Dienstag, 28. Mai 2024

offline

Ich fahre weg. Nach Jahren, Jahrzehnten endlich Urlaub. Wie er im Bilderbuch steht.  Mit Koffer (viel zu schwer), Ticket, händi und ein bisschen Reisefieber. So long. Hebet's guet, wie die Helvetia auf dem Kleinbasler Brückenkopf sagen würde, wenn sie sich tatsächlich noch von der Stelle rühren wollte und lesen und schreiben könnte.

Montag, 27. Mai 2024

Garten

Ich beschäftige mich am späten Nachmittag noch ein bisschen mit dem Garten. Das Gewitter gestern nachmittag und der Regen in der Nacht haben gut getan. Der Rasen ist gesund und kräftig geworden. Am Morgen graste ein Hase, aber nicht zuverlässig und nicht gleichmäßig. Nun habe ich den Duden online konsultiert und verstehe immer noch nicht, warum die beiden Wörter auf "-ässig" nicht gleich geschrieben werden.

Sonntag, 26. Mai 2024

Gewitter

Rechtzeitig schwimme ich mein Dreieck in der Meldorfer Bucht. Das Wasser ist gnädig, über eine Stunde vor Hochwasser bereits brusthoch. Warm. Ruhig. Die Ruhe vor dem Sturm. Auf dem Deich ist es heiß und windstill. Die Sonnenanbeterinnen strömen in Latschen und mit Thermoskannen herbei. Von Süden dräuen mahnend dunkle Wolken. Wir fahren rechtzeitig los und bald schon prasselt der Regen auf die Windschutzscheibe. G. hat mich mit dem Auto mitgenommen.

Samstag, 25. Mai 2024

Erleichterung

Ich putze das Haus von oben bis unten und entleere zum Schluss den Staubsauger, der ohne Staubsaugerbeutel auskommt. Schraube die Teile auseinander, klopfe den Staubbehälter direkt über der schwarzen Mülltonne aus, und siehe da: es krabbeln mehrere Spinnen heraus, mit staubbedeckten Häuptern. Sie überleben also! Dann wasche ich den Filter unter fließendem Wasser aus. Wenn er sauber ist, muss er 24 Stunden trocknen, bevor die Hausfrau ihn wieder benützen darf. Das erleichtert mich ganz unerwartet und nimmt mir viel Schwere von der Seele, den ganzen Ballast der Zeit. Ich lege das tropfnasse Teil an die frische Luft, auf den Gartentisch, an die Mittagssonne, wie eine Pflanze, die vom Licht genährt werden will.

Freitag, 24. Mai 2024

Verzweiflung

Der letzte Arbeitstag. Die Verzweiflung greift von allen Seiten. Ich habe nicht einmal den Mut, ans Meer zu fahren. Es ist zu heiß und ich bin zu fahrig. Ich sammle stattdessen meine Gedanken und versuche sie zu ordnen. Nach Farbe, nach Größe, Länge und Breite, nach Gewicht. Dasselbe funktioniert auch mit Buchstaben und mit ganzen Wörtern. Mit vollständigen Sätzen und vollgeschriebenen Seiten. Mit numerierten Kapiteln, titellosen Geschichten und mit sämtlichen Romanen der Weltliteratur, allen geschriebenen und ungeschriebenen.

Donnerstag, 23. Mai 2024

Blumenmond

Maivollmond: Blumenmond oder Vesakh, je nach dem, wo wir uns in der Welt gerade befinden. Bei den nordamerikanischen Ureinwohnern oder unter den Theravada-Buddhisten in Südostasien.

Angeblich wurde Buddha an einem Maivollmondtag geboren - und ist Jahre später, nach seinen Wanderungen durch Lehre und Stille bis hin zur Erleuchtung, an einem eben solchen Maivollmondtag gestorben. Also heute. Und auch heute ist also der Tag, an dem sich alle Katzen dieser Welt, also auch meine Herren Rasputin und Caruso, für immer und ewig den Fluch nicht gezeigter Trauer auf sich geladen haben sollen.

