Welt an der Nase herumführt. 

https://www.youtube.com/watch?v=tR_6dibpDfo 

Dienstag, 19. April 2022

Die Schule des Lebens

Im der orthodoxen Welt hat gestern die Karwoche begonnen, jedenfalls dort, wo nach dem alten Kalender gebetet wird. Im Westen drücken derweil die Kinder nach den Osterferien bereits wieder die harte Schulbank, jedenfalls bei uns am Wattenmeer. Wenn also der Kreml bis zum höchsten kirchlichen Festtag - der Auferstehungsfeier - seine toten Soldaten und Matrosen bestattet haben will, muss er sich nun ranhalten. Kürzlich kam mir im Netz Schirinowski entgegen (wer erinnert sich noch an ihn? Владимир Вольфович Жириновский). Nicht wirklich natürlich, denn er soll nach langer Krankheit oder an Covid-19 gestorben sein. Da sind sich die Überbringer solcher Nachrichten nicht ganz einig. Aber das eine schließt das andere nicht aus. Ich sah ihn also in der Moskauer Erlöserkirche im offenen Sarg liegen (nicht wirklich) und hörte die Abschiedsworte des diensthabenden Patriarchen. Eines muss ich dem Hochheiligen Vater der Russisch Orthodoxen Kirche zugute halten: er hat eine so schöne kultivierte Sprache und eine so klare sonore Artikulation, dass ich jedes seiner Worte verstehe.

https://www.youtube.com/watch?v=h4HlxddytYM

Montag, 18. April 2022

Das Muss

Am Ostermontag: 16 Uhr (jede und jeder hat bequem Zeit, hinzukommen) in Windbergen in der Kirche zum Heiligen Kreuz (kann man nicht verpassen, von überall her gut sichtbar) spielt Peter Heeren seine Gongs und die Orgel.

Eintritt frei, Kollekte willkommen

Hörprobe (nicht aus der Kirche): https://www.youtube.com/watch?v=Un3SpEB3k-k&t=544s

Sonntag, 17. April 2022

Ostern

Ostern! Sonne und Mond am Himmel. In der Früh und in der Spät. Vor dem Küchenfenster verputzen zwei leibhaftige Osterhasen ihr Osterfrühstück (knabbern an meinen Osterglocken). Danach den ganzen Tag Sonne und Ruhe rundherum. Nur die Vögel, die Stare, die Meisen, die Drosseln, die Amseln, die Sperlinge, die Rotkehlchen, die Gelbgefiederten und die Grünlinge sind beschäftigt. In der Birke an der Straße baut ein Eichhörnchen in einer Astgabel seinen Kobel. Ob es das Hauptnest oder eines der acht Schattennester sein soll, ist schwer zu sagen.

Samstag, 16. April 2022

Vollmond

Wie vorhergesagt. Vor Ostern ist immer Vollmond. Obwohl die Christen gerne etwas anderes predigen, legen das Datum des Eiersuchens die Rotationen der Himmelskörper fest. Und nichts anderes. Keine Märchen und keine biblischen Geschichten. Am frühen Morgen also Sonnenaufgang in der Feldmark und Monduntergang über dem Dom. Ziemlich Frostig. Menschenleer. Nur zwei Feldhasen jagen erschrocken davon. Ich muss sie gestört haben bei einer wichtigen Aufgabe. Am Abend dasselbe in umgekehrter Reihenfolge. Mondaufgang im Osten, Sonnenuntergang über dem Dom. Und sofort wird es kalt. Dazwischen am Mittag Besuch einer Chorkollegin. Sie bringt mir Eier ihrer glücklichen Hühner. Und weckt mit ihrem neuen E-Bike eine längst überwunden geglaubte Begehrlichkeit in mir (das erste solche Gefährt, das mir auf Anhieb gefällt in seiner ästhetischen und praktischen Ausführung). Ihr Hund hingegen, der eine kurze Viertelstunde brav unter meinem Gartentisch an der Leine liegt, verstört Herrn Caruso so nachhaltig, dass er sich den ganzen Nachmittag nicht mehr hinaus an die Sonne getraut.

Donnerstag, 14. April 2022

Gründonnerstag

Ein grauer Tag. Immer noch viel Wind. Ich sitze am Schreibtisch und denke darüber nach, wie ein Komiker der ganzen Welt ihren Spiegel vorhält. Das Narrativ, dieses unselige Modewort, gehört ja mittlerweise allen, unabhängig von Profession oder Herkunft. Journalisten haben uns schon vorgemacht, wie man mit schönen erstunken und erlogenen Geschichten helle Begeisterung, Lob und hoch dotierte Preise einstreicht. Wir wollen das so! Wir wollen unterhalten werden! Kürzlich las ich den sinngemäß schönen, formal aber genickbrechend unschön konstruierten Satz:

"Wenn wir lügen, warum sollen wir dann glauben, dass die anderen nicht auch lügen?"

Mittwoch, 13. April 2022

Zitronensorbetgelber Mittwoch

Plötzlich fallen dicke Regentropfen und ich hole eilends Herrn Carusos Kissen ins Haus. An einem heiteren Abend. Nach einem heiteren Tag, den der Kater mehrheitlich draußen verbracht hat. Mit viel heiterer Wärme. Und bevor die Sonne im Westen ganz versinkt, schlägt im Osten noch ein Regenbogen sein Rad. Im Westen leuchtet der Himmel kühl zitronensorbetgelb, etwas zittrig, aber blendend. Und im Osten hängt die Tiefseebläue. Die nach Westen ausgerichteten Giebel der Häuser meiner Nachbarn brennen rubinrot. Oder blutrot. Darüber kunterbunt der Regenbogen. Ich traue meinen Augen nicht. Bevor es ganz dunkel wird.

Dienstag, 12. April 2022

Der vernunftswidrige Dienstag

Kurz ist die Welt bei uns am Wattenmeer in ein irrationales Licht getaucht. Ein rosaroter Himmel hängt vor Sonnenaufgang schwer über dem Meldorfer Dom. Irrational bedeute vernunftswidrig, lese ich. Nicht aus der Ratio entstanden bzw von dieser nicht fassbar. Der Tag verspricht noch einmal viel Kälte. Die ist real und eine Folge meteorologischer Ereignisse, fassbar mit jeder Faser des Körpers.

Montag, 11. April 2022

Ein Montag

Ein normaler Arbeitstag. Geburtstag meiner toten Mutter. Ihre sterblichen Überreste werden wahrscheinlich dieser Tage endgültig von dieser Erde entfernt. Aber was heißt das? Dass absurderweise die Friedhofsliegezeit in ihrem Fall bereits nach nicht einmal 7 Jahren endet. Von wegen Totenruhe! Weil das gemeinschaftliche eheliche Erdbestattungsplätzchen vom Gatten bereits seit einem Vierteljahrhundert beansprucht wird. Und damit, wie das Grünflächenamt der Stadt vor Monaten schon mitgeteilt hat, die Mindesgrabdauer weit überschritten sei. Der Gärtner übrigens hat sich die Grabpflege im Voraus für ein weiteres Vierteljahrhundert nach dem Tod der Mutter bezahlen lassen.

Natürlich sind dies Luxusprobleme, Luxusgedanken einer Lucuswohlstandsgesellschaft. Am Rande des Abgrunds. 

Sonntag, 10. April 2022

Der Zehnte April

Nun ist er wieder im Element, der einsame Zwilling in Warschau. Am 12. Jahrestag des Flugzeugabsturzes, bei dem nicht nur sein Zwillingsbruder, sondern auch 95 andere Menschen ums Leben kamen, wärmt er wieder sein Lieblingsmenü auf: sein Bruder sei vom damaligen russischen Ministerpräsidenten ermordet worden. 

Dabei ist längst erwiesen, dass das Flugzeug abstürzte, weil die Crew erstens nicht hätte starten dürfen aufgrund der Wetterlage und zweitens von den an Bord anwesenden militärischen und politischen Autoritäten beim Landeanflug im dichten Nebel massiv gestört wurde. Außerdem war es hanebüchen, ein Flugzeug mit 96 hochrangigen Menschen aus der Politk zu besetzen sowie nichtrussischsprachiges Personal ins Cockpit zu setzen, wenn man sich auf den Weg zu einem eigentlich stillgelegten Provinzflughafen in der Russischen Föderation aufmacht. Der unglückliche Zwilling an Bord, damals polnischer Staatspräsident mit Magenproblemen, sollte mit dem Besuch in Smolensk den Wahlkampf um eine zweite Amtszeit eröffnen, gedrängt vom glücklichen Zwilling, der in Warschau am Krankenbett der Mutter sass.

Und so zieht jeder aus der momentan misslichen Lage seine Vorteile. Kaczyński fühlt sich durch das Votum des amerikanischen Präsidenten ermutigt, den russischen Präsidenten für den Tod seines Bruders verantwortlich zu machen. Damit will er entgegen eigener Beteuerungen keineswegs endlich die Wahrheit ans Licht bringen, denn die ist längst unumstößlich da, sondern die nächste Wahl gewinnen.

