Samstag, 4. März 2017

Gehen

Kürzlich begab sich meine Schuhmacherin, wie sie mir berichtete, wieder an die Frühlingsschuhmesse in Spreitenbach. Dorthin hatte ich sie vor Jahren einmal begleitet.
Spreitenbach war in meiner helvetischen Kindheit Synonym für Modernität. Autobahn. Autobahnkreuz. Autobahnauffahrt. Autobahnabfahrt. Ein Symbol für uneingeschränkte Mobilität, Freiheit, Beton, Lärm und Gestank statt bunte Wiesen und summende Schmetterlinge wie jenseits des Belchen im Kirschbaumbestandenen Baselbiet.
Die Spreitenbacher sind bis heute reich und erfinderisch. Um die Staus des 21. Jahrhunderts zu beherrschen, sie einzudämmen und maximalen Nutzen aus stehenden Autos und deren ungeduldigen Fahrern zu ziehen, schufen sie ein Dosiersystem für ihre berühmte Auffahrten rund um das Kreuz und führten schweizweit die erste Rampenbewirtschaftung ein. Warteräume und Tropfenzähler wurden für 1,8 Mio Schweizerfranken installiert. Wie im Krankenhaus.
Seit ich damals meine Schuhmacherin nach Spreitenbach begleitet habe, überlagert alle Spreitenbacher Autobahnraststättenbilder meine Spreitenbacher Erkenntnis, dass Leute, die mit Schuhen zu tun haben, die Schuhe verkaufen oder reparieren, jeden neuen Schuh, den sie in die Hand nehmen, zuerst umdrehen, um die Sohle zu prüfen. Sie betrachten sie, betasten sie, beklopfen sie, biegen sie und beschnuppern sie. Sie zollen Respekt der Unterseite. Das Gehen fängt an der der Sohle an.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen