Heidi war ein Neutrum in meiner Kindheit. Immer: s'Heidi (= schweizerdeutsch für "das Heidi"). Nie: d'Heidi (was mit "die Heidi" übersetzt werden müsste).
S'Heidi - DER helvetische Kinderklassiker mit Weltruhm. Heute sehe ich Heidi, die fiktive Kinderromanfigur vor allem als stolze weibliche Begründerin des Heidilandes. Die Schweizer mögen sich streiten wo es wirklich liegt, ob an einer Autobahnraststätte, malerisch in den Flumserbergen oder im bündnerischen Maienfeld, für manche Asiaten ist es viel wichtiger als Switzerland.
S'Heidi also, seine Lehr- und Wanderjahre - ein Plagiat. Ein Produkt des Abschreibens, wie der Germanist Peter Büttner nun herausgefunden haben will. Und schlimmer noch: Heidis Vater soll ein Deutscher sein, adeliger Herkunft: Hermann Adam von Kamps (1796-1867), Volksschullehrer und Heimatdichter aus Mülheim an der Ruhr. Sein Mädchenroman "Adelaida, das Mädchen vom Alpengebirge" erschien 1830. "In Handlung und Wortwahl" wiesen die Wissenschaftler "erstaunliche Ähnlichkeit" mit Johanna Spyris "Heidis Lehr- und Wanderjahre" von 1880 nach. Spyri habe, sagt Büttner, Kamps "wie eine Weihnachtsgans ausgenommen". Die Spyri-Biographin argumentiert dagegen fast wörtlich wie der Ullstein-Verlag im Fall Hegemann. Sie könne kein "Ur-Heidi" in Kamps Heldin erkennen. Und weiter: Die Frist für das Urheberrecht sei ohnehin längst verstrichen.
Heute heißt das Verfahren C&P (copy and paste), dessen sich jede und jeder Schreibende bedient. Ich schreibe mit Vorliebe aus Lexika, Fachartikeln oder Boulevardpresse ab. Irgendwoher müssen ja die wunderschönen Wörter auf meinen ganz normalen Ikea-Schreibtisch kommen.
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