Das Leben in seiner Fülle ist kompliziert. Nicht vergossene Tränen können nie wieder nach-vergossen werden. Das Leben ist eben weder eine Regentonne noch eine Gießkanne. Am Wattenmeer hat es aufgehört zu regnen, die Luft ist rein und ich radle zum Hochwasser an die Meldorfer Bucht, schwimme mein besinnliches Dreieck, eingedenk des hoffentlich nun bis zur Unkenntlichkeit verdünnten Universalreinigers. Am Abend, wenn der Maivollmond über den Horizont im Osten steigt, bitte zur atmosphärischen Reinigung Einkehr halten, für den Weltfrieden meditieren und die Figur eines stehenden (ich besitze mehrere, leider allesamt Sitzende) Buddhas mit klarem Wasser übergießen. Dann wird alles gut!

Mittwoch, 22. Mai 2024

Regen

Wie erlösend! Nachtregen, Morgenregen, Landregen. Gegen Abend Starkregen. Zum Glück habe ich gestern abend kurz nach Sonnenuntergang, im letzten Licht des Tages, den Rasen auf der Nordseite gedüngt. Nachdem ich ihn gemäht, gemulcht und getreten hatte. Wenn ich mit den Nagelschuhen über den Rasen gelaufen bin, sieht er aus: Wie gekämmt. Und jetzt, nach einem ganzen Tag im Regen: Wie gewaschen! Eine saubere Sache, auch für die geplagte Seele!

Dienstag, 21. Mai 2024

gokuraku

Um meine verwirrten Sinne zu beruhigen las ich vor dem Einschlafen unter der Nachttischlampe das Manesse Indigo-Bändchen "In einem japanischen Garten" von Lafcadio Hearn alias Koizumi Yakumo. Ein wunderbarer Text - ausgehend von der buddhistischen Unterscheidung aller Dinge in "hijō" (= Dinge ohne Wunsch, Steine oder Bäume) und "ujō" (= Dinge mit Wunsch, Menschen und Tiere, auch Insekten!) - mit vielen liebevollen Schilderungen von Steinen und deren Anordnungen, Größen und Formen, von Blumenleeren Beeten, von Grenzen und Zäunen, vom Sinn des Unsichtbaren und Sichtbaren, vom Sinn des Sinnentleerten (nicht Sinnlosen!) und Sinnvollen. Sowie natürlich von Tieren, von Garten- und Haustieren, Grillen, Fröschen, Vögeln, Zikaden und nachtaktiven Insekten. Die Katzen kommen zwiespältig und eher schlecht weg, behauptet der griechisch-irische Japaner doch einerseits: "Katzen sind Magier und haben die Kraft, Leichen tanzen zu machen.", andererseits: "Katzen sind fluchbeladen: einzig die Katze und die giftige Schlange weinten nicht beim Tode Buddhas; und sie werden nie in die Seeligkeit des gokuraku eingehen."

Ich aber bin eingegangen in die Seligkeit. Das Indigoblau bescherte unaufgeregte Träume. Und wieder hinausgekommen.

Montag, 20. Mai 2024

Unruhe am Deich

Mittagsschwimmen. Ruhige See. Ich drehe zufrieden mein Dreieck. Dann kommen Strandkorbsaisonmieter mit Putzeimer und Universalreiniger (Orangengeschmack). Wegen der vielen "Viecher". Richtig! Kleine schwarze Fliegen. Kleben sogar auf meinem Fahrradsattel. Stören aber nicht. Sind nicht aufdringlich und nicht durstig. Ist doch gut, sage ich, dass es noch Insekten gibt. Aber nicht so viele! Sie könnten sich nicht einmal in Ruhe in den Strandkorb setzen! Ich sitze auf dem Deich, auf meinem Handtuch, unter mir vertrocknete Ringelganskacke. Ungerührt. Sie kommt auf die Quallen zurück. Ach ja. Kürzlich, als wir uns das letzte Mal begegnet waren, an der Badetreppe, gab es Quallen. Das Wasser sei viel zu warm! Damals war es noch viel kälter als heute, sage ich. Rechthaberisch. Unnachgiebig. Und heute gibt es keine Quallen. Alles müsste wieder zur Norm zurückkehren, fordert sie. Zu welcher Norm? Frage ich irritiert. Ihr Mann hatte Nervenschmerzen, die ganze Nacht. Er bestätigt das, während er den Strandkorb von hinten und von unten besprüht. Unverdünnt. Sie habe gelesen, sagt sie, die Insekten mögen keinen Citrusduft. Oho! Ich erhebe mich, ziehe mich an. Mir wird das hier zu bunt. Bin ich (k)eine Insekte? (K)Eine kleine schwarze Spinne? Beim nächsten Regenguss, sage ich, wird doch alles wieder abgewaschen! Auf den Deich ins Gras gespült, das die Schafe fressen sollen. Sie wollte nicht mit Insektenspray anrücken, erklärt sie, denn der sei giftig und würde die Insekten töten. Aha! Sie will sie nur aus ihrem Strandkorb vertreiben.