Samstag, 9. April 2022

Wind

Das Wetter hört nicht auf. Herr Caruso hat gestern Abend eine winzige Zecke am Ohr nach Hause gebracht. Die muss weg, sagte ich ihm, ehe sie sich wieder an deinem Blut vollgesogen hat. Er schaute mich an, wie immer, wenn er mich nicht verstehen will. Vorhin ist es mir nun gelungen, nach mehreren vergeblichen Anläufen - ich versuchte es mit Freundlichkeit, mit Strenge, mit einem mutigen Griff in sein Fell am Nacken, aber mein Raubtier wollte auch unter säuselndbesänftigenden Worten nicht stillhalten, und sein Ohr zuckte ständig irritiert, was wohl einem gesunden Instinkt dieser besonders sensiblen Körperstelle geschuldet ist - das Biest an den Haken zu kriegen und aus dem zarten Fleisch herauszuziehen. Den Rest kennt ihr. Bei mir wird der Feind auch vernichtet. Es ist bitterkalt.

Freitag, 8. April 2022

Sonne

Sonne, also Strom vom Dach. Aber wie alles derzeit ist das pure Hinterlist. Der Wind kommt aus dem Hinterhalt. Eiskalt um die Ecke. Vor einer Stunde fiel heftiger Schnee. Die Stare tummeln sich am Meisenknödelhalter. Sie sind geschickter als die Amseln, die immer versuchen an den Leckerbissen in der Gitterkugel heranzukommen, indem sie einmal hochfliegen und aufs Geratewohl den Schnabel einsetzen. Der prallt dann entweder am harten Gestänge ab oder pickt ein Körnchen aus den Zwischenräumen heraus. Ich beobachte dieses sture Treiben schon den ganzen Winter. Es kostet die Amseln bestimmt mehr Energie, als sie je aus dem Meisenknödel herausbekommen. Aus Mitleid platzierte ich schließlich ein weiteres, offenes Futterhäuschen ganz in der Nähe. Nagelte es an die Wand. Sogar wetterfest und regensicher. Füllte es mit ukrainischen Sonnenblumenkernen. Noch habe ich reichlich davon, mein Vorrat für die Vögel dürfte bis weit in den Sommer hinein reichen. Aber die Amseln sind zu blöde, das zu kapieren. Sie peilen immer noch den Meisenknödel an. Obwohl ich eine Futterspur gelegt habe. Mehr kann ich nicht tun. Die Eichhörnchen sind pfiffiger und lieben die Kerne auch.

Donnerstag, 7. April 2022

Orkanböen

Das (Un-)Wetter hört nicht auf. Die (Un-)Ruhe auch nicht. Das Kratzen im Hals. Der Schnupfen. Ich habe mich vorsorglich vor zwei Tagen testen lassen. Da kam ich noch trockenen Fußes zur Brücke über die Drina, die drive-in Teststation auf dem Parkplatz des Jugoslaven an der Marschstraße. Weil ich in der Nacht schwitze und Herr Caruso jeden Morgen mir zu Füßen liegt. Das tut er nur, wenn er sich Sorgen um mich macht. Ich bin aber nicht krank, werde nur gerade wieder durchgepustet.

Mittwoch, 6. April 2022

Dauerregen

Ich bin zum Kaffee eingeladen. Nach gefühlt 200 Jahren. Irgendwie platzt die Existenz gerade aus allen Nähten. Ich habe das Gefühl, viele und doch niemand zu sein, immer und doch nie. Am Geburtstagtisch sitzen drei Schwedinnen, die alle fast auf den Tag genau seit einem halben Jahrhundert an der Schleswig Holsteinischen Westküste, in Dithmarschen bzw. Nordfriesland leben. Unter dem Tisch liegt Heidi, die achtjährige Berner Sennenhündin. Sie ist einmal fast an einem frisch vom Feld geholten und sofort verschlungenen Maiskolben gestorben. Nicht der rohen Mais und nicht der harten Kolben brachten den Darm lebensgefährlich zum Verschluss. Sondern ein daran verheddertes Meisenknödelnetz. Heidi kam rechtzeitig unters Messer und freut sich auf jeden Spaziergang im Speicherkoog. Ich glaube, Heidi vermisst die Berge nicht. Ich auch nicht. Aber die Schwedinnen erzählen von Dingen, die ich nicht verstehe. Von Heimweh, von Grabpflege, von Zwiespälten (gibt es das? den Plural von Zwiespalt?) und anderen Gräben, Spalten, Klüften. Von fehlenden Brücken.

Auf dem Heimweg, ich nehme den kürzesten Weg durch die Unterführung unter der Marschbahn, werde ich bis auf die Haut nass. Das ist mir seit gefühlt 200 Jahren nicht mehr passiert.

