Ich bin derzeit in Warschau auf einem Retrotrip. Ungeplant und ungewollt. Tagtäglich zieht mich dieser Trip eine Straßenecke weiter. Kürzlich, während der langen Nacht der Museen, betrat ich als allerletztes den Pałac Kazimierzowski - heute der repräsentative Sitz der Universitätsleitung, damals, im Herbst 1983, als ich mit einem Koffer und keinem Wort Polnisch mein Stipendium antrat, Sitz der Polonistik. Und noch früher, aber das verriet mir damals niemand, das Wohnhaus der Familie Chopin. In meiner Erinnerung befanden sich hinter der schweren Eingangstür überfüllte Gänge, winzige Seminarräume, in denen man kaum Luft zum Atmen geschweige denn zum Denken (in einer fremden Sprache) hatte und seine Notizen auf den Knien machte. Nun sieht das Innere wieder aus wie zu Chopins Zeiten. Aber nicht der historisierende Rückbau beeindruckte mich. Das kann jeder und ist Geschmackssache. Sondern die einstige Verschandelung, das zielgerichtete Verbauen einer aristokratischen Vergangenheit mit dünnen Wänden, verzogenen Türen und fleckigen Linoleumböden.
Heute früh sammelte ich auf den Knien Tausende von sozialistischen Münzen ein. Mein kleiner Kater organisierte den Weckruf. Er veranstaltete ein mächtiges Getöse. Durch intensives Jaulen und unablässigen Einsatz seiner Tatzen brachte er es fertig, das mit wertlos gewordenen Złoty-Münzen mit dem ungekrönten polnischen Adler aus dem Nachlass von Adolf Rudnicki gefüllte schwere Korkgefäß vom Fensterbrett zu stoßen, das in dieser Wohnung den Zweck erfüllt, die Katzen daran zu hindern, durch ein nur ein Spalt weit geöffnetes Fenster auf den Balkon zu entwischen ... "złoty" bedeutet golden, "złoto" ist das Gold. Bis zur Einführung des Euro wird die polnische Währung golden sein.
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