Ich muss nach Hause, Gewitter sind angesagt. Sie fragt wohin. Und gibt ungefragt Anweisungen, wie ich am besten hinkomme. Ich kämpfe so oder so gegen den Ostwind. Angekommen gehe ich schnurstracks ins Internet. Geheimnisse gibt es in dieser Welt nicht mehr. Der "umweltverträgliche" Universalreiniger, von dem die Herrschaften gerade eine halbe Flasche ungeschützt an das fragile Ökosystem am Wattenmeer abgegeben haben, besteht aus 5 % anionischen europäischen (sic!) Tensiden, nichtionischen Tensiden, Seife, Duftstoffen (Limonene, Linalool) sowie aus Orangenöl und Kosmetikfarbstoffen. Unter dem weiterführenden Pfeil "Detergenzienverordnung" finde ich die genaue Liste der Inhaltsstoffe "in absteigender Reihenfolge": 

AQUA
SODIUM LAURETH SULFATE
PHENOXYISOPROPANOL
SODIUM CHLORIDE
PEG-4 RAPESEEDAMIDE
Linseed Acid, Methyldiethanolamine salt
METHYL DIETHANOLAMINE
PARFUM
TETRASODIUM GLUTAMATE DIACETATE
LIMONENE
LINALOOL
COLORANT

Gar kein Insektenabtötendes Gift?

Sonntag, 19. Mai 2024

Quark an Pfingsten

Immer, wenn ich mit dem Messer oder mit dem Löffel eine Quarkpackung ausschabe, kommt die Erinnerung an Herrn Caruso hoch. Er liebte es über alles, solche Verpackungen leerzuputzen. Und er hörte am schabenden Geräusch meines Essbestecks, wann die Zeit für seine Raspelzunge gekommen war. Ein sensibler, intelligenter Kater! Er verbrachte viel Zeit mit den Quarkresten, zuerst in der Quarkpackung und dann rund um sein Näschen herum. Er putzte zuerst das Plastik restlos aus, dann sein Fell. Und war lange glücklich beschäftigt! Alle Katzenfutterhersteller warnen natürlich vor solch menschlichen "Leckerlis", die Tierärztin hatte mir Quark aber schon für den nierenkranken Vorgänger empfohlen. Herr Caruso bekam zudem nur vollfetten Quark, weil seine Herrin anderen verachtet, aber in unregelmäßigen Abständen, was die Freude auf beiden Seiten erhöhte. Es war das letzte, was er noch zu sich nahm, etwa einen halben Teelöffel pro Tag, von mir auf Knien gereicht wie in einem japanischen Edelrestaurant. Bevor er, wenige Stunden vor seinem letzten Atemzug, nur noch Regenwasser trinken wollte. Was er nie zuvor tat. Er trank nie. Oder fast nie. Ich reicherte sein Nassfutter deshalb immer mit einem Schluck Wasser an, besorgt um seinen Flüssigkeitshaushalt. Aber der war bis zum Schluss in Ordnung.