Dienstag, 5. April 2022

Ohrensausen

Gänse, zu Tausenden, zu uns geflüchtet, belagern die Felder der Marschkammer. Ringelgänse, die anderswo nicht mehr willkommen sind. Übernachten im Windschatten des Doms. Streiten sich mit Reihern, Enten, Hasen, Fasanen und brüllenden Stieren. Um ein stilles Plätzchen. Kaum steigt die Sonne über den Horizont im Westen fliegen sie auf. Zu Tausenden. Schwirrend, sirrend, aufgeregt. 

Ich habe Ohrensausen.

Montag, 4. April 2022

Gemetzel

Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist. Die Zecke ist von selber abgefallen. Ich habe sie sorgsam in den Garten abtransportiert und dort mit einem Stein erschlagen. Den Tipp habe ich von einer Nachbarin. Jede tote Zecke ist eine lebendige weniger. Auch das ist Krieg. Vernichtung. Gräuel. Vielleicht war sie ja schon tot, so prall und kugelrund. An der eigenen Gier ersoffen. Ob die Zecke Herrn Caruso weiteren Schaden - ausser dem Blutverlust - zugefügt hat, weiß ich nicht.

Sonntag, 3. April 2022

Sonntagsgebet

Es ist kalt. Die Sonne geht nur kurz auf. Und verschwindet (angewidert) wieder. Hinter dunklen Wolken. Schnee, Eis, Regen. Was der Himmel über dem Wattenmeer so bereit hält.  Nur die Amseln im Garten toben und tanzen wie wild. Ich kann nur noch schweigen. 

Samstag, 2. April 2022

Energiebilanz

Immer noch Winter. Zeit für eine Reise ins Innere. Vielleicht ist meine momentane Links-Rechts-Konfusion nicht das Ergebnis einer Offensive (eines feindlichen Angriffs, einer kriegerischen Auseinandersetzung) sondern ganz im Gegenteil der Versuch einer freundlichen Annäherung. Oder gar Aussöhnung. Wenn ich mich mit dem Oberkörper, den Armen, den Schultern, dem Kopf nach links drehe (weil ich höre turn left) und mich dann frage, ob das wirklich meine linke Seite sei, der ich mich zuwende, kann oder darf das auch bedeuten, dass ich keinen Unterschied mehr empfinde zwischen links und rechts. Oftmals ist (oder war) es nämlich so, dass eine Bewegung in die eine Richtung leichter geht als in die andere. Dass in die eine Richtung etwas weh tut, etwas kneift, etwas zwickt und in die andere nicht. Dass etwas im Getriebe verrostet ist, schräg hängt, ungleich läuft. Und jetzt, nach drei Monaten täglichen Übens, funktioniert plötzlich alles im ausgeglichenen Yin-Yang-Fluss, geschmeidig und elegant, kommt ohne Humpeln und Holpern aus, so dass mein armer Geist (mein Schmerzgedächtnis) anfängt zu poltern, wo denn das Stöhnen und Krächzen abgeblieben sei und ob der Körper sich denn auch schön regelmäßig abwechselnd left und right ausrichte und immer richtig die richtig vorgegebene Richtung einschlage. Vielleicht kommt mein Hirn gerade nicht mehr mit mit den hips, neck und lower back. To balance energy empfiehlt der Mönch auf der anderen Seite der Welt, just have a glas of warm water after exercice. Before breakfast. Before lunch. Before dinner. Je nach dem, in welcher Tageszeit wir uns gerade befinden. Immer Wasser, warmes Wasser trinken!

Freitag, 1. April 2022

Neumond

Kein Aprilscherz. Neumond und Frost. Kein Schnee mehr. Aber eisiger Wind aus Nordost. Die Tomatenpflänzchen auf der Fensterbank gedeihen seit dem letzten Vollmond, sie lechzen nach Licht, vor Kälte und Böen geschützt hinter der großen Glasscheibe. Das Futter, das Herr Caruso am liebsten verputzt, ist im Laufe des letzten Monats um 40% teurer geworden. Es kostet immer noch ungefähr nur ein Drittel des ebenfalls, aber eben nur um etwa 14% teuerer gewordenen Biofutters, das ich ihm zwischendurch aus "ethischen" Gründen aufdränge. Unterjubele. Er frisst es natürlich, da er immer hungrig ist, aber mit merklich geringerer Begeisterung. Das für mich viel größere Problem - als unanständig niedrige Preise für gewisse Lebensmittel (Fleisch kaufe ich nur für den Kater) - ist die Zecke, die sich unter Herrn Carusos Kinn, in seinem weißen Stichelhaaren festgebissen hat. Wie soll ich die entfernen, ohne dass ich hinterher in der Notaufnahme des Westküstenklinikums lande? Das Wochenende steht vor der Tür. Kein Aprilscherz.