Ich wache auf, plötzlich elektrisiert: ein Buch! Die Heißmangelfrau, die ich in den letzten Tagen im Schweiße meines Angesichts ins Leben gerufen habe, steht vor meinem Bett, hält meine eigene, von mir selbst ausgebügelte weiße Bluse in der Hand und fordert ihr Recht: ein Buch! Ich wende ein, dass die Bluse noch nicht gewaschen sei, und ich sie auch nur ein paar Stunden kürzlich am Abend getragen habe ... davon will sie gar nichts wissen. Ein Buch, wiederholt sie nur und verschwindet mitsamt meiner besten Bluse. Ich reibe verdutzt die Augen, rufe den Verleger an und setze mich im Schlafanzug an den Schreibtisch. Ein Buch! Ich habe unzählige Regenass-Geschichten geschrieben. Ich muss sie nur finden, formatieren und in die richtige Abfolge bringen.
"Einen eigenen Text las Judith Arlt vor. Die Schriftstellerin war gerade
nach Monaten, die sie als Halligschreiberin auf Hooge verbracht hatte,
nach Meldorf zurück gekehrt. Ihre Kurzgeschichte „Der Glockenschlag von St.
Nikolai“ hatte sie erst wenige Stunden vor der Lesung fertiggeschrieben.
Es geht darin um Frau Regenass und ihre Bügelwerkstatt, die sie morgens
um 6 Uhr öffnet, wenn die Glocken von St. Nikolai zum ersten Mal am Tag
läuten. Aus gegebenem Anlass hatte Judith Arlt sich mit einer gut
gebügelten weißen Bluse bekleidet, um sich so ihrer Protagonistin
anzunähern. Die erfährt durch die Hemden, Blusen und Wäsche, die sie
täglich bügelt, alles über ihre Kunden und führt darüber in einer
geheimen Sprache Buch. Ihr doppeldeutiges Motto lautet: „Ich bügel’s für
Sie aus!“ Judith Arlt zeigte mit diesem brandneuen Text wieder einmal
ihre wortschöpferische Begabung und ihre Spezialität, klangvolle
Wortreihen zu bilden. Außerdem ist sie eine hervorragende Leserin ihrer
Dichtung." (Anneliese Peters, DLZ 21.11.16 Auszug aus dem Artikel "Von der Satire bis zur biblischen Geschichte. Abwechslungsreiches Literaturprogramm beim Vorleseabend im Bornholdt")
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