Samstag, 18. Mai 2024

Ruhe am Himmel

Morgenschwimmen. Wenig Wasser, kein Mensch, kaum Wind. Himmlische Ruhe! Ich frühstücke und friere am Deich. Schlottere, bis ich mich wieder warmgetreten habe. Das Wattenmeerkontrastprogram. Zu Hause müssen die Tomaten endlich an die Luft und in die Töpfe. Die Tonkegel liegen schon seit gestern im Wasser aus der Regentonne. Es kocht in der Mittagssonne. Auch der kleine Bambus bekommt sein Bewässerungssystem. Am Nachmittag nimmt der Wind wieder Fahrt auf. Und im Nachbarsgarten lärmen die Kinder im Pool. Im anderen Nachbarsgarten jault der Rasentrimmer. Das Wattenmeerkontrastprogram.

Freitag, 17. Mai 2024

Der Rhododendron

Der Rhododendron explodiert an der Hausecke. Er kriegt von mir nur ab und zu Kaffee. Auf Kunstdünger verzichte ich in meinem Garten. Und ich absolviere in seinem Schatten täglich nach Sonnenaufgang mein Qi Gong. In der Edelkastanie nisten Tauben. Hoch oben über den Nistkästen der Stare. Das Gezänk ist weithin hörbar, aber dazwischentreten kann ich nicht.

Donnerstag, 16. Mai 2024

Die Wüste

Der Ostwind ist gnadenlos. Heiß und staubig. Der erste Donnerstag ohne einen Schritt vor die Tür. Ohne Chorprobe, ohne Schwimmen, aber mit Trampolin im Wohnzimmer.

Mittwoch, 15. Mai 2024

Die nasse Sophie

Die kalte Sophie. Die eisige Sophie. Die Patronin der Spätfröste. Nichts davon zu sehen am Wattenmeer. Sturmböen bis Bft 7. Über 20 ° schon zum Frühstück. Trotzdem hege ich meine zarten Tomatenpflänzchen weiterhin auf dem Festerbrett im Wohnzimmer. Der heiße Wind aus Ost würde sie im Laufe des heutigen Tages zerzausen, zerrupfen, ausdörren, und ich käme überhaupt nicht nach mit gießen. Regen ist nicht in Sicht. Aus den noch unbepflanzten großen Tomatentöpfen auf der Terrasse sprießen derweil ungefragt Kürbisse. Ich hatte die Erde rechtzeitig angereichert und gut vermischt mit meinem eigenen Kompost. Und darin lebt und überlebt und wuchert nun so manches Wunder. Eisheilige hin oder her. Meeresspiegelanstieg her oder hin. Klimakatastrophe jetzt oder nie. Heute kein Schwimmen. Es ist schon wieder Halbmond und die Nippzeit beginnt.

Dienstag, 14. Mai 2024

Bonifatius von Tarsus

Bonifatius kam hier schon öfters vor, immer am 14. Mai. Der vorletzte Eisheilige. Der scharfe Ostwind nimmt täglich zu. Ich rase trotzdem am Abend zum Meer. Mit Rückenwind und zuweilen über 40 kmh. Ich will schwimmen. Bis zur Boje hinaus. Auch die Temperaturen nehmen täglich zu. Und der Übermut. Am Nachmittag erteilte ich dem Schweizer Radio ein Interview zu Lina Bögli. Über WhatsApp. Es ist alles nicht mehr so wie früher. Die Bode-Lina (nach dem "Boden", dem Ort, dem Flurstück diesen Namens hinter oder über der Oschwand, wo ihr Geburtsthaus stand und wo sie, die kleine Bögli, groß wurde) war mE weder ein gutes noch ein böses Mädchen, sondern ein viel zu braves. Auf dem Heimweg quäle ich mich sehr gegen den Gegenwind. Ich muss alle meine Muskelkräfte aufbieten. Sogar der Bordcomputer kapituliert auf halber Strecke, gibt seinen Geist erneut erschöpft auf, nachdem er gestern in der Werkstatt mit frischem Mut (einer neuen Batterie) ausgestattet wurde und sofort (aber nicht nachhaltig oder unwillig, wie sich heute zeigt) seinen Dienst aufnahm.  

Nichts ist mehr so wie früher.

