Mutter findet ihre letzte Ruhe in Liestal und ich verbringe den halben Tag auf dem Halligfriedhof. Die Internetseite der Halligkirche begrüßt die Besucher mit dem Satz: "Wenn es Gott auf Erden gibt, dann wohnt er auf Hallig Hooge!" In Wirklichkeit ist es warm wie im Frühling und hinter der Kirche, windgeschützt und unter der Warftkante, begreife ich den Unterschied von virtueller und nicht-virtueller Welt: "Wenn es ein Paradies auf Erden gibt, dann auf Hallig Hooge!"
Wir reparieren einen etwa Tausend Jahre alten Steinsarg. Die eine Seitenwand ist herausgefallen und in zwei ungleiche Teile zerbrochen. Der Stein ist schwer. Verwittert, grünlich, auf den Liegeflächen bräunlich. Er wurde sicherlich irgendwann freigespült. Als Ganzes oder in den zwei ungleichen Hälften. Die halbe Kirche kam irgendwann in Einzelteilen auf die Hallig, durchs Watt geschleppt von Frauen. Nach der großen Mandränke ließen sich die Menschen, die es sich leisten konnten, in Steinsärgen begraben. Sie hofften, so nicht von der nächsten Sturmflut aufgeweckt zu werden - und wurden es doch. Die Steinsärge, die nicht auf dem Halligfriedhof stehen, werden als Viehtränke genutzt. Auch daran ist nichts verwerfliches. Die Deckel sind nicht mehr aufzufinden. Die wurden anderweitig recycled, als Geh- oder Fahrwegplatten.
Die Pastorin begleitet unser Tun sowie ein Tourist. Sie betet, er naseweist. Wir verkleben die Bruchstellen mit Fugenkleber. Morgen, wenn er trocken und hart ist, füllen wir die übriggebliebenen Leerstellen mit Muschelkalk. Wir arbeiten konzentriert und routiniert, ein eingespieltes Team, als hätten wir in unserem ganzen Leben nie etwas anderes getan.
http://halligkirche.de/de/content/halligkirche.html
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