Samstag, 12. Juni 2021

Nachtleben II

Das Sprichwort der Deutschen sagt, lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. In den meisten anderen Sprachen wird der Vorteil eines Vogel in der Hand gegenüber einem ganzen Schwarm in der Luft betont. Nur die Italiener mögens eindeutig: lieber ein Ei heute als das Huhn morgen. Nun sass aber Baron, der schwarze Kater meiner Nachbarn, die ganze Nacht auf dem Dach. Er raubte uns allen den Schlaf, denn er miaute erbärmlich. Seine Neugier hatte ihn aus dem offenen Dachlukenfenster des Badezimmers hochgetrieben in die Luft. Und als er oben war, packte ihn ganz gehörig die Angst. Weder holdeste Einflüsterungen noch Berge von Leckerlins konnten ihn bewegen, den Abstieg zu wagen. Er zog es vor, die Nacht fastend im Freien zu verbringen. 

Herr Caruso hingegen, Herrn Barons ärgster Feind, war plötzlich die Liebenswürdigkeit im schwarzen Fell, kuschelte mit mir auf dem Bett, schnurrte wie ein Weltmeister und zeigte überhaupt kein Verlangen nach ausgedehnten Nachtspaziergängen. Das Revier war ja nun sicher. Der Rivale sass fest. Also aus Katersicht: lieber den Nachbarn auf dem Dach als ...

Der Katervater holte am Morgen nach dem ersten Kaffee alle verfügbaren Leitern, kletterte über mein Garagendach auf das Hausdach, über die Solarplatenbefestigungen auf den First und packte den in Panik immer noch im Fluchtmodus funktionierenden Baron, drückte ihn fest an seine Brust und brachte sich und das Tier sicher zurück auf den Boden.

Herr Rasputin, seligen Gedenkens, ist da oben immer herumgeturnt. Er befreite sich trotz Alter und Krankheit selbst aus jeder ausweglosen Lage.

2 Kommentare:

  1. Liebe Judith, wir wissen, wovon du schreibt, haben es am eigenen Leib schmerzhaft erfahren. Nach 3 Tagen "badelos"bei diesem Wetter, heute Abend ein erneuter Versuch. Diesmal ausgerüstet mit Rasierschaum, Kreditkarte und Essig.

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