Montag, 13. Mai 2024

Servatius von Tongern

In der Nacht steht der Fingernagelmond am Himmel. Die Eisheiligen (heute der Hl. Servatius von Tongern) machen sich bei uns durch scharfen Ostwind bemerkbar. Ansonsten wären die Temperaturen moderat. Gestern abend zeigte das Badewannenthermometer eines Schwimmers eine Wassertemperatur von 18° an. Er lachte und sagte, die Leute glauben alles, was das Fernsehen sagt. Das Schleswig-Holstein Magazin verkünde nämlich immer noch eine Wassertemperatur an der Westküste von 11°. Wir allein, die wir uns im Badewannenmeer räkeln, kennen die Wahrheit.

Sonntag, 12. Mai 2024

Die Hitze der Nordsee

Nach dem langen Winter endlich eine heiße Nacht. Die Hitze der Nordsee ist aufsteigend und verzögert. Sie liebt das Bett. Kommt, wenn ich endlich liege, auf dem Rücken, von den Zehen über die Fersen bis in den Nacken hoch. Eine lange nicht empfundene Wohligkeit. Mit Sonnenaufgang bin ich wieder auf den Beinen.

Samstag, 11. Mai 2024

angebadet!

Endlich! Samtweiches Wasser. Nicht kalt. Voller Quallen. Voller Menschen. So etwas gab es noch nie. Ich bin eine der Letzten. Die bunten Strandkörbe mit den Hunderternummern, sagen die anderen Badenden, kommen aus Friedrichskoog. Dort wird der Deich erneuert. Und die Strandkörbe mussten weichen. Wanderten wohl der Meldorfer Bucht entlang nach Norden. Vielleicht kamen mit ihnen auch die Strandkorbnutzerinnen? Deshalb die überraschende Übervölkerung an meinem ersten Tag. Im Wasser. Und auf dem Deich.

Mein drahtlos gesteuerter hightech Fahrradcomputer streikt auf der ganzen Strecke. Hin und zurück. Aber die Strecke bleibt auch ohne die Technik wie sie ist. 25 Kilometer lang, bei mäßigem Ostwind ist die Hinfahrt etwas leichter zu bewältigen als die Rückfahrt.

Freitag, 10. Mai 2024

ausgesungen!

Wie immer am Tag nach dem Chorauftritt pflege ich meinen Kater. Den Messiah kann ich jetzt auswendig. In english! Das ist leider immer erst post factum der Fall. Es war mein letztes Konzert mit dem Domchor. Und mein persönlich bestes! Ich habe diesen Handel (ja! ohne a-Umlaut) jetzt verstanden. Durch die Musik. Dank eines sehr gepflegten Orchesters und dank sehr engagierter Solisten. Und dank des jungen Nordfriesen am Dirigierpult.

Der Chor aber hat zu seiner alten Verwilderung zurückgefunden. Blitzartig! Von den blumigen Umschreibungen einer neuerstandenen Chorgemeinschaft, mit denen uns die Vorgängerin des Interimsvakanzverteters vor dem Winter verabschiedet hatte, ist nichts geblieben. Nichts! Zur Generalprobe erschien unangemeldet ein gutes Dutzend Primadonnen, die sich an prominenter Stelle aufpflanzten, so dass zuerst das Podest erweitert werden musste, damit der Rest auch Platz fand. 

Viel mehr ärgerten mich aber die zumeist männlichen Großmäuler, die bei (fast) jeder Probe anwesend waren und immer den Mund aufrissen, wer welchen Einsatz von wem am besten übernehmen sollte, sie wussten auch nach dem Konzert immer noch alles besser als der freundliche nordfriesische IVV (s.o.). Obwohl sie höchstselbst gerade ihren wichtigsten Einsatz verpatzt hatten. 

Never mind. Es war trotzdem mein bestes und letztes Konzert. Der Maestro hat eine große Karriere vor sich, wenn er sich dereinst aus seiner Vertreterrolle loseist sowie sich von der Westküste wegbewegt, sich aus Dithmarschen und einer vermeintlichen Kulturhauptstadt verabschiedet, und - wo auch immer in der großen weiten Welt - einen eigenen Chor leitet, den er "erziehen" darf. Und muss!

