Das Erzählen triumphiert überhaupt über alles, wenn es einmal in Gang gesetzt ist. Über den Tod. Über das Leben. Über die Hoffart. Die Niedertracht. Das Unwissen. Die Habgier. Auch über Ebbe und Flut und die zerstörerische Wucht des Agulhasrückstroms. Und natürlich: über die Zeit!
An jedem Morgen der vergehenden Woche las mir Christoph Ransmayr im Radio einen weiteren Teil aus seinem neuen Roman "Cox oder der Lauf der Zeit" vor. Heute fehlt er mir. Samstag und Sonntag ist das Programm auf Wochenende eingestellt, egal ob es die Zuhörer auch sind. Heute also fehlt mir die raue Stimme des Autors, sein gemäßigtes Österreichisch, das gemächliche Erzählen, die Ruhe und der Triumph über alles. Heute fehlt mir die halbe Stunde versprachlichter Arbeit des Londoner Uhrmachermeisters Alister Cox in der Verbotenen Stadt, am Hof des Kaisers Qianlong, des vierten Kaisers der Qing-Dynastie. Ich bin nach fünf Tagen bereits süchtig nach dieser Geschichte, nach dieser Sprache! Qualvolle Entbehrungen während eines regenreichen Wochenendes vorhersehend, beeilte ich mich deshalb gestern, das Buch bei den Buchhändlern meines Vertrauens, bei den ausgezeichneten Pantern in Meldorf zu kaufen. Und heute suche ich ersatzweise den einen Satz, der mich nach der gestrigen Lesung den ganzen Tag nicht mehr losließ. Er steht tatsächlich auf Seite 129, nämlich: "Denn was immer ein Mensch am Hof des Erhabenen erbat - wurde ihm gewährt, was er wollte, verwandelte sich sein Wunsch in einen Befehl, der unverzüglich zu befolgen war."
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