Welttag der Ozeane. Ich schwimme in der Nordsee. Der Deich ist leer. Der Wind kommt kalt von West. Schafskälte, sagte kürzlich eine Schwimmerin, sage der, der im Fernsehen immer das Wetter ansage. Sie wusste sogar seinen Namen.
Während ich mich schon anziehe, kommt tatsächlich eine zweite Schwimmerin. Sie sagt zu mir: "Wenn alle sich verweigern, müssen wir uns nicht wundern, wenn immer mehr Geschäfte in der Gehstraße schließen."
Ich höre einen Vorwurf. Und ich friere, weil ich mich nicht bewege. Verweigerung im Kontext von gelockertem Lockdown ist ein erstaunliches Wort. Mich verstört es wie einst die Entzerrung. Ich verweigere mich, ja, dem Fernsehen, dem Auto, dem Fleisch. Um nur einiges aufzuzählen. Bin ich also schuld daran, dass es bergab geht in diesem Land mit dem Gemetzel in den Schlachthöfen und einer ekelhaften Gammelfleischindustrie? Muss ich mich tatsächlich anfeinden lassen, weil ich jeden Tag mit dem Fahrrad an die Nordsee fahre und nicht mit dem Auto durch den Speicherkoog (= Naturschutzgebiet, Weltnaturerbe) brettere ungeachtet aller Krötenquerungshinweise und Tempoobergrenzen?
Ich verweigere mich nicht der Meldorfer Innenstadt. Ich habe dort bloss gerade nichts zu tun. Aber ich habe Besuch. Und die Gäste gönnten sich ein Eis. Im Lieblingseiscafé gab es keinen Kaffee und das Eis wurde nur draußen serviert, aus Pappbechern und mit Plastiklöffel. "So macht das keinen Spass", sagten meine Gäste gestern in meinem Garten, wo es Kaffee zu trinken gab. Aus Porzellantassen.
Ich muss fahren, entgegne ich am Welttag der Ozeane schlotternd mit weichen Knien an Deich und verweigere mich einer weiteren Diskussion über die Konsumverweigerung in Corona-Zeiten.
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