Donnerstag, 9. Mai 2024

Himmelfahrt

Es gibt noch Karten an der Abendkasse und der Dom ist geheizt. Es ist drin ungefähr so kühl wie draußen, wer das Glück hat, auf einem Heizkissen zu sitzen, wird ins Schwitzen kommen!



Mittwoch, 8. Mai 2024

Neumond

Wenn ich aufstehe, ist der Mond neu!

Am Abend im immer noch eiskalten Dom Generalprobe. Draußen Sommer, drinnen Winter. Irgendwie müssen wir da alle durch oder hin. Mit Thermounterwäsche, Lammfellgefütterten Stiefeln und dem in schwarz eingeschlagenen Notenbuch.

Dienstag, 7. Mai 2024

Waldmeister

Es ist kalt! Früh war ich nüchtern beim Hausarzt zum Blutzapfen. Natürlich nicht bei ihm selbst, sondern bei seiner professionellen Blutsaugerin. In regelmäßigen Abständen werde ich von einer der freundlichen Damen am Telefon aufgefordert, dies zu tun. Wenn ich ein Folgerezept bestelle. Für meine müde Schilddrüse. Ich fröstele den ganzen Tag, rücke am Nachmittag im Garten dem Waldmeister zu Leibe. Aber da ist es auch nicht wärmer. Kürzlich erzählte mir eine Sopranistin in der Probenpause, sie koche Waldmeistermarmelade. Nach der seien alle verrückt! Sie färbe sie mit grüner Grütze. Musst Du machen, bevor er blüht, sagt sie. Und warnt: ist sehr zeitaufwändig! Wenn er blüht verliert er das alle betörende Aroma. Meiner blüht wie ein Weltmeister. Ich schicke ein Stoßgebet in den bleiernen Himmel.

Montag, 6. Mai 2024

Klarsicht

Auf Ostern folgt traditionsgemäß der Ostermontag. Ich bin mit vielerlei Unösterlichem und Unmontäglichem beschäftigt. Ich putze in einem Anfall von Irrationalität sämtliche Fenster! Nur weil ich gestern alle Tomatenpflanzen losgeworden bin, und vorgestern einen guten Teil meiner traditionsgemäß im Sommer schmählich vernachlässigten Zimmerpflanzen, und also das Fensterbrett im Wohnzimmer plötzlich leer ist. Und die Scheibe verdreckt und verklebt. Zum besseren Durchblick einlädt. 

Ich beeile mich, bevor mir die Sonne aus meiner besten Absicht einen Strick drehen kann.

Sonntag, 5. Mai 2024

Ostern

Die Orthodoxen feiern Ostern. Auch sie feiern an diesem Tag die Auferstehung Christi. Der Krieg geht trotzdem weiter. Bei uns bricht ein kühler Sonntag mit Regen an. In der Nacht brannten nur die energiesparenden Straßenlaternen wieder. In ihren Lichtkegeln versammelten sich herumstreunende Katzen, Hasen, Igel ... Ich schlief beruhigt ein und wachte traumlos auf.

Samstag, 4. Mai 2024

Blaugrün

Ich führe mein Maranello zum ersten Mal im Mai aus. Setze den Helm auf und klappe Sonnenvisier hinunter. 

Matsch (Niedrigwasser, Ebbe) in der Meldorfer Bucht, weit und breit kein Mensch, sanfter Wind aus West. Auf dem Deich bunte Strandkörbe. Die Duschen sind bereits aufgestellt und an die Wasserleitung angeschlossen. Die grasgrünen Mülleimer stehen stramm, mit himmelblauen Müllsäcken bestückt. Auch die Warntafeln vor der Pazifischen Auster und der Rutschgefahr sind wetterfest an die Handläufe festgeschraubt. Zum Anbaden fehlt nur das Wasser!

Ich beeile mich, vor dem Regen wieder nach Hause zu kommen, um den Rasen zu düngen.

Freitag, 3. Mai 2024

Bindungsangst

Vor Ladenschluss bringe ich meine Berliner Designer-Uhr zum Dithmarscher Juvelier. Der Federsteg ist verbogen und das noch neue Designerarmband hält nicht mehr an meinem so zarten Handgelenk. Deshalb liegt die Uhr schon so lange ungenutzt in einer Ecke meines Meldorfer Hauses, dass sich die Batterie tatenlos und ganz von selbst erschöpft hat. Ich bringe also die Uhr zu Voss und erkläre, dass ich eine neue Batterie brauche, aber nur, wenn er das Original-Armband mit einem nicht Original-Federsteg wieder zur Vernunft bringt. So dass sich die Uhr wieder fest an mein Handgelenk bindet. Und ich sie nicht irgendwo in der Welt verliere. Ansonsten, sage ich, kann ich mir die Kosten und das anachronistische Tragen einer Armbanduhr sparen. Und die Uhr, wie jeden anderen Überfluss, sortiert meinen diversen Mülltonnen übergeben. So weit bin ich nämlich schon.

Die Designerfirma ihrerseits wirbt mit einem süffisanten Spruch (Bindungsangst? Einfach mal was Neues probieren? Mit unseren Wechselarmbändern kein Problem) für alles Überflüssige, um das eigenen Überleben zu sichern. Wir antiquierten Armbanduhrträgerinnen sollen jederzeit, passend zu jeder Abendrobe das passende strap einsetzen. Leder (pflanzlich gegerbt), Kork (nachhaltig, vegan), Edelstahl oder Mesh, in allen denk- und undenkbaren Farben. Um den Konsum und die Habgier anzukurbeln, werden die Uhren mit einem 10Strap-Gutschein verkauft. Damit komme ich aber hier am Wattenmeer heute leider keinen Schritt weiter.

Donnerstag, 2. Mai 2024

Morgensonne

Seit zwei Nächten brennen keine Straßenlaternen mehr. Es ist stockfinster wie auf der Hallig oder im Himalaya. Vielleicht ist das neu seit dem Ersten? Wunderbarer Sternenhimmel!

Aber gegen 5 Uhr wird es hell vor meinem Schlafzimmerfenster. Gestern fragte mich die Nachbarin, ob ich draußen geschlafen habe? Irritiert schüttelte ich den Kopf. It's not the season ... not yet! Obwohl die Nachttemperaturen es durchaus zuließen. Die Tagestemperaturen sowieso. Aber wer schläft schon tagsüber draußen im Garten? Erstmal fängt der Tag an, und ich gönne mir zum ersten Mal im Garten am Wattenmeer auf dem frisch gepflügten (vertikutierten) Feld (Rasen) Qigong am Morgen mit meinem vietnamesischen Mönch in Kalifornien. Zunehmender Wind aus Ost. Dann Rasentreten. Und Rosenbinden. Sie brechen unter ihrem eigenen Gewicht zusammen. Der Garten manifestiert in der Morgensonne eine unheimliche Kraft.

Mittwoch, 1. Mai 2024

Baumliebe

Nun folgen die ersten. Beginnend mit dem ersten Mai. Der Apfelbaum blüht! Und die Edelkastanie schießt endlich aus. Sie ist immer die letzte. Ein Nachbar fragte schon, ob sie krank sei. Nein, die Edelkastanie ist gesund! Sie fordert uns nur etwas Geduld ab. Mit schönster Regelmäßigkeit. Im Frühjahr und im Herbst. Sie bekommt als letzte von allen Bäumen rundum Blätter und verliert sie entsprechend erst dann, wenn rundum alles schon kahl ist. Aber auf den Baum ist immer Verlass! Auf die Vögel ist Verlass. Die Starenkäste sind besetzt. Die Meisenkästen ist besetzt. Und die Amseln, die Spatzen, die Sperlinge, die gelben und grünen, die Rotkehlchen sind schon lange dabei. Sogar die Eichhörnchen rupften an meinen tibetischen Gebetsfahnen, um ihren Nachwuchs in einem gut gepolsterten Nest empfangen.